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Nr. 12?. Pnk«itz«r Wochenblatt — Donnerstags den 28. Oktober 1824. beite S ' mal- wieder erholen. Sie müssen wirtschaftlich zum Erliegen kommen, wenn ihnen nicht schnellste und wirksamste Hilfe zuteil wird. Der Landeskulturrat hat sich bereits an die Staatsregierung gewandt, und diese ist auch bereit, helfend einzugreifen, erwartet aber, daß die Landwirtschaft selbst nicht zurücksteht und von sich aus ihren bedrängten Berufsgenosssn zu Hilse eilt, soweit dies nur irgend möglich ist. Die Landwirte anderer Gegenden haben die Ernte zum Teil unbeschädigt unter Dach bringen können; ein gnädiges Schicksal hat sie bewahrt. Es muh eine Pflicht der Dankbarkeit sein, dah sich die so glücklich Verschontgebliebenen ihrer notleidenden Berufsgenossen nach Kräften annehmen und helfen, sie vor dem Schlimmsten zu bewahren. Futtermittel und Stroh, namentlich aber Saatgut für dis Frühjahrsbestellung sind neben Geldmitteln das Notwendigste, was schnellstens bereitgestellt werden muß. Es ist Ehren pflicht eines jeden, der nur irgend dazu in der Lage ilt, mit ollen Kräften zu Helsen. Spenden jeder Art vermittelt der Landeskulturrat, Dresden-V., Stdonien- strahe 14. — tAm Dissidentengrad.) Es ist hin« reichend bekannt, dah die Kirche beim Tode solcher, die aus der Kirche ausgetreten sind, kein kirchliches Begräbnis hallen kann; auch dann nicht, wenn die Angehörigen noch der Kirche angehören. Dah der Pfarrer allen Leidtragenden seelsörgerlich Trost zu bringen sucht, ist davon selbstverständlich ganz un abhängig. Es ergibt sich aber, dah die Diffidenten- eerdigungen für christliche Teilnehmer ein Gefühl völliger Leere zurücklassen. Aus dieser Spannung heraus fand jüngst ein von auewärls zugereister Angehöriger bei einer Dissidemenbeerdigung eine würdige Lösung. Er trat nach der Rede des Frei denkers an das offene Grad, betete laut ein Vater unser und fügte die Worte hinzu: Du bist mir viel gewesen, Gott möge dir barmherzig und gnädig sein I Schlaf in Frieden! Bautzen. sGrohfeuer.) In der Nacht zum Dienstag brannten das Anwesen des Viehhändlern Tschopitz, die Tischlerwerkstatt von Hilbig und die Wagenlackiererei von Scheibner in der Töpferstrahe nieder. Die Entstehungsursache des Brandes ist un bekannt. Bautzen. (Lin fast Hundertjähriger) Der älteste Einwohner Bautzens, der Rtttergutsoer- walter i. R Johann Jakob Heine, ist am Sonnabend abend im fast vollendeten 96 Lebensjahre nach kurzem Leiden gestorben Schandau. jEine gesährlicheHochstap- lerin.) Der „Sächsischen Elbzeitung" wird aus Neu stadt i. Sa. berichtet: Ein hiesiger Einwohner, Besitzer eines gutgehenden Grohhandels, lernte in einem fernen Badeorte eine Majorstochter kennen, die er endlich als seine Gattin heimfühUe Als Trauzeuge diente auch ein Verwandter des jungen Weibchens. Bei der Ankunft im neuen Heim nahm die Frau sofort die Zügel in die Hand und ließ sich sämtliche Schlüssel ausliefern. Ihren Mann bearbeitete sie mit allen Mitteln weiblicher Kunst, ihn zum Verkauf seines Geschäftes und seiner sonstigen Habe zu bringen, um mit dem Kapital im Auslands eine neue Existenz zu gründen. Der Gatte war einverstanden, und nur der augenblicklichen Geldknappheit ist es zu verdanken, dah der Verkauf bisher nicht geschah. Die junge Frau wollte nur einen Verkauf gegen „bar". Da gegen wanderte aber fast der gesamte wertvolle Haus halt in fremde Hände, wofür das Weibchen ein hübsches rundes Sümmchen einsteckte. Nur den Fa milienschmuck behielt die Frau für sich zurück. Nun war aber ein Vetter des neubackenen Ehemanns miß- trauisch geworden und begann ouf seine Hand durch einen Detektiv nachforschen zu lassen. Und stehe da: die Majorstochter entpuppte sich als eine Kuischers- tochter und ganz gefährliche Hochstaplerin, die noch dazu bereits verheiratet ist. Ihr wirklicher Mann war jener oben erwähnte Trauzeuge. Es war dem Hochstaplerpanr nur um das Geld des neuen Gatten zu tun Zu diesem Zwecke wollten sie auswandern. Und im Auslände hätte der betrogene Mann neben seinem Vermögen vielleicht noch dos Leben eingebützt Er ist also einer der wenigen, denen die Geldknapp heit (sonst wäre sein Geschäft längst verkauft) einen Nutzen brachte. Die holde Frau sitzt aber hinter schwedischen Gardinen und wird — selbst wenn der zweite Gatte Aufsehen vermeiden will — mindestens wegen Doppelehe bestraft. Ein eigenartiger Zufall fügte es, dah die Hochstaplerin in einem Neustädter Lokal von einer dortigen Kellnerin sofort als frühere „Kollegin" erkannt und begrüßt wurde — (Das Martyrium der russischen Geistlichkeit.) Nach zuverlässigen russischen Quellen veröffentlichen die Eisernen Blätter (Nr 8) di? Lilien von russischen Geistlichen, die anläßlich der Beschlag nahme der kirchlichen Wertgegenstände von den bolsche wistischen Behörden htngerichtet oder zu Tode ge martert wurden Es sind im ganzen 269t Glieder der weihen oder weltlichen Geistlichkeit; zu ihnen kommen noch 1962 männliche Personen der Kloster geistlichkeit und 3447 Nonnen. Die Gesamtzahl der Opfer innerhalb der rufstschen Kirche erreicht mithin die Zahl 8100; hierbei liegen aber aus Sibirien keine vollständigen Angaben vor. Der blutige staatliche Raubzug gegen die Kirche, den die Sowjrtregierung —. ——— in blindem Religionshoh unternommen ha», sieht in der Geschichte wohl einzigartig da — (Der Zug unserer Zeit noch reli giöser Vertiefung.) In Heidenau, dos früher durch seine verhältnismäßig hohe Kirchenaustrittszahl von sich reden machte, muhten die jetzt stattftndenden Eoangelisationsvorträge der Christusgemeinde wegen Ueberfüllung des Betsaales in den größten Gasthofs- saal verlegt werden. - Sport Z Turnen : Spiel Turnen. v. 1. StädtesWettkampf. Einen großen turnerischen Tag erlebte am Sonntag Dresden durch den Städtewettkampf im Geräteturnen mit Freiübungen zwischen den Mannschaften von Chemnitz, Leipzig und Dresden. Jede Mannschaft zählte 8 Man», verlangt wurde je 1 Kürübung am Barren und Reck, am Pferd 1 Schwungübung und 1 Sprung, sowie eine Freiübung. Das Durchschnittsalter betrug in obiger Reihenfolge 84, 24»,/ und Jahre. Der jüngste Turner war 18, der älteste 42 Jahr. Bis zur dritten Uebungsfolge, wabci Dresden eine» empfindlichen Ver- sagcr hatte, blieb der Veranstalter überraschenderweise in Führung. Im Pferdsprung glänzte Leipzig und konnte die hierbei erreichte Spitze bis zum Schluß behaupten. Die Wertung zeigte folgendes Bild: Chemnitz Barren 347 Reck 738 Pferd-Schwung 1120 Pferd-Sprung 1460 Freiübung 1865 Leipzig Dresden 381 389 750 791 1138 1140 1543 1504 1941 1901 Pkte Leipzig konnte also dcu 1. Sieg mit nach Hanse nehmen, Dresden besetzte, die 2., Chemnitz die 3. Stelle. Reicher Beifall lohnte die vortrefflichen, fast ebenbürtigen Mannschafts Leistungen, die den besten Gesamteindruck hinterließen. Kirchen-Nachrichten. Pulsnitz. Sonntag, den 26. Oktober, IS. « Tri«.: >/,9 Nhr Abendmahl. 9 Uhr Predigtgottesdienst (Jes. 55, 8—9). Lieder: 272, 600, 5. 6. Sprüche: 122, 187. 2 Uhr Taufen. Pfarrer Schulze. — Donnerstag, den 30. Okt., 5 Uhr Kirchgcmeindever. tretersitzung im Konfirmandenzimmer. — Dienstag, den 28. Ok tober, */,5 Uhr Großmütterchcnverein. 8 Uhr Bibelstunde in landes- kirchlicher Gemeinschaft. - Mittwoch, den 29. Oktober, 6 Uhr Singcstunde des Kindergottesdienstes. 8 Uhr Bibelkränzchen des Jungfraucnvereins. — Resormationsfest, den 31. Oktober 1924: */,9 Uhr Abendmahl. 9 Uhr Predigtgottesdienst. Pfarrer Ehrler. r/,11 Uhr Kindergottesdienst (Ps. 46). 5 Uhr Abendmahlsfeier in der Sakristei. Pfarrer Schulze. Kollekte für den Gustav Adolf- Verein. Ohorn, Freitag, den 24. Oktober, 8 Uhr Jungfrauenverein Singe- stunde. - Dienstag, den 28. Oktober, 8 Uhr Jungfrauenverein in der Schule. — Donnerstag, den 30. Oktober, nachmittag 3 Uhr Alten-Vercinigung in der Fuchsbelle bei Herrn R. E. Schöne. Abends 8 Uhr Bibelstunde in der Schule. Niederster««. Sonntag, den 26. Oktober, 9 Uhr Kirmes-Gottesdlenst in <>er Schule. Prinzeß Nottraut 22) Ein Märchen aus dem 20. Jahrhundert. Roman von L. von Rohrscheid. (Nachdruck verboten.) Auf dem Rückweg ging er neben der Oberhosmeifterin, der er viel Liebenswürdiges über die sorgfältig geleitete Er» ziehung der Prinzessin sagte, sodaß die alte Dame ganz be zaubert über so viel Huld war. Auch Fräulein von Rekow zog der Prinz gern ins Gespräch. Das anmutige Mäd»«n gefiel ihm sehr; sie würde ein Schmuck seines Lost- jein. Der Erbprinz batte seinen Arm durch den Hochstettens geschoben; die beiden Herren folgten als l-ste. »Ich muß dich in diesen unruhigen Tagen soviel entbehren, Georg, und treue mich auf die Stille nachher. Aber ich glaube, es ent wickelt stch alles nach Wunsch.- Er deutete aus die Doran- gehenden.^ nwgMb ist es so wünschenswert?' Georgs Stirn war finster gefaltet. .Weil für euch im Purpur Ge- borenen die Krone doch immer der Magnet und Angelpunkt eurer Gedanken bleibt. Dabei lehrt die Geschichte, wie wenig beneidenswert das Los fürstlicher Frauen aus den Thronen Der Erbprinz gewahrte mit Staunen des Freundes Verstimmung, dessen gleichmäßig heitere Laune ihn so ost ersreut hatte. »Der Vorzug, im Neustadter Purpur geboren zu sein, ist ein sehr bescheidener,' sagte er nach einer Pause. .Ich denke dir noch zu beweisen, wie gering ich ihn ein- schütze. Hast du eine Sorge, Georg? Dars ich Sie nicht teilen? Es ist Freundesrecht, um das ich dich bitte- .Morgen I- erwiderte Hochstetten, die gebotene Hand kraftvoll drückend. .Morgen werd« ich dir mitteilen, was mich glücklich und zugleich unruhig macht. Sobald die zu künftige Majestät fort ist.« „ »Er gefällt mir sehr, ein bedeutender Mann! aber nicht unrichtig, was er sagt«: Für einen Herrscher ist Schwäche der grüßte Fehler, deshalb tauge ich nicht daA^ goldene Herzrnsgüte ist ein Glück für jeden in deiner Umgebung. Ich werde ste auch noch auf die Probe stellen.- .Iede Probe, der du sie unterwirfst, wird ste bestehen, das kann ick versprechen.« Mit liebevollem Blick sah er in das schöne, kühn geschnittene Gesicht, das ihm so teuer war. »Wie glücklich macht mich deine Anwesenheit.' Als die Pferde vorgesührt wurden, winkte der könig liche Piinz dem Adjutanten: »Sobald wir im Schloß ange- langt find, bestellen Sie, lieber Uexkkill- telegraphisch, daß die zwei neuesten Mercedes-Wagen hergeschickt werden. Sofort absahren I Dann müssen Ste in der Nacht hier sein.' (Fortsetzung folgt.) Die Grübchen in ihren rosigen Wangen vertieften sich: »Das habe ich nur im Interesse der Jugend getan, damit die netten Leutnants und Backfische allein zusammen durch den Wold geben können, wahrend die behäbigen Eltern in den Graskutschen nicken Mindestens drei Verlobungen alle Jahre stEauf mein Konto zu setzen »Und weshalb baden uns Hoheit hierher geführt?' sragt« Bühren leise »Damit hier gerastet wird und aus be quemem Wege geblieben, weil Eure Hobelt wissen, wie mub- iam die engen Waldpsade mit den Wurzeln für meinen lahmen Fuß find.« »Gedankenleseri Aber Sie wissen nickt, wesbalb ich Tie bet guter Laune erhalten will? Vielleicht bitte ich Sie bald um irgend einen großen Dienst. Wirklich, ich bin selbstsüchtig I- »Ich bleibe trotzdem Euer Hoheit getreuester Diener.' .So bitte ich mich gleichfalls nennen zu dürfen,' ries Baron Uexkvll. . Der Prinz hatte die mühsam zu lesende Jnschrist ent- "h?nvolirr Ernst lag auf seinen Zügen .Was ist Selbstsucht? Jeder kraftvolle, zielbewußte Charakter ist mAi °der weniger selbstsüchtig. Wer «ine Persönlichkeit besitzt, soll sie mich voll einsetzen. Mit das Schönste an dic- sen herrlichen Tagen, welche die Gastfreundschaft des Her zoglichen Hauies mir schenkt, ist. daß ich mich immer nur in einem «reise auter Freunde befinde.' Sein Blick grüßte verbindlich alle Anwesenden. »Hier kann ich reden, kann das, ohne Mißverständnisse zu befürchten. Kein Lauscher ist in der Nähe, der jede meiner Aeußerungen verzerrt an die Oefsentlichkeit bringt. Uud da möchte ich einmal aussprechen, wie sympathisch mich die Aeußerung berührt, .ich bin selbst süchtig!« Das heißt: ich weiß, was ich will, und wenn ich einen Vorteil sür mich irhe, so ergreife ick ihn, denn ich bin ich und stehe deshalb für mich in erster Reihe In der Be ziehung ist jeder selbstsüchtig, der Großes im Leben erreicht bat Auch teile ich ganz die Vorliebe rer Prinzessin für die Zeiten des Rokoko ui-d der Frührenaissance. ja. ich beneide die Meirichen, die in ihr leben durften. Selbst Cäsar Borgia ist mir lieber als Ludwig der Frömmler. Di« schwächliche Sentimentalität der Jetztzeit, die aus jedem Verbrecher einen Unschuldigen rdcr wenigstens verführten Unglücklichen macht, ist mir verbaßtX Falsches Mitleid mit dem Tüter, statt mit dem Opjer l Ich bestütige jedes Todesurteil: Fort mit den Schädlingen der Menschheit, der Glaube an die Besserung der Verbrecher ist eine Utopie. Aber ich versiehe jede Tat der Selbsthilfe. Was manchmal grausam erscheint, ist oft aus der Not des Augenblicks geboren, eine zwingende Not wendigkeit. Nicht die Härte, die Schwäche richtet das meiste Unheil an.' .Aber Mild« ist keine Tchwüche,' sagte Ulla leise; ihre Augen hingen an des Erbprinzen durchgeistigtem Gesicht; Der:.hard würde niemals ein Todesurteil unterschreiben. Verstehen und verzeihen können ist das Schönste.« »Für eine zarte, junge Dame gewiß,« bestütlgte der Prinz, .aber nicht jär einen Mann in den jetzigen schweren Lebensoerhülinisssn. Ich will, muß es heißen, nicht: ich verzeihe.« Prinzeß Rottraut schlug die dunklen Wimpern aus, sie band «ine« «ranz von Waldreben und Heiderosen, Georg stand neben ihr und reichte ihr die Blumen. »Wer von der hohen Warte herunter in dir Welt siebt, erblickt manches sehr Klar, aber der Hvhrnstandvunkt bleibt doch einleitlg. Wenn einer befiehlt, wüsten Millionen gehorchen, die es gewiß nicht angenehm finden. Ich iür meine Person halte es aber auch lieber mit dem Befehlen.' .Haben Sie keine Befehle für mich?' Der Prinz beugte stch zu ihr nieder: .Es wäre mein höchstes Glück, ste auszusöhren.« , Ihre Lippen kräuselten sich spöttisch: »Herkules am Spinnrocken! Königliche Hoheit, das steht Ihnen nicht. Sie befehlen gern, ich befehle noch lieber, zwei harte Steine mahlen schlecht zusammen.' »Mann und Frau haben ober zwei ganz getrennte Wirkungskreise, in denen jeder Selbstherrscher ist - »Sehr schön gedacht, aber der Mann glaubt doch immer das Recht zu haben, tm geeigneten Augenblick lenkend ein zugreisen.' »Euer Hoheit gelange es sehr schnell, ieden Mann gefügig zu machen.« »Das Wagnis ist mir aber zu groß, mitzglückl's, bin ich hereingesallen.« Sie sprang aus, schüttelte den Rest der Blumen von ihrem Kleide und hing den fertigen Kronz über den Denk stein : »Weil du soviel geliebt hast, edler Herr und Ritter von Wippach, wird dir auch viel vergeben werden; die Liebe ist das beste im Leben.« »Das habe ich hier erkennen gelernt,« bestätigte der Prinz halblaut.