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OertttcheS und GLchüfches. Naunhof, den 19. Januar 1900. In Threna wurde dem Gutsbesitzer Mansfeld vom 16. zum 17. Dezember eine größere Quantität Weizen gestohlen. Der Dieb ist jetzt in der Person eines gewissen Hohmann ermittelt worden, welcher den Weizen mit 3 Mark pro Sack nach Liebertwolkwitz verkaufte. Der Käufer dürfte so leicht keinen Weizen zu diesem Preise bekommen, ihm aber nachträglich teuer zu stehen kommen. 1- Der Entwurf eines Enteignungsgesetzes ist dem Landtag zugegangen. Derselbe umfaßt 97 Para graphen. f Den Ständen ist der Entwurf eines Gesetzes, Aenderungen in der Gerichtsorganisation betreffend, zugegangen; derselbe besteht nur aus vier Paragraphen und lautet wie folgt: § 1. In Dresden wird ein zweites Landgericht und ein zweites Amtsgericht errichtet. ^Der Bezirk dieses Landgerichts besteht aus dem Bezirke des zweiten Amtsgerichts, sowie aus den Bezirken der Amts gerichte Altenberg, Döhlen, Königstein, Lauenstein, Meißen, Pirna, Radeberg, Radeburg, Schandau. Wilsdruff. — § 2. In Riesa wird ein Landgericht errichtet. Der Be zirk dieses Landgerichts besteht aus den Bezirken der Amtsgerichte Colditz, Döbeln, Grimma, Großenhein, Leisnig, Lommatzsch, Mügeln, Oschatz, Riesa, Waldheim, Wurzen. — ß 3. In Leipzig-Lindenau, sowie in Leipzig- Reudnitz wird je ein Amtsgericht errichtet. — § 4. Die Bezirke der Amtsgerichte Borna, Frohburg, Geithain und Laufigk werden dem Bezirke des Landgerichts Chemnitz zugewiesen. Mit der Ausführung dieses Ge setzes, mit der Bestimmung des Zeitpunktes oder dem Zeitpunkte seines Inkrafttretens, sowie mit Abgrenzung der Bezirke der zu errichtenden Amtsgerichte ist das Justizministerium beauftragt. -j- Der Landwirtschaftliche Kreisverein zu Leipzig richtet an das Königliche Ministerium die Bitte, künftig die Manöverflurschäden schneller regulieren zu wollen. 1- Der Verband sächsischer Lehrerinnen hatte in einer an die Stände geeichteren Petition um die Errich tung obligatorischer Fortbildungsschulen für Mädchen ge beten. Dieselben sollten besonders eine Vertiefung der durch die Schule vermittelten religiös-sittlichen und gei stigen Ausbildung, sowie der Vorbereitung für das prak tische Leben dienen. Ferner war dem Wunsche Ausdruck gegeben worden, daß der Unterricht in der Mädchen- Fortbildungsschule vorzugsweise in die Hände von Leh rerinnen gelegt werde. Die Beschwerde- und Petitions- Deputation der Zweiten Kammer hat ihren Bericht über vorstehende Petition erstattet und beantragt, dieselbe auf sich beruhen zu lasten. Sri auch mit Freuden das Vor gehen einzelner Gemeinden hinsichtlich der Errichtung von Haushaltungsschulen zu begrüßen, so habe sich doch andererseits ein Bedürfnis für Einführung des obliga torischen FortdildungSschul-Unterrichts für Mädchen nicht gezeigt. Was aber die praktische Ausbildung der Mädchen in den weiblichen Handarbeiten betreffe, so werde für diese in den Volksschulen von den dazu einzig geeigneten Fachlehrerinnen in ausgiebiger Weise gesorgt. Fraglich sei übrigens, ob in allen Fällen Frauen als die geeig neten Lehrkräfte für Fortbildungsschulen anzusehen seien, denn die Ausbildung der Lehrerinnen bewege sich in der Regel nicht in der Richtung einer Vorbereitung zum Unterricht über hauswirtschaftliche Dinge. Auch die von der Deputation befragte königliche StaatSregierung hält ZTetohnier Hdelmrst. Kriminalroman von William Michelson. 29 „Ja, ich darf mich wohl rühmen, die Sache geschickt angefangen zu haben," lächelte Dacre, sich die Pfeife an- zündend. „Ich hatte keine Ahnung, daß es so einfach sein würde, obgleich eS natürlich viel Kopfzerbrechen kostete, ehe ich auf die richtige Fährte gelangte." „Sie haben selbstverständlich die volle Gewißheit, daß eS auch der Rechte ist, den Sie packten." „Ich bin bereit, zu schwören, daß eres ist," versicherte Dacre. „Er und Widson haßten einander, er drohte ihm, ihn zu töten, und wenn eS aus offener Straße geschehen sollte, er begegnete Widson im Zustande sinnloser Betrun- kenheit, eine Thatsache, die er selbst zugesteht, erläuft erst davon, und kommt wieder zurück, wie der Droschkenkut scher beschworen hat, steigt zu dem Betrunkenen in den Wagen, und als er wieder aussteigt, läßt er einen Toten zurück. Seine Wirtin kann beweisen, daß er genau um die Zeit nach Hause kam, die er brauchte, um von der Schule aus dem Wege nach St. Kilda dorthin zu gelangen. Sie wüsten zugeben, Liotard, daß da jeder Zweifel ausge schlossen ist." „So scheint es. Ich bin neugierig, woraus die Ver teidigung sich stützen will Die Sache sieht für den Ange klagten trostlos genug aus." Zu der bezeichneten Stunde erschien Liotard indem Bureau Lovells, der ihn voll Ungeduld erwartete. Er bot seinem Gast Wein und Cigarren an, ehe er auf den Ge genstand überging, der ihn so lebhaft beschäftigte. „Ich vermute," begann Lovell endlich, „daß Ihnen alle Einzelheiten jenes seltsamen Morde» in der Droschke be gannt sind, der alle Welt so lebhaft interessiert." „Wie sollten sie nicht?" Dacre hört nicht auf, davon zuffprechen, und sich zu rühnien, wie klug er e» anfing, den angeblichen Mörder zu fasten." ,AH," rief Lovell, sich vorbeugend „den angeblichen es nicht für angezeigt, zur Zeit mit einem geictzlichen Zwange zur Errichtung von Fortbildungsschulen vor zugehen. Für Hausbesitzer dürfte folgende im „Reichs- anzciger" publizierte Entscheidung des Reichsgerichts wichtig und von Interesse sein. Die durch Polizeiver ordnung den Adjacenten auferlegte Verpflichtung zum wiederholten Bestreuen der Bürgersteige bei Frostweller behufs sofortiger Beseitigung der Glätte legt, nach einem Urteil des Reichsgerichts, dem Hausbesitzer nicht die Verbindlichkeit einer immer währenden Ueberwachung der gefährlichen Stellen auf, vielmehr genügt eine innerhalb kurzer Fristen wiederholte, ordnungsmäßige Bestreuung und für einen Unfall durch Glatteis innerhalb ganz kurzer Zeit nach der geschehenen ordnungsmäßigen Be streuung der betreffenden Stelle ist der Hauseigentümer nicht haftbar. f Die Uebernahme des Heilverfahrens seilens der Landesversichernngsanstalt im Königreich Sachsen für die bei ihr versicherten Personen hat namentlich bezüg lich der Lungenkranken einen solchen Umfang angenommen, daß die Verwaltungsorgane dieser Anstalt beschlosten haben, eine Lungenheilstätte auf Kosten der letzteren zu errichten, und zu diesem Zwecke geeignetes, waldreiches Areal in gesunder Höhenlage des Königreichs Sachsen auszusuchen und käuflich zu erwerben. Grimma. Die Zahl der Anschlüsse an nnser städtisches Fernsprechnetz, das im Jahre 1891 mit 15 Teilnehmern eröffnet wurde, hat sich seitdem nahezu vervierfacht. Sie wnd voraussichtlich in nächster Zeit noch wesentlich steigen. Wurzen. Der hier seit 30. Dezember vermißte Forster a. D- Maximilian Fischer ist geisteskrank. Er wurde in Sietzsch bei Delitzsch ausgegriffen. Meißen. Den Koch- und Haushaltungsunterricht für die Mädchen der Volksschule einzuführen, hat der Schulvorstand im benachbarten Cölln beschlossen. Die erforderlichen Räume sind in dem am Hohneujahrstage eingeweihten Johannesstift des Parochialfrauenvereins bereits vorhanden. Die neue Einrichtung, die zu Ostern ins Leben treten soll, dürfte sich für die zahlreiche Fabrikbevölkerung des nun über 10 000 Einwohner zählenden Cölln gewiß als segensreich erweisen. In seliger Stimmung erklomm in der Sylvester- nacht ein junger Mann das Bismarckdenkmal im Johanna park in Leipzig und küßte das eherne Bild aus Leibes kräften. Ein Diener der heiligen Hermandad gab sich vergeblich Mühe, den begeisterten jungen Mann herab zurufen. .Meinen Bismarck laß ich nicht," war die stereotype Antwort. (Die Huldigung eines Bezechten wird dem alten Bismarck nicht besonders gefallen haben.) Die Stadt Trebsen wird in dieser Woche militärische Einquartierung erhalten und zwar werden Leipziger Regimenter mit Artillerie ein Wintermanöver in dem Gelände jenseits der Mulde abhalten. Diesseits der Mulde ist von Einquartierung nichts gemeldet. Dresden. Daß der Dresdner Gesindemarkt, der seit langen Jahrzehnten regelmäßig am Sylvester im „Pallhause" auf der Bautznerstraße begann und am Neujahrstage in Helbigs Etablissement auf dem Theater- platze fortgesetzt wurde, auf dem Aussterbeetat steht, ist schon wiederholt vorausgesagt worden, aber daß die Märkte so plötzlich ganz aufhören würden, giebt zu denken. Während vor 25 bis 35 Jahren wiederholt 400 bis 600 dienstthuende Knechte und Mägde, die Mörder. Wollen Sie damit sagen, daß Sie an die Schuld losigkeit Carylls glauben?" Liotard rieb sich die hageren Hände. „Ehe ich Ihren Brief erhielt, Herr Anwalt," erwiderte er gelassen, „war ich von des Angeklagten Schuld über- zeugt, aber als Sie mich zu sprechen verlangten, kam ich auf den Gedanken, daß Sie als der Verteidiger des Herrn von Caryll eine Entdeckung gemacht hätten, die ich weiter verfolgen soll." „Ganz recht." „Herr von Caryll giebt zu, Widson getroffen und eine Droschke angerufen zu haben," fuhr der Detektive fort. „Woher wissen Sie das ?" unterbrach ihn der Anwalt. „Dacre erzählte es mir " „Wie hat er das herausgebracht?" fragte Lovell ver- wundert. „O. der spioniert und schnüffelt überall umher," erwi derte Liotard, m seinemAerger vergessend. daßdieseSSpio- nieren und Schnüffeln zu dem Berus eines Detektives ge- hörten „Auf alle Fälle," fuhr er fort, „ist die einzige Mög lichkeit der Rettung für Herrn von Caryll, zu beweisen, daß er nicht zurückgekommen ist, wie der Kutscher behaup tet." „Sie nehmen also an, daß er ein Alibi erbringen wird?" „Sie wissen von der Sache mehr als ich, Herr An walt," erwiderte Liotard bescheiden, aber mir scheint, das ist die einzig mögliche Grundlage für seine Verteidigung." „Dennoch hat er sich nicht dafür entschieden." „Dann muß er sich schuldig fühlen." „Das ist nicht die notwendige Folge," bemerkte der An- Walt trocken. „Aber wenn er seiy Leben zu retten wünscht, muß er ein Alibi nachweisen," beharrte der Detektive. „Das ist eS eben. Ihm liegt nichts daran, eS zu retten." Liotard sah den Anwalt verblüfft an und trank schwei gend einen Schluck Wein. „Thatsache ist," fuhr Lovell fort, „daß er e» sich in den zumeist aus den wendischen Distrikten der sächDhen und preußischen Lausitz sich eingefunden hatten, um sich als Schirrmeister, Groß- uud Kleinknechte usw., sowie als Ausgeberinnen, Groß- und Kleinmägde zu verdingen, auch über 100 dienstgebende Landwirte aus den vor zugsweise ackerbautreibenden Umgebungen von Wilsdruff, Meißen, Nossen, Lommatzsch, Riesa, Großenhain usw. gekommen waren und noch die vorjährigen Märkte von Interessenten wenigstens einigermaßen besucht waren, hat diesmal die Frequenz vollständig aufgehört und sicher werden auch diese Märkte in Zukunft nicht aufs neue aufleben, denn dazu fehlen alle Vorbedingungen. Bei dem bedeutenden Aufschwung, den die industriellen Unternehmungen genommen haben, ziehen fast alle jungen Leute aus den unbemittelten Familien die Beschäftigung in den Fabriken vor, und diese Thatsache bereitet den Oekonomen schon seit längerer Zeit einen schweren Stand. Prinz Max von Sachsen, den erst kürzlich in Dresden eine schwere Erkrankung heimgesucht hatte, ist neuerdings an Rippenfellentzündung erkrankt. Chemnitz. Seit einigen Tagen ist von hier der Bezirksschul-Oberlehrer Stephan verschwunden ; der Mann welcher eine geachtete Stellung einnahm, ist mit einer Chansonnete eines hiesigen BergnügungSlokals durch gegangen. Limbach. Montag früh gegen 6 Uhr erschoß der Tischlergehülfe Irmscher seine 18 Jahre alte Frau und alsdann sich selbst. Der Thäter lebte in der letzten Zeit getrennt von seiner Frau. Die That wurde im Hause der Eltern der Erschaffenen ausgeführt. Pirna. Durch unvorsichtiges Umgehen mit Schuß waffen ist dieser Tage auf dem Brand bei Hohen stein wieder ein Unglücksfall herbeigeführt worden. Der Sohn des Besitzers des Restaurants auf dem bekannten Aussichtspunkte war daselbst mit dem Fuhrwerksbesitzer Andrä aus Mügeln eingetroffen und Beide verhandelten mit einander in Geschäftsangelegenheiten. Hierbei hat der Erstere mit einem Revolver, von dem er nicht ge wußt hat, daß derselbe geladen war, sich zu schaffen gemacht, als Plötzlich der Schuß losgegangen und das Geschoß Andrä in den Leib gedrungen ist. Der Ver letzte wurde zunächst nach Porschdorf gebracht. Am Sonntag Nachmittag veranlaßten zwei größere Knaben einen 6jährigen Zungen, das neue eiserne Ge länder an der Schlösselbrücke in Annaberg zu belecken ; selbstverständlich konnte der Junge bei der eisigen Kälte seine Zunge von dem Geländer nicht wieder abbringen, und erst, nachdem man mit heißem Wasser das Eisen erwärmt hatte, konnte der Knabe die Zunge, freilich blutend und verletzt, wieder zurückziehen. Beim Schlittschuhlaufen tötlich verunglückt ist der Knabe Max Müller in Auerbach, als er mit mehreren anderen Knaben auf dem Eise sich tummelte. Auf einer abschüssigen Stelle stürzte er so unglücklich, daß alsbald der Tod eintrat. Geithain. Dieser Tage ließ sich der geistes gestörte Lehrer G. aus Chemnitz, der unter Begleitung in eine Nervenkiinik nach Leipzig gebracht werden sollte, beim Halten des Zuges in Geithain aber seinen Be gleiter zu täuschen gewußt und sich entfernt hatte, zwischen der Königsfelder Brückenüberführung und dem nächsten Wärterhäuschen von einem Güterzuge überfahren und wurde sofort getötet. Schneeberg. Die ledige Puppenarbeiterin Schneider Kopf gesetzt hat, nicht zu verraien, wo er in jener Nacht ge wesen ist." „Ich verstehe," sagte Liotard, den Kopf schüttelnd. „Eine Frau ..." „Nein, das ist eS nicht. Ich glaubte eS anfangs auch, aber es handelt sich um ernste Dinge. Er war bei einer Sterbenden, die ihm etwas anzuvertrauen hatte." „Wirklich?" „Das weiß ich leider nicht. ES muß etwas sehr Wich tiges gewesen sein, denn sie schickte in großer Eile nach ihm, und er verweilte in der Stunde von ei» bis zwei Uhr Freitag, morgens, bei ihr." „Dann kehrte er also nicht zu der Droschke zurück?" „Nein. Er begab sich zu einem Stelldichein, weigert aber zu sagen, wo das gewesen ist. Ich war heute in seiner Wohnung und sand dort diesen halbverbrannten Brief, in dem er aufgeforderl wird, zu kommen." Lovell überreichte dem Detektive den Brief, der ihn auf den Tisch legte und aufmerksam prüfte. „Der Brief wurde am Donnerstag geschrieben," sagte Liotard. „Ja, wie Sie aus dem Datum sehen, und Widson wurde am Freitag, den 27. ermordet." „Er wurde in Grishane, Villa GriShane, oder so et was geschrieben," fuhr Liotard fort, noch immer das Blatt prüfend. „O, ich verstehe. Er begab sich dorthin." „Schwerlich," entgegnete Lovell. Er konnte nicht gut dort gewesen sein, eine Unterredung gehabt haben, und wie Right aussagt, um ein Uhr in der Russel-Straße, und wie seine Wirtin angiebt, um zwei Uhr wieder zu Hause sein. Nein, in Grishane war er nicht." „Wann wurde dieser Brief abgegeben?" „Im Melbourne-Klub, kurz nach zwölf Uhr, von einem wüst aussehenden Mädchen. Sie sehen in dem Briefe wird gesagt, die Ueberbringerin werde ihn an der Bourke- Straße erwarten Wir müssen also zunächst herausbekvm- men, wer die Ueberbringerin de» Briefe» war." 71,18