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WMMHWWG Naunhofer Nachrichten ß Mit einer vierseitigen Illustrierten Sonntagsbeilage. Bezugspreis: Frei inS HauS durch Austräger Mk. 1.20 vierteljährlich. Frei ins HauS durch die Post Mk. 1.30 vierteljährlich. Verlag und Druck: Günz L Eule, Naunhof. Redaktion: Robert Gönz, Naunhof. Ankündigungen: Für Inserenten der AmtShauptmann. schajt Grimma 10 Pfg. die fünfge spaltene Zeile, an erster Stelle und für Auswärtige 12 Pfg. Bei Wiederholungen Rabatt Orts blatt für Albrechtshain, Ammelshain, Belgershain, Beucha, Borsdorf, Eicha, Erdmannshain, Fuchshain, Großsteinberg, Kleinsteinberg, Klinga, Köhra, Lindhardt, Pomßen, Staudnitz, Threna und Umgegend Die Naunhofer Nachrichten erscheinen jeden Dienstag, Donnerstag und Donnabend Nachmittag 5 llbr mit dem Dalum des nachfolgenden Tages Schlug der Anzeigenannachne Vormittags 11 Uhr am Tage des Erlcheincns. 17. Jahrgang. Freitag, den 27. April 1906. Nr. 51. Das Kanalprojekt Leipzig Riesa, das bekanntlich von besonderer Bedeutung ist, kam dieser Tage auf der Jahresversammlung des Verbandes sächsischer Verkehrsvereine zur Erörterung. Generalsekretär Ragoczy-Berlin führte in einem Referat zunächst aus, daß die Schaffung einer Kanalverbindung mit dem Stromgebiete der Elbe für Leipzig eine Not wendigkeit sei, und daß die Bestrebungen, eine solche Verbindung zu schaffen, schon um Jahr zehnte zurückreichen. Er ging zunächst auf die ursprünglichen Projekte des Elster-Saale- Kanal-Vereins und auf das Projekt der Luppe-Kanalisierung ein, gab aber dem Pro jekt einer Kanalverbindung Leipzig-Riesa trotz der höheren Kosten den Vorzug. Zwar soll die Luppe-Kanalisierung nur etwa 15 Mill. Mark kosten, während der Bau der ca. 68 Kilometer langen Kanalstrecke Leipzig-Riesa ohne die auf 9 Millionen veranschlagten Hasenbauten in Leipzig auf 38 Millionen veranschlagt sei und sich diese Summe infolge des Steigens der Bodenpreise noch erhöhen dürste, aber das Luppe- und Elsterprojekt habe den Nachteil, daß damit die Handelsinteressen Leipzigs nach Preußen überwiegen würden, während der Kanal Leipzig-Riesa den ganzen Norden und Osten des Landes dein Verkehr erschließen und auch den Anschluß von Chem nitz an die Wasserstraßen ermöglichen würde. An dem Projekt Leipzig—Riesa haben zwei Dritteile des Landes Interesse. Durch die Wasserstraße würde eine Frachtverbilligung von mindestens M/z Pfennig pro Tarifkilo meter für den Zentner erzielt und viele In dustrien, die heute aus Mangel an billiger Transportgelegenheit sich nicht entwickeln könnten, die Entwicklungsmöglichkeit geboten werden. Redner wiederlegt dabei die Be fürchtung, daß der Umschlagverkehr in Riesa wesentliche Einbuße erleiden würde und zeigt an der Hand von Beispielen, daß auch die Reutabiltät der Bahnfrachtbeförderung keine wesentliche Beeinträchtigung erfahren würde. Auch die Befürchtung, daß durch die Höhe der Kosten, die er ohne die Leipziger Hafen- anl:;cn z. Zt. etwa auf 45 Millionen Mark schätzt, wird durch das Beispiel des Teltow- Kanals wiederlegt, der von einem preußischen Kreise allein gebaut ist und sich gut rentiere. Er stellte dann die Tatsache, daß der sächsische Staat für einzelne Bahnhofsbauten, wie z. B. den Leipziger Zentralbahnhof über 100 Mill. Mark ausgegeben hat, der Zurückhaltung gegenüber, die man bei Kanalbauten beachten könne. Zum Schluffe empfiehlt er folgende Resolution zur Annahme: Der Verband sächsischer Verkehrsvercine erklärte die baldige Herstellung einer schiffbaren Wasser- straßen-Verbindung zum Anschluß an daS Strom» gebiet der Elbe im Jntereffe der wirtschaftlichen Entwicklung der dicht bevölkerten gewerblichen nördlichen und westlichen Teile des Königreichs Lachsen für ein dringendes Bedürfnis. Der Ver band beschließt daher, bei der königl. StaatSregie- nmg dahin voistellig zu werden, daß dieselbe tun lichst bald eine eingehende Prüfung der verschie denen von den HandclSkörperschaften dcS Lances erörterte Kanalprojektc nach ihrer technischen Aus führbarkeit und wirtschaftlichen Rentabilität vor nehme. Der Verband glaubt dabei, auf daS Projekt Leipzig-Riesa besonders Hinweisen zu sollen, da daS Leipziger Industriegebiet unmittelbar mit der Elbe, dem Dresdner Jndustriebezirk und Böhmen in Verbindung setzt. Auch der weitere Anschluß deS Chemniber Bezirks ermöglicht und der des Kanal- und die Verwaltung desselben ge ringere Schwierigkeiten bieten würde. Leider stimmten gegen diese Resolution zwei Abgeordnete der Leipziger Handelskammer, Syndikus Dr. Roßbach und Kaufmann Pötzsch- Leipzig, die sich mehr oder weniger gegen das Projekt aussprechen. Sehr richtig bemerkt dazu das „Oschatzer Tagebi.": Die Herren vergaßen dabei ganz, daß sie nicht Vertreter von Krähwinkel an der Pleiße, oder Vertreter von Leipzig allein sind, sondern des ganzen Handelskammerbezirks und daß nicht nur der Handelskammerbezirk, sondern, wie der Referent ausführte zwei Drittel des Landes ein Lebensintereffe an dem Projekt haben, aber — die Resolution wurde ohne Empfehlung des Leipzig-Riesaer Kanals an genommen und der Verband sächsischer Ver kehrsvereine hatte damit xour Io roi äa Bruggs (für den König von Preußen) ge arbeitet. Die Zukunft von San Francisco. Es ist ein Beweis für die erstaunliche Lebenskraft und Energie des amerikanischen Volkes, daß, während noch die Trümmer des zerstörten San Francisco rauchen, die lebhaf testen Diskussionen über den Wiederaufbau und die zukünftige architektonische Ausgestaltung der Stadt bereits in vollem Gange sind. Schon seit längerer Zeit hatten hervorragende Bürger Pläne für einen weitgehenden Umbau ihrer Stadt, die ganz nach dem Vorbild von Washington umgestaltel werden sollte, erwogen, und in den letzten beiden Jahren waren eine Anzahl von Architekten lebhaft damit beschäf tigt, die Pläne für das große Werk zu ent werfen. Die alte Stadt, von der Teile bereits seit dem Jahre 1849 bestanden, sollte nieder gerissen und in der großartigsten Weise neu aufgebaut werden. Die traurige Katastrophe, die jetzt die Stadt in Trümmer gelegt hat, läßt diese Pläne nun eher zur Durchführung gelangen, als es sonst wohl möglich gewesen wäre. Die großen Baufirmen sind bereits eifrig mit den Vorarbeiten für den Wieder aufbau der Stadt beschäftigt, und Vertreter von Bausirmen und Ingenieure eilen in die Stadt, um die Ruinen zu untersuchen und die Frage zu prüfen, welche von den verschiedenen Bauarten den Wirkungen des Erdbebens am besten widerstanden hat. Die allgemeine Meinung geht dahin, daß das schöne San Francisco mit seinen geraden Straßen in festen Gebäuden mit Stahlgerüst, deren äußere Stein mauern sicher verankert werden, wieder aufer stehen soll. Bausachverständige erklären, daß das Verankern der Mauern die Lösung des Problems bedeuten wird, das sich infolge des Unglücks für San Francisco ergibt. Eine ganze Anzahl von Gebäuden mit Stahlgerüst erlitt durch das Erdbeben selbst keine Beschä digung, sondern fiel nur dem Flammenmeere zum Opfer. Weitere Meldungen vom Erdbeben. San Francisco, 24. April. Das Mitglied des Stabes des Gouverneurs, Thilden, das sich in hervorragender Weise an den Rettungsarbeiten beteiligt hatte, wurde bei einer Automobilfahrt von Leuten, die angeblich der Bürgerpatrouille angehören, erschossen. San Francisco, 24. April. Aufge fundene Leichen werden verbrannt, um den Ausbruch von Seuchen zu verhindern. Alle Flüchtlinge, die sich im Presidio- und im Golden-Gatepark aufhalten, müssen binnen 3 Tagen die Stadt verlaffen. Eisenbahnen ge währen freie Beförderung. Neuyork, 24. April. Veranlaßt durch die Mißbilligung des Auslandes über die Zu rückweisung der angebotenen Hilfe für Kali fornien ließ Präsident Roosevelt dem Kongreß eine Botschaft zugehen, worin er die Bewilli gung weiterer 1^ Millionen Dollars vor schlägt, seinen Standpunkt aber verteidigt, daß Amerika keine ausländische Unterstützung be nötige. Die Botschaft besagt, Roosevelt em pfinde tiefgefühlte Wertschätzung für das gütige Mitgefühl und für das großmütige Hilfeanbieten. Die Armee als Gefundheitsfchule des Boltes. Ueber die Armee als Gesundheitsschule des Volkes hat vor kurzem in Dresden der Abteilungschefdessächsischen Kriegsministcriums, Herr Generalarzt Dr. Müller, in packender Weise gesprochen. Der Vortrag zeigte, wie das Heer nicht nur eine Stätte darstellt, wo die männliche Jugend unseres Volkes zu Ordnung und Gehorsam, zu Reinlichkeit und Pünktlichkeit, zu Aufopferungsfähigkeit, Ent schlossenheit und Mut erzogen wird, sondern wo auch die körperlichen Kräfte der auser wählten jungen Männer planmäßig gepflegt, gehoben und ausgebildet, ihre Gesundheit ge schützt und sie selbst zu dauernder Beobachtung aller Forderungen einer vernunftgemäßen Gesundheitspflege durch die Praxis des täg lichen Lebens im Dienste und durch fortge setzte Belehrung angehalten werden. Die Gesetze der Menschlichkeit wie der militärische Dienst erfordern diese körperliche Fürsorge im gleichen Maße. Gerade die Heere, welche in früheren Zeiten und vielfach noch dazu während kriegerische Strapazen verheerende Seuchen und schleichende Krank heiten durchzumachen hatten, sind den Be mühungen und Aufklärungen der Gesundheits pflege auf halbem Wege und mit offnen Armen entgegengekommen. Die Kasernen sind nach den weitestgehenden Vorschriften der Gesundheitspflege erbaut, die Bekleidung ist so beschaffen, daß die Mannschaften den Ein flüßen des Wetters und der Hautausschwitz ungen gegenüber aufs denkbar beste geschützt sind. Die Ernährung ist für die Erforder- ung des Dienstes genau berechnet, gesund, reichlich wohlschmeckend und bekömmlich. Für die nötigen regelmäßigen Wasch-, Dusch- und Badeangelegenheiten ist reichlich gesorgt, die stete Berührung mit der frischen Luft wird durch die Berufsarbeit des Soldaten verbürgt. So sind alle Bedingungen einer zielbewußten Krankheitsverhütung gegeben. Ueber alle ge- sundheitlichen Gefahren, wie sie z. B. von Alkoholmißbrauch und von den Geschlechts krankheiten drohen, erhält die Mannschaft Belehrung. Der Exerzierplatz und die Ge ländeübungen arbeiten den Körper aus, die Lungen werden geweitet, frisches Blut wird dem Leibe zugeführt und das Herz durch den regelmäßigen Wechsel zwischen Anstrengung und Ruhe und durch die genau bemessene Steigerung der körperlichen Zumutungen ge kräftigt und in seiner Leistungsfähigkeit aus gebildet. Die Segnungen dieser gesundheitfördernden Maßregeln im Leben des deutschen Soldaten haben nicht auf sich warten lassen. Während im Jahre 1868 in der preußischen Armee alljährlich jeder Mann ein- bis zweimal, jeder zweite Mann dreimal krank mar, ist jetzt jeder zweite Mann jährlich nur einmal krank, die Sterblichkeit ist von 6,9 v. T. der Iststärke auf 2 v. T. vermindert. Schwindsucht und ansteckende Krankheiten, besonders Typhus, treten in ganz auffälliger Weise wenig häufig auf wie früher, ebenso Geschlechts- und Hautkrankheiten. In der Verbesserung des Gesundheitszustandes hat die deutsche Armee vor den Heeren anderer Staaten durchweg den Vorsprung; in der französischen Armee erkranken und sterben allein an Schwindsucht zehnmal mehr Mannschaften als in der deutschen Armee. Aber das Vorbild der Armee gipfelt nicht allein darin, die Söhne des Volkes frei von Krankheiten zu erhalten, es strebt nach höheren Ziele, den Mann in seiner Gesundheit und und Leistungsfähigkeit zu heben. Im allge meinen nimmt der einzelne Mann von der Erziehung in der Armee eine Menge von äußeren und inneren Vorteilen mit sich in die Heimat; Stärkung der Muskelkraft, Kräftigung der Atmung und Herztätigkeit, Anstelligkeit, Ärgerliche und geistige Gewandtheit; es bleibt >ei ihm eine dauernde Steigerung der mitt- eren Leistungsfähigkeit bestehen. Wenn all- ährlich rund Million junger Männer nach dieser Schulung zum häuslichen Herd zurück ehren, dann muß die ganze gesundheitliche Verfassung des Volkes hierdurch beeinflußt werden, die sich in breiterem Maße auch auf die Nachkommenschaft übertragen wird und die sich geltend macht in dem stetigen Anwachsen der Zahl der militärdiensttauglichen männlichen Bevölkerung und in der Verminderung der Zahl der wegen bleibender körperlicher Ge brechen dauernd Ausgemusterten im Verhältnis zu der Zahl der Gestellungspflichtigen. 5 Streik und kein Ende Dresden, 24. April. Der Formeraus stand und die damit zusammenhängende Aus sperrung der organisierten Metallarbeiter im Bezirke der Kreishauptmannschaft Dresden scheinen zu Ende zu gehen. In einer gestern vormittag im „Trianon" von etwa 1200 Metallarbeitern besuchten Versammlung wurde, wie schon kurz berichtet, eine Kommision ge wählt, die möglichst sofort mit ihren Fabrik leitungen wegen Beilegung des Ausstandes in Verbindung treten soll. Aus Frankfurt a. M. berichtet man zur Lohnbeivegung in der Metallindustrie, daß eine Aussperrung sämtlicher Metallarbeiter Südwestdeutschlands droht. Die Unternehmer haben es abgelehnt, mit den Arbeiterorgani sationen zu verhandeln. Betroffen würden 16 000 Arbeiter. In Frankfurt beginnt die Aussperrung am 28. April. Beendeter Streik. Der Streik der Kutscher und Angehörigen des Fuhrgewerbes in Magdeburg, der sich unter dem Einfluß der Gewerkschaftsorgani sation zu einer Machtfrage ausgewachsen hatte, ist von dem Arbeitgeberverbande Magdeburg und der Hauptstelle deutscher Arbeitgeberver bände soeben erfolgreich zu Ende geführt worden. Die Ausständigen haben gestern die Arbeit bedingungslos wieder ausgenommen. Weberausstand. Königinhof, 24. April. Wegen Lohn forderung sind von fast allen Webereien etwa 4000 Arbeiter in den Ausstand getreten. Die Behörden versuchen vermittelnd einzu greifen, bisher sind ihre Bemühungen jedoch erfolglos geblieben. Goldarbeiterstreik in Paris. Paris, 24. April. Etwa 6000 Juwe lier- und Goldarbeiter beschlossen gestern abend von heute ab in den allgemeinen Aus stand zu treten. Sie verlangen den Acht stundentag mit derselben Löhnung wie sür den Zehnstundentag. Weißenfels, 25. April. Die Lohn kommission der Braunkohlenarbeiter hat die Bergbehörde um Mitteilung der jetzt gültigen Arbeitsbedingungen und um Nachricht gebeten, in welcher Weise die Grubenbesitzer Verhand lungen einzuleiten geneigt seien. Das hiesige „Tageblatt" sagt, dies sei der erste Schritt zur Beendigung des Streiks. Rundschau. * Eine kräftige und planmäßige Schulden tilgung der Landwirtschaft regt der preußische Landwirtschaftsminister an. Die Landwirtschaft ei dazu in den nächsten Jahren in der Lage, da die neuen Zollsätze eine günstigere Preis gestaltung erwarten ließen. * Zur Maifeier fordert das sozialdemo kratische Zentralorgan mit schwülstigen Worten aus. Eine Stelle lautet: „Der 1. Mai ist in diesem Jahre für das deutsche Proletariat auch eine erneute Kundgebung gegen die preußische Wahlentrechtung. Der l. Mai soll die Wahlrechtsbewegung verschärfen und ver tiefen. Immer erbitterter und nachhaltiger muß der Kampf entbrennen." Das ist gerade aufhetzerisch genug. Die Verantwortung wird der „Vorwärts aber nicht tragen wollen. Die Arbeitgeber haben bereits in mehreren Städten zu der Maiseier Stellung genommen. Wer am 1. Mai feiert, soll sofort entlassen werden.