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- Riesaer H Tageblatt 4». J«-r>. Mittwoch, IS. A«g»ft 18S6, AVeuVS. 18«. und Anzeiger Meblall M Aiychch. rel^nmnn-Ldreff. Ä IN tL S«-ap«chstck. „La,.blatt", Rt.s^ AH TTT H N V H TT H Rr. 20. der Königl. Amtshauptmannschaft Großenhain, des Königl. Amtsgerichts und des Stadtraths zu Riesa. LaL «krsaer Lagrb'att rrscheiat La, Abend» mit Ausnahm« der Soun- und Festtag- vierteljährlicher veznßspret» bet Abholung in den Expeditione» in Riesa und Strehla oder durch uns«, Tröger frei in« Hau» 1 Mark LV Psg., bei Abholung am Schalt« der kaiserl. Postanstalten 1 Mark 25 Pfg-, durch dm SrteftrSger frei in« Hau« 1 Mark «5 Pfg. A»l«i,m.A>«ah»e für dl« Rurmn« btt» Ausgabetage« bi» vormittag S Uhr ohne Gewähr. Druck und Verlag von Langer L Winterlich in Alesa. — Geschäftsstelle: Kastanirnstraße bv. — Für dl« Redaktion verantwortlich: Hermann Schmidt, Riesa. LageSgeschtchte. Deutsche» Neich. Der Bericht de« Kontre-Admirals Drpitz über den Untergang de« Kanonenboote« „J!ti«" ist nunmehr b im Oberkommando der Marine eingetroffen. Wir entnehme» dem von Tschifu an Bord de« Flaggschiffe« „Kaiser" am S. August erstatteten Berichte Folgende«: „Da« Kanonenboot „Iltis" ist auf der Reise nach dem Süden bei aufkommendem stürmische« Ostwind und unsichtigem Wetter de« Abends am 23. Juli läng« der Küste von Schantung gegangen und plötzlich festgekommen. Der Chef der Sreuzerdi»iston, Kontre-Admiral Tirpitz, nimmt an, daß der Kommandaat de« Schiffe«, Kapitänlieutenant Brann, wahrscheinlich die herrschende bedeutende Stromver setzung und dir Abtrift de« Schiffe« infolge de« Seegange« und de« Windes unterschätzt habe. Mit »oller Sicherheit habe sich die- iudeß auch trotz der genauesten eingeletteten Recherchen nicht feststellen laffn." Au« dieser neuesten ein» getroffenen amtlichen Meldung über den Verlust de« „Iltis" geht hervor, daß die privaten Nachrichten au« Tschifu »der Shanghai, die inzwischen eingelaufen waren, sämmtlich un zutreffend waren, denn der ,Iltis" ist weder steuerlos ge wesen, noch hat er einen Maschinendefekt gehabt. Der kommandirende Admiral v. Knorr hat den Chef der Kreuzer division, Kontre-Admiral Tirpitz, noch einmal telegraphisch benachrichtigen lassen, weiter alle« Wesentliche durch den Draht au« Tschifu zu melden, was die fortgesetzten Er mittelungen an neuen Anhaltspunkten zu Tage fördern sollten, die näheren Aufschluß über die Strandung des Kanonenbootes „Iltis" geben würden. Das „Berliner Tageblatt" veröffentlicht die angekündigten Anklagen gegen den derzeitigen Gomerneur von Kamerun, Jesko von Puttkamer, als deren Urheber es den früheren Kommandeur der Schutztruppe von Kamerun, Ritt meister von Stetten, angiebt, der bekanntlich wegen persön licher Zwistigkeiten mit Herrn von Puttkamer aus seiner Stellung geschieden ist. Herr von Puttkamer, der Sohn des früheren Ministers, wird als Protektionskind angegriffen, ihm Trunksucht und schlechte Geldwirrhschaft vorgeworfen und er schließlich des widerrechtlichen Entnehmens von Büchern, Atlanten und eines Kompasses aus von Stettens Wohnung bezichtigt. Ministerialdirektor Kayser habe die v. Stetten'schen Anklagen einfach nicht hören wollen und Herrn v. Stetten jede Wiederverwendung im Reichsdienst v rsagt. Wie man übrigens aus kolonialen Kreisen mittheilt, faßt man an den in Betracht kommenden amtlichen Stellen den Fall sehr kühl und nüchtern auf und schenkt den Angaben, „da ihnen deut lich der Stempel d»r Unwahrscheinlichkeit aufgedrückt sei", keinen Glauben. Aus diesem Gri nde «erde auch e ne amt liche Zurückweisung der Angriffe, so lange sie nicht mit Be weisen belegt wi'rden, nicht erfolgen. Zugleich wird mitge- -theilt, daß der Gouverneur v. Wißmann beim Kolonialamte „seine Absicht, seinen Posten aufzuzeben, noch nicht kundge- geben habe". Der Reichskommissar für die Pariser Weltausstellung, Geh. Rath Dr. Richter, äußerte sich in einer Unterredung höchst befriedigt über die Art und Weise des Entgegen kommens der französischen Behörden. Die Befürchtung, daß die Pariser Bevölkerung oder auch nur ein geringer Bruch- theil derselben nicht in gleicher Weise wie die offiziellen Per sönlichkeiten Frankreichs die Pflichten der Gastfreundschaft erfüllen werde, und daß die deutschen Aussteller irgendwelchen Unannehmlichkeiten ausgesetzt sein könnten, erklärte Geh. Rath Richter für unbegründet. Er meint, daß die gebührende Stellung, welche die deutsche Industrie sich in Chicago zu erringen wußte, vielleicht eine Einbuße erleiden könnte, wenn Deutschland j-tzt der Pariser Ausst. llung fernbliebe. In Pa. iS wird übrigens, wie schon bekannt, das System der Kollektivausstellung zur Anwendung kommen, das heißt, die Ausstellung wird nicht, wie bisher, nach den verschiedenen Ländern, sonder« nach den verschiedenen Jndustriegruppen eingetheilt sein. In einer jeden solchen Kollektivgruppe wer den die Erzeugnisse aller Länder nebeneinander vertreten sei.« und so Gelegenheit zu unmittelbarem Vergleiche bieten. In der Stadt Hannover hat sich ebenfalls ein Schutz verein zur Bekämpfung de- unlauteren Wettbewerbe« ge- bildet mit der Absicht, in vorkommenden Fällen erst an dre betreffenden Geschäfi«inbaber eim Verwarnung zu richten. Man hofft, daß diese Verwarnungen in den «eisten Fällen Beachtung finden dürste», damit dadurch die Ausübung de« Gesetze« eine humanere Form anuimmt, und man mr selten oder gar nicht gezwungen wird, Strafantrag zu stellen. Ein katholischer Geistlicher hat sich in einer zu Schwan dorf (Oberpfalz) gehaltenen Predigt folgendermaßen ver nehmen lassen: „Wenn eine Mutter ihr Kind mordet — kam sie Vergebung der Sünde verlangen; wenn ein Kind Vater und Mutter vergiftet, kann ihm die Sünde »erziehen werden; wer aber in gemischter Ehe lebt, findet keine Abso lution." Die „Augsb. Abendztg." würdigt diese Worte de« Priester» nach Gebühr. „Zur Charakteristik de« Staats bürgers hätte sie noch in Erinnerung bringe« können, daß alle bayerischen Könige, die vermählt waren, in gemischter Ehe gelebt haben" — bemerkt die „Nat.-Lib. Korr." Der Wiener Bice-Bürgermeister Dr. Lueger und der österreichische Reichsraths-Abgeordnete Ernst Schneider trafen am Montag Nachmittag 6 Uhr 37 Mtn. in München ein. Sie wurden auf dem Ostbahnhofe von Deputieren der Mün chener Reformpartei und anderen antisemitischen Vertretern empfangen. Ehrendamen überreichten Sträuße. Beim Ver lassen des Perrons wurde Dr. Lueger von dem Publikum lebhaft begrüßt. Dr. Lueger weigerte sich, die ihm zur Ver fügung gestellte Equipage zu besteigen; er fuhr vielmehr in einem gewöhnlichen Wagen nach de« „Kaiserhos". Die Mon tag Abend im Münchener Kindlkeller einberufene Volks- Versammlung war von etwa 5000 Personen besucht und nahm einen stürmischen Verlauf. Zwischenrufer wurden hinausgeworfen. Erst Dr. Lueger gelang es während seines Vortrages die Ruhe wieder herzustellen. Nach Schluß der Versammlung entstand eine Schlägerei unter den gegnerischen Parteien. Der „Post" wird aus Kassel gemeldet, daß dem Kaiser der Aufenthalt in Wilhelmshöhe sehr gut bekommt und daß er bei Andauer günstiger Witterung bis gegen Mitte näch ster Woche dort zu bleiben gedenkt. — Der Kaiser und die Kaiserin von Rußland werden bet der in Breslau stattfinden den Parade ihre Regimenter persönlich dem Kaiser Wilhelm Vorführer. Die Truppen kehren bann am 7. September mit der Bahn nach Berlin zurück. — Das Zarenpaar wird einer Meldung aus Görlitz zufolge, mit dem deutschen Kai- ser und der Kaiserin nach Görlitz kommen. Die Ankunft erfolgt am 7. September, Vormittags 10'/« Uhr. Beide Kaiseipaare begeben sich dann auf das Manöverfeld. Die Abreise des Zarenpaares erfolgt Abends 6 Uhr. Der „ReichSanz." veröffentlicht das Gesetz, betr. die Ab änderung der Gewerbeordnung. Wie die „Weser Ztg." erfährt, sind die Postämter des Reicht Postgebiets angewiesen, im laufenden Monat während eines siebentägigen Zeitraumes zu ermitteln, wieviel gewöhn liche Briefe im Gewtcht von 15 bis 20 8 bü ihnen eingehen. Man wird nicht fehl gehen, wenn man diese Anordnung mit der wiederholt geforderten Erhöhung des Maximalgewichts der einfachen Briefe von 15 auf 20 8 verbindet. Ein kleiner Unfall ist der Kaiserin, wie erst nachträglich bekannt geworden ist, auf ibrer le tzten Reise passirt. Während der Festsahrt ereignete sich nämlich in Ruhrort auf dem Schiff das Mißgeschick, daß ein Tisch umstürzte und der Kaiserin auf die Füße fiel. Die Schmerzen, welche die hohe Frau empfand, waren anfänglich nicht gering, und eine Zeit lang schien es zweifelhaft, ob es ihr möglich sein würde, den weiteren anstrengenden Rundgana des Programms durchzu führen. Ihre Willensstärke und Pflichttreue trugen aber den Sieg davon; wenn sie schon mehrere Male ihr lebhafteres Bedauern darüber geäußert hatte, daß es dem Kaiser nicht vergönnt gewesen sei, den Patriotismus der niederrheinischen Bewohner kennen zu lernen, so wollte fie selbst keine An strengungen scheuen, um die durch das Fernbleiben ihre« hohen Gemahl« getrübte Festfreude wieder herzustellen. Und glänzend ist ihr dir« gelungen I Ueberall sind ihr die Herzen entgegengkflogen. — Noch ein liebenswürdiger Zug verdient Erwähnung. Als die Kaiserin am AuSgang der Hütte Phö nix in den Wagen stieg, um durch die Arbeiterkolonie zu fahren, und sie vom Minister Thielen darauf aufmerksam gemacht wurde, daß dort die Einwohner die wahrhaft rührende Ausschmückung ihrer Häuser auf ihren Wunsch selbstständig vargenommen hätten, de.ahl sie sofort ihren Kutscher „Schritt fahren". Driecheulemd. D.r „Boss. Ztg." meldet man au« Athen: Nachdem die vrerzigtägige TagungSfrist de« kretischen Landtags am Sonnabend adgelaufea ist, haben die Kreter auf weiter« friedlich« Lösung«versuche verzichtet, und vor gestern find bei Zizifi« in der ProRnz Apokorona Vertreter aller Provinzen feierlich zusammrngettetea und haben ein« provisorische Regierung unter dem vorfitz de« alten Häupt ling« Gero Koftako« Boludaki« eingesetzt. Da« bisherige Reformkomitee hat sich aufgelöst. E« wurde beschlossen, noch drei bi« vier Tage auf die Antwort der Pforte zu warten, ehe man die Bereinigung Kreta« mit Griechenland prokla- mirt. Die neue Regierung bereitet ein Rundschreiben an die auswärtigen Konsuln »or, worin hervorgehoben werde« soll, daß die Kreter alle friedlichen Mittel erschöpft hätten, bevor fie den letzten Schritt grthan. Man habe einen Waffenstillstand zugesagt und zur Kammereröffaung aufrichtig mitgewirkt, doch hätten die Türken ersteren ununterbrochen durch Angriffe, Greuelthaten und Ausschreitungen aller Art miß braucht und die Kammer nur al« elende« Spiel zum Zeit gewinn benutzt. Der neue Präsident von Kreta, Boludaki«, ist ein Greis von 92 Jahren; er ist einer der bekanntesten und thätigsten Kreterführer aus dem Aufstande von 1866, war Führer der kretischen Abordnung bei« Berliner Kongreß und ist ein «armer Freund England». vertticheS und Sächsisches. Riesa, 12. August 1«S6. — Au« auswärtigen Mililäroereinskreisen wird nütze- theilt, daß sich die Kameradenvereine nicht nur der Großer« Hainer Amtshauptmannschaft, sondern vor allen Dingen auch der Amtshauptmannschafr Oschatz, sowie zum größten Tbeile diejenigen der Amt-Hauptmannschaften Meißen, Döbeln, DreSden-N., Grimma, Freiberg rc. rüsten, an der bevor stehenden Kaiserparade in Zeithain thetlzunehmen. Für Fahr preisermäßigung, so zwar, daß die Paradetheilnehmer auf Militärfahrkarte fahren können, ist bereit« Vorsorge getroffen. In welchem Geiste man sich in den Militäroereinen zu dieser Zeithainsahrt rüstet, ist aus folgenden Sätzen eines Aufruf« er sichtlich: Wie wir einst im Jahre 1882 in gleicher Weise dem erhabenen Kaiser Wilhelm I. dem Siegreichen unsere Gefühle zum Ausdruck brachten, so wollen wir vieSmal seinem erlauchten Enkel, dem Willensstärken Kaiser Wilhelm II., dem obersten Kriegsherrn »>er deutschen Armee, w.nn auch nur in engerem Rahmen, unsere Begeisterung für Kaiser und Reich, neben der unerschütterlichen Anhänglichkeit an unser angestammtes Herrscherhaus, zu Füßen legen. — Recht unheimlich benahm sich gestern Vormittag in einem Hause an der äußern Wettinerstraße ein fremder, junger gutgekleideter Mann. Derselbe begab sich in den zu dem Grundstück gehörigen Hof, entkleidete sich dort bi« auf Hemd und Unterhose, „um sich in den angrenzenden Hühnerstall niederzulegen." Em herbeigerufener Schutzmann ersah nun alsbald, daß der Fremde irrsinnig war uao e« erjolgte deshalb seine Ueberführung nach dem Krankenhaus, woselbst auch der Arzt sofort Geisteskrankheit bestätigte und einen baldigen Tobsuchrsanfall voraussagte. Letzterer trat auch "in den Nachmittagsstunden ein und «putzte der Bc- dauernswerthe von 4 starken Männern gehalten und ihm die Zwangsjacke angelegt werden. Der Kranke hatte ein FährungSattest auf den Namen Franz Parmaan au« Lscherna bei Arnau i. B., auSgest'llt von Oesterreicher's Söhne, Bernsdorfer Jutespinnsrei und Weberei in Arnau bei sich, außerdem 45 Gulden 6 Kr., Uhr, Messer, Schlüssel rc. und eine Fahrkarte nach Leipzig. Man vermuthet, dag der B> dauernSwerthe, der jedenfalls auf der Reise von p ötzlicher Geist sumnachtung befallen worden ist, noch mehrere Gegen- stände, Koffer, Spazitrftock rc. in Localen der Stadt hat liegen bez. stehen lassen und wolle man diese Gegenstände ev. an Polizetstelle Hierselbst abgeben. — „Gut gefahren ist gewiß noch allzeit bcsser al- schlecht gelaufen." Da« wird sicherlich auch eine kleine fröhliche Gesellschaft gedacht haben, die dieser Tage mit Pierd und Wagen eine kleine Rundreise durch den Stadtpark unter nommen hatte. Sicher u.id gewandt dirigirt« man da muntere Rößlein über die Jahnabrücke rach dem Parke und dortselbst wurden die schmalen Wege „kunstvoll" durchfahren. Nachdem man die „sch ittlgen Bäume" und die ganze prächtige Anlage genugsam bewundert und zur leiblichen Stärkung auch einige Cognac- genehmtgt hatte, ging'« frohzemuth wieder zu« Parke htnau«, wohl in berechngtent Stolze, etwa» Be sondere« sich geleistet zu haben. Der amüsanten Lxcarsio» war jedenfalls eia opulente« Frühstück, bei den» der perlend« Rebensaft reichlich geflossen fei» mochte, vorau-gegaage^