Volltext Seite (XML)
DaNjoser V IchriGm HMM für MMM, DmebljM, ZcherrljM, Aeultza, Aorsdsrf, JA, Mmmsljm, Kchlsm S»W«ieq. Sli»ti, Mi, SItiyis», AÄßmckq, LWM. PWßm, SnfnHM, NiMitz, Am, MW«». Zmeiifilch uai ViqqM. Mit einer illustrierten Sonntags - Vrilagr. Diese» Blatt erscheint in Naunhof jede« Dienstag, Donnerstag und Sonnabend, Nachmittag 6 Uhr, mit dem Datum des nachfolgenden Tage« und kostet monatlich 3b Pfg., vierteljährlich 1 Mark. Für Inserate wird die gewöhnliche einspaltige Zeile oder deren Raum mit 8 Pfennigen, für solche außerhalb der Amtshauptmannschaft Grimma, sowie für Anzeigen am Köpft und im Reklameteile, mit 10 Pfennigen, berechnet, bei Wiederholungen tritt Preisermäßigung ein- Nr? M Sonntag, den 18. März 1900. 11. Jahrgang! England als Sieger. I. Bei allem Widerwillen, den wir Deutschen gegen englisches Wesen haben, konnten wir dennoch einigen Charakterzügen, die gerade in der jüngsten Zeit zu Tage traten, unsere Achtung nicht versagen. Vor dem Kriege und im ersten Teile desselben wurde im Parlament, in der Presse und in Versammlungen von den Friedens freunden mit einem Freimute gegen die Vergewaltigung der beiden Burenrepubliken geeifert, die uns in Erstaunen setzte. Die berühmte englische Denk- und Redefreiheit zeigte sich damals im glänzendsten Lichte, und wir mußten unwillkürlich an die Zeit unseres letzten Krieges denken und die Art, wie wir die Gegner eines französisch deutschen Völkerkampfes behandelten: Journalisten und Zeitungen wurden geächtet, Parlamentarier und Redner verhaftet, der einzelne Bürger verhöhnt und mit Katzen musiken beehrt. Wir untersuchen hier nicht, ob französischs oder internationale Sympathien damals bei uns be rechtigt oder zu entschuldigen waren; wir konstatieren nur diese Thatsache im Hinblick auf England, dessen Volk und Regierung sich stark genug fühlten, während einer der bedenklichsten Wendungen ihres Geschickes noch ruhig die Gegner der Regierungspolitik zu Worte kommen zu lassen. Das englische Sprichwort: RiZbt or vronZ — orzf oouotr^! (Gleichviel ob Recht oder Unrecht — das handelt sich um unser Vaterland!) kommt nirgends so wenig zur Anwendung als in England selbst. So paradox es klingen mag: Gerade in England hat es zu allen Zeiten Leute gegeben, die bei der Vergewaltigung einzelner Volksklassen oder fremder Völker mutig den Standpunkt der Gerechtigkeit und Menschenliebe geltend machten. Und diese Leute durften frei und ungehindert ihre Stimme erheben. In der Praxis freilich hat das nicht viel genützt; das „Herumtreten auf verachteten und unterdrückten Völkern", wie Mommsen sehr bezeichnend sagt, ist von jeher eine Spezialität Englands als Groß macht gewesen. Und noch eins hat uns Achtung abgezwungen. In den Tagen des Unglückes, als eine schmähliche Nieder lage auf die andere folgte, als die ganze Minderwertig keit der englischen Kriegsführung zu Tage trat, als den albernen Lügendepeschen der Generäle jedesmal die Wiederlegung auf Lem Fuße folgte. — Da trug das Volk sein widriges Geschick mit ruhiger Würde: Keine Ausbrüche von berechtigter Volkswut, keine Verzweife- lung, keine Suchen nach „Verrätern", wie die Franzosen zu thun pflegen, keine Entmutigung. Man hielt nur umso fester zusammen; man brachte ungeheure Opfer; aus müden, interesselosen Geschäftsleuten wurden warmherzige Patrioten, die Vermögen zu öffentlichen Zwecken zur Verfügung stellten; man ging still an die Arbeit, um dem Feinde ebenbürtig zu werden, und ernste, mahnende Stimmen erhoben sich, um in würdiger Form Kritik an dem englischen Heerwesen zu üben. Bis dahin konnten wir von den Engländern lernen. Jetzt ist das anders geworden. Die billigen, durch er- drückende Uebermacht herbeigeführten Siege über ein Häuflein freiheitliebender Bauern haben aus England das reine Narrenhaus gemacht. Dieses steife, selbstbe wußte, würdevolle Volk ist rein aus dem Häuschen und zeigt einen Siegesjubel, so niedrig, unschön und würde los, daß es kaum zu begreifen ist. Wer sich davon überzeugen will, lasse sich bei der nächsten Fahrt nach Leipzig in einem Cafö einmal die ,HInstratsä I^oväon Norvs« geben und betrachte das Bild, das das Straßen- lebcn Londons nach der Entsetzung von Ladysmith ver anschaulicht: man glaubt ein Stück Kölner Karneval vor sich zu haben. Und in der Londoner Börse rief das Bekanntwerden jener Nachricht — wie ein Bild einer deutschen Mahnschrift zeigt — die widerwärtigsten Scenen hervor. Alte und junge Börsenjobber machen Bocksprünge, werfen die Hüte in die Luft, tanzen Cancan und begehen die einfältigsten Kindereien. Das ist nicht die Art, wie man mit Strömen von Blut erkaufte „Siege" feiert, wie man über die Niederwerfung eines armen, braven Feindes triumphiert. Der Besuch der Königin in London, so schreibt der Korrespondent der „Münch. N. Nachr.", bot Ge legenheit, die in ihrer Ueberschwänglichkeit geradezu kindischen Ladysmith-Demonstrationen wieder aufzunehmen Der Alp, der während der letz,en Monate auf der eng lischen Volksseele gelastet hat, muß geradezu furchtbar gewesen sein, wenn man ihn nach der elementaren Reaktion beurteilt, die auf die Niedergeschlagenheit ge folgt ist. London benimmt sich nun seit mehr als einer Woche wie Jemand, der vor Freude verrückt ge worden ist. Psychologisch interessant ist, daß den Siegesjubel eine wachsende Intoleranz gegen Andersdenkende und ein immer demonstrativerer Fremdenhaß begleiten — Dinge, die sich während der Zeit der Depression gar nicht bemerkbar machten. Wer heute in den Londoner Straßen oder in Vergnügungslokalen eine fremde Sprache spricht, setzt sich groben Beleidigungen aus, wie ich aus persönlicher Erfahrung bezeugen kann, und das Recht der Redefreiheit hat zu exfftieren aufgehört. Man liest täglich von den brutalsten Angriffen auf die wackeren Männer, die auch heute für die, Sache der Gerechtigkeit und Freiheit ein Wort einzulegen wagen. Das schlimmste an der gegenwärtigen Volksstimm ung ist, daß sie den Aussichten auf einen baldigen Friedensschluß so fatal ist, weil sie das englische Volk wieder zu einer ganz falschen Auffassung der Situation verleitet. Die „Picknick-Auffassung" von dem Krieg hat wieder überall die Oberhand gewonnen. Nach den Siegen der letzten Tage ist der Krieg zu Ende. Der Rest ist ein Spaziergang nach Bloemfontein und Pretoria. Die Republiken sind nun Großbritannien auf Gnade und Ungnade ausgeliefert, eS kann mit ihnen anfangen, was es will. — Bloemfontein, die Hauptstadt der Oranje-Freistaats, ein unbefestigtes offenes Oertchen wie Naunhof und mtt ungefähr ebensoviel Einwohnern, ist mittlerweile erreicht. Wie es aber mit einem bloßen „Spaziergang" nach dem stark befestigten Pretoria steht, wird die Zu kunft lehren. Deutsches Reich. Der Oberpräsident von Pommern, Staatsminister von Puttkamer, ist i: Caczin gestorben. Mit Puttkamer ist wieder einer der tüchtigsten Männer aus Preußen-Deutschlands neuer Glanzzeit dahin gegangen. Für die in Kiau tschau eingerichtete deutsche Schule wird ein Lehrer gesucht. Dieser erhält 4000 Mark Anfangsgehalt, 5000 Mark einmalige AusrüstungS- brihilfe, freie Hin- und Rückreise und daneben eine Remuneration von monatlich 125 Mark, sowie auf dem Dampfer täglich 2 Mark Transportzulage und muß sich auf drei Jahre verpflichten. Dem Vernehmen nach wird die Verordnung bezüglich der Regelung der Verhältnisse im Handwerk demnächst erscheinen. Danach sollen die Handwerker kammern am 1. April 1900, die Bestimmungen über das Lehrlingswesen am 1. April 1900 und über das Meisterwesen am 1. Oktober 1901 in Kraft treten. Nach einer soeben ergangenen Entscheidung deS Reichsversicherungsamtes können Unfälle, von denen Arbeiter während einer Essens- oder sonstigen Arbeits pause bei dem ihnen gestatteten Aufenthalte in den Betriebsräumen betroffen werden, grundsätzlich nur dann als Betriebsunfälle angesehen werden, wenn sie durch eine Betriebseinrichtung verursacht oder sonst auf eine dem Betriebe eigentümliche Gefahr zurückzuführen sind. Mit dieser Begründung sind vom RetchsversicherulMamt die EntschädigungSaufprüc^ einer Arbeiterin s^ewiesen worden, welche in der Mittagspause beim Kaffeekochen durch überlaufenden Spiritus erhebliche Brandwunden erlitten hatte. Die Klägerin ist nicht einer Betriebs gefahr, sondern lediglich einer Gefahr des täglichen Lebens zum Opfer gefallen. Die Berlin-Dresdner Bahn besteht am 14. Juni genau 25 Jahre. Das geplante Jubiläum soll vom 14. bis 16. Juni in Dresden gefeiert werden. Die Versuche, ein Kompromiß betreffs des Fleisch schaugesetzes herbeizuführen, sind, wie die „Nat.-Ztg." meldet, vorläufig gescheitert. In Folge dessen sei die Absicht, die dritte Lesung dieses Gesetzes für heute auf die Tagesordnung des Reichstags zu setzen, aufgegrben und die Angelegenheit auf unbestimmte Zeit vertagt worden. Selbstverständlich werde aber weiter gearbeitet, um etwas von den Einfuhrverboten zu retten. Ausland. Krieg in Südafrika. Ein Fluchtplan der gefangenen Buren. Aus Simonstown kommt folgende merkwürdige Meldung vom 14. d. M.: Hier herrscht allgemeine Befriedigung über die beute erfolgte Abreise General Cronjes und seiner Genossen nach St. Helena. Die gefangenen Bur-n haben während der ganzen Dauer ihres diesigen AuftnthatteS eine große Anzahl Pasteten und Kürbisse erhallen, in denen sich, wie man fand, Briefe befanden. Man ver sichert in gut unterrichteten Kreisen, daß die Entdeckung dieser geheimen Korrespondenz gerade noch rechtzeitig genug erfolgt sei, um eine allgemeine Flucht zu ver hindern. Pretoria, 14. März. Die Regierung hat folgende Bekanntmachung erlassen: „Bloemfontein ist gestern von den Engländern besetzt worden, nachdem sich unsere Burghers in nördlicher Richtung zurückgezogen haben. Der Sitz der Regierung des Oranje-Freistaates ist vor her nach Kroonstadt verlegt worden." Ladysmith, 14. März. Die Buren halten mehrere stark verschanzte Stellungen mit Geschützen bei der Ver einigung der Drakensberge und der BiggarSberge besetzt. — Dort anzugreifen fällt aber leider den Engländern gar nicht ein. London, 15. März. Oberst Schiel machte einen vergeblichen Fluchtversuch. London, 15. März. AuS Pretoria wird gemeldet: Die Burenrepubliken weisen in ihrer Antwort an die englische Regierung die Haltlosigkeit der Ausführungen deS Ministerpräsidenten Salisbury nach und proklamieren den Kampf bis zur völligen Vernichtung. Präsident Krüger telegraphierte im gleichen Sinne nach Washington: Alle Bürger der beiden Republiken sind ohne Ausnahme darüber einig, den Kampf bis zum Tode fortzusetzen; die Engländer würden niemals Pretoria erreichen. London, 16. März. „Daily Mail" meldet, ein englisches Kriegsschiff verfolge den deutschen Postdampfer „Kaiser", um die an Bord befindlichen Friedensgesandten der Burenstaaten abzukangen. England. DaS Unterhaus hat die dritte Lesung der Kriegsanleihebill mit 172 gegen 23 Stimmen an genommen. England. Eine eigenartige Wirkung deS gegen wärtigen Krieges in Südafrika findet man auch in den Geburtsregistern der verschiedenen Distrikte Englands. Patriotische Eltern sind jetzt stolz darauf, ihren Kindern Namen beizulegen, die mit dem Transvaalkrieg in irgend einer Beziehung stehen. Oesterreich. Im westböhmischen Kohlenrevier haben die Unabhängigen unter den Sozialdemokraten die Organisation des Streiks an sich gerissen und gehen mit Leidenschaftlichkeit vor. AuS Bruch und Ossegg hoben sich ganze Arbeiterbataillone gegen Brüx in Bewegung gesetzt, unterwegs schlossen sich weitere Mengen an. In OberleutenSdors wurden 800 Mann vom Militär zurück gedrängt. Um 9 Uhr früh waren auf dem Platze vor dem Stationsgebäude der StaatSbahnen 4000 Arbeiter