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300 PAPIER-ZEITUNG Nr 9 gütig, ob der Arbeiter fleißig und tüchtig oder faul und unfähig ist! Bei keiner Tarifbewegung der verschiedenen Gewerbe wurden so scharfe Forderungen aufgestellt, wie jetzt durch die Arbeitnehmer des Steindruckfaches. Ein Kampf bis an die Grenze des Möglichen wird darum unausbleiblich sein, es wird schwere Opfer bei beiden Teilen geben, doch kann die Sympathie diesmal kaum auf Seiten der Arbeiter sein, denn ihre Forderungen sind übertrieben. Zum Schlüsse des Tarif-Entwurfs erhalten die Arbeitnehmer in der Graphischen Presse eine rührende Ansprache, wonach durch Bewilligung dieses Tarifs die Schmutzkonkurrenz im Steindruckfach, worüber die Steindruckerei- Besitzer so oft klagen, bekämpft werden könne; »ist es ihnen also ernst mit ihrer Klage, so reichen wir (die Tarifmacher) ihnen hiermit die Hand«. Ja, es wird sehr ernst werden, aber anders, als die Herren denken, und ein Gutes wird diese Krisis zeitigen: die Steindruckerei- Besitzer werden einsehen, daß nur eine machtvolle Arbeitgeber-Orga nisation den Arbeitern die Grenze weisen kann, die beiden Teilen das Bestehen ermöglicht. Möge es zu verständiger, gesunder Einigung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern kommen! H. R. D. Einsender beanstandet namentlich folgende Bestimmungen des Tarif-Entwurfs, der in seinen Hauptzügen in Nr. 7 Seite 224 mitgeteilt wurde. (Seine Anmerkungen zum Wortlaut sind in Klammern angefügt): I. 3. Vor der üeberzeitarbeit mindestens 1/4 Stunde Pause, welche zu bezahlen ist. 6. Etwaiges Aussetzen infolge Arbeitsmangels ist auf alle Be schäftigten des Betriebes auszudehnen. H. a) bis c). (Einsender bezeichnet alle in Nr. 7 Seite 224 abge druckten Mindestlöhne als zu hoch.) Die Lohnzahlung hat wöchentlich während der Arbeitszeit Freitags zu erfolgen. Kein Lohnabzug für Versäumnisse nach §§ 616 und 629 BGB. (Diese Paragraphen werden sonst durch die Arbeits-Ordnung aus geschlossen.) Die Stellung von Kaution (d. i. Einhaltung des Lohnes für eine Woche) ist verboten. IV. Ueberstunden sind nur dann zulässig, wenn die technische Ein richtung des Geschäfts jeweilige Vermehrung des Personals nicht zu läßt. (Einsender beanstandet auch die Höhe der in Nr. 7 mitgeteüten Zuschläge für Ueberstunden.) V. Die vom Arbeitgeber angeordneten Feiertage sowie sonstige Zeit versäumnisse, die sich durch gesetzliche Bestimmung nötig machen, sind zu bezahlen. VI. (Einsender hält die in Nr. 7 abgedruckte Lehrlingsskala für Litho graphen in Ordnung, für Steindrucker aber die Lehrlingszahl zu gering,) Aerztliche Untersuchung der Lehrlinge auf Brust und Augen; Verbot geschäftlicher Ueberstunden; obligatorischer Fachunterricht innerhalb der Arbeitszeit; Prüfung auch nach halber Lehrzeit. VII. Die Arbeitsordnung kann nur mit Zustimmung der Arbeiter ein geführt oder verändert werden. Strafgelder dürfen nur bei Zupät- kommen erhoben werden. Anerkennung von §§ 616 und 629 BGB. VIII. Endgütige Erledigung von Strafsachen und Entscheidung aller Differenzen aus dem Arbeitsverhältnis gehören zum Tätigkeitsgebiet der Arbeitervertreter. X. Der tariftreue Arbeitgeber darf nur solche Privatlithographen be schäftigen, die den Tarif anerkennen. **# Leipzig. Die Lithographen, Steindrucker, Ohemigraphen, Licht drucker, Steinschleifer und angehörige verwandte Berufe hielten hier eine stark besuchte Versammlung ab. Diese beschloß zunächst den Anschluß an das Leipziger Gewerkschaftskartell und wählte je einen Vertreter aus den Sektionen der erstgenannten vier Hauptberufe in das Kartell. Hierauf nahm die Versammlung Stellung zur Einführung eines einheitlichen Tarifs für die Lithographen, Steindrucker und Stein schleifer Deutschlands bez. zur Schaffung einer Tarifgemeinschaft mit den Prinzipalen der in Betracht kommenden Gewerbe. Es wurde mit- geteüt, daß die vom alten Verbände angestrebte Einführung eines allgemeinen Tarifs Fortschritte gemacht habe, da ein Entwurf aus gearbeitet und dem Vorsitzenden des Vereins Deutscher Steindruckerei besitzer, Herrn Kommerzienrat Meißner in Leipzig, kürzlich zugestellt worden sei (siehe obige Einsendung). Der Referent bemerkte, daß die Tarifverhandlungen in den nächsten Tagen beginnen werden. Günstiges Ergebnis sei zu erwarten, da der größere Teil der Prinzipale für eine die Schmutzkonkurrenz beseitigende und beiderseitig gesunde Berufsverhältnisse herbeiführende Tarifgemeinschaft sei, und mehr als dreiviertel der Gehüfen organisiert seien, also die Arbeitgeber es kaum auf einen Streik ankommen lassen würden. Die Versammlung erklärte sich mit der Einreichung des Tarifentwurfs einverstanden und will tatkräftig für Durchführung des Tarifs eintreten, pk. Der neue Stil Nr. 3 der Papier-Zeitung bringt einen Aufsatz mit obiger Ueberschrift. Zu dem, was mich als lithographischen Fach mann interessiert, und was in Abschnitten 9 bis 12 des er wähnten Aufsatzes steht, möchte ich einige Worte sagen. Der Verfasser sagt ganz richtig, daß es falsch sei, für alle Drucke flächige Darstellung zu verwenden, daß der Zweck, dem die Arbeit dienen soll, ihre Ausführungsart bestimmen müsse. So empfiehlt sich meines Erachtens die flächige Dar stellung besonders für Plakate und Etiketten. Wird die rein flächige Darstellung bei Plakaten vermieden, so soll die Art der Zeichnung, ob landschaftlich oder figürlich, in breiten, kräftigen Konturen und markigen Strichlagen ausgeführt sein, die eine Fernwirkung, also den Hauptzweck des Plakats, sichern. Auch nach meiner Ansicht wirken photographische Wieder gaben von Maschinen nach Natur-Aufnahmen vornehmer und sind zweckmäßiger als Zeichnungen. Diese mögen noch so ge schickt im Holzschnitt oder Lithographie ausgeführt sein, so weisen sie doch oft Fehler auf, die der Maschinensachverständige unangenehm empfindet. Diese Fehler entstehen dadurch, daß die Zeichnungen entweder nicht von einem Sachverständigen angefertigt oder vom Xylographen »verschnitten« wurden. Also empfiehlt sich für diesen Zweck nur Autotypie oder Photographie. Aber die Autotypie eignet sich nur für besondere Druck papiere! Wenn eine derartige Photographie (Autotypie) in einer Tageszeitung zum Abdruck kommen soll, wenn dafür ein Galvano oder eine Stereotypie gemacht werden muß, so ist doch der Holzschnitt in Schwarz-Weiß vorzuziehen. Nur muß er von einem Fachmanne gut gezeichnet und von einem tüchtigen Xylographen richtig nachgeschnitten werden, dann wird er in der Darstellung richtig und im Druck gut und offen sein, und der Rotationsdrucker wird nicht erst Zurichtungen machen müssen. Der Aufsatz in Nr. 3 enthält eine Spitze gegen »die Leute«, die als Historiker oder sonstwie mit allgemeiner Bildung ver sehen, zufällig auf das Gebiet der Druckkunst verschlagen werden, und für die die Nebenbeschäftigung mit Kunstfragen ein gefährliches Spiel sei; die sich zu entschieden über Gut und Böse äußern usw. usw. Früher ärgerte auch ich mich über »die Leute«. Aber ich sagte mir, »prüfe alles und das beste behalte,« und sah mir die Einwände dieser »Neunmalklugen«, die nicht »ins Fach« gehören, genau an. Und da fand ich, daß, wenn ich alles das fortstrich, was diese Leute aus Unkenntnis unserer graphischen Verfahren Unmögliches verlangten, vieles übrig blieb, was man sich hinter die Obren schreiben konnte. Denn meistens sind es eben nicht nur »Historiker und mit allgemeiner Bildung versehene Leute«, die in dieser Sache das Wort ergreifen, sondern es sind Leute, die feines ästhetisches Empfinden be sitzen, das wir manchmal durch unsere »Erzeugnisse der graphischen Künste« verletzen. Und da können wir es »den Leuten« nicht übel nehmen, wenn sie einmal aufmucken. Gleich ein Beispiel: Der Verfasser aus Nr. 3 sagt: Schriften, die plastisch aus der Fläche hervorzutreten scheineu, wirken für Reklamezwccke besser als flächige Formen. Ich gebe das zu, sobald man die Imitation einer Medaille bringt, auf welcher die Schrift plastisch aufliegt, oder wenn man gleichsam auf einer großen dunkelblauen Fläche liegende weiße Buchstaben bildet, die einen breiten schwarzen Schatten auf die blaue Fläche werfen. Sobald man aber in Briefköpfen, Adreßkarten und dergl. derart plastische Schriften verwendet, die mit zwei, drei Schattentönen umgeben sind, darunter mit nicht plastisch wirkenden Schriftzeilen den Text weiter fortführt, hinter dem zum Ueberfluß leicht getönte Wölkchen schweben, aus denen wieder Blumen in unnatürlichen Windungen (um an keinen Buchstaben zu stoßen) herauskommen, so hat man den Typus unserer heutigen lithographischen Merkantilarbeiten, der nicht gerade zweckmäßig und schön ist. Wenn in diesem Falle eine ächigere Ausstattung solcher Arbeiten verlangt wird, so ist dies nur zu billigen, und klare, bestimmte Schriftformen ohne Schatten, erfüllen ihren Zweck hierbei besser. Während der Fachmann gerade bei derartig technisch gut ausgeführten Arbeiten nur in der Technik seine höchste und »künstlerische« Leistung erblickt, beachtet der Kunst verständige die Technik nicht, geht auf den Kern der Sache, den geistigen Inhalt der Arbeit, findet diese schlecht, aber bei dem Fachmanne, dem Lithographen oder Typographen noch kein Verständnis für seine Ansichten.