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No. 12. PAPIER-ZEITUNG. 319 Um dem Schnapstrinken Einhalt zu thun, ist der Genuss von Branntwein in der Fabrik überhaupt verboten, ebenso der Verkauf desselben im Konsumverein. Dagegen wird vom Konsumverein gutes einfaches Bier zum Selbstkostenpreis verkauft, und der Umsatz darin ist sehr bedeutend geworden. Prämien werden nach 10 jähriger Dienstzeit an männliche Arbeiter in der Höhe von 60—75 M., an weibliche Arbeiter von 40 M. ge zahlt. Nach 25 Jahren erhalten erstere 300 M., letztere 200 M. in die Sparkasse eingezahlt; ausserdem wird bei dieser Ge legenheit den Jubilaren ein Anerkennungsdiplom im Beisein sämmt- licher Mitarbeiter überreicht. Diese Prämien erhielten bis jetzt 73 männliche und 11 weibliche Arbeiter nach Ablauf einer 10jährigen Dienstzeit, und 10 männliche und 2 weibliche Arbeiter, die 25 Jahre in der Fabrik gearbeitet hatten. Eine von den Arbeitern besonders dankbar anerkannte Einrich tung ist die schon seit Anfang der 70er Jahre gewährte Dividende, welche seit 2 Jahren auf sämmtliche Angestellte, sofern sie nicht im Akkord arbeiten, in Form einer Erzeugungstantieme zur Auszahlung gelangt. Die Berechnung geschieht in folgender Weise: Hat die Erzeugung eine gewisse Höhe erreicht, so dass dabei ein Gewinn für die Arbeitgeber herauskommt, so tritt bei einer Ueberschreitung der für jede Maschine angenommenen Normalerzeugung eine Ver gütung für jede Mehrleistung ein, und zwar im Verhältniss zum Lohne. Dieser Gewinnantheil ist nicht unwesentlich und erreicht z. B. bei den Werkführern einen Betrag von 300 bis 400 M. auf Kopf und Jahr. Eine Pensionskasse gewährt den im Geschäft alt oder invalid gewordenen Angestellten eine Jahresrente von 100 bis 150 M., und zwar neben der durch das Gesetz vorgeschriebenen Rente. Das Stammkapital rührt von Stiftungen her und erhält jährlich einen Zuschuss aus der Geschäftskasse. Der gegenwärtige Bestand ist 50000 M. Eine freiwillige Feuerwehr bildet sich aus den männlichen Ar beitern unter 50 Jahren und besteht z. Z. aus 84 Mann, eingetheilt in 1 Kommandanten, 2 Zugführer, 1 Spritzenmeister, 5 Sektions führer, 33 Steiger, 40 Spritzenleute und 2 Signalisten. Die ganze Organisation steht unter staatlicher Aufsicht, und die Einrichtungen sind im eigenen Interesse der Anstalt die denkbar vollkommensten. Ein Bild im Album zeigt die Feuerwehrleute in vorschriftsmässiger Ausrüstung am Uebungsthurm. Es sind meist stattliche Leute von guter Haltung. Hat ein Arbeiter eine militärische Uebung zu absolviren, so wird ihm während dieser Zeit der volle Lohn weitergezahlt. Die gute Wirkung der vorbeschriebenen Wohlfahrtseinrichtungen hat sich seit Jahren gezeigt. Die Fabrik verfügt über einen fleissigen, strebsamen, zuverlässigen und sesshaften Arbeiterstamm, der treu zum Geschäft hält und angesichts der möglichst vortheilhaft gestal teten Lebensverhältnisse in Erfüllung seiner Aufgaben Befriedigung findet. Berichte unserer Korrespondenten. Aus den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika. Mankato, Minn., 7. Januar 1892. In einem früheren Berichte habe ich darauf hingewiesen, dass Trusts im amerikanischen Papiergeschäfte sich nicht bewähren. Die zufriedenstellende Vertheilung der Produktion auf die T’rust-Theil- haber und das Abrechnungswesen bieten zu viele Schwierigkeiten, abgesehen von der nicht leichten Aufgabe, der Antitrust-Gesetzgebung des Bundes und der Einzelstaaten gegenüber den Schein der Legitimität zu wahren. Ein weiterer Belag für die Richtigkeit dieser Auffassung dürfte in der wenig befriedigenden Wirksamkeit des Packpapier- Trust gefunden werden. Wenn auch die Verhandlungen dieses Trust in seiner letzten Versammlung streng geheim geführt wurden, so konnte gleichwohl hinterher in Erfahrung gebracht werden, dass ein Theil der Mitglieder von dem Ergebnisse der Trust-Wirthschaft nichts weniger als erbaut war. Sian wird mehr und mehr in der Annahme bestärkt, dass dem Trust als Geschäftsform nur die Bedeutung einer Vorbereitungs- bezw. Uebergangsmaassnahme zum absoluten Ineinanderaufgehen gleichartiger Betriebe beizumessen sei. Nicht Vereinigung unter einen grossen Hut, sondern Verschmelzung zu einem grossen Ganzen scheint die »Signatur der Zeit« für den Rest des Jahrhunderts zu sein. Die auf diesem Grundsatz beruhende Gesellschaft zur Ausbeutung bezw. Schliessung der amerikanischen Strohpappefabriken ist den Lesern bereits bekannt. Auch von einer gleichartigen Verschmelzung amerikanischer Schriftgiessereien hat die Redaktion Notiz genommen. Nun folgten am 3. Januar die lithographischen Anstalten für Er zeugung von Cigarren- und Konserve-Etiketten und Theaterplakaten mit der Gründung der »American Lithograph Company«, deren Kapital 12 Millionen Dollar beträgt. Unter den beigetretenen Firmen befinden sich folgende hervorragende Häuser: von Philadelphia: Geo. Harris & Sons; von New York: Schumacher & Ettlinger, the Knapp Company, F. Heppenheimer & Sons, Geo. H. Burk, the Giles Company u. a., die alle ausschliesslich das Feld der Chromo-Etikette und des Chromo-Theater-Plakates pflegen. Um den Lesern einen Begriff von der Bedeutung des amerikani schen Cigarrenkisten-Luxus zu geben, übersende ich eine Sammlung jener »Labels«, von denen je ein grösseres für die ganze Deckel-Innen seite und ein kleineres für die ganze Stirnseite denselben Gegenstand behandeln. Die Preise gehen bis zu 50 Dollar für das Doppeltausend, und der Durchschnitt wird etwa zwischen 30 und 35 Dollar liegen. Da die meisten Cigarren zu 50, ein nicht geringer Theil jedoch schon zu 25 Stück in Kisten gepackt werden, so ist es nicht über trieben, wenn der amerikanische Raucher sich darauf beruft, dass er mit jeder Cigarre, die er kauft, eine indirekte Kunststeuer von 1/o Cent entrichtet. Die Etiketten für Obstkonserven sind ein nicht weniger bedeut samer Verbrauchsartikel. Während aber bei der Cigarren - Etikette der Phantasie des Entwerfers ein unbegrenztes Feld offengelassen ist, beschränkt sich hier die Aufgabe des Lieferanten auf möglichst effektvolle Wiedergabe der Obstsorten in natürlicher und übernatürlicher Grösse. Von der Bedeutung der Konserven-Etikette erhält man eine Vorstellung, wenn man in Betracht zieht, dass der Cylinder jeder Blechbüchse vollständig von der Etikette bedeckt und mitunter auch noch der Deckel etikettirt wird, und dass der Versandt einer einzigen Firma, der California Fruit Co., im Jahre 1891, auf Pfundbüchsen umgerechnet, die Ziffer von 30 687980 erreichte. Das Theater-Plakat stellt für Bühnen-Leiter einen so bedeutenden Theil der Ausgaben dar, dass alle vier oder fünf Jahre unter den fahrenden Schauspielertruppen eine Bewegung zu dessen gänzlicher Abschaffung entsteht. Dieselbe hatte aber niemals durchschlagenden Erfolg, weil ein grosser Theil von dramatischen Unternehmern gerade dann, wenn ein anderer Theil das Farbendruckplakat fallen lässt, erst recht von dessen vermehrter Zugkraft auf dem theilweise frei gegebenen Felde Gebrauch macht. Im Zusammenhang mit diesem letzteren Gegenstände ist es von Interesse, was einer der angesehensten und erfolgreichsten dramati schen Leiter, Richard Mansfield, seinem Quartiermeister und Anzeige- Agenten in Begründung des Auftrages, künftighin alle lithographischen und typographischen Reklame-Plakate fallen zu lassen und aus schliesslich in Zeitungen anzuzeigen, geschrieben hat. Herr Mansfield sagte u. a.: »Der Einfluss und die Allgewalt der Presse als Anzeige mittel macht sich mit jedem Tage mehr fühlbar, sowohl in Geschäfts- wie in Theaterkreisen. Ein Mann, der keine Zeitung liest, geht auch nicht ins Theater. Die wöchentliche Ausgabe für Lithographieen usw. beträgt, niedrig gerechnet, 150 Dollar, oder für eine Spielzeit von 40 Wochen 6000 Dollar. Wenn hundert Gesellschaften — was nur ein kleiner Bruchtheil der reisenden'Truppen ist — mein System annehmen wollten, so würde das den Zeitungen im Lande eine reine Einnahme von 600000 Dollar bringen und nach meiner festen Ueber- zeugung sowohl für den Theaterbesucher als auch für die Unterneh mung von grösstem Vortheil sein.« Auf die Gründung der amerikanischen Lithographie-Gesellschaft zurückkommend, will ich noch erwähnen, dass namentlich das Cigarren- Etikettengeschäft zur Verschmelzung drängte. Der im Uebermaass gesteigerte Wettbewerb schuf eine solche Masse von neuen Ent würfen, dass nur ganz vereinzelte Lager - Nummern sich auf eine angemessene Reihe von Jahren zu behaupten vermochten. Wahrem l es noch vor zehn Jahren genügte, den Kisten fabrikanten jährlich ein revidirtes Musterbuch mit einer Reihe von Neuheiten zu liefern, ist seither die kostspielige Einrichtung in Schwung gekommen, jedem Cigarrenfabrikanten monatlich oder vierteljährlich Neuheiten zu be mustern, so dass der Kistenfabrikant auf die Erzeugnisse selbst von ihm nicht begünstigter Lieferanten eingehen musste, er mochte wollen oder nicht. Dieser Zustand musste natürlich früher oder später schon der grossen Kosten dieser Mustersendungen wegen eine Reform her vorrufen. Die Cigarrenindustrie ist nämlich, ganz im Gegensatz zu der grossangelegten übrigen Industrie der Ver. Staaten, noch stark in den Händen des Kleinbetriebes mit 2 bis 12 Arbeitern, wodurch sich die anscheinend unmögliche Ziffer von 20000 amerikanischen Cigarren fabrikanten schon annähernd erklärt. Ich erwähne diesen Umstand namentlich deshalb, weil ab und zu auf dem Buchhändlerwege ein paar schüchterne Anfänge von Cigarren-Etiketten deutschen Ursprungs mit der Bitte »um Vertheilung an dortige Fabriken« herüberkommen, die natürlich hoffnungslos dem Papierkorb verfallen. Selbst wenn die Ausführung dieser Etiketten dem hiesigen Geschmack besser angepasst wäre, als sie es ohne eine mir bekannt gewordene Ausnahme ist, so hätte deren Vertheilung nur Aussicht auf etwaige Berücksichtigung, wenn sie an die Fabrikanten der Kisten gerichtet würde, die von