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WSLrntlich «weinen drei Nummern. Pränumeration«' Prei«'22z Szr. Tbie.) oiertestährtich, 3 THIr. für da« ganze Jahr, ohne Er^ Höhung, in allen Theben her Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerirt auf diese« Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Mg. Pr. StaatS-Zeitung (Zriedrichöllr. Nr. 72); in der Provinz so wie im Audlande bei den Wohllödl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 118 Berlin, Freitag den 1. Oktober 1841. England. Scenen aus der Schauspielerwelt. (Aus den Erinnerungen eines Englischen Journaliüen.) Zwischen dem Journalisten und den Schauspielern finden zu häufige Berührungen statt, als daß das Publikum nicht berechtigt seyn sollte, von mir einige Couliffen-AuSplaudereien zu verlangen. In naher Beziehung habe ich nur zu einem sehr schätzcnswerthcn und als Künstler ausgezeichneten Schauspieler gestanden, dessen Namen ich indeß verschweigen will. M ... hat die härtesten Proben des dramatischen Noviziats bestanden. Er war wandernder Schauspieler gewesen und hatte als solcher so wenig Beifall gefunden, daß er fast nur zu stummen Nollen verwendet wurde. So lebte er länger als ein Jahr mit dem bescheidenen Gehalt von zehn Shillingen wöchent lich. Trotz seiner außerordentlichen Sparsamkeit gerieth er indeß zuweilen in grausame Verlegenheiten. Die Gehalte der Schauspieler sind doppelter Art, je nachdem sie einem Direktor untergeordnet sind oder zu einer freien Gesellschaft gehören: entweder beziehen sic ein festes Gehalt, oder sie erhalten einen Antheil am Ertrage. Im ersteren Falle kam M... nie in große Verlegenheit, da er gewohnt war, seine Ausgaben zu beschränken; wenn aber die Gesellschaft, zu welcher er gehörte, schlechte Geschäfte machte, so gerieth er in die peinlichste Lage. „Einst", so erzählte er, „nöthigte der Hunger die Truppe, zu der ich gehört und die einige Zeit in einem Dorfe bei Leeds gespielt hatte, sich aufzulösen, und wir gingen aus einander, um ein neues Unterkommen zu suchen. Als ich alle Forderungen befriedigt hatte, blieb mir ungefähr noch ein Pfund. Mit dieser geringen Summe trat ich die Reise nach Kork an, fest entschlossen, nicht mehr nach dem Künstlerruhm zu trachten und meine Dienste als Regisseur oder Aufseher des JnventariumS einem größeren Theater der Grasschaft anzutragen. Boller Hoffnungen langte ich in Jork an, wo der Direktor, nachdem er mich vier Tage lang hingehalten hatte, mich endlich mit einer verneinenden Antwort entließ. Obgleich meine Ausgaben sehr mäßig gewesen waren, so war doch mein kleiner Schatz schon ziemlich geschmolzen. Ich machte mich also wieder auf den Weg, indem ich meine Ansprüche noch weiter herabstimmte und beschloß, mich mit jeder beliebigen Anstellung bei einer Truppe zu begnügen. So irrte ich einen Monat umher und machte mehr als 4<M Meilen, ohne irgendwo ein Unterkommen zn finden. Ohne das Wohlwollen einiger Direktoren wäre ich unfehlbar Hungers gestor ben. Allmälig hatte ich mein ganzes Geld ausgegebcn; meine Wäsche war stückweise darauf gegangen, und außer dem Hemde, welches ich trug, war mir nur noch ein einziges geblieben. Ich verkaufte es für zwei Spillinge, und auch diese hatte ich bis auf einen Penny ausgegeben, als ich um 6 Uhr Morgens in L... anlangte, mit der Aussicht, mein Glück noch 30 Meilen weiter suchen zu müssen. AIS ich vor einem Bäckerladen vorübcrkam, kaufte ich ein kleines Brod, welches an diesem Tage mein Frühstück und mein Mittagbrod vor stellen sollte. Auch wagte ich erst gegen Mittag, dasselbe anzubrechen, als ich am Ufer eines Baches angckommen war, in dessen Wasser ich das Brod tauchte. Um 6 Uhr Abends war ich an meinem Be-' stimmungsorte angelangt. Hier erfuhr ich, daß das Theater seit zwei Tagen geschlossen sey, und daß die Truppe die Stadt verlassen habe. Was sollte ich machen s Ich hatte weder Obdach noch Geld, und doch konnte ich nicht ans der Straße schlafen. Auf meine An frage wies man mich nach einem WirthShause, das nur von Hand werkern und Fußgängern besucht wurde. ES war ein kleines Haus, fast eine Hütte, aber die Wirthin hatte eine einnehmende Gesichts bildung, und ich erfuhr zu meiner großen Freude, daß ich die Nacht hier würde zubringen können. Ich forderte ein Bett und fragte, was cS kosten solle. Der Preis war vier Pence. Ich antwortete, daß ich nicht so viel Geld habe, daß aber mein Halstuch mindestens doppelt so viel werth scp, und daß ich es an Zahlungsstatt hier lassen WE.- „„Setzen Sie sich, junger Mann"", sagte die alte Frau, „„wir werden uns schon verständigen."" „Es war einer von jenen Dezembertagen, wo die durchdringende Kalte der Wohlthat des Kaminseuers für jeden Engläadcr einen doppelten Werth verleiht. Obgleich nun hier weder der Fußboden mit Teppichen belegt war, noch Bediente auf meinen Wink warteten, wie in einem Gasthose, so sah ich mich doch einem hellbrennenven Feuer gegenüber, mit dem selbst ein Lord zufrieden gewesen scpn würde. Neu belebt durch die Wärme, vergaß ich meine Müdigkeit und meinen Hunger bis zu dem Augenblicke, wo ich die Wirihin zwei Taffen nebst den anderen Thee - Geräthschaften aus einem Schranke hervorlangen sah. „„Ich erwarte meinen Sohn"", sagte sie; „„wenn er müde von seinem Tagewerk hcimkehrt, muß Alles bereit stehen."" „Zehn Minuten später trat ein kräftiger Bursche ein, der eine» Sack mit Tischler-Geräth unter dem Arin trug. Er setzte sich an die andere Seite veS Feuers, während seine Mutter den Thee be reitete. In diesem Augenblicke konnte ich mich des Gedankens nicht enthalten, daß auch ich eine liebe Heimat und eine zärtliche Mutter gehabt, daß ich Alles durch meine Schuld verloren, und daß ich jetzt ein armer Landstreicher sey. Unterdcß hatte die Wirthin zwei un geheure Theezwiebacke aus dem Schranke geholt, welche sic röstete. DaS Wasser sprudelte in der Kanne, ein duftiger Geruch dnrchströmte das Zimmer; Mutter und Sohn traten an den Tisch und schlossen mich dadurch unwillkürlich von ihrem Genüsse aus. Jede dieser Wahrnehmungen, welche durch mein langes Entbehren und meine fieberhafte Aufregung sich mir ungemein schmerzlich aufvrängten, vergrößerte das Gewicht, mit welchem meine schreckliche Lage auf mir lastete. Ich brach in mir zusammen, und einige Thräiien be. netzten meine Augen. Die gute Alte bemerkte es, obgleich ich den Kopf abgewendet batte, und einen Augenblick später stand eine dritte Taffe auf dem Tische. Soll ich gestehen, daß mein Herz schlug, als ich viese Zurüstungen sah? Galten sie mir? Sollte ich bei diesem armen Weibe mehr Barmherzigkeit finden, als bei den Reichen und Glücklichen? Meine Zweifel waren nicht von langer Dauer. Als ich die Taffe, die für mich bestimmt war, gefüllt sah, blickte ich mich nach der Thür um, in der Furcht, daß vielleicht ein Gast eintreten würde; aber nein. Endlich sagte die Witthin zu mir mit einer Stimme, die mich weder Mistreß SiddonS noch Miß O'Neil hat vergessen lassen: „„Nun, junger Manu, wollen Sie nicht näher treten? Lassen Sie den Thee nicht kalt werden."" — ,,„O, Ma dame"", entgegnete ich, „„Sie sind zu gütig, aber ich kann nicht —"" — „„Sie können nicht? — Und wer hindert Sic daran?"" — „„Sic wissen, daß ich nicht —"" — „„Ich weiß, junger Mann, daß Sie thun müssen, was ich Ihnen sage. Das ist mein Sohn; ich würde cS sehr hart finden, wenn der arme Junge nach einem beschwerlichen Marsche und ohne Geld in der Tasche nicht eine mitleidige Seele fände, welche ihm ein Stückchen Zwieback und eine Schale Thee schenken wollte."" „Mein lieber Freund", fuhr M ... fort, „später habe ich mehr Geld erworben, als ich gebrauchen konnte; meine ehrgeizigsten Wünsche sind ersüllt worden, aber nie habe ich dcn Thee dieser vortrefflichen Frau vergessen, und nie habe ich ein größeres Ver gnügen empfunden, als da ich ihr später den Ertrag einer Vor stellung, die ich eigens zu diesem Zwecke gegeben hatte, trotz ihres Sträubens schenken konnte. Doch kehren wir zu meiner Geschichte zurück." „Während wir den Thee tranken, sagte der Sohn: „„Wissen Sic, Mutter, daß die Schauspieler in B ... sind, und daß sie gestern Abend gespielt haben? Der Saal war ganz gefüllt; heute Abend geben sie Othello."" — Warum stiegen mir diese einfachen Worte wie ein kostbarer Wein zu Kopfe? Als ich von Schauspielern und Erfolg spiechen hörte, war es mir, als ob die Sonne des Glücks wieder für mich aufgegangcn sey. Kaum schlief ich, und um » Uhr Morgens war ich schon wieder auf den Beinen. Mein Frühstück er wartete mich. Ich wollte Umstände mache», aber die gute Frau nahm keine Ausrede an, und als ich ihr mein Halstuch überreichte, sagte sic: „„Bchalten Sic es, mein Kind, und möge dcr Segen eincr armcn alten Frau Sie begleiten."" — Sie werden vielleicht lachen, wenn ich Ihnen sage, wie ich diese rührende Anrcbc erwie- derlc, und glauben, daß siur ein Komödiant so etwas vollfükrcn konnte, aber ich kann Ihnen versichern, daß es mir aus dem tiefsten Herzen kam, als ich noch weinend ihr an dcn Hals warf; ich dachte wieder an meine Mutter und au meine traurige Lage." „Als ich zwei Stunden später in der kleinen stabt V ... an- langte, ging ich gcrabcswegcs nach dcr Scheune, welche der Sitz des Schauspiels war. Der Direktor war abwesend; von Stunde zu Stunde ließ man mich seine Rückkehr hoffen, aber ich konnte ibn erst um zwei Uhr Nachmittags sprechen. Der große Mann rauchte seine Pfeife und trank Grog mit seinen beiden ersten Künstlern und eini gen Kaufleuten. Das gab mir eine hohe Meinung von der Ein nahme des vorigen Tages. „„Setzen Sie sich"", sagte der D'rck'