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PAPIER-ZEITUNG 2223 bestimmten Urteil. Ein solches ist nur möglich auf Grund von Versuchen, die mit vielen Tonnen Stoff in einer Papierfabrik angestellt werden. Solche Versuche kosten jedoch Geld, und da es nicht an Rohstoff mangelt, so haben die Papierfabriken weder Zeit noch Lust, sich mit derartigen Experimenten zu be fassen. Es wäre höchstens möglich, dass eine Papierfabrik sich zu solchen Proben verstände, wenn ihr eine grosse Menge des Stoffes kostenfrei geliefert würde. Die uns zugesandten Bastproben machen den Eindruck, als wenn sie von grobem Schilfrohr stammten. Sie enthalten erhebliche Mengen anscheinend wertloser Stoffe und zeigen auch keine grosse Festigkeit. Die ziemlich braune Farbe ist auch ungünstig. In Hofmann’s »Handbuch der Papierfabrikation« sind auf Seiten 1639—1642 Fabriken beschrieben, welche im grossen Maassstabe Schilfrohr verarbeiteten. Dieselben haben sämtlich, obwohl Millionen darauf verwendet wurden, keine befriedigenden Ergebnisse geliefert. Die uns vorliegenden, an scheinend überseeischen Proben sind auch nicht derart, dass man sie zu kostspieligen Versuchen empfehlen könnte. Torfpapier Die Technische Rundschau, Beilage des Berliner Tage blatts, bringt in ihrem Briefkasten Folgendes: Ein österreichisches Finanzkonsortium baut eine Fabrik in Steier mark, welche am 1. August in Betrieb gesetzt wird, um aus Torf Pappe und Papier zu erzeugen. Die Kapazität ist zwei Waggon pro Tag. Es ist dieses ein mechanisches Verfahren, welches in allen Kulturstaaten patentirt ist. Ich stehe gern mit weiteren Daten zur Verfügung. Oscar P. Beck, Wien XV, Kenyangasse 21 Die in meinem Buch »Neues über Moorkultur« (Staab 1902) an geführten drei Papierfabriken sind alle eingegangen. Das hindert nicht, dass neuerdings in Frauenberg bei Admont in Steiermark eine Torfpappefabrik gebaut wird. Patente auf Aufschliessung der Torf faser zur Papierfabrikation haben neuerdings genommen: Dr. A. Beddies in Berlin; August Kaimann, Rabenstein N.-Oest. Hans Schreiber, Staab b. Pilsen Nachdem schon viele Millionen vergeblich auf Versuche zur Herstellung von Papier und Pappe aus Torf verwendet wurden, erscheint es merkwürdig, dass noch immer neue Millionen daran gewagt werden. Wir bitten unsere öster reichischen Leser, uns über die Leistungen der neuen Fabrik unterrichtet zu halten. Zur Geschichte der Kemptner Papiermühlen Im »Allgäuer Geschichtsfreund« (Organ des Allgäuer Alter tumsvereins), Jahrg. 1899 und 19C0, hat Friedrich von Hössle eine Reihe wertvoller Mitteilungen über die Geschichte der Papiermühlen des ehemaligen Stifts und der ehemaligen Reichs stadt Kempten veröffentlicht, welche nicht nur lokalgeschicht liches Interesse haben, sondern auch für die Geschichte der Papier-Industrie beachtenswert sind. Die Abhandlungen sind mit Abbildungen der in Frage kommenden Orte und Papier mühlen, mit Porträts, Grabsteinen und Wappen hervorragender Persönlichkeiten, auch mit einer sehr grossen Anzahl von Wasserzeichen Kemptner Papiere geschmückt, was den Wert der Arbeit wesentlich erhöht. Die Abhandlungen erschienen im Jahre 1901 in Form eines .Buches mit dem Titel »Geschichte der ehemaligen Papiermühlen im Stift Kempten« im Verlag von Josef Kösel, Kempten; dieses Buch wurde in Nr. 4 der Papier-Zeitung von 1901 unter »Papier- Geschichte« besprochen. Nachstehenden Auszug der wichtigsten papiergeschichtlichen Ergebnisse des Werkes verdanken wir einem befreundeten Forscher. Nach einer längeren Einleitung, die Einiges aus der allge meinen Geschichte des Papiers gibt, die Einrichtung der alten Papiermühlen beschreibt und dann die Wasserkräfte schildert, die den Kemptner Papiermüllern namentlich in der Iller zur Verfügung standen, geht Hössle zur Beschreibung der einzelnen Papiermühlen über, indem er deren Geschichte, soweit als mög lich auch die Familiengeschichte ihrer Besitzer, die Wasser zeichen ihrer Papiere, und was der Spürsinn des Verfassers sonst noch aufgefunden hat, mitteilt. Der Anfang wird mit den zwei Papiermühlen in Au, Ge meinde Sulzberg, gemacht, die Lehengüter von Stift Kempten waren. Als älteste dortige Papierer werden Heinrich Kutter und Sixt Stayger genannt, in deren oder in deren Familien Besitz sich im 16. Jahrhundert die beiden Papiermühlen be fanden. Im 17. Jahrhundert waren dieselben Eigentum der Familien Auktherr und Mayr, im 18. Jahrhundert folgen diesen die Weitenauer und Heiligensetzer, welche bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts die Papier-Erzeugung betrieben. Der vor letzte der Weitenauer — Johann Baptist — war ein viel gereister Mann; er hatte Papiermühlen in Oesterreich, der Schweiz, in Norddeutschland und Frankreich besucht und die Papiermühle zu Au 1827 bis 1837 betrieben. Sein Nachfolger im Geschäft, sein Bruder Franz Anton Weitenauer, wurde in demselben 1847 bankrott. Sowohl von den Weitenauern als von den Heiligensetzern werden eine grosse Anzahl Wasser zeichen, welche dieselben im Gebrauch hatten, nebst den Jahreszahlen vorgeführt. Nach diesen beiden Familien waren die Papiermühlen noch Eigentum einiger Anderer, um die Mitte des 19. Jahrhunderts aber gingen sie beide ein, um später als Holzschleifereien wieder in den Dienst der Papier fabrikation zu treten. Als zweiter wichtiger Papierfabrikationsort im ehemaligen Stift Kempten wird der Ort Heggen (im Volksmund »in der Hegge«) in der Gemeinde und Piarrei Woltenhofen angeführt. Die älteste Erwähnung einer Papiermühle daselbst, die stiftisches Lehengut war, stammt aus dem Jahre 1543. Papierer war Jörg Hensler. Eine weitere Nachricht von 1584 gibt Kunde, dass dort damals zwei Papiermühlen bestanden, die im selben Jahre beide abbrannten, »aus Verwahrlosung als man Leim gesotten«. Nun bleibt die Geschichte der Papiermühlen in Heggen lange Zeit in Dunkel gehüllt, das sich erst im 18. Jahrhundert wieder lüftet. Damals betrieb das Stift selbst eine Papiermühle daselbst, an deren Spitze ein Faktor — 1741 Andreas Stadler — stand, ebenso wie an jener der fürstlichen Buchdruckerei, Buch- und Papierhandlung in Kempten. Der hervorragendste Papierer war von 1734 bis 1779 Josephus Lang, Chartarius, der in zwei Ehen dreizehn und sechs Kinder erzielt hatte. Sein Nachfolger war das dreizehnte Kind, Joseph Ignatius Lang. Im Jahre 1752 ward die Papiermühle durch einen Brand wiederum gänzlich zerstört. Die Meister samt Weib und Kindern, zwei Gesellen und acht Mägde retteten nur das nackte Leben. Ein etwa 60 Jahre alter Papiermacher Mathias Weeber aus Ravensburg aber kam in den Flammen um. Auf ihre Bitte wurde den Abgebrannten gestattet, bei sämtlichen Kirchenfabriken des ganzen Stifts Almosen zu sammeln, und den Heiligpflegern ward deren Unterstützung wärmstens empfohlen. In den Jahren 1752/53 wurde die Papier mühle wahrscheinlich vergrössert wieder aufgebaut. Der Bau war wohl von sämtlichen kemptischen Papiermühlen der grösste und solideste. Er steht heute noch als Stammhaus der jetzigen bedeutenden Papierfabrik Hegge, hat eine Länge von 30,75 m, eine Breite von 16,22 m, während die Gesamthöhe bis zum First 18,5 m beträgt. Auf zwei Tafeln in Lichtdruck sind der Längsschnitt und der Grundriss der Papiermühle vom Jahre 1800 wiedergegeben. Als im Jahre 1802 das Stift Kempten säkularisirt wurde, ging auch die Papiermühle in den Besitz des Kurfürstentums Baiern über. Der letzte Faktor war Joseph Kösel, der für den neuen Besitzer eine Beschreibung der Papiermühle zu Papier brachte. Nach dieser umfasste das grosse steinerne Haus drei Böden zum Papierhängen, eine Wohnstube, eine Küche, drei Kammern mit neun Betten, eine Lumpenkammer, einen Lumpenschneider, zwei Stangenpressen, eine Abtreibpresse, eine Wage mit Gewichten, zwei Stampf geschirre, jedes von sechs Loch, einen Holländer, drei Bütten mit Zubehör usw. Die Formen, mit welchen Papier gemacht wurde, werden wie folgt aufgezählt: Elephant, gross Median, gross Brevier, gross Kreuzpost, Posthörnle, klein Kanzlei-Subregal, klein Median, klein Brevier, klein Kreuzpost, Briefpost, Adler- Regal, Drucker, Lilienpost, Taubenpost, gross Kanzlei, Schrenz. Der Staat Baiern war nicht lange Besitzer der Papiermühle zu Heggen; er verkaufte sie 1807 an den bewährten Faktor Jos. Kösel und an Aloys Zumbiel um 4200 Gulden (ohne In ventar), welche namentlich Papier von besonderer Festigkeit und Härte herstellten, das grossen Absatz auch nach Tirol fand. Im Jahre 1815 trat Kösel aus dem Geschäft und widmete sich ausschliesslich der fürstlichen Druckerei in Kempten, die er bereits 1805 erworben hatte. Nach dem Tode Zumbiels ging die Papiermühle in den Besitz seines Schwiegersohnes Alois Steinhäuser (1791 bis 1863) über, eines Papiermachers, welcher aus Eberhardszell in Württemberg eingewandert war. Dieser beschäftigte etwa 14 Arbeiter, die von früh 4 Uhr bis abends 6 Uhr tätig waren und täglich zehn bis zwölf Ries Papier = 11, Ztr. erzeugten, vorzugsweise Schreib- und Druckpapier, daneben auch blau Umschlag-, Schrenz- und Packpapier. 1842/43 wurde ein Dampfkessel und eine Papiermaschine von Wiedemann in Heilbronn aufgestellt. Man arbeitete jetzt von morgens 5 bis abends 7 Uhr und erzeugte den Tag 5 Ztr.