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3280 PAPIER-ZEITUNG Nr. 87 Diese beiden Pioniere der heutigen Sulfitstoff-Industrie ließen aber die Ablaugenfrage keineswegs aus dem Auge. Sie waren vielmehr gleichfalls beide bemüht, auch aus den Ablaugen Nutzen zu ziehen, und suchten Erfolge in gleicher Richtung, indem sie, jeder für sich, der Aufarbeitung von Sulfitablauge zum Zweck der Gewinnung von Kleb- und Gerbstoffen zustrebten. Ekman gab seine diesbezüglichen, mit großen Hoffnungen und Opfern in Angriff genommenen Arbeiten schließlich auf, während wir Prof. Mitscherlich bis in die jüngste Zeit unermüdlich an der Weiterarbeit sehen, welche auf die Förderung und Krönung seines Lebenswerkes gerichtet bleibt. j Blicken wir nun heute auf das erste, den Zeitraum von 1875—1885 umfassende Jahrzehnt der werdenden Sulfitstoff industrie zurück, so erscheint hier die Hauptarbeit lediglich auf den Ausbau der praktischen Sulfitstoffabrikation be schränkt. Das Problem der Herstellung von Sulfitzellulose nach dem Bisulfitverfahren war ziemlich schnell gelöst worden, nicht zum mindesten dank der vielfachen Vor arbeit, welche die Natronzellstoff-Industrie bereits geleistet hatte. Aber es gab noch alle Hände voll zu tun zum Studium der Holzvorbereitung, es galt zwischen Schwefel und Schwefelkiesverwendung, zwischen Turmbetrieb und Bottichsystem bei der Schwefligsäurefabrikation endgültige Entscheidung zu treffen und die Aufbereitung der mit Schwefel und Kalk im Kampf liegenden jungen Fasermasse zur Vollkommenheit zu fördern. Daneben tobte der Kampf um das »richtige« System. In den Spalten der Papier- Zeitung, des einzigen damals bestehenden Fachblattes, kam dieser Streit über die Systeme Mitscherlich, Ekman, Kellner, Flodquist, Graham und Francke zum Ausdruck. Mit dem schnellen Aufblühen der Sulfitstoffabrikation im Anfang der achtziger Jahre wuchsen dann die Abwasser schwierigkeiten, und mit ihnen hatten gerade die kleineren Werke, infolge ihrer Lage an kleineren Flußläufen, am schwersten zu kämpfen. Das Studium der Ablaugenfrage wurde damit in den Vordergrund des Interesses gelenkt. Da mals trat um die Mitte der achtziger Jahre Dr. Adolf Frank als Erster auf den Plan, um sich der Erforschung der wichtigsten chemischen Probleme zur Bekämpfung der Abwasserschwierigkeiten zu widmen. Seine ersten F orschungs- ergebnisse trug er in den Versammlungen vom 22. Januar und 20. November 1887 im Verein Deutscher Zellstoff fabrikanten vor, welche in einem weiteren, am 2. Januar 1888 im Verein zur Beförderung des Gewerbfleißes in Berlin gehaltenen Vortrag Ergänzung fanden und ein Programm über die Reinigung der Sulfitzelluloseabwässer und über die nächsten Ziele zur Verwertung der wert vollen Ablaugenstoffe entwickelten. Die möglichst voll kommene Wiedergewinnung der im Kochprozeß nicht aus genutzten schwefligen Säure und in zweiter Linie die Reinigung, Unschädlichmachung und tunlichste Verwertung der abfließenden Kochlaugen standen an der Spitze des Frank’schen Programms. Frank wies schon damals auf die ungeheuren Schwierigkeiten hin, welche sich, infolge der Natur der Sulfitablauge, der Lösung der in letzter Linie ge stellten wichtigen Verwertungsfragen entgegenstellen mußten, und er bemühte sich, eine möglichst große Schar von Mitarbeitern zur Lösung der Ablaugenfrage mit heran zuziehen. Frank war es denn auch, welcher gemeinsam mit Moritz Behrend und dem heimgegangenen Philipp Dessauer 1887 den Verein zur Beförderung des Gewerb fleißes zur Ausschreibung eines Preises für Untersuchung der chemischen Vorgänge bei der Zellstoffdarstellung ver anlaßte. Ein Preis von dreitausend Mark und die silberne Medaille') winkte den Bearbeitern der Aufgabe, und der da mals noch junge Verein der Holzzellstoffabrikanten hatte dazu einen zweiten Preis von eintausend Mark gestiftet. Leider enttäuschte das drei Jahre später (1890) verkündete Ergebnis des Ausschreibens 2 ), da nur zwei Preisarbeiten ein gelaufen waren, welche nach dem Ausspruch der Preisrichter keine Förderung unserer Kenntnis von der Natur der in krustierenden Substanzen gebracht hattet. In der Folge zeigte es sich aber, daß das Preis ausschreiben doch das Signal zu frischer und teilweise recht ’) P.-Z. 12. 1807 (1887). 2) P.-Z. 15, 2409 (1890). erfolgreicher Tätigkeit auf dem Gebiete der Ablaugenchemie gegeben hatte, so daß das letzte Jahrzehnt des vorigen Jahr hunderts 1890—1900 einen beträchtlichen Schritt weiter tun ließ in unserer Erkenntnis des Sulfitverfahrens und der Ab laugenfragen. In rascher Aufeinanderfolge sehen wir von 1890 ab die Arbeiten von Dr. Harpf, Prof. Wichelhaus, Prof. Ahrens, Prof. Mitscherlich, Dr. Streeb, Dr. Seidel und Hanak, Dr. Seidel und Ulzer, Dr. Drewsen und Dorenfeldt, Ekman, Kumpfmiller und vielen anderen erscheinen, während hiermit die bedeutsamen Arbeiten auf vorwiegend rein wissenschaftlichem Gebiet Hand in Hand gingen, welche von Prof. Tollens und zahlreichen seiner Schüler geleistet wurden. In das gleiche Jahrzehnt fiel ferner die verdienst volle Arbeit von E. Simonsen, Kristiania, über Verzuckerung von Zellulose. Sie wurde in Norwegen mit der goldenen Medaille belohnt und hat wohl mit Veranlassung gegeben zu den um das Jahr 1900 beginnenden zahlreichen bedeut samen Classenschen Arbeiten auf dem Gebiet der Holz- und Zelluloseverzuckerung. Die in diesen Zeitraum fallende schon erwähnte Arbeit von Dr. Drewsen und Dorenfeldt, welche durch ein Preis ausschreiben der Sulfitzellulosefabrik Unterkochen ver anlaßt und mit einem Preis von 10000 M. ausgezeichnet worden war, führte zu dem ersten praktischen Versuch zur Beseitigung der Sulfitablauge und lenkte deshalb die be sondere Aufmerksamkeit aller beteiligten Kreise auf sich. Das auf Ausnutzung des Brennwerts der Sulfitablauge unter Rückgewinnung von Soda und Schwefel gerichtete Ver fahren führte leider nicht zum Erfolge, so große Hoffnungen auch darauf gesetzt waren. Auch die gleichfalls auf Brenn wertausnutzung abgestimmten Brikettierungsversuche von Graf Andrässy fielen in die in Rede stehende Zeitperiode, mußten jedoch bald wieder aufgegeben werden. Das gleiche Schicksal hatten die Dextronfabrikationsversuche Ekmans. Dem Ekman’schen Verfahren wäre auch im Falle des Ge lingens der praktische Erfolg, wenigstens in Deutschland, im voraus versagt geblieben, da es sich später herausstellte, daß die behördliche Genehmigung zu der in Unterkochen projektierten Dextronanlage versagt wurde, wegen der be denklichen Natur der sich ergebenden Mutterlaugen. Trotz dieser auch hier auf Schritt und Tritt hervor tretenden außerordentlichen Schwierigkeiten kam die Weiterarbeit auf dem Sulfitablaugengebiet nicht zum Stillstand. Im Gegenteil zeugen die sich außerordentlich vermehrenden Arbeiten der letzten 10 Jahre 1900—1910 davon, daß das Problem der Nutzbarmachung der Ab laugenstoffe immer weitere Kreise zu interessieren be ginnt. Die Arbeiten zur Gewinnung von Klebstoffen und Gerbextrakten haben rüstigen Fortgang genommen, und man kann wohl sagen, daß auf diesem Gebiet ein gewisser Abschluß erreicht ist, da die Herstellung brauchbarer Fabri kate vollauf gelungen erscheint. Leider bleiben die Absatz möglichkeiten nach dieser Richtung zunächst beschränkt. Um den zur Lösung der Ablaugenfrage durchaus er forderlichen Massenabsatz zu finden, hat man von neuem die Umwandlung der gelösten Ablaugenstoffe in Zucker und Alkohol, ferner auch die Herstellung von Düngemitteln und Viehfutter ins Auge gefaßt und ist damit wieder bei den Problemen angelangt, welche vor einem halben Jahrhundert bei der Geburt der Holzzellstoffabrikation zunächst ins Auge gefaßt worden waren. Unsere erweiterte Kenntnis auf chemischen und technischen Gebieten läßt wohl aber die Hoffnung zu, daß die wiederaufgenommenen Arbeiten jetzt zu erfolgreichem Ende geführt werden können. Für alle Ablaugeverwertungsfragen kommt in erster Linie die Beseitigung der Wassermengen in Betracht, welche uns von der wertvollen organischen Substanz trennen. Auch in dieser Beziehung ist im letzten Jahrzehnt viel geleistet worden. Es sind die verschiedensten neuen Verdampfungsverfahren in Vorschlag gebracht worden, um die Abwässer in die Form von Laugenextrakt und Laugenpech zu bringen. Die Versuche zur Verwendung dieser Ein dampfungsrückstände als Brennmaterial sowie als Binde mittel für Brikettierungszwecke aller Art, sind beständig erneuert und fortgesetzt worden, ohne daß jedoch nach dieser Richtung bisher das Versuchsstadium bezüglich Her stellung und Verwertung wesentlich überschritten werden konnte. Fortsetzung folgt.