Volltext Seite (XML)
PAPIER-ZEITUNG Nr. g benötigt er die »Ee-Taste, so findet er eine »Ee-Taste, die ohne weiteres Ueberiegen angeschlagen werden kann. Daß bei der Voll-Tastatur die große Zahl der Tasten verwirre, dem An fänger das Suchen erschwere, trifft nicht zu, da die Tasten für das kleine Alphabet weiß, für das große schwarz sind. Wer einen kleinen Buchstaben sucht, sucht nicht unter 84 Tasten, sondern beschränkt sich auf die weiße Hälfte der Tastatur, und wer auf der Suche nach Versalien ist, der verliert sich auch schon deshalb nicht in den weißen Teil der Tastatur, weil ihm da die Bildzeichen der kleinen Buchstaben entgegenstarren. Die Bedienung der Umschaltung in Verbindung mit Groß buchstaben wird bald mechanisch, und das vorerwähnte »Ueber iegen« fällt dann weg. Solches kann indessen nicht behauptet werden von der Betätigung der Umschaltung bei Verwendung von Spezialzeichen wie - “ ( ) & § ! - : »/o ? ? für welche bei der Voll-Tastatur ebenso wie für einen Buch staben besondere Tasten vorhanden sind, die nur das Zeichen aufgedruckt zeigen, welches beim Niederdruck der Taste erzeugt wird. Die Lage der seltener gebrauchten Interpunktions-Zeichen prägt sich nämlich dem Anfänger und selbst dem geübten Praktiker schneller und dauerhafter ein, wenn der Ortssinn des Schreibers für jede Taste nur je eine Type sich zu merken hat. Bei Maschinen mit Umschaltung wird eine solche Taste nicht so schnell gefunden, weil der Schreiber mit jeder für diese Spezialzeichen und Zahlen dienenden Taste 2 Begriffe, die mit einander nichts gemein haben (im Gegensatz zu den Groß- und Klein-Buchstaben), verbindet. Das ist genau so, als wenn wir in einem System von Fächern in jedem derselben nur eine Sache oder Art von Sache zu suchen haben, im Gegensatz zu einem andern System mit weniger Fächern, bei denen man jedoch in jedem Fache 2 oder mehrere in keinem Zusammenhang stehende Dinge suchen muß. Instinktiv wird die Hand im ersten System, aber erst nach einer gewissen Ueberlegung im zweiten System nach dem gesuchten Fache greifen und die ge wünschte Sache finden. So hat der Leiter des Städtischen Blinden - Instituts in Berlin gefunden, daß Blinde trotz der größeren Zahl von Tasten den Voll-Tastatur-Maschinen den Vorzug geben, weil der Ortssinn sie befähigt, schneller auf einer solchen Maschine alle Tasten mechanisch zu betätigen, als auf Umschalte-Maschinen, bei denen der Ortssinn nicht allein ausreicht, sondern von andern Tätigkeiten des Gehirns unter stützt werden muß. Sache der Wissenschaft wird es sein, auch die Vorgänge des Gehirns bei der einen oder andern Art der Betätigung zu untersuchen, wozu Herr Dr. Herberts, Bonn, auf gefordert hat. Nach einer persönlichen Aeußerung des Nerven arztes Prof. Dr. Edinger in Frankfurt a. M., der seit einem halben Menschenalter Schreibmaschinen benutzt, hält er die Voll- Tastatur vom Stande des Nervenarztes für richtiger. Wenden wir uns nun vom Anfänger, für den ja, wie eingangs gesagt, die hochklassigen Maschinen nicht gebaut werden, zum tüchtigen Schreiber, d. h. zu derjenigen Person, welche aus der ihr in die Hand gegebenen Maschine das Höchste herausholen soll und welche dem Fabrikanten dankbar für jede Erleichterung ist, die ermöglicht, die Arbeit schneller als bisher und in tadel loser sauberer Ausführung fertig zu stellen. In den Prospekten der Firmen, welche Voll-Tastatur- Maschinen vertreiben, findet man die Behauptung, daß ihre Maschine schneller schreibe als solche mit Umschaltung. Dies Dies ist insofern unzutreffend, als die Schnelligkeit einer Maschine nicht davon beeinflußt wird, ob die Maschine Um schaltung oder Volltastatur bat, sondern von der Eigentümlich keit der Hebelaktion, von der Wagenschaltung und der Leichtig keit des Wagenlaufes; nicht zuletzt von der die Tasten be dienenden Persönlichkeit. Nachstehend soll aber bewiesen werden, daß die Volltastaturmaschine unter gleichen Bedin gungen in der gleichen Zeit mehr Schreibarbeit leistet, als die Maschine mit Umschaltung. In jeder persönlichen Betätigung erreicht jedes Individuum eine persönliche Höchstleistung. Ein Radfahrer kommt über eine gewisse Geschwindigkeit nicht hinaus. So geht es dem Fußgänger, dem Schnelläufer, dem Ruderer, so geht es dem Maschinenschreiber. Wie die Schnelligkeit einer Nähmaschine nach der Zahl der geleisteten Stiche, die Schnelligkeit eines Fahrrades nach der Zahl der Radumdrehungen gemessen wird, so muß die Schnelligkeit eines Maschinenschreibers nach der Zahl der von ihm in der Sekunde geleisteten Anschläge ge messen werden. Es gibt Schreiber, die über 5 Anschläge in der Sekunde nicht hinauskommen, und es gibt solche, die sich bis zu 8, 9 und 10 Anschlägen in der Sekunde erheben. Ich behaupte nun, daß derjenige Maschinenschreiber, welcher auf einer Maschine mit Umschaltung eine gewisse Schnelligkeit er zielt, genau dieselbe nach Tastenanschlägen zu bemessende Ge schwindigkeit auf einer Volltastaturmaschine erzielt. Das heißt; die Zahl der zu erzielenden Anschläge hängt nicht davon ab, an was für einer Maschine der Schreiber sitzt, sondern davon, wie seine Fingergelenkigkeit und sein optisches Wahrnehmungs vermögen beschaffen sind, oder wie es Herr Dr. Herberts in seiner psychologischen Untersuchung (siehe Frankfurter Zeitung vom 20. August 1908 Nr. 231) ausdrückt, wie er zu »apperzipieren« vermag. Ich habe ein kleines Rechenexempel aufgestellt, welches Herr Dr. Herberts in seiner Abhandlung ebenfalls erwähnt hat: Ich nehme an, daß ein Schreiber die höchst bescheidene indi viduelle Schreibgeschwindigkeit von 4 Anschlägen in der Sekunde besitzt, die auf jeder halbwegs brauchbaren Schreib maschine mit oder ohne Umschaltung erreichbar ist. (Man darf von einem Durchschnittsschreiber 6 Anschläge in der Sekunde verlangen.) Dieser Schreiber leistet also in einer Sekunde 4 Anschläge in einer Minute ....... 60 X 4 = 240 „ in einer Stunde 60X240 =14400 „ in einer Tagesarbeit vonöStunden 6X14400 = 86400 „ Diese 86400 Anschläge bedeuten auf der Volltastaturmaschine vollwertige sichtbare Arbeit, da jeder dieser Anschläge ein Schriftzeichen oder ein Spatium, welches ebenfalls als Arbeit zu betrachten ist, geleistet hat. Bei Maschinen mit Umschaltung ist dem nicht so. Er fahrungsgemäß kommen bei gewöhnlichem Lese- oder Briefstoff auf 100 Buchstaben 5 große Buchstaben, also 5 v. H., und diese 5 v. H. Schriftzeichen müssen bei einer Umschaltmaschine durch den Anschlag zweier Tasten erzeugt werden, die nach einander ansuschlagen sind. 5 mal auf 100 Anschläge kommen also bei der Umschaltung Anschläge vor, die nicht sichtbare Arbeit vollbringen, sondern Hilfsarbeit bedeuten. Die Be dienung der Umschaltetaste erscheint beim Vorführen einer Maschine eine geringe Mühe; vergegenwärtigt man sich jedoch, daß diese Hilfsarbeit oder, wie ich es volkstümlich bezeichne, dieser »Hieb in der Luft«, bei einer Tagesarbeit von 86400 An schlägen 4320 mal gemacht werden muß, so leuchtet es ein, daß diese Hilfsarbeit nicht übersehen werden darf. Die 4320 An schläge, welche die Volltastatur mehr leistet, bedeuten, wenn man die Schreibzeile zu 70 Anschlägen rechnet, 6r volle Reihen, das sind 2 Quartseiten Schreibmaschinenschrift. Nimmt man als Norm eine Geschwindigkeit von 6 An schlägen in der Sekunde an, so erhöht sich die Mehrleistung um 50 v. H., also auf 3 Seiten Tagesleistung; dabei ist noch un berücksichtigt, daß unter den vielen Tausenden von Schrift zeichen nicht nur große Buchstaben, sondern auch zahlreiche andere sich befinden, zu deren Erzeugung die Umschaltetaste niedergedrückt werden muß. Auch erfordert die Betätigung der Umschalttaste mehr Kraft als die Bedienung der dem leichtesten Druck folgenden Schriftzeichentaste, denn eine Um schalttaste, welche entweder die Bewegung des Wagens oder des ganzen Typenhebelkorbes oder gar beider bewirkt, läßt sich nicht mit derselben Schnelligkeit niederdrücken wie eine Buch stabentaste. Sollte jemand dies bezweifeln, so empfehle ich ihm, nacheinander in möglichst schneller Folge eine Buchstaben taste und die Umschalttaste zu bedienen und daneben von einer zweiten Person an einer anderen Maschine ebenfalls möglichst schnell 2 Buchstabentasten anschlagen zu lassen. Der Versuch wird ergeben, daß es nicht entfernt möglich ist, die Umschalt taste korrekt mit derselben Schnelligkeit zu bedienen wie eine Schriftzeichentaste. Im ganzen dürfte die mit der Volltastatur zu erzielende Mehrleistung auf 7 bis 8 v. H. zu veranschlagen sein. Es ist nicht angängig, die oben theoretisch nachgewiesene größere Leistungsfähigkeit der Volltastaturmaschine damit an zuzweifeln, daß gesagt wird, auf der größeren Tastatur müsse umhergesucht und mit den Händen beim Schreiben der abseits liegenden Schriftzeichen ein sehr weiter Weg zurückgelegt werden, während bei der Umschaltung die Hand stets über der Tastatur liegen bliebe; denn die Mehrzahl der Schreiber be dient die Umschalttaste mit dem Mittel- oder Zeigefinger, was ein Entfernen von dem Mittelpunkt der Tastatur, also einen ähnlichen Vorgang verlangt, wie er bei Bedienung der Voll tastatur unangenehm in Erscheinung treten soll. Wenn jedoch der »Sprung« bei der Volltastatur gemacht ist, befindet sich der Finger über der Taste, die direkte Arbeitsleistung verrichtet, während bei der Umschalttastatur der Finger sich erst über der Taste befindet, die die Hilfsaktion bewirkt, und für die Hälfte der vorhandenen Zeichen muß die Buchstabentaste mit einer anderen Hand angeschlagen werden als derjenigen, mit der die betreffende Hälfte der Tastatur sonst bearbeitet wird. Die linke Hand, die zumeist die Umschaltung bedient, ist in der Regel zur Bedienung der linken Hälfte der Tastatur bestimmt; bedient sie aber die Umschaltung, so muß, wenn Zeichen der linken Hälfte der Tastatur durch Umschaltung erzeugt werden müssen, die rechte Hand von ihrem Arbeitsfeld nach der linken Hälfte zu Hilfe springen. Wenn also von »Sprüngen« ge sprochen werden soll, so folgen aus der Eigentümlichkeit der Umsehalttastatur zahlreichere und der Arbeitsleistung schäd lichere »Sprünge« als bei der Volltastatur. Schluß folgt.