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Kuchfer U KAiWi ßrt;M für Mchchin. Amckhain, Achmljain. Aeiilßii, Hrsdsrf Licha. Mmmiirljm, Achljm WWMttj. Ml». SW, MM«, MWiM-, Lichnit, Pmßm. MrHm, Nttitiitz. Am«, WiIW". ZMtifich ich Ilmjejch. Mtt einer illustrierten Sonntags - Veilage. Dieses Blatt erscheint in Naunhof jeden Dienstag, Donnerstag und Sonnabend, Nachmittag 6 Uhr, mit dem Datum des nachfolgenden TageS und kostet monatlich 35 Pfg., vierteljährlich 1 Mark. Für Inserate wird die gewöhnliche einspaltige Zeile oder deren Raum mit 8 Pfennigen, für solche außerhalb der AmtShauptmannfchast Grimma, sowie für Anzeigen am Kopfe und im Reklameteile, mit 10 Pfennigen, berechnet, bei Wiederholungen tritt Preisermäßigung ein. Nr. 133. Sonntag, den 11. November 1900. 11. Jahrgang. Ein goldenes Lasttier kommt über jede Stadtmauer und sollte sie noch so hoch sein! so pflegte König Philippen Makedonien zu sagen, und König Philipp war ein Mann, der die Welt kannte, und seiner Nachfolger im Geiste sind viele. „Mit Geld macht man alles!" man müßte mit Blindheit geschlagen sein, wollte man dies Motto nicht sehen, welches der Sternbergaffäre in leuchtenden Lettern vorgesetzt ist. „Der Kampf gegen 18 Mill.", "so wurde in Richter kreisen der Vorprozeß gegen Sternberg bezeichnender Weise genannt; der Kampf gegen 18 Millionen, also muß man überschreiben die Fortsetzung dieses wechsel- reichen Dramas. Geld und wieder Geld: die Macht des gelben gleißnerischen Metalles hat sich nirgends fühlbarer gemacht als in diesem Prozesse. Die I5jäh- rige Fournayon, wie sie erst als Unschuld, dann als ab gefeimte Dirne erschien, wie sie verschwand, um bei Innsbruck wieder gefunden zu werden; die „Masseuse" Fischer und die 18jährige Auguste Wender, die unter Beaufsichtigung des Herrn Luppa nach Amerika ab dampfen, nachdem sie angeblich je 1000 Mark nur er halten haben sollen zu ihrem ersten „Fortkommen" drüben, die 13jährige Woyda, die erst mit der Stimme der Un schuld den Mann der vielen Millionen anklagte und jetzt hartnäckig alles wieder in Abrede stellte und be hauptet, früher gelogen zu haben, all das sagt schon genug, obgleich es nur wenig ist von dem, das der auf merksame Zeitungöberichterstatter von dem ersten Prozesse zu bemerken wußte und bemerken konnte. Diese sonder baren Berichte, die zuweilen an die Zeitungen gelangten, diese Besuche, welche sich in den Redaktionen einfanden ; wenn Herr Sternberg unschuldig ist, so kann ihm das Zeugnis nicht versagt werden, daß mit zäher Energie von ihm und seinen Freunden für seine Unschuld ge stritten wurde. Aber nun das Neueste, das Sensationelle das Unfaßbare. Ein Kriminalbeamter, welcher sich selber beschuldigt, daß er zu Frauenspersonen, M er zu ver nehmen und zu beobachten hatte, in unerlaubten, intimen Beziehungen stand, sagt unter seinem Eide aus, daß sein Vorgesetzter der 18 Millionen gegenüber nicht fest geblieben ist, und daß dieser Vorgesetzte ihn zu Pflicht widrigkeiten verleiten wollte! Bei Rebhuhn und er lesenen Weinen, in Restaurants, welche mit niedrigem Einkommen bedachte Sterbliche gewöhnlich nicht zu be suchen pflegen, bearbeitet der Vorgesetzte den Untergebenen, wie dieser unter seinem Eide bezeugte, und die 18 Millionen standen dabei und lachten höhnisch über die Menschenehre und Menschengewissen, über Menschen standhaftigkeit und menschliche Pflichttreue. Die Aus sage des Zeugen Stierstaedter, mag sie noch entkräftet werden, mag sie sich voll bewahrheiten, in jedem Falle ist sie ein ernstes, sehr ernstes Moment in diesem Prozeß, dem vollste Aufmerksamkeit geschenkt werden muß. Die famose Gerichtsverhandlung brachte aber noch ein weiteres verblüffendes Ergebnis. Lassen wir aber an dieser Stelle den Bericht des „Berl. L.-A." ausführlich sprechen: „Nachdem Kriminalkommissar Thiel seine Bekun dungen gemacht, wurde Schutzmann Stierstaedter auf gerufen. „Was haben Sie darauf zu erwidern ?" fragt ihn der Landgerichtsdirektor. Jetzt war der gefürchtete Augenblick gekommen. Geschworene und Prozeßleiter schauen gespannt den beiden ins Gesicht. Sie wollen die Mienen der beiden Beamten voll beobachten. Wer hat zuerst Sternberg erwähnt — und von Bestechungen gesprochen? Das ist die Frage! Darum dreht sich der Streit! Jeder sucht durch die Art seiner Stellung nachzu weisen, daß er es nicht gewesen sein könne, der die Rede zuerst auf Sternberg gebracht habe. Stierstaedter scheint hier in die Enge getrieben. Da vollführt er, um sich Luft zu machen, einen neuen Ausfall. „Wenn nicht durch Herrn Thiel, wie sollte ich denn sonst es wissen, daß Herr Sternberg dem Polizeidirektor von Meerscheidt- Hüllessem Geld geborgt hat?" ruft er aus und fügt sarkastisch hinzu: „Was weiß ein Beamter von meiner Stellung, meiner Bildung und meinem Verkehr von den Beziehungen, die so hohe Herren mit einander pflegen." Der Pl äsident hatte seine volle Ruhe bewahrt. „Wissen Sie Näheres über diese Verbindung?" fragte er den Zeugen. „Jawohl! Denn Herr Thiel hat mir erzählt, daß Sternberg eine Hypothek von 30 000 Mark auf ein dem Herrn Polizeidirektor gehörendes Haus habe." Alle Blicke wenden sich Herrn Sternberg zu. „Nun?" tönt es vom Vorsitzenden zur Anklagebank hinüber. „Ja" entgegnete Sternberg. Ich hatte Herrn von Hüllessem auf allererste Stelle 18 000 Mark, nicht 30 000 Mark geliehen. Ich habe aber das Geld bereits zurück." — „Seit wann?" — „Im Laufe dieses Jahres wurde eS mir zurückgezahlt." —Wie ein Hauch der Erleichter ung geht es durch den Saal. „Herr Präsident", meldet sich da Stierstaedter wieder: „Das ist nicht alles!" Der Staatsanwalt springt von seinem Sitze auf, und seine Hände beginnen nervös mit dem Barett zu spielen. „Herr Präsident, von Hüllessem hat auch sonst pekuniär in Beziehungen zu dem Angeklagten gestanden. Auch auf Wechsel soll er ihm geborgt haben." — „Herr Stern berg", tönt in der gleichmäßig ruhigen Art die Stimme des Vorsitzenden, „wollen Sie sich auch hierzu äußern." Und der Angeklagte erklärt: „Herr von Hüllessem ist mir seit Jahren bekannt. Er verkehrt seit langer Zeit als Freund in meinem Hause. Als solchem habe ich ihm stets gern aus der Verlegenheit geholfen, wenn er pekuniärer Hilfe bedurfte. Wechsel hat er mir deshalb nicht erst zu geben brauchen." Länger als bisher hat die Verhandlung gewährt. Schon einmal hatte man sie abbrechen wollen. Aber Herr Thiel hatte den Wunsch ausgesprochen, ihn der Möglichkeit, alles klar zu stellen, nicht zu berauben. Aber so schnell ließ sich das doch nicht erzwingen. Zu schroff stand Meinung wider Meinung. „Es geht nicht mehr! Ich vermag der Handlung nicht weiter zu folgen. Und ich glaube, wir alle sind mit unseren Nerven heute zu Ende." So sprach der Staatsanwalt, und gleich darauf wurde auch die Sitzung geschlossen." „Entsetzliche Zeichen der Zeit" nennt die „Deutsche Tageszeitung" die Enthüllungen des Prozeß Sternberg und bemerkt weiter: „Der Prozeß eröffnet Ausblicke und Einblicke, die selbst den in dieser Beziehung nervenstarken Großstädter einigermaßen aus dem seelischen Gleichgewichte bringen. Das grundverdorbene Kind, das einmal in frechster Weise gelogen haben muß, — der Kriminalbeamte, der mit anrüchigen Frauenzimmern in unsittlichen Verkehr tritt, der sich in Gegenwart eines Vorgesetzten viehisch be trinkt, der Vorgesetzte, der mit einem solchen Unter gebenen seltsam vertraulich verkehrt — zwei Polizeibe amte, die sich vor Gericht gegenseitig meineidiger Lüge zeihen, — ein hoher Beamter, der von einem Stern berg Darlehen annimmt, und freundschaftlich in seinem Hause verkehrt, — und dann das ganze faulige, stinkige Milieu, — fürwahr, Ekel und Entsetzen muß jeden packen, der diese Zeichen der Zeit sieht und in ihrer vollen Tragweite beurteilt. Allerhand Erinnerungen an vergangene Dinge, an den Tausch-Prozeß, an die Angelegenheit des Frhrn. v. Broich, an die Könitzer Dinge u. a. m. werden laut. Wie viel Geld mag Sternberg bereits ausgegeben haben und wieviel wird er noch zahlen, wenn er freigesprochen wird? Im be sonderen interessierten gegenüber den rhethorischen Leist ungen der Verteidiger Sternbergs die Honorare, die den fünf Rechtsanwälten zugesichert sind. Man spricht von fabelhaften Summen. Vielleicht fände sich auch Gelegenheit zu der Beantwortung einer anderen Frage: Wer hat die Kosten der Verteidigung im Könitzer Pro zesse gegen Jsraelski bezahlt?" Das „Leipziger Tageblatt" schreibt: Vorkommnisse wie die finanziellen Beziehungen des Polizeidirektors von Meerscheidt-Hiillessem zu einem Finanzmanne vom Schlage des Herrn Sternberg lassen sich auch durch die beste Verwaltungsorganisation nicht verhüten, weil sie ihren Grund in sozial-sittlichen Mißständen haben. Es wäre nicht möglich, daß ein Mann in der Stellung des Herrn vo nMeerscheidt-Hüllessem zu einem Sternberg gesellschaftliche und pekuniäre Beziehungen unterhielt, wenn nicht ganz allgemein der Respekt vor dem Geldsack so groß geworden wäre, daß man sich in nur zu weiten Kreisen daran gewöhnt hat, im einzelnen Falle den Besitzer eines großen Ver mögens auf seine moralische Qualität hin un gleich nachsichtigeranzusehen, als andere. Auch der Harmlosenprozeß hat das bewiesen. Das Schwinden der Einfachheit aus der „vornehmen" Welt hat zweifel los zum guten Teile die Ueberschätzung des materiellen Besitzes verschuldet und damit ist die Abnahme der sitt lichen Feinfühligkeit gefolgt. Diesen gesellschaftlichen Mißständen gegenüber versagt die Gesetzgebung; hier kann nur der freie Entschluß der Gesellschaft selbst, vor Allem ein vorbildliches Beispiel ihrer Spitzen, eine Aenderung herbeiführen." Deutsches Reich. — Berlin. Der Kaiser wird voraussichtlich zur Vereidigung der im Herbste eingetretenen Marinerekru ten am 23. Nov. nach Kiel reisen. — Berlin. Wie amtlich mitgeteilt wird, ist dem Leiter der Berliner Geheimpolizei v. Meerscheidt-Hül- lessem auf Grund der Bekundungen im Prozeß Stern- berg vorläufig die Ausübung seiner dienstlichen Obliegen heiten untersagt worden. Das ist ein weiterer Beweis dafür, daß die preußische Regierung gewillt ist, volle Klarheit zu schaffen. — Konitz, 8. Nov. In der heutigen Verhand lung deü Meineidsprozesses Maßloff wurde der Beschluß gefaßt, die Beweisaufnahme am heutigen Abend zu be enden. Es würde also Morgen das Plaidoyer beginnen und das Urteil frühestens am Sonnabend Abend ge sprochen werden. — Altenburg. Bei der unterm 6. d. Mon. statt gefundenen Landtagswahl im Herzogtum Sachsen-Alten burg unterlagen abermals die Sozialdemokraten gegen über den vereinigten bürgerlichen Parteien. Der Ein tritt sozialdemokratischer Abgeordneter in den Landtag ist damit verhindert. — Mainz. Der Leutnant W. vom 17. Infan terie-Regiment wurde vom Kriegsgericht zu 6 Mon. Ge fängnis verurteilt, weil er es an der nötigen Vorsicht bei den Schießständen hatte fehlen lassen, wodurch er es verschuldete, daß ein Mann erschossen wurde. — Schaumweinsteuer. Auf Grund der Ergebnisse der Konferenz, die im Reichs-Schatzamte mit den Ver tretern verschiedener Schaumweinfirmen abgehalten wurde, wird nanmehr im Reichs-Schatzamte der Schaumwein steuer-Entwurf ausgearbeitet. Wie verlautet, ist eine Banderolensteuer Zoviel wie Etiquettensteuer) in Höhe von 40 Pfg- für jede Flasche deutschen Schaumweines in Aussicht genommen. Daneben wird dem Reichstage noch eine Novelle zum Weingesetze zugehen, wodurch das Verbot der Kunstweinfabrikation ausgesprochen werden soll. Ein schweres Eisenbahn-Unglück. Frankfurt a. M., 9. Nov. Heute Nacht 1 Uhr stieß bei der Station Offenbach der Personenzug Nr. 238 infolge falscher Signale auf den auf freier Strecke haltenden V-Zug Nr. 42, der von Berlin kam, und zwar mit voller Wucht. Durch den Anprall explodierte der Gasbehälter des letzten V-Zug-Wagens, der dabei in Brand geriet und sofort auch den vorletzten mit an steckte. Im Augenblick war Alles in Flammen und Rauch gehüllt; die momentane Verwirrung war sogroß, daß mehrere Passagiere den Ausgang der Wagen nicht mehr erreichten und elend in den Flammen umkamen. Heute Morgen waren sieben Leichen gefunden; die Tele-