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Beilage der Naunhofer Nachrichten. Nr. 106. 11. Jahrgang Sonntag, den 9. September 1900. Getränke. «Mn. Uche, ichel. vdvl. !. 26. Okund g Ärs-' I4Sd ! Ü»U8. 81. pktfi- ^.3,— „ 2,80 k „2,80 -- „ l.50 „ 'M ienv8ivn- ßk. 0,25 „ 0M „ 0,20 fSk'N rn /s«/ / tailverkauf »äffer bei- d Lieder- rße 107 b svLv zu urtstage. ist bios gsn äsr linäsn. lle vk! N. 'feftgotteS- von A. 106, 9, zerrn! - )ienst. Humoristische Manöver - epistel. Von Kurt Rhoden. Nachdruck verboten. Kahl stehen die Felder und der Sense Sang Ist nun verstummt . . . verrauscht der Ernteklang . . . Bald werden welk die Blätter ringsumher, Doch dafür reift es rot und früchteschwer An jedem Ast, an jedem stämmigen Baum, Daß man den Sommer schier vermisset kaum. Bald ziehen Storch und Schwalbe südwärts hin, Denn herbstlich wird auch ihnen schon der Sinn. — Bevor der Herbst noch seinen Einzug hält Geht es hinaus noch auf's Manöverfeld ! — Ha! welche Lust doch ein Soldat zu sein! Wie führt sich's Krieg im Frieden doch so fein, Wenn blind der Schuß uns um die Ohren gellt, — Und Pulverdampf verhüllt das Stoppelfeld Rings um uns gähnt, wie Wolken dunstig, schwer, Dann geht eS im Manöver hin und her! Und nun erst im Quartier, da ist's famos! Denn da ist allemal der Teufel los! Die Mädels kreischen, flüstert man ins Ohr Von süßen Dingen etwas eon amor'! Fast bricht der Tisch von Schinken und von Wurst Auch ist gesorgt gehörig für den Durst. Daß jeder sich die trockene Kehle netze, Sich sättige und durch Gespräch ergötze! Zum Schlüsse wird gesungen dann ein Lied Von Lieb und Wein und gutem Appetit: Auf Brüder stoßt die Gläser an Nun lebt bald hoch Reservemann! So im Quartier! Im Lager unterdessen Muß Thee man trinken und die Erbswurst essen. Da hört man heimlich manchen kräst'grn Fluch: „Na vom Manöver habe ich genug!" Spaß ist es nicht, sich auf die Erde legen Wenn leise rieselt der Septemberregen Und Meister Ostwind bläßt mit betten Backen, Daß rings die Aeste von den Zweigen knocken! Dann rieselt manchem eine Gänsehaut Mit leisem Gruseln über seinen Rücken! Manöverzeit! Wer kennt nur und wer schaut Dein Freud' und Leid und alle deine Tücken? Doch nun hört zu! Jetzt sollt Ihr nämlich hören Zehn ausgezeichnete Manövenlehren: Die erste Lehre sagt: Besorge fein Dir Magenbitter oder Branntewein, Es kann ja schließlich auch wohl Kognak sein, Aas Geheimnis des Maldes. Kriminalroman von Kurt v. Bergheim. b Sie horchte hoch auf. „Wie meinst Du das,Großvater ?" „Er konnte, da er den Korb geöffnet und seinen In halt untersucht hatte, das Geld nicht hier im Walde lie gen lassen. Es war nur vernünftig und vorsorglich, daß er es an sich genommen hat." „Und Du glaubst, er werde eS wieder bringen?" „Ich hoffe es," erwiderte der Förster mit einer Zu versicht in Ton und Miene, von der er in seinem Herzen weit entfernt war. „Vielleicht hat er auch die Postanweis ung gelesen und dadurch erfahren, an wen er das Geld abzuliefern hat." Helene schöpfte tief Atem und sagte eifrig: „Ja, ja, so wird es sein. Ich kann mir nicht denken, daß der Mensch jo schlecht sein kann, das Geld zu behalten." „Komm jetzt, Kind, wir wollen zu Deiner Mutter zu rückkehren, sie wird schon in Sorge um uns fein," mahnte der Förster. Helene nahm den leeren Korb auf und hing sich an den Arm des Großvaters, und beide traten den Rückweg nach dem Forsthause an. * * * ES war ein trauriges WeihnachtSfest, welches die kleine Familie im Forsthause in diesem Jahre beging. Förster Eschwald hatte mit Hilfe guter Freunde es aller dings ermöglicht, noch rechtzeitig die Summe von 380 Mark an die Forstkasse in Bachhausen einzuschicken, aber der Verlust war für den unvermögenden, gering besol deten Mann recht empfindlich, und die Hoffnung, das im Korbe seiner Enkelin befindlich gewesene Geld könne ihm durch den Geretteten auf irgend eine Weise wieder zu gestelltwerden, erwies sich als eine trügerische. Der Förster hatte sie wohl überhaupt nicht ernstlich ge- hegt, feine Tochter lachte bitter auf, als Helene eine solche Erwartung nnr äußerte, und konnte sich trotz des Ab mahnens des Vaters nicht enthalten, dem armen Mäd- Dieweil man friert oft in Septembernächten Und dann sich Reißen holt — drum hole ein Dir etwas Alkohol, doch keinen schlechten! — Die zweite Lehre sagt: Hast für den Durst Gesorgt Du fleißig, sorge auch für Wurst, Für kalten Braten, Aufschnitt und für Schinken, Denn essen muß man tüchtig stets zum Trinken? Dies ist ein würd'ger Brauch von alter Zeit, D:m gern man willfahrt und man thut Bescheid! Die dritte Lehre sagt: Mein lieber Sohn Man amüsiert sich im Manöver schon, Doch halte Maß und sei stets auf der Hut, Denn Uebermaß bekommt wohl selten gut, Sei es in Pflaumenkuchen oder auch In Apfelwein! Rebellisch ist der Bauch . . . Die vierte Lehre sagt: Die Baucrndirn Küß' ruhig auf den Mund und auf die Stirn, Und schwenke sie im Tanz nach Herzenslust Im Walzertakt geschmieget Brust an Brust! Nimm was der Augenblick Dir bietet dar! Manöver giebt's doch einmal nur im Jahr! — Die fünfte Lehre gilt galant Für Fähneriche und für Leutenant. Sie sagt, steckt man Dich ins Quartier Wo Mädels sind, so schneidig und scharmier Und rede nur von Treue und amour Kurzum: Bewähre Dich und schneid' die Kour! — Die sechste Lehre richtet sich direkt An den der seinen Rock mit Schnüren deckt, Worunter ich die „Einjöhr'gen versteh' — Ihr Herrn, füllt bis zum Rand das Portemonnaie, Denn Feldwebel, Sergeant und Unt'roff'zier, Genehmigen gern ein Gläschen gutes Bier! — Die sied'nte Lehre ruft Euch ins Gewissen, Doß Euer Schuhzeug niemals sek zerrissen! Dieweil ein Marsch so mit zeriff'nen Sohlen Direktement gleich ist zum Teufelholen! Von nassen Tagen gar nicht erst zu reden, Weil feuchte Strümpfe nicht Geschmack von jedem! Die achte Lehre bittet Euch gar sehr Schont Obstbäum' auf Chausseen etwas mehr! Und laßt der Pflaumen und der Birnen Reigen Doch ungeschoren hängen an den Zweigen! Und wenn ihr pflückt, pflückt nur die reise Frucht, Unreifes Obst schmeckt wirklich ganz verflucht! — Die neunte Lehre kündet froh Euch an, Daß ihr willkommen seid uns alle Mann, Und daß wir gern Euch geben, waS wir hoben, Wenn auch nur dürftig manchmal sind die Gaben! Das blaue Tuch sieht überall man gern, Wo Treue herrscht und Glauben an den Herrn! chen Vorwürfe zu machen, daß sie so kopflos gewesen sei, den Korb im Stiche zu lassen und wieder nach dem Forst hause zurückzueilen, statt den Weg nach dem Dorfe, das ihr viel näher gewesen wäre, fortzusetzen. Helene nahm alles geduldig hin. Was waren die Straf reden der Mutter gegen die Borwürfe, welche sie sich selbst machte, den guten Großvater in solche Sorge ge bracht zu haben. Und doch mußte sie sich eingestehen, daß sie im Wiederholungsfälle schwerlich viel besonnener han deln würde. Der Schreck und die Angst waren zu groß gewesen Sie hatte nur den einen Gedanken gehabt, so schnell wie möglich unter den Schutz der Ihrigen zu kom men Dennoch hielt sie die Hoffnung aufrecht, daß der Ge rettete sich nicht als ein Dieb an ihr erweisen werde. Während der ganzen Nacht schloß sie kein Auge, am folgenden Tage lauschte sie nun mit fieberhafter Spann ung auf jeden nahenden Fußtritt, fuhr bei dem leisesten Geräusch zusammen und lief, obgleich es zu schneien be gonnen hatte, dem Briefträger eine ganze Strecke entge gen. War eS nicht möglich, daß jener Mensch das Geld, dar er selbst nicht überbringen mochte, bei einein Post amt in der Nähe eiugezahlt hatte? Auch diese Erwart ung erwies sich als eine trügerische; das Messer schien dos einzige Ding zu bleiben, welches sie greifbar an das erlebte Abenteuer erinnerte. Sie hatte das Messer bei ihrer Heimkunft noch an derselben Stelle gefunden, wo es ihrer Hand entglitten war, es aufgehoben und heimlich aufbewahrt. Es flößte ihr ein unbeschreibliches Grauen ein, und trotzdem hätte sie sich davon nicht trennen mögen. Es erschien ihr wie ein geheimnisvolles Band zwischen ihrund jenem Manne, der in einer so erschütternden Weise in ihr Leben ein gegriffen hatte. Auch in feiner äußeren Gestalt hatte das Messer etwas Besonderes und Geheimnisvolles, wenigstens wollte das Helene so bedünken. ES war ziemlich groß und besaß zwei Klingen von sehr feinem Stahl. Die Schalen waren au- Als zehnte Lehre aber künd' ich heut: Macht recht gemütlich die Manöverzeit, Es sind die Ferien im Ssldatenleben, Von Gerstensaft und Traubenblut umgeben! Es ist die Zeit, an die man gern zurück Denkt einst im Alter stolz mit freud'gem Blick! — DaS sind die Lehren, di« zu schreiben find Dick hinter'm Ohr jedem Manöverkind! Denn unsere blauen Jungens kennen wir, Ob Kavall'rist, ob Train, ob Musketier, — Sie alle sind fidel und machen gerne Ein keckes Späßchen außer der Kaserne! Schnauzt der Herr Hauptmann oder der Premier, So thut so etwas augendlicks nur weh! Wenn auch nicht ganz gehört in'S Reich der Mythe, Was man erzählt sich von Kasern'hofblüte, So ist doch bald derartig Ungemach Vergessen von dem MarSfohn hintennach, Zumal wenn vor ihm dehnt sich frei und weit Die Aussicht fröhlicher Manöverzeit! — Schon sah ich sie: die Mütter, Schwestern. Tanten, Die holden Bräute und die Anverwandten Weiblichen Schlages im Familienrat, Ob auch der „Fritze" alles bei sich hat, WaS für's Manöver unbedingt von Nöten, Um mitzuspielen auf der ersten Flöten! Doch Fritze ist ein strammer Kanonier, Der bei sich denkt ach was versteht denn ihr Von deS Soldatenlebens Herrlichkeit, Vor allen Dingen von Mnnöverzeit! Ich nehm' die Würste, die Ihr schickt, sehr gerne, Mit Eurem „Rat" doch bleibt mir, bitte, ferne, Für mich reicht schon mein bischen Mutterwitz, Auch für's Manöver noch — so denkt der Fritz! — Die woll'nen Strümpfe und die Unterjacken, Könnt Ihr für euch alleine nur verpacken, Noch bin ich nicht ein knochendürrer Stock, Und fühl mich mollig in deS Königs Rock! Soweit für heute zur Manöverzeit, Indes Altweibersommer schon sein Kleid Zu weben anfängt . . . und ein kalter Hauch Sich fröstelnd schlingt um Rasen, Baum und Strauch. Manöverzeit! — Nun gehtS durch Wald und Feld Mit KriegSfanfaren lustig in die Welt! Du Krieg im Frieden nimm auch einen Gruß Vom Reimschmied auf dem Rößlein. Pegasus. Vermischtes. * Bei Witte« a. d. Ruhr stürzten zwei Bergleute in den Schacht; der Tod trat sofort ein. * Im „Deutschen Hof" zu Aschaffenburg brach nachts Feuer aus, wobei drei Personen ums Leben kamen. * In München ist der Rentier Mathias Pschorr, Begründer der Hackerbrauerei, gestorben. Elfenbein, dem das Alter bereits eine tief gelbliche Färb ung verliehen hatte. Auf der einen Seite war in erhabener Arbeit sehr kunstvoll geschnitzt ein Toteukopf, ein Kreuz und ein An ker, umgeben von einem Rosenkranz; auf der anderen befand sich inmitten eines ebensolche» Rosenkränze» eine lateinische Inschrift. Das junge Mädchen las den Spruch, bis sie ihn aus wendig wußte, obwohl er ihr unverständlich war. In der Pension trieb man zwar Französisch und Englisch, aber kein Latein. Eine Anfrage bei dem Großvater oder der Mutter würde, wie sie wußte, ganz vergeblich sein, und wäre dies auch nicht der Fall geweseu, so würde sie sie doch nicht gestellt haben. Eine seltsame Scheu hielt sie ab, des Messers wieder zu erwähnen; sie verbarg eS in der Tiefe ihrer kleinen Kommode mit dem Borsatze, sich in Bachhausen in unauffälliger Weise den Sinn de» Spru ches erklären zu lassen. Als sie nach dem Weihnachtsfeste in die Pension zu- rückkehrte, war sie sehr verändert. Als sorgloses Kind war sie heimgekommen, um das Fest mit dem Großvater und der Mutter zu feiern, als ernstes Mädchen mit nachdenk lichem Ausdruck in den grauen Augen, die größer und dunkler geworden zu fein schiene», verließ sie das Forst- Haus wieder. 69,18 Hinter ihr lag die sorg- und harmlose Kindheit. Sie hatte die erste trübe Erfahrung gemackt, und die hatte sie einen Blick thun lassen in Untiefen deS Lebens, welche sonst Mädchen ihres Alter« und ihres LebenSkreiseS verborgen bleiben. DaS wirkte tief und nachhaltig auf ihr Gemüt. Bon dem geretteten Selbstmörder fand sich keine Spur. Der Förster stellte zunächst auf eigene Haud Nachforsch, ungen in der Umgegend an und erstattete, al- diese sich erfolglos erwiesen, Anzeige bei den Behörden. Auch dies war vergeblich. Nirgends hatte man einen Menschen be merkt, auf welchen die allerdings nur flüchtige Beschreib ung, die Helene zu geben Vermochte, passen wollte.