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Ar. 88. Pulsnitzer WochenNM. — Montag, den 8. März 1328. Seks 8. staatrs, die fiH in Italien aufhalte», sind verständigt worden, daß er für sir ratsam sri, adzureisrn, da die Regierung keinerlei Haftung für ihr Leben und ihr« Sicherheit übernehme» könne. Der Gaß gegen Frank, reich ist allgemein. Man spricht offen vsn einem Kriege gegen Frankreich bei günstiger Gelegenheit Im Ausland« weilende Italiener sind benachrichtigt, sie möchten eins etwa für die nächste Zeit Seabstchtigte Heimreise beschleunigen. Sitzung vom 8. März 1920. Auf die Anfrage des Abg. Weinhauken (Dem.) wird von der Regierung geantwortet, daß die Gewährung von Krediten seitens Hollands an Inter nierte in Holland, deren Riickjahluna sitzt nach dem augenblicklichen Kurswerte verlangt werde, PrioatsaLe gewesen sei. Der Regierung ständen keine Mittel zur Verfügung, um Lie Schuldner zu unterstütze« Aus die Anfrage Kunerts (U S.) wird geantwortet, dsß die Regierung nach eben erfolgter Annahme des Äetricbsrätegesetzes nicht beabsichtige, eine Abänderung der Bestimmungen der selben hsrdeizMhren. Aus die Anfrage Laoarenz (Dm.) wird geantwortet, das; das Entschädigungsverfahven für Kolonialdeutsche möglichst beschleunigt werde. Es folgt die dritte Beratung eines Gesetzentwurfs zur Ergänzung des Gesetzes zur Verfolgung von Kriegsverbrecher» usm. «bg. Düringer (DM): Wir lehnen das Gesetz ab. R-ichs Minister Schiffer: Wir wünschen, daß die Sprüche des Reichsgerichtes möglich» bald herdeigeführt werden. Abg. Dr. Kahl (D. V ): Meine Partei nimmt das Gesetz an, allerdings nur mit äußerstem Widerstreben. Ist die Regie rung bereit, auf die Rote Llsyü Georges vsm 18. Februar mit ihren entehrenden Unterstellungen eine Antwort und zwsr eine deutsche zu gebt»? Reichsminister. Müller: Selbstverständlich wird dir Regierung die noch unbeantwor tete Rote vom 1L. Februar beantworten und sich verwahren gegen die Angriffe Selbstverständlich werden auch wir für diejenigen, die im Feindesland oder besetztem Gebiete sich befinden und dort wegen angeblicher Kriegsverbrecher: ergriff fen werden, das gleiche Recht »erlangen, wie für aste ande re« deutschen. Nederall in der ganzen neutralen Welt ist man beute überzeugt, daß Schweinereien und Verbrechen in allen Ländern vorgekommen sind. Die Regierung muh sich Len Zeitpunkt Vorbehalten, wann sie mit der Gegenliste hrr- auskvmmt- Abg Katzenstein (So,.) spricht für di- An- «ahme des Gesetzentwurfes. Nachdem sich noch der Abg. Falk (Dem )' gegen den Adg Düringer gewandt hatte, wurde das Gesetz gegen vis SÜmmen der DrMÄnÄiona'en angenommen. Es folgt die Fortsetzung der zweiten Bera tung des Entwurfes des Landesstsuergesttzes. H 1 wird an genommen. § 2 wird mit 219 gegen 33 Stimmen und bei einer Stimme.»Haltung angenommen.. Prozeß Erzberger-Helfferich. Am Freitag kamen die Vertreter des Nebenkläger» Geh. Justizrai v. Ssrdon und Rechtsanwalt Nr. Friedländer, mit ihren Plädoyers z« Worte. Am Montag soLcn sich dann die eigentlichen Gegner zum letzten Male gegenübertreten. Der Ge richtshof hofft dann «m Mittwoch da» Urteil verkünden zu Können. Geh. Justizrat Dr. v. Gordon erwiderte in längeren Ausführungen auf die Plädoyers der Staatsanwälte und des Verteidigers. Er behandelte zunächst den Fall Thyssen und sprach über die Gründe, die Thyssen seinerzeit veranlaßt hätten, Erzberger zum Eintreten in den Aufsichisrat der Thyssenwerke aufzujordern. Gords« weist dann darauf hin, daß auch im al ten Reichstage zahlreiche Abgeordnete Ausffchtsratsftkllen be kleidet hätten, z. B. Bassermann und Br Stresemann. Ebenso stehe er jetzt in der Nationalversammlung Er komme lediglich darauf an, die gegeneinander wirkenden Interessen der verschie denen Gruppen miteinander au»z«g!eichen. Ein Abgeordneter dürfe niemals gegen da» Gemeinwohl handeln, keine unberech tigte Bevorzugung vornehmen und niemals, wenn er etwas durchsetzen will, mit Repressalien drohen. Erzkerger habe stets diese Grenzen kingehalten. Redner erörterte dann die Angele genheit der Briey-Gruben und kommt zu dem Schluß, daß auch in diesem Falle Erzberger nicht der geringste Borwurf gemacht «erden könne. Gordon widerlegt sodann unter Vorführung einer langen Reihe tatsächlicher Momente den Vorwurf, daß Erzkerger mit seinem Austritt aus dem Thyssenkonzern einen vollständigen Gesinnungswechsel vorgenommen habe. Weiter habe der Fall Berger mit einer Vermischung politischer und geschäftlicher Interessen nichts zu tun. Redner schildert die Einzelheiten im Falle Strauß. Nach kurzer Erläuterung der Fälle Pöplau und Flottenverein, in welchen nach Ansicht des Redners dem Nebenkläger nach keiner Richtung hin ein Ber- stoß gegen die Wohlanständigkeit vorgeworsen werden könne, tritt eine Mittagspause ein Nach derselben erwähnt Geh. Rat Gordon die Ernen nung des Herrn Strauß zum Geheimen Regierungseat und er klärt diese damit, daß er während der Etraßenkämpse in Ber lin der Regierung große Geldmittel zur Verfügung gestellt habe, um die wankenden Tiupp n festzuhalten. Er habe seine große Arbeitskraft in den Dienst der Regierung gestellt. Aus die Frage, woher Erzberger seine Millionen habe, antwortete der Verteidiger, Erzberger verfüge über 200 000 Mark, die nicht einmal sein vollständiges Eigentum seien Haiti Erzberger mit seinen Fähigkeilen sich auf das Erwerbsleben geworfen, wäre er heute wahrscheinlich Millionär. Eine Verquickung seiner Lätipkeit im Interesse seiner Tasche liege ihm völlig fern. Was den Vorwurf der Unwahrhastigkeit änlangt, so habe es Erz berger seiner Verteidigung nicht so leicht gemacht, wie in den anderen Fällen. Man dürfe aber nicht vergessen, daß der Kaufmann, der Jurist und der Richter gewohnt seien, ihre Worte erst ernsthaft zu wägen und erst dann auszusprechen. Anders sei es beim Parlamentarier, wo es weniger auf die Korrektheit a!s auf dos politische Wirken unksmme. Bon ei nem Hange zur Lügenhaftigkeit könne nicht gesprochen werden. Gordon kommt aus die politischen Vorgänge zurück, die in den letzten Tagen das Gericht beschädigten In der Frage der Steuervorlageu habe vielleicht eine nicht ganz exakte Ausnahme der Tatsachen obgrwaltet, aber man könne doch nicht von ei nem Beweis der Unwahrhastigkeit reden. Ebenso liege im Falle der Reise Erzbergers nach Wien und der Aeußerung Erzbergers, er sei von; Reichskanzler zu dieser Reise beauftragt, nicht Unwahrhastigkeit, .sondern vielleicht ein salopper Fehler vor. In der Frage der Friebmsrejolution habe Erzberger kei nen Treubruch gegen seine vorher gemachten Zusagen began gen, daß alles rücksichtsvoll behandelt werden würde. Das sei auch seine Absicht gewesen. Die Verhältnisse seien manch mal stärker als die Absichten. Gordon schildert sodann Erz berger als eine frische, tatkräftige Persönlichkeit, die mit denk würdigem Pflichteifer die undankbarsten Aufgabe» übernom men habe. Sr sei kein Idealbild, er habe viele Fehler, aber auch viele Vorzüge. Gordon beantragte zum Schlüsse eine Bestrafung Helfferichs, und zwar im Ginne des Z 18S des Strafgesetzbuchs, da der Wahrheitsbeweis mißlungen sei. Nach Gordon ergreift Rechtsanwalt Friedländer das Wort und schildert Erzberger als einen tadellosen, ungemein fleißigen, um jein Vaterland sehr verdienten Mann. Er habe kein Sprungbrett zur höchsten politischen Höhe gehabt, sondern sich durch rastlosen Fleiß cmpocgearbeitei und seine Klugheit und Tatkraft nur im Interesse des Vaterlandes arbeiten lassen. Was Erzberger getan habe, sei nicht unsauber. Es könne viel leicht hier und da als taktlos bezeichnet werden, aber es liege nichts vor, was berechtigen könnte, ihn aus der Gesellschaft der anständigen Menschen zu stoßen. In keinem FaSe sei fest- gestellt worben, daß Erzberger heimlich oder gewissermaßen hin tenherum sich geschäftlich zugunsten seiner eigenen Tasche be tätigt habe. ANS Er Welt, — (Die Not der Zeitungen.) Dir sorial- deMokasisH« BüMMuns in Sorau, die im vsrigen Jäher gegründet wurde, sicht sich infolge der jetzigen katastrophalen sage im ZeimngSgewerS« tzezwunge«, ihr Erscheinen vorläufig rtnrustellrn. Da? Erscheinen eingest-M hat dir seit dem 1. Dezember i« Berlage von Paul Hermann G. m.b.H i« Forst herauSgegeöene .Forster Zeitung-. Hamburg. (Die letzten Kriegsgefan genen aus Japan.) Die Diensten« der Admirali tät mit: Nach einer telegrsphtschen Mitteilung aus Tokio hat der vierte Dampfer, der „Hutsen Maru* mit deutschen Kriegsgefangenen aus Japan am 27. Januar Kobe verlaffm. Aa Bord befinden ßch 12 Offiziere, 14 Portrpetunteroffiziers, 5SS AnterofKzirre und Mann schaften. Dieser Transport ist der letzte der aus Ja- pan zurückkshrenden Kriegsgefangenen. Der Dampfer ist am 1. Februar in Shanghai angeksmmen. Hamburg» 7. März. (Ankunft des ersten Amerika dampfers.) Der Lunarddampfer „Sa- Xonia" traf gestern mittag tn Cuxhaven ein. Er überbrachte 1200 Passagiers 3. Klasse und 70 Passa giere 1. Klasse, hauptsächlich Angehörige der Lschecho- Slowakei Der Dampfer stellte damit die Verbindung LuXhaven—New Dark wieder her. Breme«, 7. Marz (Verhaftung eines Kommunistenführers) Der bekannte Kom- mumstensührer Philipp Schmidt ist gestern morgen aus Grund eines seit November 1313 gegen ihn vorliegenden Haftbefehls wegen Aufreizung zu Ge walttätigkeiten festgenommen worden. München, 7. März. (Todesfälle infolge Tripp« in München.) Im Laufe d«S vorigen M«natS sind — wie amtlich ruit-geteilt wird — in München 68 Todesfälle an Grippe erfolgt. Irr 21 von diesen Fällen wurde eine eigentSAltche Ertran- kanL des Gchtrns sistgestrllt. Aoblsnz, 7. März. (Die Streiks nahmen kein Ende.) Die amerikanisch!: Behörde hat die Einstellung des StraßenSahnbeLriebsS hier und auf von Außenltnirn solaagr ««geordnet, bis da? GlekLri- zttMkvetk in Höhen auf dem WffLerwald, wo ein Ausstand aasgebrochm ist, wieder genügend Kraft ffrfert. Inzwischen haben von 6 20 aus ständischen Arbeitern 150 die Arbeit wieder ausgenommen. — Sämtliche Transportardetter sind hier tu den Aus- stand getreten. Genf, 7. März. (Ausstand derBergar- heiter im Zs narb ecken) Dem ,Malin* zufolge sind die Bergarbeiter in einem Teil d«I Saarbeckens vorgestern in den FluSstaud getreten, um die Entlas sung gew fler Angestellter zu erzwingen. Hamburg, 7. März. (Strandung eines deutschen Dampfers.) Wie aus Trage» gemel det wird, ist dort am Freitag der Hamburger Damp- fer „Malcolm* gestrandet. Der Dampfer kam au? Norwegen. Die Mu-nschaft verließ bst; jetzt den Dampfer nicht; sie Hoffr Sei Emireteu der Flut diesen wiedsr flott zu bekommen. <5°. ^7. Der Geiser vm KirkeM. Ein Heideroman von Fritz Gantz er. 80j (Nachdruck verboten.) „Einer muß des Knaben Vater sein. Ich will es sein. Aber ich kann ihn nicht unter den Augen be halten. Denn ich muß, ich will nun hinaus in die Welt. Einmal, weil ich das Stück meines Herzens wieder habe, das mir verloren gegangen war: Sabine. Und zum anderen, weil ich mit meiner Kunst einem heiligen Zweck dienen muß: für Sabines Knaben nach besten Kräften zu sorgen. Es muß aber jemand des Knaben Mutter sein, wenn ich fern bin. Er muß überhaupt eine Mutter haben. Sage, wer das sein soll." „Ich, Heinz," entgegnete sie sofort. „Ich will es sein." „Und gern?" „Sehr gern, Heinz." „Das will ich dir immer danken, dies Wort. Und so wollen wir uns denn die Hände reichen als Vater und Mutter für Sabines Kind." „Ich bin so froh, Heinz," sagte Eve, als sie mit ihm ein Stück über die Heide nach Lüttorp zu ging; denn dort wollte Heinz zu einem, dem er ein gewisses Wort vom neuen Anfang schuldig war. „Nun sehe ich mein Leben wieder hell werden in der Sorge um Sabines Kind. Nun wird es doch noch hell, so hell, wie der Stern, der dort am Himmel steht." „Ja, Eve, die Sterne! Sie verlöschen und glühen wieder auf. Am Himmel und in den Menschenherzen. Wir haben unseren Stern, Eve. Nach aller dunklen Nacht voll finsterer Wolken den Hellen Morgenstern eines jungen Tages." Ende. 25 Aamilien-IdyN. Herr Wilhelm Trampel stand von seinem Stuhle auf, um die Zigarrenkiste vom Büfett herunterzulangen. Dabei setzte er achtlos einen seiner mit schweren Jagd stiefeln bekleideten Füße ziemlich heftig auf das zarteste Hühnerauge seiner Gattin. Er gab sich keine Mühe, nach einer Entschuldigung zu suchen, und Frau Trampel sagte: „Nun, Wilhelm Trampel?" „Nun, was?" fragte unwirsch Trampel. „Hast du gar nichts zu sagen? Wie?" „Etwas zu sagen? Worüber?" „Ueber meinen Fuß, den du fast zu Brei zerquetscht hast?" „Was soll ich da sagen?" „Was du sagen sollst, Wilhelm Trampel? Was würdest du denn vor zehn Jahren, vor unserer Ver heiratung, als du mir noch den Hof machtest, gesagt haben? Was würdest du heute zu irgendeiner anderen Dame sagen, die zufällig nicht das Mißgeschick hat, deine Gattin zu sein? Nun? Du würdest dich vor ihr in den Staub werfen und wegen deiner Ungeschicklichkeit um Verzeihung bitten. Du würdest sagen: „Ich bitte tausendmal um Vergebung!" oder „Wie schrecklich un geschickt ich bin! Entschuldigen Sie gütigst!" O, du würdest um Worte nicht verlegen sein! Du lieber Himmel! Wie würdest du dich entschuldigen. Ich glaube, du wärest imstande, ihr einen langen Brief deshalb zu schreiben. Und wenn es dir zur Zeit unserer Verlobung passiert wäre, wie würdest du dich um meinen armen, süßen, kleinen Fuß gesorgt haben, um mein teures Füß chen, dessen Pfad du mit Rosen bestreuen wolltest. Du würdest gar nicht aufgshört haben, dich über mein armes, kleines Füßchen zu härmen. Und jetzt, wo du mir beinahe sämtliche Knochen im Fuß gebrochen hast und ich vor Schmerz aufschreie, kannst du nicht den Mund zu einem Wort der Entschuldigung öffnen. Höchstens, daß du „O, Donnerwetter" oder so was ähnliches brummst. Und gestern abend, als Meiers bei uns waren, konntest du kein Ende finden, dich bei Frau Meier zu entschuldigen, weil du ihr aus Versehen einen Tropfen Wasser aufs Kleid gespritzt hattest; für mich hättest du, glaube ich, nicht den zehnten Teil Entschuldi gungen gemacht, wenn du eine ganze Badewanne Wasser über mich gegossen hättest. Du würdest mich wahrscheinlich höhnisch gefragt haben: Was stellst du dich auch gerade in den Weg, wenn ich die Wanne ausgieße? Es ist wirklich eigentümlich, wie sich die gute Erziehung eines Mannes nach den Flitterwochen verflüchtigt! Ich sage dir, Wilhelm Trampel, die Ehe kann einen Menschen schrecklich verändern! In der Tat, das kann sie!" „Das will ich meinen!" murrte der grobe Gatte und zündete sich seine Zigarre an. Die eierlegende Katze. „Frau Schulze," sagte Frau Lehmann kürzlich zu ihrer Nachbarin, „es wäre mir doch lieb, wenn Sie dafür sorgten, daß Ihre Hühner nicht immer in meinen Garten kommen." „Frau Lehmann," antwortete schnippisch Frau Schulze, „es wäre mir auch lieb, wenn Sie dafür sorgten, daß Ihre Katze nicht immer in meinen Garten kommt. Wenn Sie ihr ordentlich zu fressen gäben, würde sie nicht nötig haben, immer um dieNachbarhäuser herumzuschnuppern." Einige Tage später begegnete Frau Lehmann wieder ihrer Nachbarin und sagte zu ihr: „Ich danke Ihnen , auch sehr für den guten Rat, den Sie mir wegen meiner j Katze gegeben haben. Ich habe darauf geachtet, daß sie nicht aus meinem Garten gekommen ist, und denken Sie sich nur, Frau Schulze, sie legt jede Nacht einige Eier in meinen Gartenschuppen." Die Hühner der Frau Schulze waren von da ab nicht mehr im Garten Lehmanns zu sehen.