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2138 PAPIER-ZEI1TUNG Nr.60 Briefkasten Anonyme Anfragen bleiben unberücksichtigt 1429. Frage: In einer gerichtlichen Streitfrage bin ich u. A. zu der Erklärung aufgefordert, ob es richtig ist: 1. Dass nach den in der Papierfabrikation und dem Papier- Handel bestehenden Gewohnheiten eine Bestellung von etwa 5000 kg dem Fabrikanten das Recht giebt, 6105 kg zu liefern. 2. Dass es üblich ist, bis zu 10 pCt. der Waare in zweiter Wahl zu liefern, mindestens Handelsgut mittlerer Güte. Es handelt sich um Zellstoffpapier, sogenanntes Imitirt Pergament. Antwort: 1. Wenn Jemand etwa 5000 kg bestellt, so drückt er damit aus, dass er es dem Fabrikanten überlässt, etwas mehr oder weniger zu liefern. 2. In Punkt 11 der Lieferungs-Bestimmungen des Vereins! Deutscher Papierfabrikanten heisst es: Auch gilt es als üblich, dass der Besteller ein Mehr- oder Minder- Ergebniss bis zu 10 pCt. annimmt, unter 1000 kg bis 15 pCt. Ferner' hat er von der Gesammtmenge bis zu 15 pCt. zweiter Wahl (Retir) zu genehmigen. 1430. Frage: Zwischen den Inhabern einer offenen Handelsgesellschaft ist im Gesellschaftsvertrag ein Passus auf genommen, nach welchem nach dem Tod des einen Gesellschafters die Wittwe desselben zu einem gewissen Prozentsatz zehn Jahre betheiligt bleiben soll. Es ist als selbstverständlich angenommen, aber nicht besonders bemerkt, dass auch das Kapital im Geschäft bleibt, ohne dass der überlebende Theil Sicherstellung desselben zu leisten hat. Nach dem Tod des einen Gesellschafters stellt sich heraus, dass derselbe kein Testament gemacht hat, in folgedessen erbt das vorhandene minderjährige Kind drei Viertel und die Wittwe ein Viertel des Vermögens, welches zum grössten Theil im Geschäftsbetrieb festgelegt ist. Kann nun das Vormundschaftsgericht die Auszahlung des Kapitals oder dessen Sicherstellung durch den anderen Gesell schafter verlangen, oder hat der Vertrag volle Giltigkeit? Der Vertrag ist nicht gestempelt. Durch Nichtanerkennung des Vertrages durch das Vormundschaftsgericht würden die Erben grossen pekuniären Schaden erleiden, da eine Sicher stellung nicht möglich ist. Antwort: Der Vertrag ist jedenfalls giltig, das Fehlen des Stempels kann nur Stempelstrafe zur Folge haben. Da ein Gesellschafter gestorben ist, so tritt die für diesen Fall vorgesehene Bestimmung in Kraft. Die Wittwe hat aus dem Geschäft den ihr bestimmten Antheil zu beziehen. Ob die Be lassung des Kapitals des Verstorbenen im Geschäft dabei als selbstverständliche Voraussetzung gilt, hängt von den Um ständen ab, und die Richter müssen aus der uns unbekannten ganzen Sachlage erkennen, ob diese Annahme zutrifft. Wenn der überlebende Theilhaber das Kapital herausgeben soll und dann den Antheil der Wittwe nicht mehr zahlen will oder kann, so muss er das Geschäft liquidiren, d. h. auflösen oder sieh anderweitig mit den Erben abfinden. Da das Vormund schaftsgericht Sicherstellung verlangen muss und solche nicht geboten werden kann, so erscheint Liquidation unvermeidlich. 1431. Frage: Welche Bauart eines Aufzuges (Fahrsessel) können Sie für meine in zwei Stockwerken über einander unter zubringende Buehdruckerei aus dem Erdgeschoss, wo sich das Papiergeschäft nebst dem Lager befindet, empfehlen? Ich be merke dazu, dass ich bisher in der Buchdruckerei keinen Motor verwendete. Antwort: Da Sie keine Kraftmaschine haben, wäre für Ihre Zwecke ein hydraulischer Aufzug zu empfehlen. Diese sind leicht zu bedienen und lassen ohne Gefahr grosse Fahr- Geschwindigkeit zu, sie geben auch durch ihre einfache Bauart zu Ausbesserungen und dadurch hervorgerufene Störungen bei einigermaassen aufmerksamer Bedienung selten Veranlassung. Es giebt hydraulische, unmittelbar wirkende Aufzüge, wobei der Förderstuhl direkt auf einem Kolben befestigt ist, der eine Länge gleich dem Hube des Aufzuges hat und in einem in die Erde ge senkten Cylinder auf- und niedergeht. Diese Bauartistdie sicherste, da der Kolben genau dieselben Dienste thut wie jede beliebige Säule in einem Gebäude. Solche Aufzüge können jedoch nur eingerichtet werden, wo die Beschaffenheit des Erdreichs es gestattet, dass man ein Brunnenrohr so tief einsenken kann, wie der AufzugHub erhalten soll. Beiden hydraulischen, mittelbar wirkenden Aufzügen wird der Arbeitseylinder neben dem Aufzug aufgestellt, bei Raummangel auch wohl waagerecht im Keller hin gelegt und die Bewegung von dort mit Gussstahl-Drahtseilen auf den Fahrkorb übertragen. Durch Fangvorrichtung, Ge- schwindigkeits-Regulator, Thürsieherungen usw. wird für die erforderliche Sicherheit gesorgt. 1432. Frage: Die beiliegende mit I bezeichnete Probe Aktendeckel entstammt einer Lieferung aus dem Frühjahr 1896, ist uns als Normaldeckel 7 A geliefert und an eine Behörde gegeben, welche damit durchaus zufrieden war. Im Frühjahr dieses Jahres erhielten wir wieder Normaldeckel 7 A, wovon mitfolgende Proben II und III stammen, die, wie Sie finden werden, im Bruch franzen. Dies ist namentlich der Grund, weshalb die Behörde Annahme der Deckel verweigert, sie ist der Ansicht, dass die Güte, also der Stoff, die Haltbarkeit geringer sei, als die frühere Lieferung (Probe I). Wir selbst sind der gleichen Ansicht. Der Fabrikant behauptet zunächst, es sei auch die letzte Lieferung normalmässig, was ihm auch von uns nicht be stritten wird. Wir sind aber der Meinung, dass gut gearbeitete Normaldeckel 7 A nicht so brechen dürfen. Schliesslich be hauptet der Fabrikant, »dass uns jeder Fachmann bestätigen wird, dass ein Unterschied absolut nicht existirt und nicht existiren kann, da die Deckel immer aus den gleichen Stoffen hergestellt werden.« Antwort: Wir finden weder im Riss noch in sonstigen Eigenschaften der gelieferten Deckel II und III solche Ab weichung von Probe I, die ausserhalb der zulässigen Grenzen läge. Es ist uns daher unverständlich, worauf die Behörde ihre Annahme-Weigerung stützt. 1433. Frage: Wir beabsichtigen von einem Elektrizitäts- Werk etwa 400 PS zum Betriebe unserer Maschinen zu ent nehmen, die dazu nothwendigen Motoren sollen von uns an geschafft werden, und wir bitten um freundliche Auskunft, wie viel man im Allgemeinen für die Pferdekraft-Stunde bezahlt. Antwort: Je nach Grösse der elektrischen Kraftstatiou, je nachdem diese mit Wasser- oder Dampfkraft angetrieben wird, ferner je nach den Grundstückpreisen und Arbeitslöhnen der Gegend schwanken die Selbstkosten der Elektrizitätswerke für die erzielte Krafteinheit sehr bedeutend. Bei Abgabe der Kraft kommen noch verschiedene Fragen hinzu, ob z. B. die Leitung auf Kosten des Verbrauchers errichtet wird, ob Strom messer aufgestellt werden und auf wessen Kosten. Den grössten Einfluss auf den Preis hat aber die Entfernung der Verbrauchs stelle von der Zentralstation, denn je grösser die Entfernung ist, ein umso grösserer Theil der Kraft geht durch den Leistungs- Widerstand verloren. Hieraus geht hervor, dass gründliche Vertrautheit mit den örtlichen Verhältnissen zur Beantwortung obiger Frage nöthig wäre, und dass an manchen Orten das Drei- oder Vierfache der in günstig gelegenen Orten giltigen Einheitssätze gezahlt werden muss. Nach Joly’s techn. Aus kunftsbuch kostet in Berlin eine elekrische Stunden-Pferdekraft 70 Pf. bei Betrieb von kleinen Maschinen (‘la PS), 40 Pf. bei grösseren (5 PS). Die Preise für Barmen werden fast doppelt so hoch angegeben. 1434. Frage: Wir bestellten nach einliegendem Muster A etwa 1500 kg braun Zellstoffpapier mit der Bedingung, dass das Papier in Bezug auf Glätte und namentlich Festigkeit genau wie Muster sein solle, was uns der Fabrikant aus drücklich versprach. Wir bemerken dazu, dass schon eine vorherige Sendung nicht zu unserer Zufriedenheit geliefert worden war, wir infolgedessen nicht mehr aufgeben wollten und nur durch die Ver si eher ung des Fabrikanten, das Papier nach Muster zu liefern, bewogen wurden, noch einmal zu bestellen. Die Sendung ist nun wie Muster B (es waren zwei Stärken) ausgefallen, nach unserer Meinung jedoch in geringerer Güte, die uns berechtigt, das Papier zur Verfügung zu stellen. Um einen etwaigen Preisnachlass ist es uns nicht zu thun, da wir nur das Interesse haben, unserer Kundschaft eine den früheren Sendungen entsprechende Waare zu liefern. Das Papier wird für Düten gebraucht. Ist unsere Verfügung nun berechtigt? Antwort: Wir haben schon oft an dieser Stelle hervor gehoben, dass keine Fabrik mit Sicherheit das einmal an gefertigte Papier so wieder machen kann, dass es keine Unter schiede zeigt. Rohstoffe und Wasser wechseln in verschiedenen Jahreszeiten und die anderen Fabrikations-Verhältnisse ändern sich gleichfalls. Da Niemand Unmögliches verlangen darf, so müssen den Fabrikanten mässige Abweichungen zu- gebilligt werden. Bei Vergleichung der eingesandten Bestell- und Ausfall- Proben können wir nicht finden, dass dieselben in Farbe, Reinheit oder Festigkeit weit genug von einander abweichen, um Ablehnung zu rechtfertigen.