Volltext Seite (XML)
Lcrtlichcs und LächftscheS. Riesa, 18. December 1884. — In jüngster Zeit hatte sich unter den kaufkräftigsten Bewohnern unserer Stadt ein Kreis gebildet, welcher, nicht einverstanden mit der scharf oppositionellen Haltung des „Riesaer Boten" gegen unseren Stadtrath und Bürgermeister, nicht mehr bei denjenigen Geschäftsleuten kaufte, welche das genannte Blatt durch Inserate unterstützten. Mit Sorge sahen viele unserer Geschäftsleute gerade jetzt, in der Zeit des Weihnachtsgeschäfts, der Entwicklung dieser einschneidenden Maßnahme entgegen, als gewiß zu Aller Freude heute die Nachricht sich verbreitet, daß eme Lösung des gespannten Verhältnisses und eine Bereinigung der Parteien stattgefun den habe. — Einem Zufall ist cs zu danken, daß es gelungen, des in gestriger Nummer erwähnten Schwindlers bereits habhaft zu werden. Herr Kaufmann Max Bach Hierselbst traf gestern Abend gegen 8 Uhr aus seinem Nachhausewege in der Wettinerstraße vor einem Geschäfrsladen einige Herren, einen Brief lesend und von demselben sprechend. Auf die Frage nach dem Schreiber desselben wurde ihm von dem mitanwesenden jugendlichen Ueberbringer des Briefes mitge- theilt, laß der Auftrags>ber in Nähe des Hotels „Kaiscrhos" ihn erwarte. Dort sand sich der Schwindler nicht vor, wohl aber wurde von hier aus Polizei telephonisch benachrichtigt, daß man dem Hochstapler auf der Spur und Hilfe noth- wcndig sei. In der Annahme, daß eine Abreise per Bahn seitens des Schwindle,''- beabsichtigt sei, nahm Herr Bach die Verfolgung nach dem Bahnhof zu, auf. In Nähe des Hotels „Deutsches Haus' erreichte er eine niit einigen Packeten beladene, verdächtige männliche Person, die ihren Weg nach dem Postamt l einschlug und der sich Herr B. zugesellte. Der Fremde setzte seine Packete zur Erde und bat Herrn B., doch einen Augenblick dieselben zu hüten, er wolle nur seinen Kutscher rufen. Herr Bach verspürte aber keine Lust zum Warten, schlug vielmehr vor, gemeinschaftlich den Kutscher im „Deutschen Haus" aufzusuchen. Plötzlich aber ergriff der Fremde die Flucht, in welchem Augenblicke ihm vom Verfolger jedoch der Stock aus der Hand gerissen würde, und lief nach der Elbbrücke zu, wo er in Len dort befindlichen Anlagen zu verschwinden suchte. Hier aber kam er zu Fall, der Verfolger, Herr Bach, warf sich auf ihn, rief um Hilfe und es gelang alsbala mit Hilfe der inzwischen herzugekommenen Polizei und anderer Personen, den Schwindler festzunehmen und sicherem Gewahrsam zuzuführen. Wie fest gestellt worden, ist derselbe der 26 Jahre alte, in Ober- Reichstädt bei Dippoldiswalde geborene, vor ca. 3 Jahren aus Rittergut Promnitz als Oeconomie-Vrrwalter beschäftigt gewesene Landwirth Bernhard Bruno Bormann, der jetzt, da er mittel- und stellungslos, den Namen seines ehemaligen Brodherrn dazu mißbraucht hat, in mitgetheilter Weise zu hochstabeln. Er wohnte übrigens schon seit Sonnabend, den 15. ds. Mts. im Hotel „Wettiner H^s" unter dem Namen Karl Müller, Landwirth aus Kraischa, vergnügte sich Sonntag Abend, jedenfalls mit dem erschwindelten Gelbe, im Saale daselbst bei den „Muldenthalern", tanzte später flott und dehnte alsdann seine Nachtruhe bis gestern Mittag 11 Uhr aus. Abends empfahl er sich, nachdem er leiblich gestärkt war, nach Berichtigung seines Zechbetrags. Außer den bereits gestern erwähnten zwei Fällen hat es der Schwindler, soweit bi» jetzt bekannt, auch noch an weiteren zwei Stellen versucht, auf densellen falschen Namen gleiche Summen-zu erschwindeln, glücklicherweise ohne Erfolg. Die von ihm am Postamt I rm Stiche gelassenen Packete enthielten Kausmannswaaren, die er sich aus einem hiesigen Geschäfte vermittelst eines abgegebenen Zettels, welcher die Unterschrift eines Guts besitzers in Röderau trug, erschwindelt hatte. — Es dürfte gerade jetzt angebracht sein, besonders un bemittelte Leute vcr einer Klasse von Hausirern zu warnen, die auch unsere Gegend unsicher machen dürften. Es wird von Görlitz aus ein schwungvoller Handel mit Uhr^n, Gold- und Silberwaaren getrieben, dem namentlich tue sogenannten kleinen Leute zahlreich zum Opfer fallen und gefallen sind. Ganz abgesehen davon, daß derartige Waaren durch die Gewerbeordnung vom Hausirhandel ausdrücklich ausgeschlossen sind, erhallen die Käufer für ihr gutes G.lo nur gering- werthige Waaren, sie werden aufs frechste betrogen. Man lockt sie aber damit, daß Ratenzahlungen, bald zu i Mark, bald sogar zu 50 Pfg. nachgelassen werden. Däs besticht den kleinen Mann: er läßt sich vorreden, daß er auf diese Weise mit Leichtigkeit etwas erwerben kann, was er sonst im ganzen Leben nicht sein eigen nennen könnte. Das sollte doch Jeder mann bedenken, daß ihm ein solider Uhrmacher, ein reeller Goldarbeiter sicher mindestens ebenso annehmbare Bedingungen stellen würde, bei dem er obendrein noch die Garantie hat, daß er gut bedient und nicht übervortheilt wird. — Die etatsmäßrgen Feldwebel haben auf den Mänteln besondere Abzeichen erhalten, welche dazu dienen sollen, sie von den Viceseldwebeln zu unterscheiden. Sie tragen zwei Unterosfizierstretfen auf den Kragenpatten des Mantels. Alle übrigen Unteroffiziere tragen wie bisher nur einen Besatzstreifen. — Da bei verschiedenen Regimentern die Zahl der Unteroffiziere der Reserve unverhältnißmäßig gering ist, so sind die betreffenden Bezirkskommandos angcwiestn worden, Reservisten, die als Gefreite zur Reserve übergclreten sind, j: nach Erforderniß nachträglich zu Unteroffizieren zu befördern. — Für alle Mitkämpfer aus Deutschlands großer Zeit vor 24 Jahren, sowie jüngere Soldaten und nickunüittäryche Patrioten ist das Erscheinen einer Denkschrift von I lercsse, die anläßlich des Journalisten- und Schriststcllcrlagcs in München erschienen ist und u. A. ausführlich über Len glänzenden Sieg berichtet, den die nur mit der Kriegrdenk- münze von 1870/71 geschmückten Kombattanten des deutsch französischen Krieges gegen die Inhaber des deutschen eisernen Kreuzes 2. Klasse erfochten haben. Der hohe Reichstag hat s. Zt. die einzige, von Dresden ausgehende Gegcnpetition Sänger, Reber und ca. 600 Genossen, resp. sächsische, preu- bische und bayrische Kombattanten, worin ausführlich be gründet war, daß die Ertheilung eine« nationalen Ehren- soldeS an die Inhaber de« eisernen Kreuze« die soldatische Ehre aller nicht besonders dekorirtrn Mitkämpfer schwer ver letzen würde, voll uud ganz a «erkannt und d»r zahlreichen Grgenpetitivnen von mehr als 3000 Kreuz-Inhabern abze- wiesen, resp. ging der Reichstag einfach zur Tagesordnung über. Der Verfasser der Denkschrtft, Militärfchriftsteller Robert Reber-Dresden (1870/71 Gefreiter im kömgj. sächs. Leib-Grenadier-Regiment 'Nr. 100), berichtete als Mitglied der Dresdner Kombaltanten-Kommtlsion s. Zt. im „Deutschen Kriegerbuud" zu München über den Verlauf der Sach- und brachte, beisälUgst begrüßt, von den bayrischen Kampfgenossen eine darauf bezügliche Dichtung, „den deutschen Fürsten und dem Vaterland geweiht — in der Erinnerung an Deutsch lands große Zeil" zum Vortrag, nachdem der berühmte Uni- versirätsprosesjor a. D. Dr. Sepp, Ehrenmitglied des Bundes, in einer von nationaler Begeisterung und heißer Vaterlands liebe erfüllten Rede die Bedeutung der deutschen Krieger vereine gefeiert hatte. Die 180 Seilen starke Denkschrift enthält in dem Artikel „An alle Baterlandssreunde", den bisher noch nicht in der Presse veröffentlichten Wortlaut des ablehnenden Beschlusses der Budget-Kommission des Reichs tags, zahlreiche Tagesbefehle der fürstlichen Feldherrn und Aussprachen der Offiziere von 1870/71, aus denen erhellt, daß sie Kämpfer zweiter Güte nrchr kennen, die Petitionen rc. an die deutschen Fürsten, beit Reichstag und den Reichskanzler a. D. v. Caprivi nebst Antworten, die vorerwähnte Dichtung u. s. w. Außerdem berichtet die Denkschrstc über Len glanz voll verlaufenen Journalisten« und Schrrftstellcrtag in Mün chen, die herrliche Rede des hohen Protektors Prinz Ludwig von Bayern, königl. Hoheit, über die rauschenden Festlich keiten in Isar-Athen, am Starnberger See, Ausgburg und über die alpinen Schönheiten Bayerns :c. Bemerkt sei, daß sich das Erscheinen resp. der Vertrieb der Denkschrift in Folge einer fast ein Jahr andauernden schweren nervösen Erkrankung des Verfassers verzögert hat. Das Werkchen — in prächtiger Einbanddecke rc. s 2 Mark, broschirt 1 Mark — empfiehlt sich in Rücksicht auf den Inhalt weiten Kreisen und erfolgt gegen Einsendung des Betrages, ev. in Brief marken, umgehend Zusendung durch den Selbstverlag des Ver fassers — R. Reber, Cranachstraße 19, I Dresden. Lommatzsch. Der Anbau von Tuch-oder Rauhkarden, der in unserer Pflege früher lebhaft betrieben wurde, hat in den letzten Jahren fast ganz aufzehört und dürfte auch kaum jemals wieder den früheren Umfang erreichen, denn einerseits sind die Produktionskosten immer größere geworden und andererseits sind die erzielten Preise seit Jahren beständig zurückgegangcn. Die Ursache für diese Thalsache ist darin zu suchen, daß mehr und mehr die französischen Karden wegen ihrer theilweise billigeren Preise und besseren Qualität den deutschen Karden vorgezogen werden, wenngleich auch nicht verkannt werden darf, daß die deutschen Karden wegen ihres durchgängig feineren und elastischen Gchäkes für gewisse Fabrikate unentbehrlich sind. In Deutschland stehen jetzt Oberösterreich, Steyermark und Bayern als Produktions gebiete obenan. Dresden. Am Nachmittag des 15. December ver unglückte ein am Elbquai beschäftigter Arbeiter beim Ein- und Ausladen von Getreidesäcken ; er fand infolge Fehltrittes seinen Tod in den Fluchen der Elbe. Trotz eifrigen Suchens ist der Leichnam noch nicht gefunden worden; der Verunglückte hinterläßt Frau und Kinder. Döbeln, 17. December. Nach einer Bekanntmachung im hiesigen Anzeiger hat der städtische Verein in neuester Zeit die Heranziehung von Industrie und Gewerbe zur Hebung unserer Heimachstadt Döbeln ins Auge gefaßt. Tin zu b es-m Zwecke in rührige Thätigkeit getretener 15 gliedriger Ausschuß unter Leitung des Herrn Fabrikant Greiner schreitet rüstig vorwärts. Behufs Arbeitstheilung sind Unterausschüsse er nannt worden, z. B. der Vermuttluugs- bez. Nachweis, ausschuß, sodann der Preßausschuß. Pirna. Der hiesige Bankkrach hat noch eine Nach wirkung ganz besonderer Art, indem durch das Ableben Les vielgenannten BankdirectorS Weiß, welcher auch dem Stadt- verordneten-Kollegrum angehörte, die gesetzliche Zahl der Unansässigen unterschritten worden ist, so daß die derzeitige Zusammensetzung des Kollegiums für die Fassung von Beschlüssen nrcht mehr ausreicht. Da nun angesichts des bevorstehenden Jahresschlusses röcht erst noch zur Vornahme einer Nachwahl Verschnitt» wurde, so bleibt mchts übrig, als sich vorläufig nur auf einen Meinungsaustausch zu beschränken und die eigentlichen Beschlüsse nach der erfolgten Neukonstituirung des Kollegiums im neuen Jahre Nachfolgen zu lassen. Roßwein. Die von dem Verbände deutscher Schlosser- rnnungen hier errichtete deutsche Schlosserschule, in welcher theoretischer und praktischer Unterricht ertheilt wird, erfreut sich eines sehr regen Besuchs. Da für das Sommersemester 1895 wieder eine zahlreiche Anmeldung von Schülern zu erwarten ist, hat der Schulausschuß der Schlosserschule be- schlossen, noch einen Ingenieur anzustellen. Chemnitz. Der allseitig erwünschte Schneefall ist nunmehr eingetreten. ES schneite in der Nacht vom Sonnabend bis Sonntag so stark, daß Felder, Straßen und Dächer ziem lich hoch mit dem weißen Wintcrgewande bedeckt waren. Dasselbe verschwand jedoch in der Stadl im Laufe des Sonn tags wieder. In der Nacht zum Montag fiel jedoch neuer Schnee, und diesem scheint eine längere Dauer beschieden zu sein. Sayda (Erzgebirge). Auf dem Kirchsteige von Sayda nach Pilsdorf wurde ein junger Mann erfroren ausgefunden ; er soll Kolbe heißen und au- Rothenthal bei Olbernhau sein. Aus dem Vogtlande, 16. December. Die Nach frage nach Schifschenstickmaschinen ist unausgesetzt eine so rege, daß die beiden Maschinenfabriken Sachsens, welche derartige Maschinen erbauen, nicht im Stande sind, die Aufträge so gleich zu erledigen; alle Besteller müssen mehrere Monate lang auf die Maschinen warten. In den Städten sowohl, besonder« in Plauen und Kalkcnstein, wie auch in den länd lichen Ortschaften werden unausgesetzt neue Maschinen auf gestellt. — In Oberreichenbach spielte sich am Sonnabend Abend» >/,6 Uhr auf der Bahnstrecke Oberreichenbach-Mylau ein bedauerlicher Unfall ab. Auf einem Bauzuze befand sich auch der Bauaufseher Scholz au- Reichenbach. Bei der Schettle'schen Fabrik wollte Scholz vom Wagen auf da benachbarte Trottoir abspringen, wobei er jedoch zum Falle und mit den Füßen unter die Räder kam; in Folge dessen wurde Scholz der eine Fuß derart beschädigt, daß ihm da» Bein abgenommen werden mußte. Leipzig, 14. December. Beim Rangiren auf dem Berliner Bahnhose ereignete sich am Abend des 31. August in der achten Stunde ein schwerer Unglücksfall. Ein von der Stadt nach dem Güterschuppen der Berliner Bahn fah. rendes Rollgeschirr wurde auf der Kreuzung der Rangirgleise, die nicht geschlossen war, von zwei abgestoßenen Wagen ge troffen; der Führer des Rollgeschirrs wurde zwischen die Schönen, dessen neunjähriger Sohn aber auf die Schienen geschleudert und überfahren. Der Geschirrführer erlitt eine Verstauchung des Rückgrates und eine Nierenquetschung. Dem Kinde wurden beide Beine zermalmt, die 'm Krankenhaust oberhalb des Knies abzcnommen wurden; anderen Tage» starb das Kind an Blutverlust. Für den Unfall wurde der Rangirm.isler Götze verantwortlich gemacht, weil er das Zeichen zum Abstößen der Wagen gegeben hatte, ehe er sich davon überzeugt hatte, daß die Schranken geschlossen seien. Das hiesige Landgericht verurtheilte ihn daher heute wegen fahrlässiger Gefährdung eines Eisenbahntransports, fahrlässiger Tvdtung und fahrlässiger Körperverletzung in Außerachtlassung einer Berusspslicht zu zehn Wachen Gefängnis). Berlin. Ein geradezu unglaublicher Skandal hat sich am Sonnabend an der Berliner Börse ereignet. Die „B. und H.-Ztg." schreibt darüber Folgendes: „An der heutigen Börse machte sich ein wüstes Treiben und eine aufgeregte Stimmung geltend, wie sie wohl in diesen Räumen ncch nie mals dagewe'en ist. Die Bmsenrcform ist unvermeidlich geworden. Wer sich aber erkühnt, irgend etwas gegen die Börje zu sagen oder Vorschläge zu machen, wie den Miß ständen abzuhelfen sei, wird in Acht und Bann geihan. Hcute galten die tumultuarischen Szenen dem vereidigten Makler OScar Meyer, auf dessen Veranlassung gestern im „Berliner Börscn-Kourier" ein Artikel „Zur Börsenrcform" erschienen war. Wir sind weit davon entfern', die in diesem Artikel gemachten Vorschläge vertheidigen zu wollen, und müssen es sogar verurtheilen, wenn persönliche Ansichten unter der Maske von Jnteressen-Vereinigungen in der Ocffentlichkelt erscheinen, während sie nur rein subjektive Anschauungen wiedergeben. Aber wir können andererseits Niemandem da» Recht absprechen, seine Ansicht in öffentlichen Angelegenheiten öffentlich zum Ausdruck zu bri 'gen. Denn nur wenn das geschieht, kann der Allgemeinheit genützt werden. Der Makler Oscar Meyer hat sich gegen die Börse ausgesprochen, und namentlich Vorschläge gemacht, durch die die bankgeschäftlich« Thätigkeit große Erschwerungen erfahren würde. Daß man sich zum Ausdruck des Unwillens wie ein „Pöbelhaufen" zu- sammenrotlete, dem Betreffenden alle nur möglichen und unmöglichen Schimpfworte zurief und schließlich körperlich so bedrängte, daß er nur durch schleunige Flucht durch das Journalistenzimmer mit heiler Haut in's Freie gelangen konnte, das können wir nicht billigen! Ein solches Benehmen ist gesitteter Menschen unwürdig. Neben Herrn Oscar Meyer wurde auch der „Berliner Börsen-Kourier", der den Artikel gebracht hatte, stark angefeindct." Gestern, Montag, fand nun hierzu noch ein Nachspiel statt, indem der Herausgeber des betreffenden Blattes an der Börse insulttrt und ge zwungen wurre, unter tumultuösem Geschrei den Bö.sensaal zu verlassen. Berlin, 14. Dezember. Ueber einen von Herrn Hermann Ganswindt erfundenen Tretmotorwagcn belichtet der ,B.rl. Lokal-Anz iger": Ein neues Gefährt ohne Pferde u>d Expansionsmaschinen erregte gestern mit seiner Fahrt um den Magdeburger Platz und in der Lützowstraße große» Aufsehen. Dieses Gefährt war der „Tretmotorwazen", mit dem dessen Erfinder, Herr Hermann Ganswindt, die erste öffentliche Probefahrt unternahm. Der Wagen präsenlirte sich als ein Break, das sich von allen anderen Breaks nur dadurch unterscheidet, daß hinten ein schmaler, halbrund ge formter Kasten angebracht ist. Und dieser Kasten enthält die Antriebsvocrichlung, die ein Mann durch Treten mit den Füßen in Funktion bringt. Der Anblick ist ebenso neu wie eigenartig Im Fond des Wagens, der rasch und leichter über die Straße oahinsaust und in geschickten Wendungen den entgegen kommenden Fuhrwerken ausweicht, sitzen die „Fahrgäste". Hinter diesen ab.r steht der „Kutscher", oder vielmehr der Lenker und der lebende Motor, des Wagens, ein Mann, der mit der taktmäßigen Bewegung seiner Füße den Wagen in beliebig.m Tempo zum Fahren bringt, wäh rend seine Hände eine Lenkstange regieren, durch die mit einem Druck der Wagen eme Scitenbcwegung oder eine Wendung aussühren kann. Ebenso rasch kann der Wagen durch einen Druck auf die Bremse zum Stillstand gebracht werden. Die beliebig rasche und offenbar leichte Bewegung des Gefährts, daß nm drei Passagieren immerhin mehr als 13 Zentner wiegt, ist um so auffallender, da cs mittels der Kurbelbewegung, wie es etwa das Dreirad als Antriebcvor- richtung hat, unmöglich wäre, durch die Kraft eines einzelnen Menschen mit einiger Geschwindigkeit vorivärts zu kommen. Nun scheint aber die Vorwärtsbewegung des Tretmotor- wagenS sehr leicht und nur mit geringem Kraftaufwand zu erfolgen. Wirft man einen Blick in den Kasten, der den Motor enthält, so sieht man nur drei Tretvorrichtungen, von denen die eine benutzt wird, wenn eine schnelle Vorwärtsbe wegung erfolgen soll. Der weitere Mechanismus ist ver borgen und ist Geheimniß de- Erfinders. Ist der Kasten offen, so sieht »an während der Fahrt den gleichmäßigen,