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Beilage zu Rr. 96. 1896. -- Jahrga»,. - Sonntag, den 26. April Friedrich Wilhelm m. «nd Königi» «nise. ES war <n den ersten Tagen seiner Regierung, da stand der König Friedrich Wilhelm III. mir seiner Gemahlin, der vom Volke beinahe angebeteten Königin Luise, einmal im Schlosse vor einem Fenster. Die Königin hatte den Kronprinzen selbst auf dem Arme und ließ ihn mit einigen Goldstücken spielen. Da nähert« sich ein Msähnger, dürftig aber reinlich ge kleideter Manu dem Fenster, verbeugte sich und ohne daö königliche Paar zu kennen, sagte er zu dem Könige: «Gewähren Sie, mein Herr, einem alten, von uvdankbaren Töchtern verlassenen Manne ein Al mosen; mein einziger Sohn ist Soldat und steht jetzt iu der Demarkationslinie." Der König öffnete beide Flügel des Fenster- und antwortete, ohne sich weiter auf Fragen und Erkundigungen «inzulaffen, huldreich dem Bittenden: „Wende Er sich an diese Frau, mein Freund! Er sieht, sie läßt Kinder mit Goldstücken spiele» und wird für einen armen, von Kindern verstoßenen Vater gern etwas übrig haben; ich habe meine Börse nicht bei der Hand." Die Königin gab de« kleinen Kronprinzen vier FriedrichSd'or in die Hand und sagte zu ihm: „Lieber Fritz, gieb sie dort dem Manne". Der Prinz warf sie erfreut in den Hut deS Grei- seS, der über diese unerwartete reiche Gabe ganz bestürzt wurde und, von Rührung und Dark hinge rissen, mit Thräneu im Auge das Fenster verließ. Kaum war er zehn Schritte gegangen, als die Königin ihm nachrief: „Freund, komme Er Loch noch einmal hierher." Der Alte kam zurück. „Wie heißt Er, mein Freund?" fragte sie. „Ich heiße Berghoff", erwiderte dieser, „bin ehemals Sattler in Brandenburg gewesen, habe Friedrich dem Großen 23 Jahre treu gedient, und meinen ehrlichen Abschied atS Sergeant erhalten." „Ohne Pension?" fragte die Königin, und seine Antwort war: „Ja, Madame". „Dieser Herr hier", sagte sie nun, indem sie auf den König hinwieS, „sagt zwar, er habe seine Börse nicht bei sich; aber er hat Tinte, Feder und Papier. An ihn wende Er sich; seine Handschrift ist so gut wie Geld." Der König, gerührt über diesen ebenso gemüt vollen als naiven Einfall seiner liebenswürdigen Ge mahlin, ging von dem Fenster zurück, setzte sich an seinen Schreibtisch und kam mit einem Zettel zurück, worauf die Worte standen: „Dem alten Berghoff auS Brandenburg sind 12 Thaler monatliche Pension aus der ordentlichen KriegSkafse zu reiche». Friedrich Wilhelm. An daS Kriegszahlamt zu Berlin." Nun wurde Berghoff, der lesen konnte, erst ge wahr, daß eS daS Königliche Paar war! Sein Herz wollte sich in den stärksten Ausdrücken des DankeS und in den heißesten Segenswünschen ergießen, allein der König wartete diese Szene nicht ab, sondern schloß die Fenster wieder, entfernte sich schnell und überließ den grauen Krieger den Eindrücken einer ebenso frohen als außerordentlichen Ueberraschung. T«,e»«efchichte 8 Di« Fahrkartenpiüfung ist im Anschluß an ein« frühere Verfügung bei den fahrenden Eisenbahn- zügeu vom Trittbrett au« nun auch auf den Neben linien der preußischen StaatSbahnen untersagt wor den. Bet deu nicht aus Durchgangswagen gebilde ten Zügen sollen die Fahrbeamten mit allen Kräften dahin streben, daß die Fahrkartenprüfung während deS Aufenthalt- au deu Stationen zu Ende geführt wird. Veranlaßt ist diese Verfügung durch mehr fache Unglücksfälle infolge der Fahrkartenprüfung vom Trittbrett aus. 8. „Hier bringe ich Ihnen meine Kadetten, neh men Sie sie gütig an" — mit diesen Worten über gab die Kaiserin dem Kommandeur der Kadettenanstalt zu Plön, Oberstleutnant Grafen Schwerin, die beiden ältesten Prinzen. Der Mutter ist das Schei- deu von ihren Kindern recht schwer gefallen. Al bie TrennungSstunde schlug, nahm die Kaiserin sicht lich bewegt herzlichen Abschied von ihren Lieblingen; die Hofwagen waren bereits vorgefahren, aber noch einmal ging die hohe Frau in- Palais zurück. In zwischen war der kaiserliche Hofzug bei der neuen Haltestelle vorgefahren, die Kalserin bestieg ihren Wagen, während die Prinzen, am Fenster stehend, der lieben Mutter mit den Taschentüchern uachwink- ten. Als die Kaiserin allem im Wagen durch da« Spalier bildende Publikum zur Haltestelle fuhr, zit terten in ihren Augen noch Thräneu, und wehmütig lächelnd dankte sie für die brausenden Hochrufe. — Wie übrigens in letzter Stunde bestimmt worden ist, soll der junge Sohn der Freifrau v. Arnim, welcher ein Gespiele der kaiserlichen Prinzen ist, gemeinsam mit denselben erzogen werden. BermifchteO. * Lin Neger über den deutschen Kaiser. Bei einer Katserfeierlichkrit in Kamerun hielt der Neger Abel vor den Buschleuten folgende vom „Basler Mlssionsmagazin" wortgetreu übersetzt« Rede: „Der deutsche Kaiser ist der mächtigste und klügste Mann in der Welt. Ec sieht die Schätze im Innern der Erde uud läßt sie herausholen! Er läßt eiserne Fäden um die Welt spannen, uud sobald er die Fädrn berührt, fahren seine Worte in die Welt hinaus! Er hat Dampfschiffe, die auf trockenem Land herumfahren l Wenn etu Berg im Wege steht, so läßt Ler Kaiser ein Loch durch den Berg stoßen! Ist ei» Fluß im Wege, so baut er «in« Straße durch die Luft! Obgleich der deutsche Kaiser reicher ist al« alle anderen Menschen zusammen, so hat er doch nur eine Frau, und obgleich seine Frau die schönste von der Welt ist, so hat er doch nichts für sie bezahlen müssen!" * Ueber den einzigen deutschen Feldgeistlichen, der im Kriege 1870/71 gefallen ist, wird folgende« mitgeteilt: Der evangelische DioisionS - Prediger Friedrich Schwabe war schon 1866 als Feldgeist licher mit im Kriege gewesen, nahm aber dana eine Landpsarrerstelle in SchwertnSburg bei Anklam an. Trotzdem ihm dann aber kurz vor der Kriegserklä rung von 1870 sein sechstes Kind geboren worden war, meldete er sich sofort wieder und kam zur 22. Division. Seiner Krieger-Gemeinde stand er auf opfernd allezeit mit Wort und That bei und tröstete sie Sterbenden, half den Verwundeten ohne Rück- sicht auf eigne Gefahr. Im Oktober war seine Klei dung so mitgenommen, daß er sich in Orleans neu auSrüsten mußte. Er konnte aber nur einen weißen Mantel erwerben und dieser muß wohl bei Chateau- dun die Augen deS Feinde- besonder« auf sich ge zogen haben. Im fortschreitenden Gefecht die Ein richtung eines neuen Verbandsplatzes in- Auge fas. ser d, sp engte Schwabe zu dem auf einer Anhöhe im Gewehrfeuer haltenden Obersten heran. Sofort pfiffen die Kugeln dichter, der weiße Mantel machte die feindlichen Schützen aufmerksam und gleich darauf drang dem Feldgeistlichen ein Schuß über dem linken Auge in die Stirn. Am nächsten Tage sollte er mit kriegerischen Ehren bestattet werden. Doch Allarm unterbrach die Handlung und so senkte man den Toten schnell ins Grab und rückte sofort in der Rich tung auf Chartres ab. DeS Divisions-Prediger« Friedrich Schwabe Grab deckt heute ein einfaches Denkmal. GoldkSrwer. So lange der Mensch jung ist, will er auf Niemand hören, «nd wenn er alt ist, will Niemand auf ihn höre». Schafft frohe Jugend euren Kindern, Des Lebens Heimsuchung zu mindern! Wer jung schon viel erfahren Gates, Trägt auch das Schlimme leichtern MuteS: Er weiß, eS giedt ein Glück auf Erden, Und was einst war, kann wieder werden; Erinnerung an Schöne« nährt Die Hoffnung, die den Schmerz verklärt. Friedrich Bodenstedt. Au» der Kinderstube wird die Welt regiert. A. Tholuck. Willst du geistreich erscheinen, Mußt du alle- verneinen, Was man als groß und erhaben preist, Doch hast du wirklich im Hirne Seist, So wird dir selbst aus den kleinsten Dingen Erhabene- und Große« entgegenspringen. Bodenstedt. F««Ui«*»<chrichten Geboren: Hrn. Amtsrichter Hertwig in Markranstädt ein K. Gestorben: Frau Erdmuthe verw. Weber geb- v. Schindler in Leipzig-GohliS. — Hr. vr. iuo6. Robert Weickert in Leipzig-Eutritzsch. — Frau Marie Dusour Fernonce geb. Lampe in Leipzig. — Frau Alma Gumpert geb. Harnisch in Roßwein. — Fran Wilhelmine verw- Sachse in Leip zig. — Hr. LandgerichtSrat a. D. Robert Hoffman» in DreSden-A. Die seltsame Heirat. Roman aus dem Amerikanischen von August Leo. lis i Nrchdru-k verdotru. (Fortsetzung.) Ba» Ruble » sprührud« Augen sandten Duvar einen Blitzstrahl nach, al« sei« Wagen der Stell« zufnhr und durchsuchte bau» rasch di« Umgebung. Die Spuren der Wagenräder und die Fußtritte der beiden Männer zeigte» sich deutlich in dem weichen, feuchten Erdboden und führten gerade zu de« Boote, welche« jetzt auf Duvar'« Befehl ein Spiel der Wel len war. Ruble'« scharfer Blick entdeckte dasselbe, al» e» schon außer seinem Bereiche war. Er sprang au» dem Wage» und teilte die Wogen, bevor noch die Pferde stände». Er erreichte e» und wollte hinein klettern, al» sich sein Arm in dem Seile verwickelt« und er fühlte, daß da» Ende desselben für sei» eige ne- Gewicht zu schwer war. Einige Augenblicke später hielt er die steife, kalt«, bewußtlose Gestalt seiner Schwester in den Armen. Sie hatte sich da- Seil um die Taille geknüpft, als sie au« dem Boote glitt und in dem Rauschen der Wasser-, dem Peitschen de- Sturme» war Duvar nicht im Stande gewesen, sie zu sehen. Al» dann da-Boot eilig dem Ufer zufuhr, hatte weder er, noch der Kutscher die kleinen Häude bemerkt, die sich krampf haft an den Rand klammerten, so lange sie die Kraft dazu hatten, doch endlich erschöpft ihren Halt loS- ließen, so daß nur da» Seil Elix hielt. Sie mit einem leidenschaftlichen Kusse auf den Boden de» Bootes legend, ergriff Ban die Ruder und fuhr dem nahen Ufer zu. Al» er die nass«, leb lose Gestalt in den Wage» hob, brach ein Stöhnen über seine Lippen. „Gott sei dem Mörder gnädig, wenn sie tot ist!" flüstert« rr. Doch Elix war nicht tot; lange und ausdauernde Pflege rief sie wieder in'» Leben zurück; doch sie war ein so schwächliche- nervöse- Geschöpf, so furcht- sam und halb wahnsinnig von dem, was st« durch gemacht, daß Ban, als er die unerwartete Nachricht einer sie in AaSstralien erwartende» Erbschaft er hielt, beschloß, die Sache persönlich zu untersuchen und zu gleicher Zett seine teuer« Schwester von Allem, was sie a» ihre früheren Leiden und ihre Furcht erinnern konnte, zu entfernen. In Australien also ist eS, wo wir einige Jahre später dem Leser diese- zärtliche Geschwisterpaar wieder vorführen. Sie hatten jahrelange Schwierig keiten und Hindernisse zu bekämpfen, ehe sie zu dem Werke zurückkehren konnten, welche- sie sich getobt, unermüdlich zu verfolgen. „Endlich ist e« vorüber! Wir haben de» Pro zeß gewonnen und nicht- hält uns jetzt hier länger!" sagte Bau, al- er da- Zimmer betrat, tn dem seine Schwester ihn erwartete. Schöner al« je, mit einem Reize ausgestattet, der sich kaum beschreiben läßt, war jetzt Elix Sever, trotz Allem, waS sie gelitten. Al« sie den blitzenden, goldfunkeludeu Blick zu ihrem Bruder aufschlug, spielte et» weiche«, freudige« Lächeln um ihre Lippen. „Endlich!" wiederholte sie mit einem Toue, der wie ein Fehderuf klang, „endlich, Mylady, kommen wir!" „Lady Dare ist wahrscheinlich noch in Paris!" sagte Ban. „DaS werden wir sehen. Jedenfalls gehen wir da zuerst hin", erwiderte Elix. „Bist Du noch immer entschlossen, diesem Weibe gegenüber zu treten?" fragte Bau ängstlich. „Ist das auch wirklich klug und vorsichtig?" „Du glaubst, ich wage «S nicht?" fragte seine Schwester mit einem seltsamen Lächeln. „Ja, Du hattest doch früher «ine so wahnsinnige Augst vor ihr". „Wahnsinnig — ja, da« ist da- rechte Wort. Ich war toll vor Furcht. Hatte ich nicht genügen den Grund? Von der Stunde an, wo sie, MagnuS Sever liebend, trotzdem sie einen Anderen geheiratet hatte, eS zu Stande brachte, mich, ein bloße» Kind, zu seiner Frau zu machen, nur damit er «ine Andere nicht heiraten sollte, auf die sie eifersüchtig war — von dieser Stunde an, in der ich sie kennen lernte, habe ich Ursache gehabt, Sylvia Dare zu fürchteu — bis jetzt. Du hast doch nicht vergessen", fuhr sie fort, „wie sie mich zufällig in dem angenehmen Hause, indem Du mich als Gouvernante unter gebracht, kennen lernte, und wie sie, die soviel älter war al- ich, nicht nur au Jahren, sondern auch a«