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>' sie Mit erhobenen Händen, er kann nix dafür! I hab' 's f tha», »einer Seel'!" Das wirkte noch schlimmer. „Jetzt verleb t der Balg, der mißerabliche, das un schuldige Kind a no zum Lügen! No wart nur . .!" Was sollte man nur thun, damit es nicht zum Unheil t des Buben an. schlug! Tein Franzl war nicht zu Helsen. Als die Toni sich einmal vor den Mißhandelten stellte, traf sie ein Schlag der blindwüthigen Mutter, daß sie an die Mauer onprallts und eins stark blutende Wunde sich riß. Die sofortige Folge war die, daß der Franzl geschlagen wurde, als ev er die Schwester geschlagen habe. — — Zum Kaffee hätte er die Milch holen sollen und die Dämmerung war schon eingebrochen. Er kam noch immer nicht. Die To-i war, von steigender Angst befallen, in dein - Winkel gekauert, wo sie ihre Spielsachen hatte. „Mutter — soll i net auf d' Gassen schau'n, wo eris?" „Ruhig!" lautete die t arsche Antwort, „und wannst Di no «mal rührst, dann triegst Tu -- ebenfalls." Keu chend vor Wuth sei rc sie hinzu: „Wann der hamkoinmt, soll i'a. unser Herrgott gnädi sein. . . !" „Vielleicht is er überfahr'n word'n, oer Franzl," Wimmerte kläglich die Kleine. „Mutterl, lieb's Mutterl!" Die Frau griff, ohne weiter etwas zu sprechen, nach dem Knotenstock des Vaters, der neben der Thür lehnte, und das Kind verstummte. Tie Mutter schloß die Thür, die zur Küche hinauSführte. TaS verdoppelte die Furcht der Toni. Wenn er jetzt hereinkommt, der Franzl . . . Sie riegelte das Fenster auf, das in den Hof führte, stieg auf daS Brett und ließ sich draußen hinab. — An der Straßenecke traf sie den Bruder, der jämmer lich weinte. „A Hund hat mi umg'stößen, Tonerl, und i bin mit 'n Häferl g'fall'n. I kann nix dafür, meiner Seel' und Sott. I trau mit net z' Haus, Tonerl." „Na, daS därfst a net; d' Mutter wart't schon." Der Bub schluckte seinen Schmerz hinunter und sagte altklug : „I hab' Tir nur no a Busserl geb'n woll'n, Tonerl. Dann gjchs i nach Amerika. I lass' mi net derschlag'n." Die Toni sah ihn starr an. „Na, na, fort därfst D' net, Franzl!" ,.I trau' mi net z' Haus," wiederholte er traurig „Dann geh' i mit Dir," erklärte sie bestimmt. „I hah' drei Kreuzer. . ." „lind wann mir s ausgeb'n hab'», dann geh' i auf - *» Thurm läuten. Ta verdient ma sehr viel Geld — vier, fünf Kreuzer." Oder mir helfen, wann wo a Holz in'n Keller z' wer fe» iS." „Oder i zum Künstler, Tonerl. I kann 'en Bauchaufschwung und 'en Purzelbaum nach rückwärts." '* Die Kinder waren so rasch gegangen, als hätte sie die Angst gejagt, von der „Mutter" eingeholt und ergriffen zu werden Tie dicken, abendlichen Nebelschwaden boten ihnen wohl Schutz vor dieser Gefahr, wie ein dem Aschen brödel, dem es so bequem ging. „Hinter mir Nacht und vor mir Tag!" Die breiten Straßen mündeten in kleinere, die immer schmäler wurden, und die hohen Zinskasernen wurden ro4 - von niederen Häuslein abgelöst. Dunkle Felder unterbra chen schon hier und da die Zeilen. In der Ferne brütete ein glühender Dunst über der Wienerstadt, wie Rauchge wölk, das von einem riesigen Brand aufquillt, aber ge dämpft und erstickt vom dicken Nebel. Die übelduftige Feuchtigkeit drang den Kindern durch die Kleider, unh ihre Küße waren müde, alS ob sie geprügelt worden wären. Eine Hütte, in der über Sandhaufen Schiebkarren und ähnliches Geräthe lehnten, stand am Wege. Schau, Tonerl, da könnten wir uns niederlegen. Nur a bisserl schlafen möcht i. Is nit allani wegen meiner. Aber Du, arm's Menscherl, mit Deinen klein' Füßerln, kannst eh net mehr weiterzappeln. Gelt?" Sie konnte kaum mehr antworten vor Müdigkeit. Ter Knabe sorgte, daß seine Stiefschwester ein mög lichst geschütztes Plätzchen erhalte. Eiskalt pfiff der Wind und es schauerte sie bis ins Mark. Ten Franzl erfaßte das Erbarmen. „Tu arme Tonerl! Jetzt liegerst schon z' Haus' in Tein' warm' Bett. Gegen Di is d' Mutter ja allerweil gut und liab g'wesen. Wart', i ziag mein' Rock aus. mir is eh heiß und' i grab' mi nachher in den Sand ein." Er breitete seinen Rock über die Schwester. Am Morgen fegte der erste Schnee. Stahlgrau war der Himmel und auf den Wegen knarrte der Frost. Im Winkel der Werkzeughütte hatte sich ein glitzern der, weißer Hügel angeweht, der nicht viel mehr frei l ließ, als zwei gelbliche, starre Kindergesichter. Es lag wie ein friedliches Lächeln auf ihren Zügen. Ter Kuß des Todes hatte sie im Traume erlöst. — Julius Müller im Neuen Mener Journal. Heilige Nacht. Heil'gr Rächt! Die Tannen rausch«, Serzenglam die Welt durchzieht. Und die Menschenhrrzen lauschen, Wieder aus da« alte Lied. Auf das Lied von jener Lieb», Die allein vom Himmel stammt Und die Welt und ihr Getriebe Heut' mit lichtem Glanz durchflammt. '— - —- - - Durch der Hütten nied're Stille, Durch deS Schlosses gold'ne Pracht Zieht mit seiner Gnadenfülle Hell daS Lied, der heil'gen Nacht. An de» Domes Säulenhallen Pocht der wunderbare Klang, Und die Orgeltöne schallen, Jubelnd braust der Chorgesang. Ob, iniüionenmal erklungen, Auch Drin Ton die Welt durchzieht, Nimmer lirst Du auSaesungen, AlieS, heil'geS WeihnachtSlied. Alle Jahre klingst Du wieder, Unsern Herzt" U b und traut, Und zu Kindern macht un» wieder Deiner Töne Friedrnslaut. Nimm auch heut' des Alltag» Schmerzen Wiederum von hinnen sacht, Schmeich le Dich in uns're Herzen, Fromme» Lied der heil'gen Nacht! Druck und «eck« mm Lang,, » vknterltch hl Kies-. - M die Redaktion vmmwwrtkich: Hermann Schmidt in Riesa. Erzähler an der Elbe Belletr. Gratisbeilage za« „Riesaer Tageblatt". Nr. St. Riesa, de« SS. Dreember 1811V. SS. Jahr«. Eine verhängnißvolle Wette. Eine Erzählung nach dem Englischen von Wilhelm Thal. > (Nachdruck verboten.) I. Die folgende Erzählung ist der klare und wahre Be richt eines Ereignisses, das infolge einer Unterhaltung im Hause meines Freundes Arthur Riversdale kurz vor Weihnachten des Jahres 1893 stattfand. Was mich selbst an betrifft, so stehe ich allen Erzählungen und Berichten, die sich auf übersinnliche Dinge beziehen, durchaus ungläubig gegenüber. Daß sich von Zeit zu Zeit gewisse Fälle er eignen, für die die moderne Wissenschaft keine Erklärung finden kann, steht fest — wie z. B. die Telepatie oder ähn liche Erscheinungen. Doch alle diese Phänomene sind weder übermenschlich noch unmenschlich, sondern das Resultat von Naturgesetzen, die wir eben nicht kennen. Was nun die folgende Erzählung anbetrifft, so habe ich mich bemüht, die Wahrheit zu erforschen und die gc- neuen Eindrücke wicderzugeben, die mein Freund Halford während seines Aufenthalts in Laurel Lodgc empfangen hat. Doch es ist mir leider unmöglich, das seltsame Faktum auch nur irgendwie zu erklären. Riversbales Onkel, der eigentliche Besitzer des Schlos ses, verbrachte fast sein ganzes Leben in den damals ver- hältnißmäßig unbekannten Theilen von Hinter-Jndien. - Riversdale erzählte mir selbst, sein Onkel wäre wegen seiner ungeheuren Rohheit berüchtigt gewesen, mit der er die ihm untergebenen Eingeborenen behandelt hatte; ja, cs war ihm sogar in einer Zeitung ein Bericht in die Hände gefallen, daß sein Onkel bei einem Einfall in ein indisches Torf mit eigener Hand einen alten Buddhapriesier ge- tödtet hatte und für diese Frevelthat von den Adepten verflucht worden sei. Riverdales Onkel starb in Laurel Lodgc als unheil bar Wahnsinniger, und seitdem waren schon drei andere Leute, die sich eine Zeit lang in dem Hause aufgehaltcn, irrsinnig geworden. Die einzige Erklärung für diese Thatsache ist inciner Ansicht nach, daß zwischen dem Mörder des alten Buddha priesters und dem Fatum, das über diesem Hause schwebt, irgend eine Beziehung bestehen muß. Tie gelehrten Orien talen besitzen eine weit größere Kenntniß von den ge heimen Kräften der Natur und ihren Gesetzen, als wir Europäer, und ebenso klar ist es bewiesen, daß einzelne ihren Einfluß durch weite Entfernungen hindurch geltend machen können. Doch ich will jetzt zur Sache kommen, und es dem Leser überlassen, sich seine Ansicht selbst zu bilden. An dem erwähnten Abend war eine Herrengesellschaft bei einem meiner Freunde versammelt. Die Unterhaltung fiel bald auf übernatürliche Mnge und schließlich kam auch das Geheimniß von Laurel Lodge aufs Tapet. Wie vorher bemerkt, war Laurxl Lodge die Besitzung River dales, des Gutsbesitzers. Ein Ausdruck des Acrgers'und Mißvergnügens flog über sein Gesicht, und er versuchte, die Unterhaltung abzulenken, doch die andern, welche neu gierig geworden imrren, quälten ihn mit Fragen. Er weigerte sich indessen, dieselben zu beantworten und er klärte: „Wenn Jemand das Geheimniß wissen will, so muß er schon hinfahren und dort schlafen. Ich habe einmal dort geschlafen, und die Erinnerung an jene Nacht erfüllt mich jetzt noch mit Grausen. Ich übertreibe nichts wenn ich behaupte, daß nichts auf der Welt mich veran lassen könnte, das Experiment zu wiederholen. Ja, noch mehr, ich wette um 50 Lstr., daß keiner der hier anwesen den Herren länger als zwei Nächte hintereinander dort schlafen würde." Ein spöttisches Lächeln flog über die Gesichter der andern Männer, und einer von ihnen, Namens Halford, sagte: „Mein lieber Junge, Du willst uns doch nicht etwa einreden, daß Tu einen richtigen Geist gesehen hast?" Riversdale zog die Stirn in Falten. Das Gespräch war ihm augenscheinlich unangenehm; doch noch unangenehmer war es ihm, ausgelacht zu werden, und darum versetzte er heftig: „Ich wette mit Dir um 50 Pfund, daß Du nicht zwei Nächte hintereinander dort schläfst." Die andern sahen ihn überrascht an, während Halford sich erbot, die Wette zu halten. Riversdale schien zu zögern und sagte: „Tu thätest besser, die Sache nicht weiter zu verfolgen. Aufrichtig ge standen, mir wäre es lieber. Du thätest es nicht. Aller dings l)abe ick,l die Wette angeboten, doch lieber, weit lieber würde ich! Dir die 50 Pfund auszahlen, wenn Du das Experiment aufgeben wolltest." „Ich denke nicht daran," versetzte Halford. „Ach bin auf die Wette eingegangen und wenn ich jetzt zurückträte, so würde es aussehen, als glaubte ich wirklich, der Ort wäre nicht geheuer. Also vorwärts! Ich wiederhole es, ich nehme die Wette an." -- f ,Lört, Kinder," sagte ein anderer, ein gewiss« Anst- ruther, „wir thäten am besten, wir kämen am Tage nach Austrag der Wette hier wieder zusammen und Haksörd könnte Uns dann seine Bekanntschaft mit dev Geisterwelt brühwarm erzählen." .Riversdale sprang auf, seine Augen blitzten und sein Gesicht war leichenblaß. .< v ' O „Ihr Narren!" rief er, „Ihr lacht und spöttelt u.nd macht alberne Witze über Tinge, die Ihr nicht versteht. Gott sei Dank! habt Ihr keine Idee von den entsetzlichen Thatsachen, die Ihr ins Lächerliche zu ziehen glaubt. Ver gebt mir," fuhr er in Milderem Tone fort, „ich habe er regt gesprochen, doch das ist ein Gegenstand, der mir die Ruhe raubt. Es ist wahr, ich habe gedankenloser Weise die Wette angeboten. Was den Punkt anbetrifft, so will ich den Betrag von 50 Lstr. gern als Reugeld zahlen, doch ich bitte Euch, laßt die Sache darauf beruhen. Wenn Jhr's nicht thut, so erkläre ich Euch, daß ich mit der Geschichte nichts mehr zu schaffen haben will. Wie ich bereits gesagt, schlief ich dort selbst einmal. Ihr wißt, meine Nerven sind ziem lich stark, und ich bin gewiß kein phantastischer Mensch, doch seit jener Nacht habe ich nicht ohne eine angezündete Kerze geschlafen. Wenn ich wach würde und ich mich im Finstern befände, so würde ich mich wieder in jene Nacht zurückversetzt fühlen, und ich glaub, ich müßte wahnsinnig werden!" V- Seine Stimme sank zu einem Flüstern herab. Un willkürlich konnten sich die andern eines Fröstelns nicht erwehren, und vielleicht wären sie in dieser Minute bereit gewesen, Riversdale Rath zu befolgen. Sitz Jeder