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2786 * P A PIER-ZEITUNG Nr. 87/1919 Satzungen für einen Betriebsrat 'In der neuesten Ausgabe der „Nachrichten für die Angehörigen der Reichsdruckerei“ veröffentlichten die Direktion und der seit der Revolution bestehendesiebenköpfige Arbeiterrat dieses Betriebes die Bekanntmachung über den Betriebsrat der Reichsdruckerei, eine unlängst gewählte, aus 76 Personen bestehende Körperkraft. Da in buchgewerblichen Kreisen der Wunsch gehegt werden dürfte, die in gemeinsamen Beratungen getroffenen Bestimmungen kennen zu lernen, drucken wir sie nachstehend ab, zumal aus solchem Uebereinkommen ersichtlich wird, wie die Bestimmungen des kom menden Betriebsrätegesetzes auszulegen sein dürften, ferner aber auch, weil der Verfassung dieses wohl ersten Betriebsrates im Druck- gewerbe eine gewisse Bedeutung zukommt. In den gemeinsamen Richtlinien heißt es zunächst: „Direktion und Arbeiterrat glauben ersprießliche Arbeit nur dann leisten zu können, wenn alle Beschäftigten in gegenseitig takt- vollem und rührigem Zusammenwirken gesonnen sind, das Ganze fördern zu helfen. Die Reichsdruckerei in technischer und sozialer Beziehung zu einem der ersten Betriebe im Reiche zu erheben, soll durch ernstes Wirken aller erreicht werden. Dazu ist in erster Linie notwendig, daß jeder einzelne gern und willig seine Pflicht tut, allen Weisungen seiner Vorgesetzten nachkommt und seine volle Arbeitskraft in den Dienst der guten Sache stellt. Jeder stehe auf seinem Posten mit dem Gefühl strengster Pflichterfüllung, dann kann er gleichen Maßstab auch bei andern anlegen. Es wird daher von Beamten, Angestellten und Arbeitern erwartet, daß jeder einzelne sein Verhalten mit der erforderlichen Rücksichtnahme auf den Standpunkt des andern einrichtet und sich die Notwendigkeit eines möglichst reibungslosen Zusammenarbeitens aller Glieder des Betriebs vor Augen hält.“ Zwischen Direktion und Arbeiterrat wurdenoch im besonderen bis zur allgemeinen Regelung durch das Betriebsratsgesetz vereinbart: „Der Arbeiterrat tritt einen Teil seiner bisherigen Aufgaben an den Betriebsrat ab. Er hat aber auch künftig die Arbeiterschaft nach außen hin zu vertreten, auch der Direktion und den vorge setzten Behörden gegenüber, das Mitbestimmungsrecht bei allge meinen Lohnregelungen, Einstellungen und Entlassungen auszu üben (letzteres nach Anhörung des Betriebsrats) sowie mitzuwirken bei der Umgestaltung des Gesamtbetriebs im Sinne gemeinsamer Verwaltung. Der Arbeiterrat übernimmt die Vertretung der Arbeiter schaft in der Leitung des Betriebs. Die regelmäßigen Sprechstunden kommen in Wegfall. Der Ar beiterrat gibt in etwa dreimonatigen Abständen schriftlichen Be richt über seine Tätigkeit. Der Betriebsrat übernimmt die Erledigung aller Angelegenheiten im inneren technischen Betrieb, die nicht die Gesamtheit der Be schäftigten oder des Betriebs betreffen, sondern nur die Interessen des einzelnen, einzelner Räume oder Berufsgruppen berühren, und die nicht über den Rahmen des eigenen Betriebs hinausgehen. Ihm sind also in Zukunft zu übermitteln die Wünsche und Beschwerden des einzelnen, einzelner Räume oder Berufsgruppen u. dgl. Der Arbeitskreis der einzelnen Mitglieder des Betriebsrates erstreckt sich also nur auf die ihnen zugeteilten Betriebszweige und Arbeits räume. Ein Verzeichnis der für die einzelnen Bezirke und Räume zuständigen Betriebsratsmitglieder nebst Verzeichnis der Kommis sionen wird den Abteilungsvorstehern, Raumvorstehern und Be- triebsratsmitgliedern zugestellt. Außerdem wird das für jeden einzelnen Raum zuständige Betriebsratsmitglied durch Aushang angezeigt. Jedes Betriebsratsmitglied erhält einen Ausweis über seine Stellung und seinen Tätigkeitsbezirk. Entfernt sich ein Mitglied des Betriebsrats zwecks Wahrnehmung seiner Obliegenheiten aus seinem Arbeitsraum, so ist dies dem Raum- Vorsteher anzuzeigen. Auch hat sich das Betriebsratsmitglied beim Betreten eines fremden Raumes bei dessen Vorsteher zu mel den und als Legitimation die Ausweiskarte ■vorzuzeigen. Nichtlegi timierten Personen ist der Zutritt zu verwehren. Der Verkehr zwischen den Beschäftigten und dem zuständigen Mitgliede des Betriebsrats darf nicht behindert werden; andererseits wird erwartet, daß sich dieser Verkehr auf das Notwendigste beschränkt. Bei allen Verhandlungen in den Betriebsräumen sind die Sicherheitsvor- Schriften unbedingt zu befolgen und Störungen des Betriebs mög lichst zu vermeiden. Das Dispositionsrecht der Abteilungs- und Raumvorsteher wird durch den Betriebsrat oder dessen Mitglieder nicht berührt. Den Abteilungs- und Raumvorstehern oder ihren Vertretern steht grundsätzlich die Verfügung über die vorhandenen Arbeitskräfte, Arbeitsvorgänge und Betriebsmittel zu. Ihren Anordnungen ist nachzukommen. Dabei ist es jedoch Pflicht des Abteilungs- undRaum- vorstehers, sich mit dem zuständigen Betriebsratsmitglied zu ver ständigen. Den gesetzlichen und den tariflichen Vorschriften ist Rechnung zu tragen. Zur Erledigung der laufenden Geschäfte sind zwei Obleute und zwei Stellvertreter gewählt. Die Obleute sind täglich in der Zeit von 9 bis 10 Uhr im Betriebsratszimmer, Oranienstraße, erster Hof, Aufgang 4 b, 2 Treppen, für die Mitglieder des Betriebsrats in Er ledigung ihrer Geschäfte zu sprechen. Zur Erleichterung der Arbeiten können Kommissionen ge bildet werden. ‘Ständige Kommissionen sind: eine betriebstechnische. eine für Gesundheit und Arbeiterschutz, eine für Beschwerden und eine für Lohnregelung. Anträge und Vorschläge auf Betriebs verbesserungen oder Vereinfachungen und ähnliche Anregungen können direkt und möglichst schriftlich an die Obleute des Betriebs rats gerichtet werden. Die Mitwirkung aller ist hierbei besonders erwünscht. Die Obleute des Betriebsrats und ihre Stellvertreter sowie die Vorsitzenden der genannten vier Kommissionen werden mit einer besonderen Ausweiskarte ausgestattet, welche sie ermächtigt, auch andere Arbeits- und Betriebsräume aufzusuchen. Diese Aus weiskarten tragen den Stempel der Direktion und berechtigen auch zum Verlassen des Grundstücks unter der Bedingung, daß dem Pförtner jeweils das Ziel des Dienstgangs mitgeteilt wird. Bei persönlichen Beschwerden, Wünschen oder Anliegen hat sich jeder zunächst an den Raumvorsteher zu wenden. Sollte dies nicht zur gewünschten Erledigung führen, ist die Vermittelung des zuständigen Betriebsratsmitgliedes in Anspruch zu nehmen. Kommt auch hierbei eine Einigung nicht zustande, ist die Angelegen heit dem Abteilungsvorsteher und den Obleuten des Betriebsrats zu unterbreiten. Zur Erleichterung und Vereinfachung des Ge schäftsbetriebs ist streng darauf zu achten, daß diese Bestimmungen unbedingt eingehalten werden. Wenn diese Anregungen und Bestimmungen genaue Beachtung finden, so wird der beabsichtigte Zweck, die gerechte Vertretung der Interessen jedes einzelnen unter gleichzeitiger Wahrung der Interessen des Betriebs voll erreicht werden; das Gesamtpersonal kann dadurch den Beweis erbringen, daß das Recht der Mitbestim mung nicht produktionshemmend, sondern produktionsfördernd wirkt, zum Wohle aller Beschäftigten und des Volksganzen.“ Az. Tarifverträge Der zwischen dem Arbeitgeberbund des graphischen Gewerbes im Stadt- und Landkreis Bielefeld, der Vereinigung der Privatange- stellten-Verbände Bielefelds und Umgegend und dem Gewerkschafts bund kaufmännischer Angestelltenverbände, Ortsausschuß Biele feld, am 6. Mai 1919 abgeschlossene Tarifvertrag zur Regelung der Gehalts- und Anstellungsbedingungen für die kaufmännischen und technischen Angestellten im graphischen Gewerbe (Buch-,. Zeitungs- und Steindruckereien, Geschäftsbücherfabriken, Papier verarbeitungs- und Papiererzeugungsindustrie, Kartonnagenfabriken und chemigraphische Anstalten) wurde am 16. Oktober vom Reichs- arbeitsminister für den Stadt-Landkreis und Bielefeld für allgemein verbindlich erklärt. * ♦ ♦ Der Deutsche Buchbinderverband, Zahlstelle Berlin, und der Schutzverband Berliner Kartonfabrikanten E V. haben beantragt, den zwischen ihnen am 2. Mai 1919 abgeschlossenen Tarifvertrag zur Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen der gewerblichen Arbeiter im Post- und Glac 5 - Kartonnagenfach für das Gebiet des Zweckverbandes Groß-Berlin für allgemein verbindlich zu erklären. , Einwendungen gegen diesen Antrag können bis zum 5. No vember 1919 erhoben werden und sind unter Nummer I. B. R. 3415 an das Reichsarbeitsministerium, Berlin, Luisenstr. 33, zu richten. Einfuhr von Druckwerken nach dem belgisch besetzten Gebiet In die belgische Zone der besetzten deutschen Rheingebiete dürfen jetzt alle Bücher, Zeitungen, Zeitschriften und sonstigen Druckwerke ohne vorherige Genehmigung der Besatzungsbehörden eingeführt werden, soweit nicht für einzelne derartige Veröffent lichungen ein besonderes Einfuhrverbot besteht. Ueber solche Einfuhrverbote erteilen die Postanstalten am Verlags- oder Er scheinungsorte der betreffenden Druckwerke auf Verlangen Auskunft. Die Sendungen mit Zeitungen und Druckwerken nach der belgischen Zone unterliegen im besetzten Gebiet nur noch den all gemeinen Zensurbestimmungen, alle Sonderanordnungen für solche Sendungen sind aufgehoben, insbesondere auch die Verordnung über die Zensur und die Einführung von Büchern und Veröffent lichungen vom unbesetzten Deutschland in die belgische Besatzungs zone sowie die Bestimmung, daß Bücherpakete und Zeitungs sendungen äußerlich durch einen ringsum laufenden breiten roten Papierstreifen, der auf der Aufschriftseite den Vermerk „Bücher“ oder „Zeitungen“ trägt, gekennzeichnet sein müssen. Skonto nur für den Warenbetrag Das so wesentlich erhöhte Paketporto bedeutet für Firmen mit starkem Postversand eine derart große, eher mit Verlust als mit Gewinn verknüpfte Barauslage, daß das Verlangen gerechtfertigt erscheint, es möchte Cassaskonto künftighin nur noch vom reinen Warenbetrage gekürzt werden. Bei großen Postsendungen habe ich früher schon für Ware und Porto zwei getrennte Rechnungen hinaus geschrieben, um den Kontoabzug vom Porto zu verhindern, von jetzt ab dürfte sich empfehlen, jeder Rechnung die Bemerkung hinzuzufügen: „Skonto bitte nur vom reinen Warenbetrage zu kürzen“. Luxuspapierwarenfabrikant