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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Prönumerativns- Prei« 22j Sgr. (Z THIr.) vierteljährlich, 3 Thir. für da« ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerirt ans diese« Literatur-Blatt in Berlin in der Expedition der Allg. Pr. Siaats-Zeitung (Friedrich-str. Nr. 72); in der Provinz so wie im Auölande bei den Wohllöbl. Post Aemtcrn. Literatur des Auslandes. 37 Berlin, Freitag den 26. März 1841. Armenien. Die Armenische Literatur. Die Armenier behaupten, ihre Sprache sey älter als die Sünd- fluth, und Noah habe sie bereits von seinem Vater überkommen. Griechen und Römer waren anderer Meinung: Herodot und Eudorius lassen die Armenische Nation von einer Phrygischen Kolonie ab- ssammcn; nach Strabo kamen ihre Urväter aus Syrien, und Justinus erzählt, ein Grieche aus Teffalonich, Namens Armenos, der den Helden Jason aus seinem Argonautenzuge begleitete, habe eine Kolonie gegründet, der er seinen Namen gegeben und welche die Wiege des Armenischen Volkes gewesen sey. Die Sprache der Armenier ist in jedem Falle sehr alt; auch hat sie einen großen Reichthum an Lauten und Wörtern: man zählt in ihr gegen 3000 Wurzeln oder Kcrn- wörter, die mit großer Geschmeidigkeit zur Bildung einer Menge Derivata und Composita sich fügen; aber dem Ohre klingt sie nicht angenehm. Die häufige Wiederkehr dumpfer, stumpfer, gutturaler und nasaler Laute, eine unbehülsliche harte Aussprache und sehr ein förmige Accentuation ermüden den Hörer und verderben die klassische Schönheit eines so ehrwürdigen Idioms. Die Literatur dieses jetzt nach allen Zonen versprengten Volkes steht an Reichthum und Mannigfaltigkeit den Literaturen der Araber, Perser, Hindu'S und Chinesen sehr nach. Seine Schriftsteller haben keine Riesenschritte in den Wissenschaften gethan; dagegen paaren sie gute Kenntnisse mit Bescheidenheit und lassen nicht leicht von ihrer Phantasie sich fortreißen. Sie suchen keinen anderen Ruhm als: Aufklärung des Verstandes, Veredlung des Herzens und Förderung des Wohles der Menschheit; ihre Stoffe sind gut gewählt, ihre Darstellung ist klar und fließend, ihr Stil oft von musterhafter Eleganz. Den größten Rcichthum entfaltet die Armenische Literatur auf dem historischen Gebiete. Für den ältesten Historiker gilt ein gewisser Mar-JbaS-Kadina, der ungefähr ISO vor Chr. gelebt haben soll. Dieser schrieb angeblich in Griechischer und Chaldäischer (?) Sprache eine Chronik vom Ansang der Welt bis auf Tigranes I. und über gab sie dem Könige Bagardak, der das Buch in den Archiven seiner Residenz Ninive verwahren ließ. Ein zweiter Geschichtschreiber, Agathangelos, der im 4tcn Jahrhundert lebte, schrieb eine lüxtoiro <Iv 80N temp8, die besonders wegen ihrer Nachrichten über den alten Götzendienst der Armenier, ihre Tempel und Idole, und über die Einführung des Christenthums werthvoll ist. Dieses Buch wurde I70S zu Konstantinopel gedruckt. — Im Sten Jahrhundert blühte Moses von Chorene, mit dem Beinamen „der Gramma tiker". Dieser schrieb eine vollständige Geschichte Armeniens bis 400 u. Z-, außerdem eine kleine Geographie und andere minder wichtige Werke. Die Geschichte ist einmal ins Lateinische und meh rere Male ins Russische übersetzt worden. — JegischeWartabet, der gleichfalls im Sten Jahrhundert lebte, erzählt den Krieg der Armenier mit den Persern und andere vaterländische Begebenheiten von 330 bis 463 u. Z. Sein Werk gilt für ein Muster der Wohl- redenheit. Im I2tcn Jahrhundert lebte Nerses Klajezi, ein historischer Dichter oder Historiker in Versen. Dieser hat die ganze Geschichte seines Vaterlandes in sehr zierliche Verse gebracht, jedoch ohne Beimischung eigener Fiction; denn zu einer Epopöe konnte der Armenische Genius nie sich versteigen. Prächtige Ausgaben dieses Werkes erschienen in Amsterdam, Venedig, Konstantinopel und Rußland. — Michael Tschamtschan, ein Schriftsteller des IRen Jahrhunderts, verfaßte eine Geschichte von den ältesten Zeiten bis auf den Sturz des Arme nischen Reiches und ergänzte sie mit einer geistlichen Historie der Patriarchen bis zum Jahre 1784. Außer den erwähnten Historikern, die man als Sterne erster Größe (versteht sich, relative) betrachten kann, haben vom Sten Jahr hundert bis ins I8te noch eine Reihe Anderer gelebt, von denen sich kaum was Besonderes sagen läßt; Einige sind auch, wie cs scheint, unwiederbringlich verloren gegangen. An belletristischen Werken ist die Armenische Literatur sehr arm: das vielfache, obwohl größtcn- theils selbst verschuldete politische Unglück der Armenier und ihre endliche Zerstreuung über so viele Theile der Erde haben kein poeti sches Element bei ihren Schriftstellern wahrhaft gedeihen lassen; darf aber dreist annchmcn, daß dieses Element immer nur spär lich bei ihnen vorhanden war, da es sonst wenigstens in Elegiecn sich Lust gemacht hätte. Jetzt ist der Mittelpunkt aller Armenischen Bildung und Gelehr samkeit zu Venedig, hinter den Mauern des Klosters San Lazzaro. Die Armenische Sprache, oder vielmehr ein verderbter Vulgair- Dialekt derselben, wird außer dem Hochlande der Haik, wie die Nation sich selber nennt, auch in Kleinasien, Syrien, Mesopotamien, Adcrbidschan,' im Persischen Irak, Gilan und Mascnderan, in Jspa- han, Grusien, aus der Kaukasischen Linie, in Astrachan und am Don, in der Krim, der ganzen Europäischen Türkei, einem Theile des Oesterreichischen Kaiserthums, des ehemaligen Polens, und gegen Sonnenaufgang hin bis weit nach Indien — versteht sich, überall nur von Armeniern — gesprochen. Die reiche Mannigfaltigkeit des Laut-Systems seiner Muttersprache und, wenn er, was häufig der Fall, die letztere nicht mehr kennt, die angeborene Geschmeidigkeit seines Organs qualifizirt aber den Armenier, wie den Slawen, in eminentem Grade zur guten und reinen Aussprache jedes anderen Idioms. Herr Chopin, dessen Russisch geschriebener Abhandlung Lxamieoe O6naz>K>»re o^ooecuociixir (Kurze Ucbersicht der Armenischen Literatur) diese Skizze entlehnt ist, bemüht sich am Ende noch, uns über die Ursachen Aufklärung zu geben, warum eine Sprache von so unleugbaren Vorzügen bei der gelehrten Welt so lange und tief in Vergessenheit begraben lag, bis der rühmlichst bekannte Französische Gelehrte Saint-Martin ihren Leichnam wieder ausscharrte und ihm wieder Odem in die angefaulte Nase blies. Frankreich. Trenck vor dem Revolutions-Gericht. Der Baron Friedrich von Trenck, dessen Name sich durch seine lange Gefangenschaft in.Grätz und in Magdeburg in ganz Europa verbreitet hatte, erschien'äifi'^^Thcrmldor des Jahres II. (Juli 1794) vor dem Revolutions-Gerichte, unter der Anschuldigung, der geheime Agent des Königs von Preußen zu sepn und an emer Verschwörung der Gefangenen von St. Lazare Theil genommen zu haben. „Ihr Name? Ihr Altert Ihr Stand?" — Diese Frage richtete Herrmann an den Angeklagten, dessen hoher Wuchs über die Bajon- nette der Gendarmen hinauSragte. — „Baron Friedrich von Trenck, geboren zu Königsberg im Jahre 172«, früher Offizier m Preußischen und Oesterreichischen Diensten, jetzt Literat." — „Sie sind einer ver brecherischen Korrespondenz mit den Königen Europas angeklagt. ES ist ein Brief von Ihnen aufgefangen worden, den Ihnen der öffentliche Ankläger vorlegen wird und in dem Sie sich sehr zwei deutig über die Ereignisse der letzten Tage auüsprechen." — „Der öffentliche Ankläger ist getäuscht worden. Ich habe keinen Brief nach Deutschland geschickt. Schon lange bin ich nicht mehr in den Palästen heimisch, und wenn die Könige Europa's sich von den Vorgängen in Frankreich unterrichten wollen, werden sic sich nicht an einen Mann wenden, der sich immer als Anhänger des Volks und der Freiheit bewährt hat. Bürger", fuhr Trenck fort, indem er seine Arme ent blößte, „hier seht Ihr die Wundmale, welche der Despotismus meinen Gliedern aufgedrückt hat, und ich sollte diese Hand der Vertheidigung des Despotismus weihen! Nein, Ihr glaubt es nicht, Ihr dürft und könnt cs nicht glauben!" Diese mit großem Nachdruck gesprochenen Worte schienen die Richter zu erschüttern; unter den Zuhörern ließ sich ein Veifalls- aemurmel hören. Der Greis (Trenck zählte «i8 Jahre) war ausge standen; seine edlen Züge, die von weißen Haaren eingefaßt waren, strahlten im Wiederschein heiliger Entrüstung. „Sie können nicht leugnen, daß Sie der Korrespondent des Tyrannen Joseph's II. sind." — „Ich war es, aber ich bin es nicht mehr; übrigens wird cS mir^in Leichtes sepn, alle gegen mich er hobene Beschuldigungen zum Schweigen zu bringen, wenn Sie mir dazu Gelegenheit geben wollen." — „Sprechen Sie", sagte Herr mann— „Ich thue Einspruch", rief der öffentliche Ankläger Fouquier- Thinville; „der Angeklagte darf sich nicht länger in unnützen Ab schweifungen ergehen. Die Zeit des Gerichts ist kostbar; über vier zehn Gefangene soll bis um vier Uhr das Urtheil gesprochen werden; jetzt ist eö zwölf; wir haben keine Zeit zu verlieren." — „Sie haben keine Zeit zu verlieren!" rief Trenck unwillig; „die wenigen Augen blicke, welche Sie der Vertheidigung eines Angeklagten bewilligen, halten Sie also für verloren?" — „Sprechen Sie, Angeklagter", sagte der Präsident. — „Dann, Bürger Präsident", fiel Fouquier- Thinville rin, „bin ich nicht mehr —" — „Bürger Ankläger",