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128 .Herr Kapitänleutnant!" rief der auf der Brücke stehende Kapitän den eben des Weges daherkommenden Offizier an. .Herr Kapitän befehlen?" fragte dieser kurz und militärisch, indem er die rechte Hand salutirend an die Mütze führte. „Einen Augenblick, bitte!" und gewandt lief der noch junge Offizier zu seinem Vorgesetzten. Das Auge des Gestrengen ruhte musternd auf seinem 1. Offizier, der schon Unheil ahnend in respektvoller Entfernung stehen geblieben war. Er wußte, Alles konnte der „Alte" lei den, nur nicht Schlappheit im Dienste. Das Unwetter lieh auch nicht lange auf sich warten. .Herr Kapitänleutnant, war das heute ein Manöver? — Wissen Sie Herr, ein Haufen Werftmenschen würde sich nicht so Phlegmatisch benehmen, wie diese kaiserlichen Matrosen, die hier vor mir an Deck stehen!" — schnauzte er den Angeredeten mit einem bösen Blicke streifend, auf die angetretene Mannschaft weisend an. „Wenn das nicht bald anders wird, dann passirt etwas. Heute wollen wir die Leute aber zur Strafe noch etwas hoch nehmen. Schwitzen sollen die Kerle." Das Weitere des Gespräches war nicht mehr zu ver stehen, denn es wurde nur gezischelt. Bald sollten aber die Matrosen merken, was die Glocke geschlagen hatte. Der Kapitänleutnant begab sich, nachdem er von seinem Kommandanten entlassen war, in die unteren Schiffs räume, suchte sich die Spielleute zusammen und instruirte sie leise aber eingehend.' Bald hatten sich diese auch mit ihren Instrumenten im Schiffe vertheilt. Ein Hornist folgte dem Herrn Kapitänleutnant und blies auf die Zeichen des Vorgesetzten den Generalmarsch. Die andern Spielleute nahmen das Signal auf und „Generalmarsch" blies das Horn und schlug die Trommel. ,Mar Schiff zum Gefecht!" Nun kam aber Leben in die Mannschaft. Im Nu war Alle» vom Oberdeck verschwunden. Jeder Mann eilte nach feinen Handwaffen, schnallte um und brachte seinen „Knh- futz" aus die GefeMsstation und hängte das Gewehr in die dazu angebrachten „Striwwen". Bramstange und Rasen wurden an Deck genommen, die Brassen losge worfen und die Marsen verkleidet und in jedes der drei wnrde ein Maschinengewehr transportirt. Die Jollen für die Fahrstühle, zur Beförderung in den Masten Ver wundeter wurden geschoren, die Bovtsdavids angeholt und Material zum Ausbessern der beim Gefechte ent standene Schäden in der Takelage an Deck gebracht. Die ses Alles war die Arbeit der Dippstakler. Die andern Mannschaften hatten unterdessen Munition an Deck ge schafft und die Kanonen los gemacht und geladen und Warteten auf das Kommando Aufsatz, Zielrichtung und „Feuer'." Auch die Heizer Waren in Bewegung gekommen. Die Twistlappen flogen nur so an die Seite.. Langsam stieg bald der Schornstein in die Höhe und eine dicke Rauchwolke entquoll dem jetzt ziemlich hohen Schlote. Dem Koch hatte man das Feuer ausgemacht, denn, sobald scharfe Munition an Deck kam, durste kein Feuer in der Kombüse brennen. Der Koch ging zu den Munitions nummern über und muhte jetzt anstatt den Kochlöffel zu hantiren, sich mit den schweren 15 Centimeter-Granaten rumbalgen. Ein saures Gesicht schnitt der des prak tischen Dienstes Ungewohnte ob dieser schweren Arbeit. — Was Hilsts aber, bei dieser Rolle ist kein Mann ent behrlich. Bald ertönte von der Brücke das Kommando feuern, denn schon lange hatte der Navigationsoffizier das gedachte Ziel genommen und angegeben und es den Geschützkommandeuren zugerufen, die dann den Geschütz führern den Aufsatz zugerufen hatten. „Geschützweise feuern" ries der Batterieoffizier und nach eigenem Er messen wurde geschossen. Es muhte den Leuten offenbar Spaß machen mit scharfer Munition schießen zu dürfen, denn Alles war munter und fidel. Doch nun ging's erst richtig los. Eine Weile hatte man gefeuert, als das Kommando „Feuer im Großmars" ertönte. Wie der Wind sausten die an den Geschützen überzähligen Nummern davon, schlu gen die Pumpen runter, schraubten die Schlauche an und in ein paar Sekunden War der Schlauch an Deck gemannt. „Pumpen!" und ein dicker Wasserstrahl ent quoll dem metallenen Mundstücke in der Richtung der im Großtvpp gedachten Brandstelle zu. Bald War auch dieses als gelöscht betrachtet und wieder „An die Geschütze" hieß es nun. Der Schlauch wurde hingeworsen und die beim Löschen beschäftigt gewesenen und am Geschütz so lange ausgefallenen Nummern meldeten sich wieder an letzterem zur Stelle. Noch halten sie sich nicht erholt, als auch schon wieder der Ruf „Feuer im Achterschiff!'-er tönte und der Schlauch hier hingebracht werden mußte. Tas wollten sie aber auch jetzt dem Kommandanten mer ken lassen. Mit dem größten Gleichmuthe setzten sie die Kajüte unter Wasser, so daß Teppiche und Vorleger in buntem Ducheinander umher schwabbevten. Auch dieses Feuer wurde bald als gelöscht betrachtet und wieder flog der Schlauch an die Seite als mit einem Male der Ruf „Maschine zerschossen !" erscholl. Jeder wußte, das Schiff mußte manöverierfähig erhalten werden und gewandt eilten sie ans Oberdeck, die Stangen und Raaen wurden wieder aufgebracht, die Segel losgemacht und das Schiff lag unter Segel. „Klar Schiff, abschlagen!" rief der Kapitän dem neben ihm stehenden Hornisten zu und dieser gab das befohlene Zeichen, die andern Spielleute hatten das Signal ausgenommen, in ein paar Minuten war die Munition unter Deck geschafft und die Geschütze wieder seefest ge macht. Tie Mannschaft konnte nach einigen Minuten ab treten und lagerte an Deck umher, um sich auszuruhen, nachdem es für dieses Manöver ein Lob vom Komman danten geerntet hatte. — Und wer glaubt, daß dieser ganze Zauber nur »/4 Stunden gedauert hat? Ja, ja, auf unsere Blaujacken darf man sich schon verlassen. Sie sind da, wenn's drauf ankommt. Zur Ernte E» glävzt daS Kor» wie matte» Gold; aus schlanken Halmen wiegen die Aehren sich und schwanken — Und neigen sich hernieder schwer und müde. Noch liegt aus weitem Feld tiesstiller Friede. Da ruft die erste Sense; au» der Weit« Antwortet ihr mit scharsrm Klang dir zweite. Nun wird'» lebendig! Wohlbewerthr Ritter, Zur muntern Feldschlacht ziehe» au» die Schnitter. O Himmel, bück' nun freundlich aus di« Erde, Daß, wa» du gabst, auch wohl geborgen werde. Und hast du dann da» Brot un» zvgewrssen, So girb ur» auch, daß wir'» in Frieden essen. Und gieb un» auch, du Geber oller Gaben, Daß e» auSreicht, bi» wir da» Neue haben. Johanne» Trojan. »NM m» «WW wn »an,er » Winterlich de «ein. - Mir «e Mdakümi tzmow-orUich: Herman» Schmidt m M«,«. Eyähler an der Elbe. Belletr. Gratisbeilage zum „Riesaer Tageblatt". »» Rt-I«, »«, » lOOL. «. Jlchl,. Ein Verlorener Sohn. ErzShlung von A.fR. Fortsetzung. VII. Newyork, Broadway 145. Lieber Doktor Keller! Ich habe ihn gefunden und habe Grüße von ihm für Sie! Wie soll ich Ihnen sagen, was ich erlebt habe in den letzten 24 Stunden? Meine Hand zittert vor Er regung ! Ihr Bruder ist sehr krank, — ich sage Ihnen das un umwunden —, er ist so unglücklich gefallen, als die Straße neulich mit Glatteis bedeckt war, daß er nach den, Ausspruch des Arztes zeitlebens ein Krüppel bleiben wird! Es ist so schrecklich, daß ich es kaum hinschreiben kann, aber Sie müssen und sollen es doch wissen! Bitte, schreiben Sie ihm ein freundliches Wort, ich flehe Sie an: thun Sie es! Er sehnt sich nach Ihrer Verzeihung, und ich glaube gewiß, er ist ein andrer Mensch geworden! Er liegt im St. Georges-Hospital, Baracke 8, 2. Saal, Sailor-Street 42. Dort lernt meine Cousine Krankenpflege, und ich er fuhr von ihr, daß ein junger Deutscher heute hingebracht worden sei! Ist das nun Zufall? Die meisten würden es so nennen. Ich glaube, es ist Gottes Fügung. Bisher waren meine Nachforschungen vergebens, denn jener Pre diger, dessen Adresse Sie mir angaben, war fort, als ich ihn vsufsuchte. Er ist ein sogenannter Evangelist, v. h. er reist beständig umher und predigt das Evangelium. Ich wollte, er wäre jetzt hier. Ihr Bruder hat sich am Rücken verletzt, deshalb fürch ten die Aerzte, daß er gelähmt bleiben wird. Für ihn gesorgt wird hinreichend. Verzeihen Sie den konfusen Brief! Wie es Ihnen Wohl geht? Mit herzlichem Gruß Magdalene. * -» * „Wie geht es heute dem armen Keller?" „Schlecht, er hat kaum ein Wort gesprochen, seit Du hier warst!" „Was sagt der Professor?" „Nichts. Ruhe, völlige Ruhe und Eis ist bis jetzt das Einzige, was man thun kann!" Magdalene Grünwald und ihre Cousine, die Pflege schwester Selma, hatten obige Worte gewechselt, während sie langsam die breite, steinerne Treppe hinanstiegen, welche in das obere Stockwerk des Haupthauses vom St. Georges-Hospital führte. Es war noch keine Besuchszeit, und so hatte Schwester Selma das junge Mädchen eingeladen, bis es drei Uhr schlug in sdem kleinen Wartezimmer zu sitzen, sie habe gerade einen Augenblick Zeit und könne ihr Gesellschaft leisten. Magdalene saß in ernstes Sinnen versunken da. Früher war sie niemals in einem Krankenhause ge wesen, weil ihre Mutter stets sowohl Ansteckung als auch schauerliche Eindrücke für sie fürchtete. Als aber ihre Cousine ihr begegnet war und ihr dann bei Gelegenheit eines Besuches erzählt hatte von jenem jungen deut schen Mann, welcher Rudolph Keller heiße, da hatte Magda lene keinen Augenblick gezögert, den Bruder Martins auf zusuchen. Seitdem War fast eine Woche vergangen, aber noch waren die Bilder, welche sie damals geschaut, lebendig vor ihrer Seele. „Es hat wenig Zweck, daß Du den jungen Mann be suchst," sagte Schwester Selma, die ihr gegenüber Platz genommen hatte, „er scheint uns Allen ein ganz ver stockter Mensch. Weißt Du auch, daß er ein völlig ver worfenes Dasein geführt hat? Er soll Kunstreiter, später Kellner in einem Schanklokal gemeinster Sorte gewesen sein und in einem Anfall von Delirium sich das Leben haben nehmen wollen, — ich weiß garnicht, ob ich es ver antworten kann, daß Du zu ihm gehst!" „Was sollte eS mir schaden?" gab Magdalene mit einem Seufzer zurück. „Ein armer Kranker, der gelähmt im Bette liegt, ist doch nicht gefährlich!" „Seine Reden könnten gottlos und gemein sein," sagte die Schwester sorgenvoll. „Wie gesagt, dieser Keller ist völlig unempfänglich für lÄttes Wort, ich habe mehrfach versucht, ihm ins Herz zu reden, aber er liegt da,, als hörte er mich kaum und antwortet nur durch Trotz und Gleichgiltigkeit!" „Aber Selma, glaubst Du nicht auch, daß der Herr Jesus ihm nachgegangen wäre?" fragte Magdalene sanft. „Kind, auch die göttliche Barmherzigkeit hat ein Ende!" sagte Schwester Selma streng, „fiir einen un bußfertigen Sünder ist die Pforte zum Himmel zu enge!" Magdalene erhob sich Ihr weiches Herz erzitterte unter den ernsten Worten der Pflegerin. Was sollte sie antworten? Schwester Selma, welche ihr ganzes Leben den Kranken und Elenden opferte, stand ja hoch so über ihr, dem unerfahrenen Mädchen, das nur mit innerlichem Schauder ein Krankenhaus betrat und nnr im glücklichen Familienkreise gelebt hatte. Die schwere Krankheit der Mutter war ihre erste ernste Erfahrung gewesen, und eigentlich kannte sie nur Lachen und Spiel und Tanz. Wie anders stand Selma vor Gott da, die alle Ihrigen verlassen hatte, um dem Herrn und seinen armen Brü dern zu dienen! „Es schlug eben drei Uhr!" sagte Magdalene be klommen. „Nun gut, ich sehe, Du bist entschlossen, so will ich Dich geleiten!" versetzte die Schwester. Sie stiegen die Treppe hinab und gingen am Opera tionssaal vorüber, welcher gerade von zwei Schwestern gereinigt wurde. Klopfenden Herzens sah das Mädchen durch die offen stehende Thür in den großen lustigen Raum, dessen eine Wand durch ein bis zur Decke reichendes Fenster fast aus gefüllt wurde und in dessen Mitte eine seltsam hohe Bank stand, durch eine Gummidecke verhüllt.- In einem Winkel lag ein Haufen blutgetränkter Wäsche, über die Steinfliesen des Fußbodens slutheten Ströme von Set- fenlvasser. „Würde es Dich interessiren, den OperatwnSsaal ein mal genau zu besehen?" fragte Schwester Selma. „Jetzt geht es ja nicht, aber ein anderes Mal vielleicht!^