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Riesaer G Tageblatt und Anzeiger Metlav Md Lqelttk). ^7^. Kmtsötatt »er ssönigl. «mtshauptmannschaft Großenhain, des König!. Amtsgerichts und des StadtrathS z« Riesa. 8«»spr»chstrll« Nr. SO 86 Montag, 16. April 18S4, Abends. 47. Jahr». <aS Riesaer Tageblatt erscheint jede» La» Abend» mit «»»nähme der Sonn- und Festtage. BierteijLhrlicher ve»n»»prei» bei Abholung in den Expeditionen in Riesa und Strehla, den Ausgabestellen, owie am Schalter der tatserl. Postanstalten 1 Mar» 25 Ps., durch dir Träger frei in» Hau» 1 Mart SV Pf., durch den Briefträger frei in» Hau» 1 Mark SS Pf. Anzri-e».««,^», für die Rummr« de» Ausgabetage» bi» Vormittag S Uhr ohne Gewähr. Druck und Verlag von Langer L Winterlich in Riesa. — Geschäftsstelle: Kaftantenftraße SS. — Für dir Redaction verantwortlich: Herm. Schmidt In Riesa. Bekanntmachung, die öffentliche Benutzung der städtischen Desinfektionsanstalt betreffend. Es wird hiermit wiederholt darauf hingewiesen, daß die hiesige städtische Desinfektions anstalt (Stadtkrankenhaus) Jedermann in Riesa und der Umgegend zur Verfügung steht. In derselben können Wäsche, Kleider, Betten, Matrazen, Polsterwaaren von alten An steckungsstoffen gründlich befreit werden und es empfiehlt sich ihre Benutzung insbesondere nach dem Auftreten von ansteckenden Krankheiten in einer Familie, wie Diphtheritis, Pocken, Schar lach, Masern, Keuchhusten, Typhus, Tuberkulose u. s. w., uin deren Weiterverbreitung zu verhüten. Die für die Desinfektion zu entrichtenden Kosten sind gering, richten sich nach der Menge und Größe der zu desinfizirenden Gegenstände und können im Bedürftigkeitsfalle ganz erlassen werden. Die Desinfektionen finden an jedem Mittwoch von früh 8 Uhr an statt und es können zu desinfizirende Gegenstände direkt in der Anstalt oder im Armenhaus abgegeben werden. Den selben ist ein Berzeichniß beizufügen. An anderen Tagen als den Mittwochen erhöht sich der Preis für die Desinfektion. Riesa, den 13. April 1894. Der Stadtrath. * Klötzer. S Bekanntmachung. Auf dem sogenannten Zchnigt, d. i. der städtischen Wiese an der Elbstraße, kann an schließend an den bereits ausgesütlten Theil Gchutt abgeladen werden. Das Abladen von Asche daselbst bleibt verboten. Riesa, den 13. April 1894. Der Stadtrath. Klötzer. S Freibank Riesa, Kastanienstraße 29, im Hofe. . Das Fleisch eines Rindes gelaugt Dienstag, den 17. d. M. und event. die folgenden Tage auf der Freibank zum Verkauf. Die Freibank ist geöffnet von 7 bis 11 Uhr Vormittags und von 4 bis 6 Uhr Rachmittags. Der Preis beläuft sich auf 48 Pfg. pro '/, Ks Riesa, den 16. April 1894. Der Stadtrath. Klötzer. Der Antrag Kanitz war auch am Sonnabend im Reichstag noch Gegenstand der Berathung. A g. Will (kons.) befürwortete den Antrag namentlich im Interesse des Bauernstandes. Die kleinen Besitzer litten unter dem Druck der Preise noch mehr als die g ößere» Besitzer, die die Ungunst der Verhältnisse durch Nedenbetriebe ausgleichcn könnten. Die Erhaltung des Bauern standes sei der beste Damm gegen die Sozialdemokratie; der Antrag diene also nicht einer einseitigen Jnterefsenpolitik, sondern de» Wohle des ganzen Vaterlandes. Abg. Dr. Bachem (Centrum) bekämpfte den Antrag auf das Ent schiedenste. Graf Sanitz hake nicht bewiesen, daß der von ihm vorgeschlagene Weg wirklich gangbar sei. Die Annahme des Antrages sei unmöglich, wenn wir nicht unsere christlich germanische Kultur nach ihrer wirthschaftlichen und ethischen Seite in Frage stellcn wollen. Die Konsequenz des Antrages würde die Verstaatlichung des gesammten, auch des inländischen Getreidehandels, und die Monopolisirung der Getreideprodukte sein. Der Staat würde ein ungeheures Betriebskapital ge brauchen. Mit demselben Rechte würde von anderen Seiten die Fixirung der Preise und Löhne gefordert werden. Die Sozialdemokraten verlangten eine Fixirung des Minimallohnes, die Konservativen forderten die Fixirung einer landwirth- schaftlichen Mindestrente. Beides sei der gleiche Sozialis mus. Um aus dem Gebiet der agrarischen Frage heraus- zukommrn, sei eine umfassende Agrarstatistik nöthig. Abg. Graf v. Bernstorff (Rp.) stimmte dem Verlangen nach einer Agrarstatistik zu. Der Antrag Kanitz sei im Augenblick nicht opportun. Solange noch andere Wege offen ständen, dürfe man nicht zum letzten Mittel greifen. Abg. Dr. von Bennigsen erklärte nameus der Nationalliberalen, ein schließlich derjenigen, welche dem Bunde der Landwirthe an gehören, den Antrag Kanitz im Interesse des Gemeinwohls für verderblich. Die Konservativen ständen mit ihrem An träge ganz isolirt da. Er leugne die Nothlage der Laud- wirthschaft nicht; der Antrag sei aber nicht das rechte Mittel, um ihr aufzuhelfen. Graf v. Kanitz laste die Viehzucht außer Acht, deren Preise gestiegen seien. Ein fleißiger und intelligen ter Landwirth könne durch rationelle Wirthschaft den doppelten Ertrag wie bisher herauSwirthschaften. Der Antrag schmecke stark nach dem sozialistischen Zukunftsstaate. (Sehr richtig! links.) Kein anderer Antrag sei in gleicher Weise Wasser auf die Mühle der Sozialdemokratie. Der Antrag Jaurös in der französischen Deputirtenkammer verfolge ganz dieselbe Tendenz. Mit demselben Recht wie jetzt die Landwirthschaft könnten überall Handel und Industrie, Gewerbe und Hand werk einen Mindestpreis ihrer Produkte verlangen. Der Arbeiter würde noch größere Ansprüche auf den Minimallohn erheben. Bis zu dieser Höhe der Gemeingefährlichkeit habe es noch kein Antrag einer anderen Partei des Hauses ge bracht. Wenn die Behandlung de« Antrages im Hause da hin führen würde, der wüthenden agrarischen Agitation ein Ziel zu setzen, dann könnte man allerdings den Antragstellern dankbar sein. (Lebhafter Beifall links und im Centrum.) Abg. v. d. Gröben (k.) bezeichnete die Ausführungen de» Abg. von Bennigsen als schändliche Uebertretbungen. (Der Präsident rügt diesen Ausdruck.) Der Antrag sei nur eine Konsequenz der Handelsverträge; er empfehle besten Annahme. Abg. Richter (fr. Bp.) betonte den sittlichen Ernst der Rede des Abg. Dr. v. Bennigsen gegenüber den oberflächlichen Ausführungen des Vorredner». Der Antrag wolle nur einen AgitatioMstoff beschaffen. Eine namentliche Abstimmung werde die Gelegenheit bringen, die einzelnen Befürworter kennen zu lernen. Graf Kanitz kümmere sich nicht um die Einzelheiten seines Antrages; er behandle die Sache nur jm Großen und denke, die Kommission müsse die Frage lösen. (Große Heiterkeit.) Der Antrag würde nur das Schulden machen erleich ern, die Besitzverhältnisse nicht ändern und die Lage der Landwirthschaft nur verschlechtern. Mit Recht habe Abg. Dr. v. Bennigsen den Antrag gemeingefährlich genannt. Mit einem größeren Rechte als gegen die Sozialdemokratie müßte jetzt ein Sozialistengesetz gegen die Konservativen ge macht werden (Lärm rechts, Zustimmung links), und zwar mit dem Ausweisungsparagraphen, selbst wenn an der Spitze der Ausgewiesenen Regierungspräsidenten und Landräthe gehen würden. (Große Heiterkeit.) Wir müssen uns alle zusammenschließen zu einer großen Ordnungspartei gegen die wachsende Begehrlichkeit der Konservativen. (Unruhe rechts, Beifall links) Abg. Liebermann von Sonnenberg (Antis.) tritt für den Antrag rin. Man müsse dafür sorgen, daß die Landwirthschaft als Wurzel des staatlichen Lebens ge sund bleibe. Wenn man dem Anträge eine sozialistische Tendenz vorwerse, so erwidere er, jede Partei müsse heut zutage mit einem Tropfen sozialistischen Oels gesalbt sein. Abg. Schippel (Soz.) bekämpfte den Antrag, da er auf Kosten des armen Mannes eine einzelne Jnterestentengruppe bereichern wolle. Er bedeute außerdem einen Treubruch gegen über den BertragSstaaten. Tausend Ritter von der traurigen Oekonomie wollten das Recht haben, auf eine Mindesteinnahme aus der Tasche von Millionen Konsumenten. (Beifall bei den Sozialdemokraten.) Reichskanzler Graf v. Caprivi: Der Antrag trat ganz plötzlich hervor. Wir haben lange bei den Handels verträgen über die Höhe der Kornzölle, später über den Identitätsnachweis debattirt. Damals handelte es sich um 15 Mark Zoll für die Tonne Getreide. Bei dem Anträge v. Kanitz handelt es sich um Summen, gegen die die 15 Mk. für die Tonn« verschwinden. (Sehr richtig!) Der Antrag ist fast wie eine günstige Kritik für den Handelsvertrag. Wenn man Summen fallen läßt, gegen die man damals stritt, dann konnte die Regierung doch nicht so schwer gesündigt haben, als angenommen nird, indem jetzt nur mit den vier- und fünffachen jener Summen der Landwirthschaft geholfen werden kann. (Sehr gut!) Graf v. Kanitz tadelte das Ver halten der Regierung; er that die» auch, als er im Abgeord netenhause nach dem russischen GetreideauSfuhrverbot dafür plaidirte, die Kornzölle zu suspendiren, weil die Kornpreise für die Brotesser zu hoch geworden seien. Der Antrag überrascht mich umsomehr, als wir annehmen mußten, daß die Konservativen etwas anderes als den Minimalpre S für Getreide fordern würden. Der Reichskanzler verliest die Rede des Staatssekretär- Frhr. v. Marschall vom 28. No vember 1893, wo der stenographische Bericht einen Widerspruch der Konservativen verzeichnet an der Stelle, wo der Staats sekretär für den Minimalpreis für die landwirthschaftlichen Produkte spricht. (Heiterkeit; Zuruf: anonyme Aeußerungen!) Wir würden doch den betreffenden Herrn unterschätzen, wenn wir Äks seinen Widerspruch nichts geben wollten. Jetzt wird der Minimalpreis als da» einzige Rettungsmittel hingestellt. Graf Kanitz baut seinen Antrag darauf auf, daß die Pro- duktionskosien nicht mehr gedeckt werden. Er fordert Summen, die erheblich denen widersprechen, welche die ostpreußischen Landw.r he im vorigen Jahre in ihrer Eingabe an den Kaiser fordern. In dieser Eingabe werden die Herstellungskosten für Weizen, Roggen und Hafer niedriger angegeben als im Anträge Kanitz. Kein Befürworter des Antrages hat nach gewiesen, warum gerade d ese Summen nöthig sind ; warum sie derartig auf die Getreidepreise vertheilt werden müssen; warum es gerade die Getreideproduktion sein muß ; sie sagten nicht, warum nicht auch das Schwein des armen Mannes des Schutzes werth ist. Die Unterzeichner des Antrages glauben doch wohl selbst nicht, daß die Regierungen imstande und geneigt sind, auf diesem Wege der Landwirthschaft zu helfen, denn nicht nur andere Berufsklasten, auch Staat und Reich im Ganzen würden dadurch geschädigt werden. Dem Wunsche des Abg. Dr. Bachem nach einer Agrarstatistik neige ich mich durchaus zu. (Hört! hört!) Die Verhältnisse der Landwirthschaft sind ganz verschieden ; sie dürfen also nicht über einen Kamm geschoren werden. Die Agrarstatistik ist freilich schwierig, nach meinem Dafürhalten auch nicht Reichs sache, sondern Aufgabe der Einzelstaaten. Die verbündeten Regierungen waren noch nicht in der Lage, sich über den An-» trag von Kanitz schlüssig zu machen. Der Antrag kann eben in keiner Beziehung erwünscht sein, weder dem Sinne de» neuen noch de» alten Kurses. Die Regierungen würden nach Annahme des Antrages zu den Vertragsstaaten in den Ruf der msls Iläss kommen. Wir würden da» Vertrauen der anderen Mächte verlieren, da» zu erwerben und zu befestigen wir uns jahrelang bemüht haben. (Beifall.) Wir haben von Jahr zu Jahr an Vertrauen gewonnen. Würde der Antrag angenommen, so könnte ich die deutsche Politik nicht mehr nach außen vertreten; dann würde ich alle» Vertrauen verloren haben. Auch für die innere Politik des Reiches er scheint mir der Antrag sehr gewagt, weil dadurch zahlreiche Streitfragen zwischen den Einzelstaaten emstehen würden; welches Odium würde der Reichskanzler auf sich laden, wenn er der Chef einer großen Getreidehandlung würde. (Heiter keit.) Man hat gesagt, der Antrag könne dazu dienen, die Steuerverhältnisse anders zu regeln. Wer soll denn die Lasten tragen? Die Brotsteuer würde die ärmsten Klaffen am schwersten belasten. Der Antrag hat mich persönlich mit Bedauern erfüllt. Ich habe vor Monaten vor Angriffen auf die Autoritäten gewarnt. Sie sind trotzdem mit Ihren Angriffen auf die Autoritäten sehr hoch hinaufgegangen; Sie haben Ihre eigene Autorität so weit verloren, daß Sie nicht mehr schieben, sondern geschoben werden. Ich bedaure al» konservativer Mann, daß die konservative Partei an eine ab schüssige Fläche geräth. Ich habe Sie gebeten, doch nicht trennend aufzutretcn. Die staatserhaltenden Elemente müssen mannigfachen Gefahren gegenüber zusammenhalten. Wenn Sie weiter trennend austrrten, trennen Sie alle staatSer- haitenden Elemente von einander. Die kleinen Parzellenbe sitzer, die kein Getreide verkaufen, die werden Sie gegen sich ausbrinacn. Meine Bitte, nicht agitatorisch aufzutreten, hat > keinen Erfolg gehabt. Zweifellos wird die Landwirthschaft die Kosten bezahlen, wenn da», wa» Sie wünschen, zu stände