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Naunhofer Nachrichten 17. Jahrgang Sonntag, den 14. Oktober 1906. Nr. 124. Mit einer vierseitigen Illustrierten Sonntagsbeilage. Bezugspreis: Frei inS HauS durch Austräger Mk. 1.20 vierteljährlich. Frei inS HauS durch die Post Mk. 130 vierteljährlich. Orts blatt für Albrechtshain, Ammelshain, Belgershain, Beucha, Borsdorf, Eicha, Erdmannshain, Fuchshain, Großsteinberg, Kleinsteinberg, Klinga, Köhra, Lindhardt, Pomßen, Staudnitz, Threna und Umgegend Ankündigungen: Für Inserenten der AmtShauptmann- schast Grimma 10 Pfg. die fünsge- spaltene Zeile, an erster Stelle und für Auswärtige 12 Pfg. Bei Wiederholungen Rabatt. Verlag und Druck: Günz Lr Eule, Naunhof. Redaktion: Robert Güuz, Naunhof. Die Naunhofer Nachrichten erscheinen jeden DienStag, Donnerstag und Sonnabend Nachmittag 5 Uhr mit dem Datum deS nachfolgenden Tages. Schluß der Anzeigenannahme: Vormittags 11 Uhr am Tage des Erscheinens. Bekanntmachung. In der gestrigen 21. diesjährigen Sitzung ist folgendes beraten und beschlossen worden. 1. Das Gesuch des Herrn Möbius um Anbau einer Veranda an sein Grundstück an der Schloßstraße Nummer 148 6 wird bedingungslos befürwortet. Die Entscheidung über das Gesuch des Herrn Golzsch um Neubau eines Wohnhauses an der Göthestraße soll der König!. Amtshauplmannschaft überlassen werden. Das Gesuch des Herrn Nebel um Neubau eines Wohnhauses mit Hintergebäude am Markte wurde bedingungsweise befürwortet. 2. Von einer Einladung des König!. Sächs. Militärvereins Kameradschaft zu seiner Stiftungsfeier nahm man Kenntnis. 3. Die genehmigte Feuerlöschordnung soll in Druck gegeben werden. 4. Von der Verpachtung der ehemals Frommoltschen Felder nahm man Kenntnis. Das eine noch freie Feld soll verpachtet werden. 5. Die Entschließung über die etwaige Uebernahme ganz oder teilweise bebauter Ge- nossenschaftSwege vertagte man. 6. Auf ein neueres Gesuch wurde beschlossen, Herrn Söllner für seine Badezwecke das Wasser aus der städtischen Leitung unentgeltlich zu liefern, wenn die Stadt Leipzig die gleiche Menge der Stadt Naunhof kostenlos überläßt. 7. Verschiedenen Beschlüßen des Bauausschusses wurde zugeftimmt. Hiernach war man mit der Beschaffung von Steinen zur Straßenausbesserung, der Versetzung einer Laterne an der Nordstraße, der Herstellung eines Fußweges vor einem Grund stücke an der Schloßstraße und der Ausbesserung des Fußweges an der Großsteinberger Straße einverstanden. Ueber Straßenbäume sollen Preise eingefordert werden. Die Anstellung eines Straßenwärters hat zur Ausschreibung zu kommen. Hierauf folgte geheime Sitzung. Der Stadtgemeinderat. Willer. Sonntag, den 14. Oktober, früh 7 Uhr: Oebung samt!. Züge. Ungenügend entschuldigte Versäumnis wird bestraft. Versteigerung. Mittwoch, den 17. Oktober 1906, mittags 1 Uhr, sollen in Naunhof im Rathaufe l HmeaschrMijch, 3 Ach, 3 Wk u. 1 Fahrrad gegen sofortige Baarzahlung an den Meistbietenden versteigert werden. Naunhof, am 13. Oktober 1906. Der Verwattungs-Bollstrecknngsbeamte Schröter. Die Gemeillde-SMkajsk zu Sorsdorf ist an allen Werktagen von 8—1 Uhr und von 3—5 Uhr geöffnet und verzinst Einlagen mit Geschäftslokal: Gemeindeamt, Bahnhofstraße Nr. 15. Ernste Gedanken und Erinnerungen. Am 10. Oktober waren cs 100 Jahre, daß Prinz Louis Ferdinand von Preußen bei Saalfeld fiel. Am kommenden Sonntag, den 14. Oktober, werden es 100 Jahre, daß in der Doppelschlacht von Jena und Auerstädt in Thüringen Napoleon I. und sein Marschall Davout die preußischen Armeen unter dem Fürsten Hohenlohe, einem Vorfahren des 3. Kanzlers im Bismarckschen Reiche, und dem Herzog von Braunschweig entscheidend schlugen und jene Katastrophe herbeiführten, die als der „Zusammenbruch Preußens* bezeichnet ward. Die Schlacht bei Jena steht im Vorder gründe dieses militärischen Dramas, weil dort Napoleon selbst gegen den Fürsten Hohenlohe befehligte, während die preußische Hauptarmee unter dem während des Treffens rötlich ver wundeten Herzog von Braunschweig, bei der sich auch König Friedrich Wilhelm III. von Preußen befand, von dem schon vorher er wähnten Marschall Davout geschlagen wurde Es war keine Völkerschlacht, dieses Toppel- treffen, von dem weder Preußen noch Fran zosen am Schlachttage selbst etwas wußten. Insgesamt standen auf jeder Seite kaum 100000 Mann wirklich im Feuer, auf beiden Seiten hatte man sich tapfer geschlagen und der Rückzug der Preußen und der mit ihnen verbündeten Sachsen artete erst später in regel lose Flucht aus, aber die Folgen von Jena und Auerstädt gaben diesem Ereignis ihre Bedeutung: Armee und Staat brachen in Preußen zu gleicher Zeit zusammen; die ver lorenen Schlachten bildeten den Ausgangs punkt des Staats- und Volks-Dramas, das seinen Ursprung in alten und überlebten Formen hatte, die nun mit einem Mal ver schwinden mußten. Der Inhalt war gut; ohnedem hätte nicht schon sieben Jahre später der siegreiche Freiheitskrieg auSgefochten werden können, der den Sieger von Jena stürzte. Darum ist Jena, das Napoleon die volle Ge walt über Deutschland gab, für immer eine ernste Lehre; ohne diesen Tag hätte sich keine neue und zeitgemäße Entwickelung aufgebaut im deutschen Vaterland. Ueber die Ursachen der schweren Nieder lage von Jena ist viel gestritten worden; es ist gesagt worden, alles sei in der preußischen Armee zerrüttet gewesen, nichts habe mehr getaugt. Zutreffend ist, ^daß vor dem mit vieler Unschlüssigkeit und drängelnder Tatkraft begonnenen Feldzuge in den Kreisen der preuß ischen Offiziere, denen der glänzende Sieg des großen Friedrich über die Franzosen bei Roßbach im siebenjährigen Kriege vor Augen schwebte, sich viel Uebermut zeigte, man den Sieg über Napoleon und seine kriegsgewohnten Regimenter als ganz selbstverständlich erach tete. Aber so dachten doch bei weitem nicht alle, und die glänzendsten Namen aus den Freiheitskriegen: Blücher, Dork, Gneisenau, Bülow und viele andere, finden sich auch schon im Kriege von 1806. Und hätte damals alles nichts getaugt, so hätte nicht 1813 der Freiheitskrieg siegreich ausgefochten werden können; in so kurzer Zeit ist nicht alles und jedes erneuert. Das vorhandene gute Material mußte nur recht verwendet werden! Kein geringerer als Napoleon selbst hat es ausgesprochen, weshalb die Schlacht von Jena und Auerstädt von Preußen verloren wurde: „Man verhandelt im Hauptquartier des Feindes darüber, was man tun soll, aber man tut nichts!" Diese Worte, die der Kaiser zu seinem Marschall Lannes sprach, sind die Erklärung für das vernichtende Maß der Nieder lage, die ohnedem diesen Umfang nicht ge winnen konnte. Schon vor der eigentlichen Kriegserklärung schwankte man am preußischen Hofe darüber, ob Krieg oder Frieden? Daß Napoleon, nachdem er Oesterreich und Ruß land 1805 in der Treikaiserschlacht bei Auster- iitz besiegt, den Krieg mit Preußen wollte, war zweifellos. Trotzdem hoffte König Fried rich Wilhelm 111. auf eine Verständigung. Trotzdem Napoleon in Süddeutschland eine schlagfertige Armee stehe» hatte, war die Mo bilmachung der verbündeten Preußen und Sachsen nur eine teilweise, derartig verkannte man den Ernst. Bis zum 8. Oktober ließ Friedrich Wilhelm 111. Napoleon noch Zeit, auf ein preußisches Ultimatum zu antworten, und schon am 10. Oktober fand da- unglück liche Gefecht bei Saalfeld statt, in dem Prinz Louis Ferdinand von Preußen fiel. Wie rasch folgte dem das Drama von Jena und Auerstädt. Die geschichtlichen Vorgänge des Jahres 1806 sind bekannt genug. Jena brachte einen vollen Zusammenbruch. Es war nicht bloß das Heer Preußens, das versagte, nach ihm fiel die Verwaltung, und die Einzelheiten, in denen das Unglück zutage trat, waren in beiden Fällen vielfach schimpflich. So stellt sich die Geschichte des Jahres 1806, mit den Augen unserer Zeil angesehen, dar; so haben sie auch schon mindestens die beiden letzten Generationen des 19. Jahrhunderts beurteilt. Anders stellt sich die Betrachtung, lassen mir die Zeitgenoffen des Jahres 1806 selbst zu Worte kommen. Gewiß, auch unter ihnen sprachen nicht wenige herb von dem jäh ver fallenen Staate Friedrichs des Großen; aber die Mehrzahl denkt anders; sie entschuldigt nicht einmal; sie findet im Grunde an dem Verlaufe wie dem Charakter der Ereignisse alles in Ordnung. Dieser Zwiespalt der Auf fassung zeigt, daß es sich im Jahre 1806 nicht bloß um eine rein militärische und polit ische Niederlage handele. Was zu Grabe ge tragen rvurde, war eine geraume Zeit, eine von der heutigen gänzlich verschiedene natio nale Psyche, ein volles Zeitalter der deutschen Entwickelung, war die absolute Monarchie mit all ihrem drum und dran. Und die Folgen? Sie konnten nur in dem Siege der neuen, vorwärtsweisenden Grundelemente be stehen: des Bürgertums, der Demokratie im heutigen englischen Sinne dieses Wortes. Es ist die staatsmännische Größe des Freiherrn von Stein, dies weniger begriffen als innig gefühlt zu haben, es ist die sittliche Größe Friedrich Wilhelms 111.^ diesem Zuge der Dinge und dem Rate einer großen Mannes wenigstens einige Zeit gefolgt zu sein. Was man danach hatte erwarten sollen, das wäre der moderne deutsche Staat gewesen. Hat man ihn erreicht? Damals? Heute? Für die Vergangenheit wird sich leicht feststellen lassen, daß die Entwickelung dieses deutschen Staates durch die Einführung fremder, nament lich französischer Staatsideale gefährdet worden ist; die ganze Lehre von der Teilung der Gewalten, noch mehr vom allgemeinen Wahl recht, ist undeutsch. Für die Gegenwart mag jeder Leser die Antwort sich selbst überlegen. Die,Stimmung in Braunschweig. Nach den bereits beiden Schreiben des Reichskanzlers an den braunschweigischen Re gentschaftsrat konnte die jetzt bekanntgegebene ahlehnende Antwort des Kaisers an den Herzog von Cumberland im Herzogtum kaum große Ueberraschung Hervorrufen. Man hatte sich dort allgemein der Erwartung hingegeben, daß Herzog Ernst August einen entscheiden den Schritt zur Ausgleichung der von der Landesversammlung lebhaft beklagten Gegen sätze zwischen seinem Hause und der Krone Preußens tun werde, und sieht sich in dieser Hoffnung jetzt getäuscht, da das Schreiben des Cumberländers an den Kaiser die han noversche Frage ganz und gar mit Still schweigen übergeht. So schreibt die Braun schweigische Landeszeitung: Der Briefwechsel zwischen dem Kaiser und dem Herzog Ernst August von Cumberland hat in der braunschweigischen Thronfolgefrage stattge sunden. Der Herzog erklärt darin für seine und die Person seines ältesten Sohnes auf da« Recht der Thronfolge in Braunschweig unter der Bedingung verzichten zu wollen, daß die Regierung des Herzogtums seinem jüngsten Sohne übertragen werde. Der Her zog sagt in seinem Schreiben aber kein Wort davon, daß er oder sein jüngster Sohn auf Hannover endgültig Verzicht leisteten. Infolge dessen konnte die Antwort unseres Kaisers nur im ablehnenden Sinne ausfallen. Der Kaiser mußte vielmehr betonen, daß auch nach dem Schreiben des Herzogs Ernst August die Sachlage genau dieselbe geblieben sei, wie sie im Jahre 1885 war, als der Bundesrat die Thronfolge des Herzogs von Cumberland in Braunschweig für unmöglich erklärte. „Die Antwort des Kaisers auf das Schreiben des Herzogs von Cumberland kann diejenigen nicht befremden, welche den Inhalt der Antwort des preußischen Ministers des auswärtigen Fürsten von Bülow an das braunschweigische Staatsministerium vom 3. d. M. noch in frischer Erinnerung bewahrt haben. In dieser Antwort war ausdrücklich hervorgehoben worden, daß eine Aenderung in dem Zustande, welcher den Bundesratsbe schluß vom 2. Juli 1885 veranlaßt hat, bis her nicht eingetreten sei mit anderen Worten, daß der Herzog bisher noch nicht in einer bedinglosen Form seinen Anspruch auf Han nover aufgegeben und sich zur Wahrung des Friedens anheischig gemacht habe ; ferner daß unter seiner stillschweigenden Duldung immer noch welfische Agitationen beständen, die sich in ihrem Endziel auf Hannover richteten. Die preußische Regierung muffe es daher ab lehnen, Schritte zur Aufhebung des Bundes ratsbeschlusses zu tun, nnd sie würde auch einem bezüglichen Anträge im Bundesrate, der etwa von anderer Seite ausginge, ihre Zustimmung versagen. Der vom Herzog von Cumber land an den Kaiser gerichtete Brief, dem man eine sehr verbindliche Form nicht absprechen kann, ist an demselben Tage in den Besitz des Kaisers gelangt, an dem die obige Ant wort an das braunschweigische Ministerium abgefaßt wurde. Daß die Antwort darauf nicht anders lauten konnte als jene an das braunschweigische Staatsministerium, ergibt ich aus der ganzen Fassung, in der keine Silbe über die zukünftige Stellung des Herzogs zu Hannover und den in dem vor erwähnten Schreiben berührten Bestrebungen der welsischen Partei enthalten ist. Daß ein Prinz der jüngeren Linie ohne diesen Verzicht und die bündigste Gewährleistung friedlichen