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3138 Buchgewerbe Buchbinderei * * Buchdruck * * * *** Buchhandel * * * Steindruck Eingesandte Werke finden Besprechung Mitarbeiter und Berichterstatter erhalten angemessene Bezahlung Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme Berliner Typographische Gesellschaft Am 28. v. M. sprach Herr Hermann Smalian über den Spruch: »Im Zeichen des Verkehrs«. Redner erinnerte an die Zerfahren heit, die in Münzen, Maassen und Gewichten bis vor etwa 30 Jahren in Deutschland herrschte, wo z. B. das Längenmaass, der Fuss, von 283 mm Länge bei dem sächsischen bis 314 mm Länge bei dem rheinischen Fuss eine Verschiedenheit von 31 mm zeigte. Redner meint, dass der Weltverkehr nicht nur durch Entwicklung der Dampfschifffahrt, der Eisenbahnen, der Telegraphie, sondern auch durch Einheitlichkeit des Münz-, Maass- und Gewichtssystems sehr gefördert worden ist. Während aber Jeder genau gewusst habe, wie lang ein rheinischer, badischer oder sächsischer Fuss war, weil es sich hier um geaichte Maasse handelte, schwebte unser Schriftsystem völlig in der Luft, denn die verschiedenen Schriftsysteme waren keinem Landesmaasse angepasst, und vielfach hat man die zwischen den Erzeugnissen der einzelnen Schriftgiessereien vorhandenen Unterschiede mit grossem Erstaunen erst beim Setzen kennen gelernt. Redner zeigte drei Messingstäbe, die eine Länge von 72 Cicero der damals gebräuchlichsten Schriftkegel darstellen; sie zeigen Unterschiede bis zu sechs Cicero. Durch Einführung des Metersystems ist wesentliche Erleichterung geschaffen worden, denn selbst in Ländern wie Russland, Nordamerika usw., wo das Meter noch nicht eingeführt ist, weiss man doch genau, welches Maass damit bezeichnet wird. Doch auch bei uns ist das einheitliche Maass und Gewicht noch nicht genügend in Fleisch und Blut übergegangen, ältere Leute rechnen noch heute nach dem Fuss- und Zollmaasse. In Buchdruckereien hat man früher nach Viertelpetit ge rechnet; bei der Einführung des Didotschen Systems hat man jene Bezeichnung unnchligerweise auf dieses übernommen und sich nun bei uns daran gewöhnt, nach Cicero zu sechs Viertel petit oder Konkordanzen zu 24 Viertelpetit zu rechnen, anstatt nach Didot-Punkten. Unter Cicero aber kann man ganz ver schiedene Kegel angewendet finden, so hat die Cicero in Frank reich nur 11 Punkte; dort rechnet man nur nach Didot-Punkten, deren 2660 auf das Meter gehen. Der Vortragende machte den Vorschlag, man möge sich auch bei uns daran gewöhnen, nicht mehr nach Viertelpetit, sondern nach typographischen Punkten zu rechnen und die Bezeichnungen Cicero, Tertia, Text usw. fallen lassen, weil sie eben keine Gewähr für eine bestimmte Kegelstärke bieten könnten; auch die Giessereien möchten auf ihren Proben durchweg die Schriftgrade nach Punkten bezeichnen und bemerken, dass sie nach dem System Didot rechnen, denn dieses kenne man in der ganzen Welt, nicht aber unsere althergebrachten Schriftbezeichnungen. Durch diese unsere deutsche Eigenart würden nicht nur die Giessereien in ihren Absatzgebieten eingeengt, auch für den Buchdrucker des Auslandes werde der Markt dadurch beschränkt. Aus der Versammlung wurde eingewendet, man könne die gewohnten Schriftbezeichnungen nicht wohl entbehren, denn es werde sehr unbequem sein, wenn man sagen wolle »Zwanzig Punkt Gothisch« für Text Gothisch usw. Andere Redner stimmten dem Vortragenden zu, mit dem Bemerken, dass jeder Fortschritt zunächst angefeindet werde; man dürfte sich hierdurch aber nicht beirren lassen, es sei gerade Aufgabe der typographischen Gesellschaften, hierfür einzutreten. Auf eine Anirage, ob die Bezeichnung »Deutsches Normal-System« berechtigt ist, und welche Bedeutung sie hat, bemerkt Herr Smalian, dass das von H. Berthold in Deutschland eingeführte Didot-System von einem Fachschriftsteller in Anerkennung der Verdienste Bertholds »System Berthold« benannt worden ist. Andere Messinglinien- Fabrikanten aber hatten diese Bezeichnung nicht annehmen wollen, und da habe dann jeder eine andere Bezeichnung gewählt, deren eine »Deutsches Normal-System« ist; Berthold selbst habe nur das System Didot gekannt. Herr Smalian will in einer späteren Sitzung Material bringen, um die Herren, die heute noch für die Bezeichnungen »Cicero«, »Text« usw. sich aussprechen, zu anderer Meinung zu be kehren. Nachdem die Gesellschaft dem Vortragenden für seine anregenden Ausführungen gedankt, wird in die Verhandlungen über die geplante Ausstellung eingetreten und nach lebhaftem Meinungsaustausch beschlossen, die Wahl einer Ausstellungs- Kommission bis zu einer, für diesen Zweck besonders aus zuschreibenden Sitzung zu vertagen. Als Mitglieder angemeldet wurden die Herren Fritz Schneider und Felix Smalian. Von Georg Büxenstein & Co. waren Dreifarbendrucke ein gegangen, sie zeigen, welche vollkommene Leistungen mit diesem Verfahren erreicht werden; die auf einem grossen Bogen zusammengedruckten Bilder verschiedener Hunde-Rassen, sowie Stoffmuster-Proben mit verschiedenen blauen Farbtönen und mannigfachsten Farben-Zusammenstellungen auf einer Druck fläche fanden allgemeine Anerkennung. Einfassungen im neuen Geschmack Der neue Stil — wenn wir die kräftige Strömung so be zeichnen wollen, die jetzt im Buchgewerbe bemerkbar ist — hat ein Heer von Vignetten hervorgezaubert, dem sich zuverlässig in nächster Zeit noch andere anschliessen werden. Dem Buch drucker kann dies nur recht sein, jeder wird dann das finden können, was er besonders sucht. Vignetten mit ruhigem Linien- Huss stehen andern mit förmlich wirbelnden Linien entgegen, schwere, massige Silhouettenformen wechseln ab mit solchen, die nur Umrisse zeigen, stilisirte Erzeugnisse mit rein natura listisch behandelten — was alles die Art der Ausführung Ab wechselndes zu bieten vermag, wird geboten. Und dennoch ist eine Einseitigkeit zu verzeichnen, die im Grunde genommen verblüffen muss. Auf welche Probe auch das Auge blickt, überall sieht es Vignetten und wieder Vignetten, theilweise in der räumlichen Gestaltung so gehalten, dass ihre Anwendung in Verbindung mit Schriftzeilen dem Setzer grosse Mühe ver ursachen muss. Verschwindend wenig Aufmerksamkeit ist da gegen dem so dankbaren Gebiet der Einfassungen zugewendet worden. Wohl sind auch welche geschaffen worden — in ge ringer Menge —, die sich im Charakter dem neuen Stile an schliessen, doch eignen sich diese nur in beschränktem Maasse zum Rahmenbau und nur für gewisse Arten von Accidenzen. Ausserdem bestehen sie meist nur aus einer Figur, höchstens unter Hinzufügung eines Eckstückes, sodass eine daraus ge setzte Seite ziemlich einförmig und abwechslungslos wirkt. Gänzlich fehlen meines Wissens noch Einfassungen, die in der Art gezeichnet sind, wie z. B. die Florentiner Ein fassung, deren einzelne Stücke also volle Rechtecke oder Quadrate bilden, die auf irgend welchem Grunde modern naturalistische Ranken tragen. Es könnte dabei sowohl auf solche Rahmen Bedacht genommen werden, die nur auf einen Kegel gegossen sind, als auch auf solche, bei denen die Längs leisten schmäler sind als die Querleisten. Die letztgenannte Art ist jedenfalls dazu angethan, ein weit lebendigeres Satzbild zu schaffen, und ist aus diesem Grunde wohl vorzuziehen. Als Vorwurf kann vielleicht eine Wasserpflanze oder dergleichen dienen; angenehme Raumfüllung und ruhige Linienführung sind unbedingt erforderlich, um die Anwendung einer derartigen Einfassung auf ernsten Drucksachen zu ermöglichen und ihr dauernden Werth zu sichern. Die Zusammenstellung solcher Einfassungen würde allerdings wohl auch ihre Schwierigkeiten haben, da verschiedene Stücke gleichen Anschluss haben müssten, um in abwechslungsreichen Verbindungen verwendet werden zu können. Die Lösung dieser Schwierigkeit muss aber dem phantasiebegabten Zeichner gelingen. Ich bin überzeugt, dass der Buchdrucker Schöpfungen im vorstehend erörterten Sinne freudig begrüssen würde. Es liessen sich mit ihrer Hilfe auch grössere Drucksachen, wie Diplome usw. im neuen Geschmack herstellen, die jetzt noch, falls moderner Geschmack verlangt wird, der Hand des Zeichners