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T286 PAPIER-ZEITUNG. Nr 35 Buchhandel. Unter dieser Ueberschrift veröffentlichen wir Aufsätze und Mittheilungen, welche sich auf den G es a mm tb u c h h a n d el (Verlag, Sortiment, Antiquariat und Kolportage) beziehen. Sachliche Mittheilungen finden kostenfreie Aufnahme, Korre spondenzen (aus grösseren Buchhandelplätzen) werden ange messen bezahlt. Eingesandte Werke finden Besprechung. Das Weber-Jubiläum in Leipzig. Fortsetzung aus vor. Nr. und Schluss. Die Familien-Grabstätte von J. J. Weber auf dem neuen Johannes-Friedhofe zu Leipzig erschien am 15. August in frischem Blüthen-, Blumen- und Lorbeerschmucke. Kränze in den schweizer Farben, von weissen und rothen Kosen umgeben, schmückten die Grabstätte, Lorbeerkränze die von einem Sockel an der Wand des Grabmals herabschauende Büste des verstorbenen Jubilars. Einer der Kränze zeigte auf seidenem Trauerbande das Jubeldatum in Goldlettern; ein anderer trug auf der atlassenen Schleife die Inschrift: .Den Manen des Be gründers der Firma J. J. Weber — gewidmet von dem Geschäftspersonal den 15. August 1884.“ Die Herren Gebrüder Weber: Hans, der Buchhändler (seit Ende der 50er Jahre), Her mann, der Buchdrucker (seit 1863), und Dr. Felix (seit Anfang der 70er Jahre), im Mit besitze des grossen Geschäfts, hatten es — jeder formellen Aeusserlichkeit fremd— vermieden, die ihnen von allen Seiten dargebrachten Glück wünsche persönlich entgegenzunehmen. Sie beschränkten sich darauf, sämmtlichen ange stellten Mitarbeitern der Firma ein höchst splendides Zeichen ihrer freundlichen Gesin nung zu übermitteln. Der Sendung war der ausdrückliche Wunsch beigefügt, dass der Em pfänger noch lange Jahre mit den Gebern zu sammen arbeiten möge: gewiss ein Beweis, dass die thatkräftigen Söhne, gleich dem wackere Vater, gute Dienste zu schätzen wissen. Das Personal der Verlagshandlung widmete eine von dem münchener Maler Köllner aus geführte Votivtafel. Der Vorstand der xylo- graphischen Anstalt, Herr Maler Waibler, hatte das Brustbild des Verstorbenen in Lebens grösse gemalt. Beide Festgeschenke prangten, mit Eichen laub umkränzt, am Jubeltag im Empfangs zimmer der Verlagshandlung. —h. Kleine Notizen. + In Leipzig verstarb der Professor Dr. med. Julius Cohnheim am 16. August. Er wurde am 20. Juli 1839 zu Demmin geboren, hatte Lehr stellen an den Universitäten Kiel (’67 — ’71), Breslau ('71 — ’75)und wirkte seitdem in Leipzig. Selbständige Schriften: .Untersuchungen über die embolischen Prozesse,“ .die Tuberkulose vom Standpunkte der Infektionslehre“ (Leipz. 1881, 2. Aufl.), „Vorlesungen über allgemeine Patho logie“ (Berl. '82, 2. Aufl.). t Dr. Moritz Thausing, Professor der Kunst geschichte an der wiener Universität, seit eini ger Zeit geistig gestört, ist am 14. ds. in Leitmeritz im Elbstrom verunglückt. t Am 15. August schied ein treuer Veteran des Buchhandels aus dem Leben: der Buchhalter der Buch- und Musikalienhandlung Breitkopf & Härtel in Leipzig, Alexander Lissner. Er ge hörte diesem altberühmten leipziger Verlags hause seit dem 1. August 1826 an und hat drei Generationen in seltener Pflichttreue gedient. t Gustav Pfarrius, der rheinische Lyriker, ist am 15. ds. nach längerem Leiden zu Köln ver storben. Er hatte daselbst von '33—'63 als Lehrer am Friedrich-Wilhelm-Gymnasium ge wirkt. Geboren ward er am 31. Dezember 1800 zu Heddersheim bei Kreuznach als Sohn des evangelischen Pfarrers daselbst. Lyrische Werke: „Nahethal-Lieder" (1845); .Waldlieder“ (1850); .Gedichte“ (1860.); Novellen: .Trümmer und Epheu“ (1852); .Zwischen Soonwald und West rich“ (1863); „Natur- und Menschenleben“ (1869). Der in literarischen Kreisen vielbesprochene Beleidigungsprozess, welchen der berliner ■Schrift steller Ludwig Pietsch gegen den verantwort lichen Redakteur des Witzblattes .Schalk,“ Fried. Thiel, angestrengt hatte, hat nunmehr vor dem berliner Schöffengericht in soweit einen vorläufigen Abschluss erhalten, als der Angeklagte in beiden Fällen für schuldig erach tet und zu 500 Mk. Geldstrafe, bez. 50 Tage Gefängniss, verurtheilt worden ist. In Nr. 33 berichteten wir an gleicher Stelle: .In Leipzig erscheint seit kurzem ein Fachblatt für den Kolonialwaarenhandel.“ Wie uns nun mehr von Hm. Otto Pfau, Ritterstr. 26 daselbst, mitgetheilt wird, befindet sich die in dessen Verlag erscheinende .Kolonialwaaren-Zeitung“ bereits im 2. Jahrgange. Süddeutsche Ueberraschungen. „Ueber Land und Meer“ in Oktav: ein statt liches und prächtig ausgestattetes Heft, das von jetzt ab monatlich neben der Grossfolio- Ausgabe erscheint und all' Das, was diese in den 4—5 Nummern jedes Monats bringt, zu sammenfassen wird, — das ist die erste Ueber- raschung, welche die süddeutsche Centrale dem Buchhandel sendet. Die Deutsche Verlags-Anstalt hat, allem An schein nach, das Bedürfniss gefühlt, durch die gedrängte Form dieses schönen und umfang reichen Oktavheftes, den handgreiflichen Beweis zu erbringen, weich' eine grosse Stoffmenge das vielheliebte, seit einer langen Reihe von Jahren durch seine trefflichen literarischen und künst lerischen Leistungen hochgeachtete, Journal in einem Monat bietet. Der Text ist Wort für Wort der gleiche, nur die Bilder sind dem Format angepasst: während sie in der Gross folio-Ausgabe durch Pracht und Massigkeit erfreuen, entzücken sie durch Feinheit und vor nehme Nettigkeit in der Oktav-Ausgabe. Die Deutsche Verlags-Anstalt bekundet durch diese Doppelausgabe, die auf den ersten Blick wie eine sich selbst bereitete Konkurrenz er scheint, das Streben, dem thatsächlichen Er folge der Spemann’schen Monatsschrift: „Vom Fels zum Meer“, die Spitze zu bieten. Die Ausstattung des Spemann’schen Blattes ist eine so treffliche, seine Leitung liegt in einer so glücklichen Hand, dass es in kurzer Zeit An spruch auf Volksthümlichkeit erlangt hat. Es mag demnach wohl zutreffen, dass bisher sei nem handlicheren Format mancherseits der Vor zug vor dem grösseren von „Ueber Land und Meer“ gegeben wurde. Engclhorn s ..Allgemeine Koman-Jflbliothek“ ist die andere Ueberraschung, von welcher zu berichten ist. Fünfzig Pfennige der broschirte Band; jede zweite Woche wird ein Band er scheinen. Glücklicher Drucker! ist der erste Gedanke, den mir die Anzeige des allem An schein nach grossartig angelegten Unternehmens eingiebt. Armer Leihbibliothekar! sollte eigentlich der zweite Gedanke sein. Indessen mag ich noch immer nicht glauben, dass den Leihbibliotheken das letzte Stündlein geschlagen hat. Wesshalb denn immer wieder einem Stande im Buchhan del das bischen Leben verkümmern, der doch die Berechtigung seines Daseins in dem spar samen Charakter des Deutschen findet! Wem kann man’s im Grunde verdenken, dass er das Lesen eines Romans mit 5 — 10 Pfg. Leihge bühr für genügend bezahlt hält, so lange er’s darum haben kann? Engelhorn’s Roman-Bibliothek soll eine Aus wahl der besten modernen Romane des Aus landes bringen; der deutsche Roman soll zwar nicht völlig ausgeschlossen bleiben, aber nur in geringerem Maasse Berücksichtigung finden, „weil er von den Familienjournalen und den bestehenden Komanzeitungen in ausgiebiger Weise gepflegt wird.“ Was giebt’s denn aber gegenwärtig im Auslande für Autoren? Wahr ¬ lich nicht viele, die mit Recht einen Platz im deutschen Bücherschränke verdienten! Wie kärglich es in dieser Beziehung bestellt ist, zeigt die erste, für die Engelhorn'sehe Biblio thek getroffene Auswahl. Mrs. Praed, Hugh Conway, B. M. Croker, Hamilton Aide und Charles Reade sind die Engländer, Georges Ohnet und Henry Greville die Franzosen, ihnen schliessen sich die Italiener G. Verga und die Marchesa Colombi nebst dem Spanier Juan Va- lera an. Könnte man es eine Einbusse der Deutschen Literatur nennen, wenn einer dieser Autoren unübersetzt bliebe? Einverleibt das Ausland die Werke deutscher Autoren, welche auf d r Höhe der hier genannten fremden stehen, ihren Literaturen? Nicht einmal solche, welche weit über denselben stehen! Es ist ein Räthsel, wo für die massenhaften Erscheinungen in schöngeistiger Richtung auf unserm Büchermarkt Unterkunft gefunden wer den soll. Wie gross denkt man sich eigent lich den .deutschen Bücherschrank“? Da bringt Spemann seine .Collection“ und seine „National- Literatur“; Cotta-Kröner die .Bibliothek der Weltliteratur“; Janke-Berlin seine „Roman-Col- lektion“; Schottländer-Breslau die ,Drei-Mark- Bibliothek“ und .Deutsche Bücherei“: Bachem- Köln seine Einmark- und Zweimark-Novellen; Schönlein-Stuttgart seine „Familien-Bibliothek"; Tempsky-Freitag „Das Wissen der Gegenwart“; Engel-Wien seine .Ost- und West “-Sammlung: Prochaska-T’eschen die „Salon-Bibliothek“. Dazu noch Reclam und Hempel, Tauchnitz und „Bi bliograph“ und andere, alle mit älteren grossen Sammelwerken in schöngeistiger Literatur, die noch fortgesetzt werden, oder für die noch fort dauernd Käufer gesucht werden. Da kann die Frage nicht ausbleiben: Wo sollen die Käufer für dies Alles herkommen? Für die Druck - Industrie mag ja die zu so grossen Umfängen gediehene Produktion des deutschen Buchhandels zunächst recht angenehm sein! Ich wünsche gewiss auch einem jeden der hier genannten Sammel-Unternehmen von Herzen den besten Erfolg. Aber mich will be- dünken, als wenn die deutsche Verlagsthätig- keit in eine bedenkliche Ueberschätzung der Absatzfähigkeit schöngeistiger Werke gelenkt sei. Uebrigens: .Es war schon Alles einmal da!“ Auch 50-Pfennig-Romane, und sogar in Stutt gart. Man erinnere sich der Bibliothek des tüchtigen Stuttgarter Verlegers Franckh, welche wirklich namhafte Autoren umschloss, die der Welt-Literatur angehören, wie Sue, Dumas, die Bremer und die Carln, Kock und Sand, Ains worth, Boz, Scott und Andere. Die Bändezahl derselben wird die 300 wesentlich überschritten haben. Auch der alte Vieweg in Braunschweig hat lange Zeit in der billigen Roman-Richtung gearbeitet, und in neuester Zeit hat ja erst Albert Goldschmidt-Berlin den Gedanken mit seiner vorzugsweise neuere deutsche Autoren umschliessenden „50-Pfennig-Bibliothek" wieder aufgegriffen. Trotz ihrer Aller besteht aber noch heute die Leihbibliothek fort; und ich glaube auch nicht, dass diese, im bisherigen deutschen Volkscha rakter ziemlich fest fussende, Einrichtung durch das Engelhorn'sehe Unternehmen, auch bei dem sonst erhofften Erfolg des Letzteren, eine sehr wesentliche Beeinträchtigung erleiden wird. • Heichen’s Polygraphisches Kom- pendium. Encyklopädisches Hand- u. Lehr buch für Buchdruck, Schriftgiesserei, Buch handel und die gesammten graphischen Fächer. Vollständig in 40 Lieferungen ä 50 Pfennig. Heichen’s Taschenlexikon der be- rühmten Buchdrucker aller Völker seit Er findung der Buchdruckerkunst bis auf die Gegen wart. 520 Seiten 8”. Preis 2 Mk. [19828 Heichen’s Deutscher Reichs-Or- thograph. Handlexikon für deutsche Gram matik und Rechtschreibung. Mit Angabe der, Silbenbrechung und aller ortho-typographischen Regeln. 532 Seiten 8°. Preis 2 Mk. Verlag von Moritz Schäfer in Leipzig.