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Uiesaer D Tageblatt 47. Jahr». Donnerstag, 14. Juni 1894, Abends. ««v sLketlE «d Lyel-er). .^7^. Amtrbkatt der -önigl. Amtshanptmannschast Großenhain, des Königl. Amtsgerichts und des StadtrathS z« Riesa. ISS. DaS Riesaer Tageblatt erscheint jSe» Tag Abends mit Ausnahme der Sonn- und Festtage. Vierteljährlicher Bezugspreis bei Abholung tn den Expeditionen in Riesa und Strehla, den Ausgabestelle», sowie am Schalter der kaiserl. Postanstalten 1 Mark 28 Pf., durch die Träger frei tnS Haus 1 Mark 50 Pf., durch den Briefträger frei tnS Hau» 1 Mark 65 Pf. Anzetgen-Auuahme jfür die Nummer des Ausgabetage» bi» Bormittag 9 Uhr ohne Gewähr. Druck und Verlag von Langer L Winterlich in Riesa. — Geschäftsstelle: Kastantrnstraße 59. — Für die Redactton verantwortlich: Herm. Schmidt in Riesa. Bekanntmachung, die Untersuchung von Schlachtschweinen betreffend. Seiten der verpflichteten Trichinenschauer des Bezirks ist mehrfach Klage darüber geführt worden, daß die Vornahme der Untersuchung von Schlachtschweinen oft so spät b i ihnen beantragt wird, daß Theile der geschlachteten Thiere bereits gekocht und sogar verzehrt sind, ehe überhaupt mit deren Untersuchung hat begonnen werden können. Es wird deshalb unter Hinweis auf §8 3 und 11 der revidirten Verordnung, Maßregeln zum Schutze geben die Trichinenkrankheit bei den Menschen betreffend, vom 10. März 1893 hierdurch in Erinnerung gebracht, daß Jeder, der ein Schwein schlachtet oder schlachten läßt, abgesehen von Nothschlachtfällen im Sinne des § 5 des Gesetzes vom 25. Mai 1852, mitt» bestens 12 Stunden vor dem Schlachten davon dem zuständigen Trichinenschauer Anzeige zu erstatten hat und daß Zuwiderhandlungen hiergegen mit Geldstrafe dis zu 1SV Mark oder Haft bestraft werden. Es ist weiter auch vorgekommen, daß den Trichinenschauern, wenn sie bei Ausübung ihres Amtes auf abnorme beziehentlich krankhafte Erscheinungen an einzelnen Organen des geschlachteten Thieres aufmerksam machen und zu einer Untersuchung durch einen Thierarzt rathen, abweisend und in ungehöriger Form entgegengetreten wird, weil man ihnen jede Berechtigung dazu, das geschlachtete Schwein genauer anzusehen, absprechen zu können vermeint. Diese Meinung rst als eine durrhanS irrige zu bezeichnen, denn die Verordnung, den verkauf von Fleisch und von Fett kranker Thiere betreffend, vom 17. Dezember 1892 ist für jedermann maßgebend, und wenn ein Trichinenschauer bei Ausübung seines Amtes Zustände an einem geschlachteten Thiere bemerkt, welche nach den Bestimmungen der obenangezogenen Verordnung beurtheilt werden müssen, so thut er lediglich seine Pflicht, wenn er den Besitzer des geschlachteten Thieres warnt und erforderlichen Falls die Behörde benachrichtigt. Da nun in einzelnen Fällen, ungeachtet der Warnungen der Trichinenschau» Lungen und Lebern von Schweinen, welche anscheinend an Tuberkulose oder an Finnen, Lungenwürmern rc. erkrankt waren, zur Wurstbereitung Verwendung gefunden haben, so wird darauf hingewiesen, daß derartige Zuwiderhandlungen gegen die vorerwähnte Verordnung vom 17. Dezember 1892, soweit nicht anderweite Strafvorschriften einschlagen, ebenfalls mit Geldstrafe bis zu 150 Mark oder mit Haft bestraft werden. Großenhain, am 1. Juni 1894. Die Königliche Amtshauptmannschaft. 1579. L. v. Wilncki. Mke. Die Lage in Bulgarien ist nach dem Sturze Stambulows keineswegs als befriedigend zu bezeichnen. „Es herrscht vollkommene Ruhe I" so berichten die von der Negierung inspirirten Blätter. „Eine anar chistische Bewegung geht durch das ganze Land," versichert die zu Stambulow haltende „Swoboda" und sucht ihre Behaup. tung durch Einzelheiten zu erhärten. Den Behörden werde der Gehorsam verweigert; an einem Orte habe ein auf rührerischer Haufe geschricen: „Wir brauchen keine Regierung! Wir wollen Rußland!" und an einem anderen P atze hätten die Agitatoren der Be»ölkerunz erzählt, daß russische Truppen in Sofia eingerä^ seien und daß man sich daher vor Nie- mand zu fürchten brauche. Eine besondere Bedeutung ist diesen Hetzereien wohl nicht beizulegen. Stambulow hat offenbar die Absicht, seinen Streit mit der neuen Regierung von dem Gebiete der inneren Politik ; wo er so viele Fehler begangen, auf dasjenige der auswärtigen Politik, wo er fast nur Erfolge errungen hat, zu verlegen. — Wenn er damit auch schlau handelt, so handelt er doch nicht ehrlich. Von einer der neuen Regierung nahestehenden Seite wird folgende Darstellung der Sachlage gegeben, die zwar in Einzelheiten übertrieben sein mag, in großen Zügen aber Wahrheit ent- hält: In der Zeit nach dem bulgarischen Befreiungskriege gab es zwei Parteien in Bulgarien, die nationale und die russische. Die erste hatte die Mehrheit des Volkes auf ihrer Seite, die zweite die Intriganten und deren Familien und Anhänger. Die öffentliche Meinung fand keine Maßregeln zur Unterdrückung der Russenpartei zu scharf. Das Re ultat war aber ein ganz unerwartetes. Eine Menge Russenfreuude flohen aus Bulgarien und wurden von ihren Freunden in Rußland und anderswo begeistert ausgenommen. Dort schmiedeten sie Ränke und bereiteten Aufstände in Bulgarien vor. Die Führer der nationalen Partei verzweifelten fast. Dadurch bildete sich eine neue Partei. Sie war auch national, aber harmonirte nicht mit den Stambulowschen Methoden. Stambulow selbst trug die einzigste Schuld. Er war zu > Mächtig geworden. Er konnte keinen Widerstand vertragen und verachtete seine Gegner, unbekümmert um Gesetz, Recht und Unrecht. Stambulow glaubte, daß man ihm nach dem Leben trachte. Deshalb stellte er eine Anzahl Späher an, deren Zahl allmählich so wuchs, daß die Freunde von gestern die Feinde von heute wurden. Keiner entging dem Verdacht. ES half ja nichts, sich an die Richter zu wenden, die alle von Stambulow abhängig waren und von einem Gerichtshof an den anderen versetzt oder summarisch entlassen wurden. Allerdings fügten sich die Gerichte trotzdem nicht; Die Polizei wurde immer gewissenloser. Gewöhnlicher Denunzianten er hielten die höchsten Posten in der Polizei. Wer sich weiter in das Vertrauen Stambulows einschlich, erhielt einen Prä fektenposten, ganz gleich, wie groß seine Unwissenheit war. Städtische und Staatsbehörden waren unter der Fuchtel Stambulows. Bei den Wahlen machte sich seine Diktatur besonders fühlbar. Seine politischen Gegner ließ Stambulow einfach verhaften. Ging das nicht gut an, so wurden die politischen Widersacher voy seinen Agenten, Feuerwehrleuten und dergl. mißhandelt, bis sie klein beigaben. Die Polizei sah de« Treiben zu, ohne sich einzumischen. Dann hatte Stambulow feine Banden überall organistrt, die jederzeit bereit waren, Dem Minister ein Vertrauensvotum zu bringe«. E» kam ja darauf an, den Fürsten zur Botmäßigkeit zu bringen. Auch das Herr befand sich bis vor kurzer Zeit völlig unter der Kontrole des' Ministerpräsidenten Stambulow; der erste Kriegsminister des Fürsten Ferdins <d war des allmächtigen Ministerpräsidenten Bruder. Balö nach seinem Rücktritt starb er. Sein Nachfolger war gleichfalls Stambulow er geben, aber das Vertrauen des Fürsten gewann er nicht. Der Herr mußte allerdings zurücktreten, weil sich ein Aergermß in seiner Familie abspielte. Das war eine üble Sache für Stambulow, der darauf den Obersten Petrow, der das Vertrauen de- Fürsten besaß, zum Kriegsminister ernennen mußte. Das war das erste Zeichen, daß Stam bulow doch nicht allmächtig war. Vorher konnte kein Minister ernannt werden, der sich nicht Stambulows Ansichten fügte. Schließlich, als sich dem Volke die Ueberzeugung aufdrängte, daß es sich zum Werkzeuge von Stambulows Diktatur her gebe, trat der Umschwung ein. Dieser hat seit drei Jahren gespielt und stets an Stärke zugenommen. — Jedenfalls war Stambulow in der Wahl seiner Mittel nicht wählerisch und Hal sich nach und nach rn eine Gewaltherrschaft hinein gelebt, die anfänglich durch den Zwang der Umstände ent schuldigt werden konnte, mit dem Eintritt immer mehr ge ordneter Zustände aber hätte aushören müssen. Dagegen wäre es nun ein großer Fehler, wenn die neue Regierung den immer noch b-stehenden Einfluß Stambulows durch ein Hinneigen zu Rußland erwidern wollte. Der Preis, den man in Petersburg für eine Versöhnung verlangt, ist so hoch, daß ihn kein bulgarischer Staatsmann szahlen könnte, ohne die Selbständigkeit seines Landes zu opfern. TsLeS-eschichtt. Deutsche- Reich. Die „Berl. Pol. N." schreiben über die Arbeitszeit jugendlicher Arbeiter, daß ihre Verwendung in manchen Fabrikationszweigen in Folge der gesetzlichen Bestimmungen ziemlich unmöglich geworden ist. Da damit die Arbeiterfamilien selbst am meisten ge schädigt werden, so sind Erwägungen im Gange, um Aende- rungen der Vorschriften herbeizuführen. Aber auch der Wortlaut des 8 136 der Gewerbeordnung, der von den Pausen während der Beschäftigungszeit jugendlicher Arbeiter handelt, scheint Unzuträzlichkeiten im Gefolge zu haben. Im 8 136 ist bestimmt, daß die Pausen für die zwischen 14 und 16 Jahren alten jugendlichen Arbeiter mindestens Mittag« eine, und Vor- sowie Nachmittags je eine halbe Stunde dauern müssen. Im Ganzen dürfen die jugendlichen Arbei- ter bekanntlich täglich 10 Stunden beschäftigt werden. Ein Fabrikant nun hatte die Arbeitszeit für diese Arbeiterkate, gorie aus Fürsorge für die Letzteren im Winter auf neun Stunde» ermäßigt, dafür aber am Vormittage, an dem die jugendlichen Arbeiter eine Stunde später zur Arbeit kamen, die halbstündige Pause fortfallen lassen. Er ist dafür, wie gemeldet wird, bestraft worden. Nach d.m Wortlaute des 8 136 ist dies ja möglich, e« steht aber mit den Absichten der Gesetzgeber nicht in Uebereinstimmung. Man wollte verhüten, baß die Körper der jungen Leute durch eine längere ununterbrochene Arbeit zu sehr angestrengt würden. Wenn aber die Arbeitszeit von de« Arbeitgeber selbst gekürzt wird, so müßte diese gesetzliche Vorschrift entsprechend maßvoller gehandhabt werden. Wenn man auch bei Kürzung der Ar beitszeit auf deq» Wortlaut des 8 136 besteht, so könnte es kommen, daß für die Beschäftigung der jugendlichen Arbeiter über 14 Jayre strengere Vorschriften als für die der Ar beiter unter 14 Jahren Platz greifen. Das kann man bei dem Erlaß dec Bestimming nicht gewollt haben. Der Ersatz der südwest-asrikanischen Schutztruppe fist gestern in Berlin eingetroffen und hat in Stärke von 13 Unteroffizieren, 200 Gefreiten und Gemeinen im städtischen Ordonnanzhause in der Neuen Königstraße Quartier genom men. Die Mannschaften sind durchweg Kavalleristen, den verschiedensten Regimentern angehörig und auf fünf Jahre — bisher' nur vier Jahre — dem Kolonialdienst ver- pflichttt. Die Einkleidung der Leute erfolgte im Laufe des gestrigen TageS; sie erhalten vier Uniformen, davon drei Anzüge für den Kolonial-Jnfanteriedienst, sowie einen Retter- anzug aus leichtem Gummistoff in hellgrauer Farbe. Die Reitcrstiefel ähneln den Gamaschen unserer Infanterie; sie sind aus gelbem Leder, die Reitschäfte werden an den Stie feln angeschnallt. Am Freitag Mittag verläßt die Abtei lung Berlin und begiebt sich nach Cuxhaven, von wo sie nach zweitägigem Aufenthalt nach ihrem neuen Bestimmungsort eingeschifft wird. Dort wird der Ersatz, bevor er der Schutz truppe im Innern des Landes zugetheilt wird, wohl im In- fanteriedienst ausgebildet werden; die Kämpfe des letzten Jahres in Südwest-Afrika haben die Erfahrung gezeitigt, daß bei dem bergigen und hügeligen Terrain des Damara- landes durchaus leichte Fußtruppen verwendet werden müssen. Zu der Frage des neuen ZeitungSgebührentarifS kann die „Volkszeitung" berichten: Es soll jede Zeitung für jedes Kilogramm der der Post übergebenen ZettungSrxempläre 20 Pf. zu zahlen haben. Mit der Grundidee dieses Vor schlages haben sich Bayern und Württemberg einverstanden erklärt. Die angestellten Ermittelungen nach der voraus sichtlichen finanziellen Wirkung des neue« Tarife- sollen er- - geben haben, daß die Pop bei diesem Tarife au» de« in Frage kommenden Titel eine Mehreianahme von zwei Drittel des jetzig« Betrages haben würde. Der „Voss. Ztg." zufolge ordnete der Eisenbahnminister an, daß die Bahndirektoren bereits jetzt Vorbereitungen treffen, um die Maßnahmen bei etwaigem weiterem Vorschreiten der Cholera unverzüglich durchführen zu können. In Ottensen herrscht anläßlich der Reichstagswahl große Aufregung. Rußland. Es steht nunmehr fest, daß in den Schulen der südrussischen deutschen Kolonien die russtsLe Unterrichts sprache durchweg eingesührt wird. Nur der Religionsunter richt soll deutsch enheilt werden. Als Grund wird angc- führt, daß die Hälfte der Bauern gar nicht Russisch kann, 30 Prozent nur die Umgangssprache beherrschen, ohne Russisch lesen und schreiben zu können. Sine Nothweadigkett, die russische Sprache zu beherrschen, liegt für die Leute nicht vor, und es ist sehr zu bezweifeln, daß auch nur 30 Prozent der eigentlich russischen Bevölkerung lesen und schreiben können. Die Fürsorge der Behörden ist also nur RussificirungSeifer. vertliche» «a Litchsisches. Riesa, 14. Juni 1894. — Se. königliche Hoheit der kommandirende General Prinz Georg traf gestern Vormittag auf dem Schießplätze bei Zeithain in Begleitung de» EhefS des Generalstabe», Generalmajor Freiherr v. Haus«, und de» Adjutanten im