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LOS Lonuabcnd, 1. Lcptcmbcr 1884, Abends 47. Jahrg Femsprechstelle Rr. 28 Da» Ziiemei la^cviau «r,chk,«i >coc» Avkiivc- uui ÄusuaHme c>" Dann- una Festtage. BienelsührUchci Bezugspreis bei Abholung in dm Expeditionen in Riesa und Strehla, den Ausgabestelle, sowie am Schauer der lauert. Popanslallen 1 Matt -'S Pj., durch die Träger irei ins Hauö I Mark SO Ps., durch den Briesträger frei tnS HauS 1 Mark SS Pf. Anzeigm-Anuah»« für di« 1k»W»ir des Ausgabetages bis Borniiltag 9 Uhr ohne Gewähr. Druck und Verlag von Langer L Winterlich in Riesa. — Geschäftsstelle: Kaslanienstrabe SS. — Mr die Nedaction vrrantnwrtlich: Her«. Schmidt dr Riel«. iesaer H Tageblatt und Anzeiger Mcblatl un- Anzeiger). Amtsblatt der Königl. Amtshauptmannschaft Großenhain, des König!. Amtsgerichts und des Stadtraths zu Riesa Montag, -en 10. September 1894, Nachmittag 2 Uhr kommt in Reuweidn bei Riesa eine Parzelle (20 Zeilen) Kartoffeln meistbietend zur Versteigerung. Sammelplatz Restauration zur Linde daselbst. Riesa, am 31. August 1894 Der Gerichtsvollzieher des König!. Amtsgerichts. I. B. Wendler, Wachtmslr. Levantag. ir. l^. Sedantag — welch'ein Ehrentag, welch' ein erinner- ungsreiches Wort für den, der die RuhmeSlhaten Deutschlands auf Frankreichs Fluren miterlebte, der als wackerer Krieger für die Abwehr des Erbfeindes und die Einigung des deut schen Volkes mit Gut und Blut eintrat. Die Ereignisse jener Tage haben auf ihn einen zu gewaltigen Eindruck ge macht, und g rn erinnert er sich am Sedamage, dem natio nalen Siege-feste des ruhmreichen Krieges, um Stolz der Gefahren und Drang'ale, die er für König und Vaterland, für Sohne und Enkel bestanden hat. Leider theilcn mit ihm nicht alle dieselbe Stimmung. Keine Ruhmeslhac der Welt- gcschichte ist so epochemachend, daß ihren Glanz nichc der Lauf der Zeit, der Tage Kommen und Gehen verwischen könnten. So hat auch der Sedantag, den wir morgen zum 24. Male begehen, bereits viel von der früheren Weihe verloren, ja mancher Undankbare und Vaterlandsverächter bringt ihn wohl hin, ohne sich der Bedeutung des Tages be- mußt zu werden. Vielleicht mahnt die Ruhe des Sonntags und der Ernst unserer Zeit diesmal auch diese. Möglich, daß die allgemeine Nothlage, der Hader und Kampf im Innern des Reiches und das düstere Bild der Zukunft mehr denn je das Bewußt- scm der großen Vergangenheit Deutschlands wecken und diesen Tag diesmal zu einem besonders weihevollen gestalten. In Tagen des Glücks genießt der Mensch gern die Gegenwart, in trüben Tagen dagegen wirft er seinen Blick in die bessere Vergangenheit, in die glücklichen Tage seiner Kindheit. Wie der Mensch im einzelnen, so lhut und denkt das Volk im Großen und Ganzen. Die trübe Zeit, die unser Volk gegenwärtig durchlebt, ist nicht imstande, Freude in ihm zu erwecken, um so mehr vermögen dies die jüngsten Tage unserer Ration, jene ruhmreichen Tage von Sedan. Es thut auch Roch, daß sich unser Volk jener vergangenen Zeit wieder einmal bewußt wird. Wohin man gegenwärtig auch blickt, überall gewahrt man Neid und Haß, tue Unzu friedenheit der unteren Klassen ist groß, überall sieht man, Laß die rechte Freude am Vaterlands und die rechte Liebe zum Vaterlande nicht mehr vorhanden ist. Die Parteien Les Umsturzes machen in der Gegenwart dem deutschen Volke immer mehr zu schassen. Die Verfechter des Zukunftsstaates, rie das Vaterland hassen, aber doch erst eine Geburt, wenn auch eine Mißgeburt, unseres neuen deutschen Reiches sind, suchen ihre ganze Machtfülle zu entfalten. Aber noch mehr noch als diese macht gegenwärtig ihr ungeralhener Sohn, der alles verheerende, vaterlandslose Anarchismus dem Vater lande Sorge, der seine beglückenden Ideen dem Volke mit Wort und Thal predigt, ohne dabei zu bedenken, daß Zwist und Hader in ihm selbst zu finden ist. Wahrlich ein uner quicklicher Zustand im neuen deutschen Reiche! Der Sedantag giebt Veranlassung, uns dieses Zustandes bewußt zu werden, er lenkt unsere Blicke rückwärts, meldet uns, was unser Volk in jenen Tagen Großes geleistet hat, und läßt uns erkennen, was die altdeutsche Treue und die altdeutsche Tapferkeit, wie sie uns der Dichter bereits im R belungenliede schildert, im Ernstfälle auszurichien vermögen. Aber er kündet uns auch, wie unser Volk solches geleistet hat: durch Einigkeit. Wir erkennen dann, in welchen Fehler unser Volk seitdem verfallen ist. Wir merken, daß die Ein tracht mehr und mehr der Zwietracht Platz gemacht hat, jenem Grundübel, das, wie Tacitus berichtet, bereits den Römern bei der Unterjochung unserer Ahnen zu statten kam. Der Sedantag lehrt uns, was unserem Volke Roth thut, er giebt Len Undankbaren und Vaterlandsoerächtern den Weg an, Len sie einschlagen müssen, um wieder auf richtige Bahn zu gelangen, er ruft ihnen die Worte des greisen Attinghausen in Schillers Tell zu: „Ans Vaterland, ans thcure, schließ dich an, - Das halte fest mit deinem ganzen Herzen, Hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft, Dort in der fremden Welt stehst du allein!" Es ist falsch, dem materialistischen Grundsätze zu huldigen: „llbi bsns, ibi pstria" — (wo dirs gut geht, da ist dein Vaterland). — Rein, das Land unserer Väter soll unser Vaterland sein! Em deutscher Dichter giebt die Weisung, das Erbe unserer Väter anzutreten; aber er sagt uns auch zugleich, daß wir es erwerben müssen, ehe wir es im wahren Sinne des Worts besitzen können. Die Tugenden unserer Ahnen müssen wir uns aneigncn und uns ihrer werth zeigen, um das schwer errungene Gut zu wahren. Dasselbe predigt uns das majestätische Siegesdenkmal auf dem Riederwalo, da« der verstorbene Kaiser Wilhelm am 28. September 1883 der Oeffentlichkeit mit den Worten übergab: „Den Gestorbenen zum Gedächtniß, den Lebenden zur Anerkennung, den künftigen Geschlechtern zur Nacheiferung!" Der Sedanlag giebt uns Gelegenheit, der Sonntag Zeit, darüber ernstlich nachzudenken. Sedan weist den Weg, wie wir die Karbinaltugenden unserer Ahnen bcttätigen können. Möchten doch recht viele morgen in ihrem Herzen Sedan feiern! Möchten reckt viele die Worte des greisen Alling hausen in Schillers Tell beherzigen: „Seid einig, einig, einig!" Tagcsgcschichte. Deutsche« Reich. Eine Huldigungsfahrt nach Var- zin, die der hinterpommersche Turngau auf seinem letzten Gautage beschlossen Halle, muß unterbleiben. Dr. Chrysander theilte dieser Tage dem Vorsitzenden des Gauverbandes in Stolp mit, daß Fürst Bismarck leider genöthigt sei, die Huldigung abzulehnen, da sein Befinden ihm noch einige Schonung auferlege. Dagegen wird für den Empfang der Posener Gäste Alles gerüstet, den Theilnehmern wird auf dem etwa 3'/z Kilometer von Varzin entfern: en Bahnhofe Hammermühle eine entsprechend- Zahl von Fuhrwerken zur Verfügung stehen. Sollte das Welier regnerisch sein, so hat der Fürst sich entschlossen, selbst nach dem Bahnhof zu kom men, um dort die Huldigung entgegenzunehmen. Die „Nationallib. Korresp." melde:: Ueber den Termin der Einweihung des neuen Reichstagsgcbäuves steht immer noch nichts fest. Es ist aber nicht sehr wahrscheinlich, daß der früher in Aussicht genommene Tag — 18. Oktober — wird inne gehalten werden können. Wenn es sich irgend machen läßt, beabsichtigt man, die neu.- Session mrt der Ein weihung zu beginnen und sonach von dem alten Gebäude für den Reichstag überhaupt keinen Gebrauch mehr zu machen. Die „Nordd. AUg. Ztg." nimmt die Erörterung über die Kartellbildung wie folgt wieder auf: „Man hat uns triumphirend emgegengehalten, daß unsere Aufforderung an die für die monarchfiche Staatsordnung einstehenden Parteien, in dem Kampfe gegen die Sozialdemokratie zusammenzu- hilten, in der Presse dieser Parteien fast allenthalben auf Zurückweisung gestoßen wäre. Die Thatsache kann nicht in Abrede gestellt werden, aber wir müssen gestehen, daß sie sehr wenig Eindruck auf uns gemacht Hal. Dem Abschlüsse des Kartells ging dieselbe Fluch von Hohn und Spott, die sich rm Herbste 1886 über den Vorschlag ergoß, voraus; auch damals reichte die Weisheit der einen nicht bis zur Erfassung des Satzes, daß Einigkeit stark macht, und das patriotische Pflichtgefühl der anderen nicht bis zu dcm Entschlüsse, das Gemeinwohl einmal an die erste und den Gedanken an den Parteiprofit an die zweite Stelle zu setzen. Seitdem sind die Parteiverhältnisse noch erheblich verworrener und uner quicklicher, die das Parteiwesen und das öffentliche Leben be herrschenden Potenzen noch armseliger geworden und die Presse marschirt — mit Ausnahmen, die sich jeden Tag mindern — auf allen Punkten an der Spitze des Nieder ganges. Wie sollten wir da einen anderen ersten Erfolg erwartet haben? Aber auch da, wo man sich gegen unsere Anregungen nicht unbedingt ablehnend verhalten hat, ist uns vielfach emgewandt, daß es nicht Sache der Parteien, sondern Sache der Regierung sei, voranzugehen, daß vor Allem von der letzteren em klares Programm und bestimmte Vorschläge für die Führung eii.es wirksamen Kampfes gegen die sozial revolutionäre Bewegung gefordert werden müßten. Der Ein rand beruht auf geflissentlicher Blindheit oder, wenn wir uns höflich.r ausdrücken sollen, auf einem Mißverständnisse. Plan kann versichert sein, daß an allen maßgebenden Stellen der Regierung die Ucberzeugung besteht, daß ohne eine vor hergehende Läuterung des Wesens der positiven oder soge- nannt.n positiven Parteien in dem Sinne, daß Lec Gedanke an das Gemeinwohl wieder die Oberhand gewinnt, an eine durchgreiiende Zurückdrängung der Sozialdemokratie nicht zu d.nken ist. Ohne diese Voraussetzung können nicht einmal in äußerer Hinsicht die gesetzgeberischen Maßnahmen, die man für em Bedürsniß erklärt, durchgesetzt n erden. So bildet * der Appell an die Ordnungspaneien, ihr Gezänk unter ein ander zu dämpfln uno vor Allem sich zu der Erkenntnis aufzuschwingen, daß man die Sozialdemokratie nicht bekämpft, jonoeru fördert, wenn man in der professionellen Annörge- lung der Regierung und in anderen zerrüttend wirkenden Bethäligungen mit ihr wetteifert, den naturgemäßen ersten Punkt, dessen hervorragende Bedeutung an der Schwelle scharf zu betonen, ihr Pflicht und Einsicht gebieten. Wer also in Aussicht stellt, daß er der Regierung sobald sie nur mit einem Programm, mit einem durchdachten Plane und mir der Bekundung emes bestimmten Willens hervorgetreten sein wird, freudig Folgschast leisten würde, der findet hier, an dieser Stelle, die erste Gelegenheit, seine Worte wahr zu machen." Em neues Beispiel polnischen Uebermuths wird der „Pos. Ztg." von einem deutschen Lehrer aus Kurnik berichtet. Der Einsender schreibt: „Gestern feierte ich mit meinen Schülern das diesjährige Sommerfest im Rauhutschen Wäld chen. Der Verlauf des Festes hat allseitig befriedigt, wozu nicht wenig das schöne Wetter bcigetragen haben mag. Bei unserem Rückmarsch nach der Stabt nun spielte dir Musik, auch sangen die Schüler patriotische Lieder. Während des Singens des Preutzenliedes begannen die Polen, die in ziem lich großer Anzahl während des Marsches sich eingefunden halten, ein polnisches Nationallied zu singen. Ich trat sofort an die Betreffenden heran — es waren theils halbwüchsige Jungen, theils in Kurnik ansässige Bürger — und bat um Einstellung des Gesanges mit dem Bemerken (ich sprach pol nisch), daß wir kein polnisches Fest feierten, sondern ein deutsches Schulfest. Es wurde aber erst mit dem Singen aufgehört, als die Musik wieder spielte. Vor der Stadt hielt der Zug, weil die Lampions, etwa 40 an der Zahl, und die Magnesiumfackeln angezündet wurden. Da aber ging der Spektakel los. Die Jungen und Erwachsenen lärmten, und ehe man sich dessen versah, flogen die Steine gegen die Musik, die Kinder und die dem Zuge folgenden Angehörigen. Ich selbst wurde durch zwei Sieinwürfe getroffen ; einen M-siker traf ein Stein. Ich wandte mich nun an den zu fällig anwesenden Gendarmen und machte ihn auf den Unfug aufmerksam. Der aber sagte, „ich hätte ihm nichts zu sagen, es ginge ihn auch gar nichts an". UebrigenS war ich nicht der Einzige, der den Gendarmen auf die Situation aufmerk sam machte, dies that auch das Mitglied des Schulvorstandes, Herr Gustav Katz, aber mit demselben Erfolge. Den Höhe punkt erreichte der Skandal aber erst, als wir bei dem Hause dis Stadtraths Servatkiewicz vorbelmarschirten. Dort nämlich wurde plötzlich die Schulfahne mit Schmutz und Sand be worfen. Woher und durch wen, das weiß ich leider nicht, sonst hätte ich den Buben auf andere Weise zur Rechenschaft gezogen. Die Schulfahne ist in den deutschen Farben her gestellt. Bemerkenswerlh ist noch, daß es schon vor einigen Woch.n, a:s der hiesige Landwehroerein von seinem Sommer fest aus demselben Walde zurückkchrte, an derselben Stelle zu polnischen Demonstrationen kam. Durch das Stein- und Sandwerfen am gestrigen Tage kam es dahin, daß fast sämmlliche Lampions vernichtet worden sind. Ls sind im Ganzen drei von vierzig unversehrt geblieben. Dor dem Schulhause wurde das Fest mit einem von mir ausgebrachten Hoch aus den Kaiser geschlossen. Aber auch hierbei suchte man mich durch Schreien und Lärmen zu unterbrechen." In die anarchistische Adressentasel des „Sozialist" sind nun auch die anarchistischen Clubs zu Zürich, Bern, Graz