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nicht unbedeutende Barschaft hatte er in einem Zug beutel bei sich und dies mochte seinen Begleitern in die Augen gestochen haben. Schließlich waren die beiden Unbekannten Plötzlich verschwunden, mit ihnen aber auch der Geldbeutel des biederen Provinzlers. Um eine Erfahrung reicher, mußte dieser ohne Geld die Heimreise antreten. — Dresden, 10. Dez. Der orkanartige Schneesturm der letzten Tage hat dem Eisenbahnbe trieb auch innerhalb Sachsens schwere Störungen gebracht. Die Linie Freiberg-Halsbrücke ist noch immer verweht und kann bis auf weiteres nicht be fahren werden. Einem gleichen Schicksal ist nun auch die Strecke Brand-GroßhartmannSdorf verfallen, dieselbe ist seit gestern für den Gesamtverkehr ge sperrt. Daß der Schneesturm ein ganz außerge wöhnlich heftiger gewesen, erhellt auch daraus, daß aus der Hauptbahn Dresden-Chemnitz gestern der zrüh 5 Uhr 18 Min. vom hiesigen Altstädter Haupt bahnhofe abgclassene Münchener Schnellzug in den Einschnitten bei Niederbobritzsch im Schnee stecken geblieben ist. Der Verkehr wurde zwar aufrecht erhalten, doch ist derselbe bis gestern vormittag gegen 10 Uhr auf ein Gelcis beschränkt geblieben. Einige der Gebirgsltnien hatten Störungen im Betriebe schon leit vorgestern früh. So war die Linie Anna- berg-Weipert, bekanntlich in der Regel eine der ersten, die von Schneeverwehungen betroffen wird, am Sonn tag früh für allen Verkehr gesperrt, die sofort ein geleiteten Räumungsarbeiten legten aber den bei Craozahl stecken gebliebenen Früb-Pcrsonenzug bald frei; so daß gegen Mittag der Zugsverkehr wieder ausgenommen werden konnte. Srärker als hier noch zeigte sich die Verwehung des einen Gleises der Linie Riesa-Chemnitz. Auf dieser Linie war der vormittags 11 Uhr 24 Min. in Chemnitz fällige Riesaer Personenzug nicht durch die zwischen Alt« Mittweida und Oltendorf angehäuften Schneewehen zu bringen; er erlitt dort einen unfreiwilligen Auf enthalt von nahezu 2 Stunden und traf erst nach mittags nach 1 Uhr in Chemnitz ein. Das Gleis konnte auch bis jetzt noch nicht betriebsfähig gemacht werden. Die Züge anderer Linien hatten ebenfalls infolge der nassen, mit Lchneeschlickcr bedeckten Schienen ein schweres Fortkommen; die hier und da daraus erwachsen mußten, haben aber zu Anschluß- Versäumnissen nicht geführt. — Dresden, 10. Dezbr. Eine entsetzliche Mordthat hat sich vorgestern morgen in dem Dörf chen Doberzeit zugetragen, über die der „Pirn. Anz." folgendes meldet: Eine fieberhafte Aufregung bemächtigte sich des kleinen, aus noch nicht 20 An- wefen bestehenden Ortes, als mit Blitzesschnelle von Mund zu Mund die Nachricht ging: Oekonom Michel hat seine drei Kinder erschlagen. Der in den 30er Jahren stehende Mann ist der Schwiegersohn eines Gutsbesitzers im Orte, welcher die Wirtschaft noch selbst verwaltet, wobei er von Michel unterstützt wird. Das Ehelebsn des Michel soll kein gutes gewesen fein; wiederholt sei seine Frau von ihm mißhandelt worden, so daß sie in letzter Zett voll ständig getrennt lebten. Am Sonntage war Michel mit den übrigen Gutsbesitzern des Ortes im Gast hofe, wo Bratwurstschmaus und Tanzmusik abge- halten wurde. Gegen 2 Uhr nachts ist er nach Hause gegangen, wo er mit seiner Frau noch einen Wortwechsel gehabt haben soll. Dann hat er sich niedergesetzt und hat mit Bleistift einen an den Herrn Pfarrer gerichteten Brief geschrieben, worin er sagt, daß er die Absicht habe, seine Kinder um zubringen und bittet, seine Verzeihung zu erflehen. Um 7 Uhr, während seine Frau und Schwieger mutter im Stalle die Kühe melkten, ist der Unhold zur Ausführung seine, entsetzlichen That geschritten, und ein leichtes Hinken machte die Verstellung voll ständig. Delawares Verkleidung war leichter ge schehen. Etwas rotbraune Schminke, das Haar grau gefärbt, ein großer Schnurr- und Backenbart machten den hübschen Aubrey Delaware zu einem stattlichen, militärisch aussehenden Mann. Holmark rieb sich vergnügt die Hände, und er klärte, daß sein Untergebener ihn übertroffen habe; nur fügte er noch hinzu: „Ich kann Ihnen beiden nur reten, von Ihren Augen so wenig Gebrauch als möglich zu machen, das jugendliche Feuer, welches daraus strahlt, könnte zum Verräter werden". „O, entgegnete Delaware, „unsere gemalten Augenbrauen und die tiefen Linien mildern dasalles, das Auge selbst ist nicht von solcher Wichtigkeit. Sie würde Miß Vernon trotz ihrer Augen nicht er kannt haben". „Ich nicht, aber ihr Bruder vielleicht". „Ich glaube es nicht, Mr. Holmark", meinte Delaware lächelnd. „Nun, mein Fräulein, was wollen wir vorstellen?" „Was Sie für das Beste halten", antwortete Olive. „Etwas, das unsern Accent verbirgt," meinte Delaware. „Sie sprechen fertig französisch — können Sie vielleicht auch irgend welchen Dialekt?" „O, gewiß." „Gut, so bin ich Nonsisur Io suxituius Cor- veau und Sie sind meine Schwester. Sie haben sich soeben das Handgelenk verrenkt und bitten Dok tor Vernon um seinen ärztlichen Beistand. Ein an deres Leiden dürfen wir nicht wählen, wir könnten mit einer Mangelkeule hat er seinen beiden Mädchen im Alter von 7 und 4 Jahren und seinem Jungen im Alter von 2 Jahren die Köpfe eingeschlagen. Das letztere Kind hat auch eine Stichwunde an der Stirn, die von einem sp'tzen Instrument herrühren soll. Das Geschrei und der Jammer der Kinder lockte den im Hofe befindlichen Drescher herbei, auf den Michel ebenfalls mit seinem Mordinstrumente eindringen wollte, aber von diesem mit eisernen Fäusten gepackt und später mit Stricken gebunden wurde. Den erschrocken herbeieilenden Leuten bot sich nun ein gräßlicher Anblick dar: aus den zer trümmerten Köpfen der armen Kinder rann Vas Blut hervor, Bett- und Fußboden blutigrot färbend. Herr Dr. med. Blanckmeister-Lohmen leistete die erste Hilfe; seine Feststellung ergab, daß das älteste Kind schwerlich mit dem Leben davonkommen wird, wäh rend bei den übrigen beiden dies wahrscheinlicher ist. Der Rabenvater wurde alsdann unter sicherer Be wachung nach Pirna gefahren und dem Königlichen Amtsgericht übergeben. Nach zuverlässigen Angaben der Ortsbewohner hat Michel schon seit langem an fixen Ideen gelitten, woran der von ihm wahllos und in Massen verschlungene Lesestoff schuld sein mag. — Zwickau, 10. Dez. Gestern abend gegen */s7 Uhr eignete sich auf hiesigem Hauptbahnhofe ein Unfall dadurch, daß eine aus dem Heizhause kommende Lokomotive dem nach Werdau ausfahren den Arbeiterzuge in die Flanke fuhr. Hierdurch kam der Arbeiterzug zur Entgleisung, doch wurden glück licherweise Menschen nicht verletzt, Der entgleiste Zug sperrte beide Reichenbacher Hauptgleise b>s gegen ^12 Uhr nachts, zu welcher Zeit die Auf gleisur gsarbeiten beendet waren. Die sofort einge leitete Untersuchung wird ergeben, wem die Schuld an dem Vorfälle beizumessen ist. — In Johanngeorgenstadt macht sich der Bau eines neuen Schulhauses dringend nötig. Die Baupläne sind bereits fertig gestellt; der Schul neubau selbst ist auf 200,000 Mk. veranschlagt worden. Zu dem Baue soll die Staatsbeihilfe 20,000 Mk. betragen, ebenso steht eine staatliche Beihilfe zur Verzinsung und Amortisation des Kapitals in Aussicht. Das alte Schulhaus soll, falls der Neu bau ausgesührt wird, verkauft werden. — Riesa, 10. Dez. Viel Arbeit hat ein zu einer kleineren Zirkusgesellschaft gehörendes Kunst reiterpaar, das jetzt den Bund fürs Leben zu schlie- ßen gedenkt, den Standesämtern bereitet. Das Auf gebot der beiden jungen Leute, das hier beantragt worden ist, hat nämlich in 22 Orten des Reiches, und zwar auf der Strecke von Frankfurt a. O. nach dem Königreich Sachsen, veröffentlicht werden müssen. Diese 22 Orte hat die Gesellschaft in den letzten 6 Monaten zu längerem oder kürzerem Aufenthalt be rührt und nach den gesetzlichen Bestimmungen mußte überall, darunter auch in mehreren Berliner Vor orten, das Aufgebotsverfahren bekannt gegeben werden. 8 G r ei'z, 9. Dez. Der gefährliche, unlängst aus dem Landgerichtsgefängnis zu Greiz entsprungene Einbrecher, Bäcker und Handarbeiter Keil aus Herr- mannsgrün bei Greiz, der durch sein Entweichen die ganze hiesige Umgegend in Aufregung versetzt hatte, ist jetzt in Pausa festgenommen und in das hiesige Landgerichtsgefängnis wieder eingeliefert worden. 8 Altenburg, 8. Dezbr. In der hiesigen Frauengass: fiel ein zweijähriges Kind, welches am Fenster gespielt und dasselbe geöffnet hatte, drei Stock herab. Im Fallen schlug es auf einen Pflau menbaum auf und fiel dann sanft auf den Rasen ohne den geringsten Schaden genommen zu haben. — Einem hiesigen Hausbesitzer wurden aus seinem Keller seit einiger Zeit öfters Viktualien gestohlen, ohne daß er trotz Veränderung des Schlosses des sonst falsche Symptome angeben, ein verrenktes Hand gelenk aber —" „Muß zum Mindesten rot aussehen," fuhr Olive lachend in seiner Rede fort, wobei sie ihm ihr feines, zartes Handgelenk hinhielt. „Das soll es bald, wenn Sie mir gestatten, Ihnen ein wenig wehe zu thun." „8'il vou8 xla.it, inousisur." Delaware ergriff ihr Handgelenk, anfangs leicht, dann faßte er es fester und seine kräftigen Finger legten sich wie eine eiserne Klammer um das zarte Gelenk, so daß Olive vor Schmerz die Lippen fest aufeinander preßte. „So," sprach er, sie schnell wieder loslassend' „ich thue einer Dame nicht gern weh; doch wenn wir das kurz vor dem Hause noch einmal wieder holen, wird es genügen. Kommen Sie. ^.ursvoir, Holmark." Der verkleidete Geheimpolizist und seine Agen tin entfernten sich, stiegen in einen Wagen und fuh ren davon. * * * Doktor Vernon war eben von seinen Morgen besuchen heimgekommen, als ihm zwei Patienten gemeldet wurden. In seinem Sprechzimmer fand er einen Herrn und eine Dame. „Guten Morgen, Monsieur," redete ihn der erstere an. „Haben wir daS Vergnügen, Monsieur Doktor Vernon zu spreken? Wir beide nicht spreken vieles englisch." Wilford antwortete ihm in elegantem Französisch. -O Diebes habhaft werden konnte. Sein Nachbar, ein geschickter Schlaffer, dem er sich anoertraut, riet ihm zu einer elektrischen Leitung. Dieselbe wurde denn auch in unauffälligster Weise gelegt und, siehe da, nach etwa acht Tagen ertönt plötzlich des Nachts die elektrische Glocke. Schleunigst begiebt er sich nach dem Keller und findet da die Frau eine« MietsbewohnerS mit Aepfeln, sauren Gurken rc. reich beladen in der geöffneten Kellerthür, welcher er den Diebstahl am wenigsten zugetraut hatte. So hatte das Mittel doch geholjen! — Vorgestern abend wurde bei Lucka, S.-A., die arme Handelsfrau Herrschet auf dem Nach hausewege von einem Unbekannten angefallen und nach arger Mißhandlung ihrer Barschaft von fast 10 Mark (ihrer ganzen Tageseinnahme) beraubt. Der Thäter ist entkommen. ß Berlin, 10. Dez. Der „Vorwärts" meldet: Die Sozialdemokraten bringen die Jnitiativ-Anträge ein, u. a. solche betreffend die Abänderung des Straf gesetzbuches, betreffend die Errichtung obligatorischer Gewerbegerichte, achtstündiger Arbeitszeit, Aufhebung der dein Statthalter von Elsaß-Lothringen übertrage nen außerordentlichen Gewalten und die Einführung des Reichsgesetzes für die Presse in Elsaß-Lothringen. § Der Maler Adolf Menzel inBerlin wurde am vorigen Sonntag aus Anlaß seines achtzigjährigen Geburtstages mit Ehrungen und Auszeichnungen aller Art reich bedacht. Den Höhepunkt der Fest lichkeiten, die dem Meister zu Ehren veranstaltet wurden, bildete das am Abend in den glanzvoll her gerichteten Räumen des Kroll'schen Etablissements veranstaltete Huldigungsfest des „Vereines Berliner Künstler". ß D^r neue Minister des Innern, Freiherr v. d. Recke v. d. Horst, ist geboren am 2. April 1847 in Berlin. Sem Vater war Wirklicher Geh. Ober- Regierungsrat und Ministerial-Direktor. Nachdem ec den Feldzug 1870/71 bei dem2. Garde-Dragoner- Regiment mit gemacht hatte, legte er im Jahre 1873 das Gerichtsassessor-Exrmsn ab und wurde ein Jahr darauf aus dem preußischen Justizdienst behufs Ueber- tritts in den Staatsverwaltungsdienst in Elsaß- Lothringen entlassen. Hier wurde er zunächst als außerordentlicher Hilfsarbeiter bei dem Bezirks-Präsi denten in Colmar und später als Kreis-Assessor in Mülhausen i. E. beschäftigt. Mitte des Jahres 1877 wurde er mit der kommissarischen Verwaltung des Landratsamtes des Kreises Eckernförde beauf tragt und Ende 1877 zum Landrat daselbst ernannt. 1881 wurde er in das Ministerium des Innern be rufen, wo er bis 1887 als vortragender Rat wirkte, 1887 zum Regierungs-Präsidente» in Königsberg er nannt und 1889 in gleicher Eigenschaft nach Düssel dorf versetzt. Wie diejenigen, welche ihm dienstlich oder persönlich näher getreten sind, übereinstimmend bekunden, ist Freiherr v. d. Recke v. d. Horst ein zuverlässiger, vornehmer Charakter, ein Mann von seltener Arbeitskraft und Arbeitslust. Der Regie rungsbezirk Düsseldorf sieht ihn mit aufrichtigem Bedauern scheiden. 8 Mannheim, 10. Dez. Durch vorzeitige Entzündung eines Sprenggeschosses bei den Kanal arbeiten in Wollach wurden zwei Italiener getötet und zwei schwer verletzt. 8 Köln, 10. Dez. Die „Kölnische Zeitung" stellt, offenbar inspiriert, nochmals ausdrücklich fest, daß die Behauptung, der Reichskanzler Hohenlohe sei im Kampfe gegen die Umsturzparteien erlahmt und weniger geneigt, entschieden aufzutreten, durch aus unbegründet sei. Mit der Frage der Bekämpfung der Sozialdemokratie habe der Rücktritt Köller's nichts zu schaffen. Auch der neue Minister werde zweifellos mit aller Entschiedenheit und allen zweck dienlichen Mitteln, soweit sie die Gesetze darbieten, „Womit kann ich Ihnen dienen? Over ist es muckuras — Ihre Frau Gemahlin, vermutlich — welche meiner Dienste bedarf?" dabei wendete er sich dieser zu. .Muckums" errötete ein wenig, teilte ihm aber in etwas unreinem, dialektischem Französisch, das sie mit unmelodischer, ziemlich rauher Stimme sprach, mit, daß sie sich die linke Hand verrenkt habe und den Herr» Doktor bitte, ihr etwas zu geben, das den Schmerz lindere, der sehr empfindlich sei; — sie konnte das mit gutem Gewissen sagen, denn das arme kleine Handgelenk hatte vor einer Minute erst zum zweiten Mal in dem eisernen Griff gelegen. Wilford besah es, lächelte und amüsierte sich innerlich über die zierliche Französin, die um eine derartige Kleinigkeit solchen Lärm machte; sagte ihr, die Sache sei nicht gefährlich, da das Gelenk, wenn auch rot, doch nicht geschwollen sei, er werde ihr etwas zum Zinreiben verschreiben. Er that es und reichte ihr das Rezept, erhielt dagegen überschwengliche Danksagungen und eine Guinea, worauf er das vermeintliche alte Ehepaar zur Thür hinauskomplimentierte. Sobald sich die beiden sicher im Wagen wuß ten, überließen sie sich ungestört ihrer Heiterkeit, wobei. Olive auch die leichte Befangenheit verlor, in welche ihres Bruders Irrtum sie versetzt hatte. „Er hatte keine Ahnung davon, wer wir sind," sagte sie endlich. „Ich habe mich aber auch sehr be müht, meine Rolle gut durchzusühren." (Fortsetzung folgt.)