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348 pünktlichen Aufmerksamkeit bebaut werden, deren die Chinesen allein fähig sind. Das ansehnlichste dieser Thaler befindet sich gerade der auf dem Kontinent liegenden Stadt Kau-Lun gegenüber. Bei mei ner Rückkehr aus dieser Stadt, von der wir einige Riffe ausgenom men hatten, setzte ich mich in ein Boot und bemerkte, als ich mich dem Eilande näherte, einen leichten blauen Rauch aus einer Baum gruppe hervorsteigen, den ich früher nicht wahrgenommen hatte. Ich befahl dem Schiffer, darauf los zu steuern, und trotz seiner Warnun gen, die er in einem Mischmasch von Chinesischen, Portugiesischen und Englischen Wörtern mir dringend zu verdeutlichen suchte, stieg ich auf jener Stelle ans Land, bedeutete ihm, mich in einer geringen Entfernung von derselben am Ufer zu erwarten, und begann bann meine Nachforschungen über den Gegenstand, welcher meine Auf merksamkeit gefesselt hatte. Mein Weg führte mich zuerst durch einige Reisfelder, die durch Gräben von einander getrennt waren, welche auch zugleich als Wasserleitungen dienten. In schlammigen Pfützen wälzten sich mehrere von Kindern geweidete Büffelochsen umher; andere dieser Thiere waren, vielleicht zu meinem Glück, an gebunden, denn einige davon warfen mir wilde Blicke zu, schlugen heftig mit ihrem Schweife um sich und stampften mit den Füßen. Unter diesem Himmelsstriche/ der den Fremden so hartnäckig zu rückstößt, ist ihm Alles, bis auf die Thiere, feindlich gesinnt. Es ist gar nichts Ungewöhnliches, daß ein Büffel, der sich gegen einen Chinesen ganz friedlich geberdet, den Europäer selbst in der Landes tracht auswittert und ihn wüthenb angreift. A's ich auf einer aus einem Baumstamm bestehenden Brücke einen schmalen Bach überschritten hatte, betrat ich einen engen Fußpfad, der sich zwischen alten Bäu men und prächtigen Bambusbüschen hinzog, die über und über mit Schlingpflanzen bedeckt waren; dieser Weg führte mich dann nach einer Art von Dorfwiese oder grünem Platz, von dem drei Straßen parallel ausliefen, die nicht sehr breit waren, deren eine aber unge fähr dreißig Häuser enthielt, alle nach ein und demselben Muster erbaut; am entgegengesetzten Ende dieser Straßen lag eine viel breitere, die mit dem Platze parallel lief, weit besseres Pflaster hatte als die anderen und mit einem Hause endigte, das viel größer, schöner und geschmückter als die übrigen war: zweifels ohne der Wohnsitz eines Mandarin oder eines Anführers, zu dem ich aber leider keinen Zutritt erlangen konnte. Bei mei nem Spaziergange durch Vie Straßen folgte mir ein Hause von Müßiggängern, der mit jedem Augenblick mehr anwuchs, weil Jeder, der in der Stadt beschäftigt war, Alles stehen und liegen ließ, um den Fanqui (eine Verdrehung von Feringi, mit welchem Namen die Europäer in ganz Asien bezeichnet werden) zu sehen. Sie liefen alle vorwärts, manche waren sehr laut und betasteten mein Rohr, meine Kleider, meine Pinsel und Mappe; doch sprach sich in ihrem ganzen Benehme» nur die lebhafteste Neugier und sonst durch aus nichts Feindliches aus, denn alle forderten mich zum Eintritt i» ihre Häuser auf. Ich betrat eines derselben, trank eme kleine Taffe Thee ohne Zucker und rauchte herrlichen Taback aus einer langen Pfeife, die mir mein Wirth, ein ehrwürdiger Chinese mit weißem Bart, mit unverkennbaren Zeichen des Vergnügens darreichte. Als ich auf den schon früher erwähnten Dorfplatz zurückkehrte, bemerkte ich an dem einen Ende desselben einen Chinesischen Altar, mit Blumen und Vasen geschmückt, aus dem dünne rothe Kerzen brannten. An diesem Altar verrichteten die Einwohner ihre Gebete, befragten ihr Schicksal und opferten ihre Gaben. Er wurde von einer Anzahl schöner alter Bäume beschattet, die mit prächtigen rothcn Blüthen beveckt waren; da ich noch niemals Bäume der Art gesehen hatte, so gab ich durch Zeichen zu verstehen, daß ich einige diefcr Blüthen zu besitzen wünsche, und sogleich kletterten Kinder hinauf und erfüllten mein Begehren. Auf dem Rückweg zu meinem Boot verfolgte ich einen schmalen Pfad, der mich auf einen ziemlich hohen Hügel führte, von wo aus ich den ganzen übrigen Theil deS Thales überblicken konnre. Zu memen Füßen lagen gur bewämrle, üppige Reisfelder, zur Linken schimmerten einige niedliche kleine Häuser aus einer Baum gruppe hervor, dann folgte ein kleines Gehölz, das nach Regeln angepflanzt zu sepn schien, rechts lagen steile Felsen, und geradeaus in der Entfernung sah ich die Bucht und die malerischen Berge von Kau-Lun. Diese Abtheilung deS ThaleS hat nur eine enge Oeffnung auf die Bucht hinaus; die Schlucht ist durch bedeutende Massen losge löster Felsen versperrt, welche die Chinesen aus gutem Grunde dort angehäuft haben. Den Gipfel haben sie zu einem Wasserbehälter auSgehöhlt und das Wasser durch große Bambusröhren von dem angränzenden Vorsprung dorthin geleitet, und mit Hülfe eben solcher Riesen-Röhren, führten sie es weiter hinab in die niederen Thal- Ländereien, welche ohne diese künstliche Bewässerung unfruchtbar und öde sepn würden. Dies Thal ist sicher der bevölkertste, malerischste und bestbewaldete Theil des ganzen Eilandes, und in wenigen Jah ren werden neben den blauen, an ihrem Ende aufgestülpten und mit Delphinen und Drachen verzierten Dächern sich gewiß komfor table Englische Lusthäuser erheben. Jndeß werden wohl die ersten Ansiedlungen nicht gerade hier stattfinden, weil dieses Thal zu weit von der Haupt-Bucht entfernt liegt, welche sich an der Westseite, in der unfruchtbarsten und traurigsten Gegend der Insel, befindet; die Bucht selbst ist aber eine der breitesten und vorzüglichsten im ganzen Chinesischen Reiche. Es können hier eine Unzahl von Schiffen im Vortrefflichsten Ankergrundc anlegen, geschützt vor dem Nordostwinde und den heftigen Tpphonen, die während der südwestlichen Passat winde so vielen Schaden an diesen Küsten anrichten. Bei meinem Aufenthalt in Hong-Kong wehte gerade ein solcher Wind, wir wurden aber wenig davon gewahr. ((1. 8. ck.) Mannigfaltiges. — Voltaire wünscht Marquis zu werden. Aus den Papieren der Marquisin von Crequp, deren Memoiren aus der Zeit Ludwig's XV. und Ludwig's XVI. vor einigen Jahren so großes Aufsehen gemacht, ist jetzt auch eine authentische und bisher noch nirgends gedruckte Bricfsammlung ans Licht gekommen. Es finden sich darunter zahlreiche und sehr pikante Briefe Voltaire's, der sich mit Frau von Crequp, als einer mit den Ministern des Königs ver trauten und überhaupt sehr einflußreichen Dame, zu verhalten suchte. Unter Anderem ersehen wir daraus, daß er gern zum Marquis von Fernep ernannt sepn wollte und dazu die Fürsprache seiner ange sehenen Freundin in Anspruch nahm. Folgendes ist der überaus charakteristische, Voltaire durch und durch zu erkennen gebende Brief, den er dieserhalb an grau von Crequp schrieb: Ferne», 3- November 1774. Herr Marquis v. Chatelet hat die Güte gehabt, Ihnen, gnädige Frau, mein Ansuchen bereits mitzutheilen, und ich habe durch ihn erfahren, daß Sie es mit Wohlwollen ausgenommen. Die fragliche Gunst") würde den Ruhm und das Glück meiner düsteren Lebens lage bilden. Vje wissen ja, gnädige Frau, welchen Trübseligkeiten ich ausgesetzt bin und welche Verleumdungen mich verfolgen. Kaum weiß ich, ob ich mich noch in den Straßen von Genf zeigen darf, wohin ich mich nothwendig begeben muß, um den Or. Tronchin wegen meines leidenden Zustandes zu konsultircn. Herr Rousseau hat dort den Esser mehrerer fanatischer Magistratspersonen und einer großen Anzahl grimmiger Bürger gegen mich erregt, indem er ihnen sagte, sie dürften, des Gesetzes ungeachtet, nicht dulden, daß ein Katholik das Ansehen habe, sich in ihre Angelegenheiten einzu mischen und auf ihrem Gebiete sich heimisch zu machen. Von seinen Verleumdungen gegen mich bei dem Herrn Fürsten von Conti, bei der Frau Herzogin von Luremburg und vielleicht auch bei Ihnen, gnädige Frau, mag ich gar nicht sprechen; vielmehr appellire ich von diesen an Ihre Güte, die mich für seine schwarze Undankbarkeit entschädigen und die Spur aller Verfolgungen verwischen wird, die er seit vier Jahren gegen mich erregt hat. — Dahin, gnädige Frau, hat mein Wohlwollen für diesen Mann geführt, und dies ist der Dank für das Anerbieten, das ich ihm gemacht, ihm meine Eremitage zwischen Tourney und Fernep ganz zu schenken. Gewiß wird man bald auch erfahren, intt welcher Dankbarkeit er die Dienste der Herren Grimm, Helvetius, Diderot, Hume und d'Alcmbert vergolten, welche Herren Sie allerdings nicht sehr lieben, wie ich weiß, und deren Fehler ich besser als irgend Jemand kenne, die jedoch darum nicht weniger für ihn das Wohlwollen und die Verbindlichkeit selbst gewesen sind. — Kürzlich hat Herr von Florian Hochzeit gemacht; bald wird sich auch Herr Marquis von Villette vermählen. Ich sage Marquis, gnädige Frau; denn glücklicher als ich, der ich unbezweifelt nicht so viel Verdienst als er habe, obwohl ich, was Vermögen und Geburt betrifft, nicht hinter ihm zurückstehe, hat er es erlangt, daß der König ein Gut zum Marquisat erhoben für ihn, als Herrn von sieben großen Pfarren, und ganz so wie zur guten alten Ritterzeit. Ich glaube aber, daß ich eben so gut Marquis werden könnte, wie Herr von Villette, ohne daß die Welt durch meine Erhebung mehr überrascht sepn würde, als durch die (einige. Er besitzt EM Thaler jährlicher Einkünfte, die er mit Fräulein von Varicourt, welche sich jetzt bei Madame Denys befindet, theilen will. Seine Braut bringt ihm dagegen ihre siebzehn Jahre, Geburt, Frömmigkeit, Verstand und Anmuth. Sie werden zugeben, gnädige Frau, daß Herr von Villette ein treffliches Geschäft macht. Diese Geschichte trägt übrigens dazu bei, meine alten Tage zu erheitern und meine Leiden erträglicher zu machen. — Ach/ der Rousseau bringt mich noch um, gnädige Fran. Haben Sie die Güte, dieses Geschreibsel zu verbrennen, denn ich sürchte, daß ich Parin etwas zu häßlich und allzu sehr eu »ögliF« erscheine. Voltaire. Frau von Crequp antwortete ihm hierauf: .... „Der Marschall von Richelieu hat sich sehr freundschaft lich für Sie gegen mich ausgesprochen; auch mein Neffe Chatelet hegt dieselben Gesickssungen für Sie, und die Art, wie ihm der Herr Kanzler in Bezug auf Ihr Anliegen geantwortet, war ganz geeignet, Hoffnungen zu erregen. ES wird nur darauf ankommen, gewisse territoriale und feudale Bedingungen zu erfüllen, von denen man Sie bei der Beförderung nicht diSpcnsiren kann, weil sie, flach den Verordnungen, die über den Gegenstand eristlren, wesentlich obliga torisch sind. Man hat uns gesagt, diese Verordnungen seyen von der Art, daß sic keinerlei Umgehung, Ausflucht oder Ausnahme, und beträfe es auch den vornehmsten Mann von Frankreich, gestatten oder hoffen lasse». Ich übersende Ihnen die betreffenden Verord nungen und Papiere, aus welchen Sie die Bedingungen erleben werden, die zur Creirung eines Marquisates unumgänglich sind. Sic werden also gut thun, Ihre Sachen danach einzurichtcn, und hierzu gehört zunächst, daß Sie zu Ihrem Gute Ferney noch drei nachbarliche Pfarren erwerben. Sic haben sich zu arrondircn ver mittelst dreier Galgen und dreier Glockenthürme. Blasen Sie Ihre gutsherrlichen Backen ein wenig auf, Sie großer Philosoph!" -j nämlich die Erhebuns des Gutes Fernen zu einem Marquisat. Herausgcgcbcn von der Expedition der Allg. Preuß. Staale-Zeilung. Redigirt von I. Lehmann. Gedruckt bei A. W. Hayn.