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Wochen- und NachMMlatt zugleich MM-InzeiM für Kchiimf, Jödlih, ZMdorf, Lübars, A. LOim, LkiUiHsoff UmeilM md Mw. Amtsblatt füv den Stadtrat zu Lichtenstein. -——- -— - ———— 45. Jahrgang. —————-—— —-— —- Nr. S56. ».»>«.-«.!.>», Sonntag, den 3. November 1895. Dieses Blatt erscheint täglich (außer Sonn- und Festtags) abends für den folgenden Tag.' Vierteljährlicher Bezugspreis 1 Mark 25 Pfennige. — Einzelne Nummer 10 Pfennige. — Bestellungen nehmen außer der Expedition in Lichtenstein, Markt 179, alle Kaiser!. Postanstalten, Postboten, sowie die Austräger entgegen. — Inserate werden die viergespaltene KorpuSzelle oder deren Raum mit 10 Pfennigen berechnet. —- Annahme der Inserate täglich bis spätestens vormittag 10 Uhr. LagesZKschßchte. Lichtenstein. Dieser Tage ist eine Statistik der Gewerbegerichte ver öffentlicht worden, d'e sehr erfreulichen Aufschluß über die rasche Verbreitung dieser bis 1890 dem größten Teile Deutschlands unbekannt ge- bliebenen Einrichtung giebt. Leider zeigt sich bei der Besetzung der Gewerbegericht« die Erscheinung, baß an den meisten von ihnen auch die Arbeitgeber durch Sozialdemokraten vertreten sind. Es ist über dieses Zeichen bürgerlicher Indolenz schon viel ge klagt worden, ohne daß eine merkliche Besserung eingetreten wäre. Leider hat es den Anschein, als ob diese Gleichgiltigkeit nicht nur bei den Wahlen zu den Gewerbegerichten sich offenbare, sondern auch dem Gesetze gegenüber, das von diesen Gerichten ge handhabt wird, der Gewerbeordnung. Auf einer Besprechung von Gewerbegerichts-Beisitzern, die vor einiger Zeit in Leipzig stattgefunden hat, lag eine Petition aus Berlin vor, welche die Einführung der Berufung gegen die gewerbegsrichtlichen Urteile an die Amtsgerichte fordert. Es erhob sich für dieses Verlangen keine Stimme, dagegen wurde (von dem Bürgermeister einer großen preußischen Stadt) erklärt, „daß die Arbeitgeber viel weniger als die Arbeit nehmer mit den Bestimmungen der Gewerbeordnung bekannt seien und vielfach Urteile zum Gegenstand des Angriffs machten, die nach den klaren Bestim mungen der Gewerbeordnung nicht anders ergehen könnten." Es ist gewiß, daß durch solche Feststel lungen die sozialdemokratische Berühmung mit einer die bürgerliche übertreffenden geistigen Regsamkeit der „Genossen" einen Schein von Begründung erhält und schon deshalb sollte man hoffen dürfen, daß Dergleichen dieser Art von dem bürgerlichen Elemente der Boden entzogen werden wird. — Getreidelagerhäuser sollen auch in Sachsen errichtet werden. Der Landwirt würde an sie die Ernte ablieferu und auf Wunsch Vorschuß darauf erhalten. Ist der günstigste Augenblick da, so wird das Getreide im Großen verkauft, sodaß Börse und Zwischenhandel kaum noch nötig sind und aller Gewinn den Gauern selbst zufließt. Der Lan deskulturrat hat sich mit dieser Frage befaßt und beschlossen, zunächst die bereits bestehenden Lagerhäuser zu besichtigen. — Geringste Fahrwaffertiefen auf de« säch sischen Elb ström st recke am 30. Oktbr. 1895 bei einem Wasserstande von 131 Centimeter unter Null am Dresdner Pegel in Centimetern: Schöna bis Schandau 113,. Schandau bis Rathen 113, Rathen bis Pillnitz 113, Pillnitz bis Dresden (Al bertbrücke) 115, Dresden (Albertbrücke) bis Meißen (Eisenbahnbrücke) 110, Meißen bis Riesa 107, Riesa bis Landesgrenze 125. — Leipzig, 1- Nov. Als gestern Abend gegen 10 Uhr der 17jährige, aus Lindenau gebürtige Schreiber Alfred Klinger von da auf der Fahrstraße nach Leutzsch ging, begeg- neten ihm im Wald drei Unbekannte, mit ihm etwa gleich alterige junge Burschen, welche ihren Schabernack mit ihm trieben und ihn schließlich zu einem Sprung in den Straßen graben zwangen, wobei sie sich unbändig amüsierten. Als Klinger sich aus dem Grabeu emporrichtete, sah er etwas Blankes blitzen, hörte gleich darauf einen Knall und fühlte einen Schmerz in der rechten Schulter. Die drei jungen Burschen entfernten sich nunmehr schnell nach Leutzsch zu. Der von Klinger zugezogene Arzt hat eine durch ein sehr kleines Kaliber hervorgebrachte Schußwunde in der rechten Schulter konstatiert. Nach Lage der Sache scheint es sich um ein beabsichtigtes Attentat nicht zu handeln. — Plauen. Zu dem unlängst erwähnten Auftreten zahlreicher kleiner schwarzer Raupen in der Umgebung unserer Stadt schreibt ein Naturkundiger: „Nach meiner Unter suchung haben wir es hier nnt einer Käfsrlarve zu thun, nicht aber mit einer Schmetterlingsraupe. Die sechs Beine, >im Gegensätze zu 16 Beinen der Spinner-Raupen, und die Kopfbildung mit den starken beißenden Freßwerkzeugen: ho rizontal hakenförmig gegen einander stehende Oberkiefern nsw., weisen haarscharf auf Käfer hin. Leider ist es mir unmöglich zu bestimmen, welcher Käferart die Larve angehört, da mir hierzu die nötigen Unterlagen fehlen." — Plauen, 1. Nov. Se. Majestät de« Kö nig hat geruht, dem ersten Mitinhaber der Firma F. L löhler L Sohn hier, Herrn Kaufmann Julius Böhl . en Tite' r'd Rang als Kommerzienrat zu . rO.«>en. Diese Allerhöchste Entschließung wurde H rrn Böbler beute vormittag in seiner Behausung durch Herrn Oberbürgermeister I)r. Dittrick und Amtshauptmann Geh. Regierungsrat von Polenz unter Ueberreichung der Verleihungsurkunde eröffnet. — Einer Frau aus Kirchberg wurden am letzten Mittwoch aus derSchönbörnchener Warte halle zwei Säcke mit Garnabfällen (Fitz) von einem 12—13jährigen Knaben fortgenommen, der dieselben auf einem Handwagen nach Glauchau transpor tiert hatte. Die auf sofort erstattete Anzeige an der Glauchauer Polizeistelle angestellten Erörterungen ergaben, daß der gestohlene Fitz von einem Hand arbeiter M. in Glauchau bei einem Rohprodukten händler verkauft worden War. M. hatte nämlich seinen Stiefsohn nach Schönbörnchen bestellt, damit letztere« die von ihm in den nächstgelegenen Ort schaften gesammelten Hadern, Knochen rc. abhole; der Knabe aber, in dem Glauben, die Säcke seien von seinem Stiefvater eingestellt, hatte diese nur fortgenommen. Anstatt nun feinen Stiefsohn mrt den Säcken wieder dorthin zurückzufenden, wo er dieselben hergenommen, hat der Handarbeiter M. den gesamten Fitz verkauft, während der Junge die beiden leeren Säcke beseitigte. M. ist alsbald fest genommen und an Las Königliche Amtsgericht in Glauchau eingeliefert worden. — Tief und nachhaltig ist der Eindruck, welchen das furchtbare Eisenbahnunglück bei Oederan hinterlassen hat. Regt sich einerseits immer wieder das Mitgefühl für die Bedauernswerten, welche mit ihren verstümmelten Gliedern die traurige Er innerung an jene jammervolleSchreckensnacht durchs ganze Leben tragen müssen, und giebt sich immer von Neuem aufrichtigste Teilnahme an der Trauer der Angehörigen um die zum Tod Verletzten kund, so findet aber auch andrerseits die Frage und das Verlangen nach vollkommeneren Sicherheitsmaß nahmen für den Eisenbahnbetrieb immer allgemei neren, dringenderen Ausdruck. Und mit Recht! Nimmt der Verkehr immer größere Dimensionen an, so daß die Zahl der Unfälle und gefahrdrohenden Vorkommnisse stetig wächst, mußte die Oederaner Katastrophe schon nach so kurzer Zeit ihr grausiges Seitenstück an dem Zusammenstoß bei Ottignies in Belgien finden, so ist es nicht mehr als natürlich, wenn seitdem eine gewisse Beängstigung einen großen Teil des reisenden Publikums ergriffen hat und dieses an der Frage der Betriebssicherheit erhöhtes Interesse nimmt. Mit Rücksicht darauf seien weitere Kreise auf die neue, patent. Zugsdeckungssignalvorrichtungen aufmerksam gemacht. Von dem Gedanken ausgehend, daß selbst das sinnvollste und komplizierteste Signal wesen noch keine verläßliche Garantie für die Sicher heit gewährt, solange es allein auf der persönlichen Bethätigung und dem Zusammenwirken der Beamten beruht, von denen doch jeder Einzelne im entscheiden den Augenblick irren kann, ist die neue Vorrichtung als vollständig selbstthätig wirkender Allarmappa rat konstruiert. Ihr Zweck ist, die jetzigen Sicher heitseinrichtungen in der Weise zu ergänzen, ge wissermaßen zu kontrollieren, daß, wenn infolge irgendwelcher Unregelmäßigkeiten die Gefahr eines Zusammenstoßes oder der Entgleisung wegen falscher Wcichenstellung eintritt, alsdann der Führer der be treffenden Lokomotive durch Ertönen elektrischer Glocken gewarnt wird. Die Zugsdeckungksignalvor- richtung besteht aus elektrischen Batterien. Glocken und Schaltapparaten, mit denen jede Maschine aus zurüsten ist und welche vermittels besonderer Räder und Bürsten mit den beiden Stromleitungsmaschinen fortwährend verbunden sind. Letztere sind kleinere, gut isolierte Metallschienen, welche zwischen den beiden Fahrschienen jeden Gleises liegen, in den Weichen durch bewegliche Ansätze wie die Gleise mit einander in Anschluß gebracht werden können und dazu dienen, zwischen zwei auf demselben Gleis be findlichen, wenn auch räumlich vielleicht noch weit von einander entfernten Maschinen eine gegenseitige elektrische Verbindung herzustellen. Der Führer eines fahrenden Zuges ist dann in der Lage, sich durch einen einfachen Handgriff an der Schalisckeibe sofort darüber zu orientieren, ob auf seinem Gleis ihm ein anderer Zug voraus- oder nachfährt, er erhält in solchem Falle Glockcnstgnale, aus deren rhythmischen Unterbrechungen zugleich der Fahrtort des zweiten Zuges zu erkennen ist. Er kann sich aber auch mit dem zweiten Führer oder dem Stationsbeamten durch Austausch vereinbarter Glockensignale verständigen. Fahren zwei Züge sich entgegen, so kommen ohne weiteres Zuthun auf bei den Maschinen die Glocken in Thätigkeit, ein Gleiches ist der Fall, sobald gegen eine stehende Maschine ein zweiter Zug heranfährt. Nähert sich die Maschine einer falsch stehenoen Weiche, so warnt der nämliche Strom sowohl den Führer als auch den Weichen steller. Auch der Bahnwärter kann bei Gefahr von jedem Teil der Strecke aus durch Ueberlegen emes Metallstäbchsns quer über beide Leitungsschienen einem Zuge Warnungssignale erteilen. Sämtliche Signale aber unterscheiden sich genau von einander! je nach der ihnen zu Grunde liegenden Veranlassung. Ein sehr bedeutsamer Vorteil liegt auch darin, daß die Signale dem Führer nicht nur, wie schon erwähnt, selbstthätig, sondern auch direkt auf seiner Maschine durch hörbare Glockenzeichen übermittelt werden, so daß dieser nicht genötigt ist, die Vorrichtung während der Fahrt zu bedienen oder auch nur ihr spezielle Aufmerksamkeit zu widmen; sie tritt erst und um so markanter in Wirksamkeit, wenn Gefahr vorhanden ist. Die Erfindung ist den Bshnverwaltungen be reits unterbreitet, und es wäre zu wünschen, daß dieselbe recht bald zur Einführung gelangte. — N i e d e r h e r m e r s d o r f, 1. Nov. In hiesiger Gemeinde wurde einer Arbeiterfamilie ein Knabe ohne Arme geboren. Anstatt der letzteren befindet sich an beiden Schultern nur je ein finger- artiges Glied. Im Uebrigen befindet sich der Knabe munter und wohl. — Borna, 31. Okt. Im Wyhraflusse er trank der Schuhmachermeister Töpfer von hier, ein bejahrter Mann. Derselbe war auf einem Ausgange begriffen; er muß unweit der Stadt am Ufer aus- geglitte» und in das dort sehr tiefe Wasser gestürzt sein. 8 Zeitz, 31. Okt. Am Dienstag abends S Uhr platzte auf der Grube „Alexandrine", welche der Zeitzer Paraffin- und Solarölfabrik gehört, ein Schweelkohlencylinder, wobei ein Feuer entstand, das am Dachstuhl Schaden anrichtete. Verletzt wurde dabei Niemand. Z Gera, 31. Okt. Der bekannte Hypnotiseur Prof. Hansen aus Kopenhagen hat beim hiesigen Stadtrat um die Erlaubnis nachgesucht, im Novem ber hier mehrere Vorstellungen geben zu dürfen, ist aber auf Grund eines vom Bezirksarzt eingeholten Gutachtens abschlägig beschieden worden. 8 Berlin, 1. Nov. Der „Reichsanzriger" veröffentlicht amtlich die Einberufung des Reichstages am 3. Dezember. 8 Eine drollige Szene spielte sich vor einem Gerichtshöfe in Moabit-Berlin ab. In einer Strafsache war ein Zeuge namens Lieder geladen. Derselbe wurde aufgerufen und der Vorsitzende redete ihn an: „Lieder, Sie sollen jetzt vereidigt werden!" Der Zeuge verstand aber wohl statt „Lieder" — „Nieder!" und kniete vor dem Zeugen tisch nieder. Er mußte erst aufgefordert werden, aufzustehen, um seinen Eid zu leisten. Am Richter tische wie im Auditorium vermochte man nur mit Mühe das Lachen zu verbeißen. Diese kleine Episode bildet ein Seitenstück zu einer anderen, die sich erst kürzlich vor derselben Strafkammer und vor dem selben Vorsitzenden abspielte. De« Vorsitzende sagte zu dem eintretenden Zeugen: „Legen Sie Hut und