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S«4 er widmete dem Schreiben und Lesen des Arabischen täglich mehrere Stunden. Der aufmerksame Beobachter kann in Beirut immer noch Denk, mäler entdecken, die größtentheils einem hohen Atterthume angehören mögen. Im Süden und im Norden der Stadt stieß ich auf Felsen gräber, die mit denen zu Om-Kaiß am Jordan große Aehnlichkeit hatten. Säulcnschäfte aus grauem und rothem Granit liegen im und um den Hafen verstreut. Die Zahl Griechischer und mittelalter licher Münzen, wie auch geschnittener Steine, die man in der Nach barschaft findet, ist erstaunlich groß. Als ich zum erstcnmale nach solchen Gegenständen fragte, wies man mich an einen Schneider, der ein großer Sammler von Altcrthümern seyn sollte. Ich machte diesem Mann einen Besuch, und er langte einen schmutzigen ledernen Sack hervor, der seine antiquarischen Schätze enthielt. Ich fand unter anderen Dingen einige schöne Krystall-Arbeiten, die ursprüng lich zu einem Leuchter gehörten, eine große Zahl Römischer und Byzantinischer Kupfermünzen, einige Jonische Heller, ein kleines Griechisches Silberstück und ein paar geschnittene Steine. Der Schneiver ließ mir das kleine Silberstück, eine der Kameen und ein Dutzend Kupfermünzen für die Summe von IO Piastern <20 Sgr.). Der geschnittene Stein, etwa j Zoll lang, stellt »inen Bogel Var, der Körner pickt"); darüber ist das Wort froh oder günstig) und in jedem Winkel sind Opfergeräthe dargcstellt — Alles von wunderschöner Arbeit. Die Nachbarschaft des Libanon bestimmte uns zu häufigen Aus flügen, die alle so interessant waren, daß mir die Auswahl schwer wird. Für jetzt bitte ich den Leser, uns auf dem romantischen Gange längs des Hunvefluffes iNahr-el-Kclb) zu folgen. An einem schönen Morgen ritten wir mit Sonnenaufgang nord wärts durch prachtvolle Garten-Terrassen, die jene Seite der Stadt im Halbkreise umziehen. Unser junger Hauswirth Georgius begleitete uns: er hatte blaue Pantalons angezogen, in denen mindestens zwölf Ellen Tuch waren; sein übriges Kostüm bestand in einem mächtigen weißen Turban und hochrothen, an den Zehen aufwärts gekrümmten Schlappschuhen, die in ungeheuer breiten Schaufel- Steigbügeln steckten. Wir sprengten in kurzem Galopp bis an den etwa 10 Engl. Meilen von Beirut entfernten Punkt, wo der Libanon plötzlich wieder dem Meere naht. Die Felsen sind hier, wie öfter an der Syrischen Küste, so dicht am Wasser, daß man sich gcnöthigt gesehen hat, einen Weg in die Fclsenwand selbst zu hauen. Dieser Weg, der uralt seyn muß, erstreckt sich wohl tausend Jards in die Länge. Nahe an seinem Anfang, gegen Beirut hin, ist eine Anzahl Höhlungen, aus denen man große Blöcke gehauen hat. Bon da ge langten wir auf die Höhe des Felsens, und ganz plötzlich lag die Mündung des Flusses und sein schlängelnder Lauf durch die Berge vor unseren Blicken. Eine auf den Felsen eingeschnitteüe Tafel mit einer Römischen Inschrift belehrt den Wanderer, daß diese Straße durch Kaiser Antoninus auSgebessert worven ist. Etwas oberhalb derselben befinden sich mehrere Basreliefs in Lebensgröße, die ver schiedene Akte des Weihopserbringens darstellcn; ich habe im übrigen Syrien nichts AehnlichcS gesehen. Folgen wir dem eingehauenen Pfade weiter, so führt er uns znm Flusse hinauf, über welchen eine moderne, aber wohlgebaute Brücke geht. Ehe man auf die Brücke kommt, bemerkt man auf dem Felsen eine lange Arabische Inschrift, welche besagt, daß der bekannte Druscn-Häuptling Hachr-ed-Din, der zu Anfang des I7ten Jahrhunderts lebte, ihr Erbauer sey. Am jenseitigen Ufer zieht eine steinerne Wasserleitung von guten Verhältnissen längs den Bergen landeinwärts. Einige alte Geographen halten den Hunde fluß für den LpkoS (Wolf-Fluß) der Griechen, und wie die Sage berichtet, so stand vor Zeiten ein Felsen von der Gestalt eines un geheuren Hundes oder Wolfes an der Mündung. Ein enger Paß zur Seite der Wasserleitung setzte unS in den Stand, fast eine Engl. Meile weiter vorzudringen. Da, wo dieser Paß aushörte, stiegen wir die Höhen hinan und genossen einer be zaubernden Aussicht auf den tosenden Strom, der, von riesigen Bergen eingeengt, über irin felsiges Bette sich hinwälzt. Es war unser lebhafter Wunsch, eine berühmte Höhle zu besuchen, die auf dem chalbe» Wege bis zur Quelle deS Stromes liegen sollte. Wir wanderten mehrere Meilen fort, und als unsere Pferde von dem vielen Steigen schon müde wurden, gelangten wir zu einem Weiler im Gebirge, wo GeorgiuS einen Bauern vorsand, der sich als Weg weiser nach der Grotte erbot. Zuvörderst hieß er uns absteigen, indem der Weg selbst für Fußgänger schwierig sey; und bald mußten wir wirklich einen Abhang hinunter, der besser für Ziegen als für Menschen paßte. Nach einer Stunde befanden wir uns wieder an dem dunklen Gicßbach, der hier schon viel kleiner war. Ein Amphi theater von Bergen umgab uns, und etwas oberhalb des Ufers erblickten wir die Ocffnung der Grotte, vor welcher einige verkrüppelte Bäume standen. AuS einem anderen Felsenloch brauste ein klarer Bach, der in einer Reihe von Wasserfälleli dem Hundefluß entgcgen- stürzte. Der Fleck war malerisch, aber so wild und schauerlich, daß er keinen ganz heitern und erfreulichen Eindruck machte. ') Eine Ansvietung auf die Augueten auö dem Freuen der Vögel, das übrigens auw ini Orient eine Bestehung zur GeißerweO hat- „Der Mond und die Plejaden: Ei» Vögelein, das Körner frißt; Der Name deß, der ewig ist- Damit hat Salomo die Geiger vorgeladcn." Arabischer Sven ch. ;Nach V- Hammer.) Wir hatten Wachsfackeln mitgenommen, aber im Augenblick, als wir ihrer bedurften, ergab eS sich, daß Stahl und Stein verloren waren! Der Major kam bei dieser Gelegenheit auf ein Mittel, das seines Rufes als Waidmann in den Dschongle's Ostindiens würdig. Er zerriß etwas Baumwolle, entzündete sie am Blitze seines Pistols und warf sie dann auf eine Handvoll dürrer Blätter; sogleich entstand eine Flamme. Wir traten jetzt in die geräumigen Hallen der Grotte. Unge heure Fledermäuse, die in dicken Festons an der Wölbung aus Kalk stein hingen, flatterten, vom Kerzenlicht geblendet, mit ihren Flügeln und stießen dabei ein schrillendes Geschrei aus, das nach allen Seiten wicderhallte. Wir waren etwa hundert Jards weit vorgeschritten, als ein nur wenige Fuß hohes Felsgestein unseren Weg verdollwerkte. Von der anderen Seite kam uns ein kalter Luftstrom entgegen, und als wir die Kerzen weit hinauShieitcn, erblickten wir einen anscheinend sehr tiefen Abgrund, der inS Innere des Berges sich erstreckte. Wir warfen einen Stein über die Felsenleiste und hörten ihn von Wand zu Wand prallen, bis er endlich in ein Wasser fiel. Eine andere Gallcrie führte von da links ab; wir folgten ihr, aber wie man sich denken kann, sehr vorsichtig. Bald wendeten wir uns wieder in einem hochgewöldten, dem Ausgange der Höhle zugekehrten Gange, und hier hatten wir einen prächtigen Anblick. Zuerst blitzte uns ein Heller Lichtschimmer durch eine niedrige, aber breite Spalte im Berg ent gegen; als wir aber näher kamen, ergab es sich, daß eine große Wasserschicht zwischen unS und dem Tage war: der gedämpfte Nester des Sonnenlichtes in dem dichten Wasserspiegel — die Finsterniß ringsum, und der Rahmen aus Moos und Binsen am Ausgang er innerten an die mythologischen Beschreibungen von Najaden-Grotten. Das durch die Spalte scheinende Wasser war eben der Gießbach, welcher nahe am Eingang der Höhle hinabstürzte. Der Tag ging jetzt zur Neige, und wir mußten an die Heimkehr denken. Unser alter Führer, ver schon beim Abwärtssteigen so munter vor unS hergcstapft, stieg mit derselben rüstigen Flinkheit wieder hinan. Major Napier schien mit ihm wetteifern zu wollen, und beinahe verlor ich Beide auö dem Gesichte. Der ziemlich wohl beleibte GeorgiuS blieb weit hinter uns Allen. Sobald wir das Dorf erreichten, wo wir unsere Pferde zurückgelaffen, warf er sich platt an die Erde und sagte mit weinerlicher Miene, er sey dem Tode nah; allein er war nur todcsmüde: ein Schluck Branntwein und ein hartgesottenes Ei brachten ihn bald auf bessere Gedanken. Wir schwangen uns darauf in unsere Sättel und trabten bei schönem Mondschein weiter, bis wir wohlbehalten zu Hause anlangten. (U. 8. S.) Mannigfaltiges. — Herr von Strombeck über das Pennsylvanische Pönitential-System. In seinen in der letzten Nummer des Magazins erwähnten Schwedischen „Memorabilien" kommt der Ver fasser auch aus die von vem Kronprinzen von Schweden herauSgege- bene, von unserem Blatte ebenfalls'mehrfach benützte Schrift, „über Strafen und Strafanstalten". Herr von «trombeck gedenkt bei dieser Gelegenheit, der jetzt von vielen Seiten und auch in jener Schrift zur Sprache kommenden Anwendung deS Pennsylvanischen Systems der einsamen Absperrung deS Sträflings, worüber er Nachstehendes sagt: „Ich halte nicht für unangemessen, in Beziehung auf das Pönitential- System auch hier folgende Bemerkungen hinzuzufügen, von deren Richtigkeit ich in meiner vieljährigen praktischen Behandlung von Kriminalsachen, als Richter, überzeugt wurde. Es ist ein großer Jrrthum, wenn man glaubt, jeder Verbrecher sey ein böser Mensch und bedürfe einer moralischen Besserung. Eine große Anzahl von Verbrechern, d. h. hier Uebertretern der Kriminal- Gesetze, ist eben so gut, oft selbst besser, als diejenigen Menschen sind, mit denen wir täglich, als anerkannt rechtschaffenen und erprobt guten Mensche», umgehen; und doch müssen sie bestraft werden, weil sie gegen den Zweck des Staals, Schutz der Sicherheit, und selbst oft des Lebens, der Individuen, handelten. — Man denke sich z. B- ein rechtschaffenes, edles Mädchen, unter dem Ver sprechen der Ehe von einem Betrüger verführt, empfänglich auf das Aeußerste für Schande. Sie gebiert heimlich. Die Schande nicht nur, auch die härtesten Behandlungen voraussehend, tödtet sie, noch während der Schmerzen der Geburt, halb sinnlos, ihr Kind- Ihr LebenSglück ist dahin: ewig wird sie sich als Mörderin anklagen, sie wirv nie wieder Ruhe finden, als im Tode. Sie muß dennoch bestraft werden; dies ist Recht: aber worin soll sie gebessert werdens Einsames Gefängniß kann sie nur zum Wahnsinn bringen. — Ein edler Mann, ungerecht auf das scheußlichste, nur wörtlich wollen wir annehmen, öffentlich beschimpft, ersticht in der Wuth aufgeregter Leidenschaft den Beleidiger. Er muß bestraft wer den: — aber gebessert? Er weiß sehr gut, worin er fehlte, und bereut tief die That. Seine Ruhe ist auf ewig dahin. — Hunderte ähnlicher Fälle lassen sich denken, und viele derselben kommen in dem Laufe niedrerer Jahre einem Kriminal-Richter vor. Hier scheint dem Verfasser jede Pönitcntial-Strase, auch »ach dem Phfta- delphischen Systeme, unanwenvbar. — Vor Gott, der in das Innere schaut, sind viele Verbrecher unschuldig, die der Mensch im Staate bestrafen muß: diese Strafe darf nur Strafe für den Staat, d. i. zu dessen Genugthuung, nicht Büßung, zu einer ganz über flüssigen moralischen Besserung seyn." HerauSgegcbcn von der Expedition der Allgi Preuß. StaatS-Zeitung. Ncdigirt von Z. Lehmann. Gedruckt bei A. W. Hayn.