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ihre Pakete sogar in den großen Lieferwagen der Färber zur Post. An der Komplettierung der Sommerkollekiionen wird noch fleißig gearbeitet. Die Musterzeichner haben noch gut zu thun und mußten sogar ihre Arbeitszeit verlängern. Mit der Vorlage der neuen Kollektion bei der Detail-Kund schaft beginnt man jetzt und steht guter Ersolg in Aussicht. Färbereien und Appreturen haben weniger zu thun als in den vorhergehenden Wochen. Doch sind dieselben immer noch gut beschäftigt, ganz be sonders aber für Gera und Greiz. — Das „Dresdner Journal" schreibt in seinem amtlichen Teile: „Generalarzt vr. Jacobi war am 26. d. M. erneut in C h e m n i tz, um sich Persön lich über den Zustand der bei dem Eisenbahnunfall am 19. d. M. Verwundeten zu orientieren, und hat dabei die Ueberzcugnng gewonnen, daß nicht nur alle notwendigen Maßregeln in zweckmäßiger Weise getroffen worden sind, sondern daß auch der Zustand der Verwundeten ein den Verhältnissen nach ganz normaler ist, so daß voraussichtlich keine weiteren Todesfälle zu erwarten sind." — Bei einem Reparaturbau der Pfarrbach brücke an der Lengenfelder Straße in Kirchberg hat man einen denkwürdigen Stein jetzt herausge- nommen, in welchem auf der einen Seite ein Richt- schwert mit Rud und auf der anderen Ssue die Jahreszahl 1701 eingegraben sind. An diesen Stein knüpft sich folgende sagenhafte Erzählung: Von zwei hier lebenden Brüdern, die in einem Hausezusamweu- wohnten, war der eine urplötzlich verschwunden und weil man von diesem auch nichts mehr zu hör en und zu sehen bekam, hegte die Bevölkerung den Verdacht, er könne von seinem Bruder ermordet worden sein. Der Verdacht wurde zur offenen Anklage, und so geschah es, daß letzterer, ohne des Mordes überwiesen zu fein, zum To,e verurteilt wurde. An einem ge wissen Tage sollte er hingsrichtet werden. Eine große Volksmenge hatte sich an demselben auf dem Galgenberge, dem jetzigen Schießhausberge versam melt, und eben war man darüber, das Todesurteil an dem vermeintlichen Mörder zu Vollstrecken, als plötzlich ein Fremder den Berg hinaufgerittkn kam. Auf die Frage, was man hier treibe, erzählte man ihm den Hergang der Geschichte. Bestürzt über diese Mitteilung, durchbrach e>- mit Geschrei die Volks menge und eilte zum Richiplatze hin. Leider kam er zu spät. Der Verurteilte hatte eben sein Leben ausgehaucht und in ihm betrauerte der Fremde seinen unschuldig getöteten Bruder, den er besuchen wollte. — Mitten in einem ca. fünfzigjährigen Fichtsn- und Tannrnbestande des Rabensteiner StaatS forstreviers hatte in den letzten Tagen ein zehnjäh riger Knabe aus Reichenbrand ei» Häuschen dürrer Reißigabfälle zusammengeSracht und angezündet, ohne daß er von seinen übrigen Gefährten, vier an der Zahl, daran verhindert worden wäre. Glücklicher weise kam eine Forstbeamter hinzu, welcher das Feuer durch Auseinanderziehen und Ausschlagen zu löschen vermochte, obgleich es bereits einen Umfang von 4 Pn eingenommen hatte. Wie leicht hätte das selbe bet der jetzt herrschenden Dürre größere Aus dehnung gewinnen und wertvolle Waldbestände zer stören können. Möchten doch Eitern und Erzieher die Heranwachsende Jugend immer wieder von neuem auf die Folgen solchen leichtsinnigen und frevelhaften Gebahrens aufmerksam machen und dieselbe durch Gespräche über die Bedeutung des Waldes, welcher ja der Holzproduktion nicht allein dient, aufklären, bezw. unterrichten. — Der Psrsonenzug, der am Donnerstag abend die Haltestelle Hammerbrücke i. V. verlassen hatte, hielt kurz darauf wieder, nachdem ein schuß- ähnlicher Knall weithin zu hören gewesen war. Wie Das Irrlicht von Wildenfels. Original-Roman aus unseren Tagen von G. v. Brüh l. Nachdruck »erböte». (Fortsetzung.) Grimm zuckte die Achseln. „Traurig, sehr traurig," sagte er, „doch hier kann der arme Mann ohnehin nicht bleiben, er muß in geordnete Pflege und in eine ordentliche Wohnung, Sie müssen ihn nach der Stadt bringe», in's Krankenhaus!" Da sank das Mädchen auf die Knie nieder und faltete ihre Hände zu Grimm empor. „Haben Sie Erbarmen mit uns!" flehte sie leise. „Wie heißen Sie denn?" fragte Grimm, dem es ganz weich um's Herz wurde. „Fragen Sie mich nicht ." „AberweShalb wollen Sie esmir denn nicht sagen?" „Diese Schande! Dieses schreckliche Leben!" „Wer sind Sie denn nur?" „Gertrud Fürstenberg?" schrie das Mädchen auf und preßte laut aufschluchzend ihre Hände vor ihr schmerzverzerrtes Gesicht. „Gertrud Fürstenberg?" wiederholte Grimm nun, und es stieg plötzlich eine Erklärung vor ihm auf, „Gertrud Fürstenberg? Und Ihr Vater? Er ist der Ingenieur Fürstenberg, welcher früher vor Jahren, bevor ich hier meine Anstellung erhielt, in den Werken des Barons thätig war?" „Er ist es!" gestand Gertrud, die so heftig weinte und zuckte, daß dem Oberförster diese» Anblick und dieses arme Menschenkind von ganzer Seele leid that. alsbald festgestellt wurde, war e'n mit Sprengpulver gefülltes Behältnis mit Draht auf den Schienen befestigt, das beim Ueberfahren explodierte. Größeren Schaden hat die Explosion glücklicherweise nicht an- gertchtet. — Weil es zu wenig Festlichkeiten giebt, feier ten am Sonntag in Reichenau alle im 50. Jahre stehende und im Orte wohnende Personen ein ge meinschaftliches SOjähriges Geburtsfest. DaS Fest begann mit Concert und Festtafel, wobei Ansprachen gehalten wurden und theatralisch-humoristische Vor träge die Teilnehmer erfreuten. Man gedachte der Tage der Kindheit und ließ im Geiste den ferneren LebenSlauf an sich vorüberziehen. Auch der durch den Tod entrissenen Schulkameraden erinnerte man sich und wurden deren Namen genannt; um ihr An denken zu ehren, stimmte die Musik eine Arte an. Der weitere Verlauf der Feier war ein ebenso er freulicher wie angenehmer. Als später der Tanz mit einer Polonaise begann, tanzten die 50er uner müdlich bis in die späte Nacht hinein. — Jagdhaus Re hefeld. Ihrs Majestät die Königin gab Montag, den 23. d. M. den Schul kindern hiesigen Ortes ein Kinderfest. Die alljähr liche Wiederholung dieser Feier legt Zeugnis des persönlichen Wohlwollens ab, welches die hohe Frau hiesiger Schule entgsgenbringt. Nachdem d.e Kinder mit Spielen unterhalten worden waren, welchen die Hohen Herrschaften mit Interesse folgte», wurden die Kleinen mit Kaffee und Kuchen reichlich bewirtet. Ja, selbst das vorschulpflichtige Alter, welches ein Zaunvillet erhalte« hatte, wurde zum Schluß herbei gerufen und vergnügt folgte die Königin der Eßlust der Kleinen. Nach einem Hoch auf die edle Geberin verließ d!e gewiß von manchen Kindern beneidete Schuljugend den Schloßhof. — Ein in der Gegend von Großzschocher äußerst selten vorkommender Vogel, ein Fluß- oder Fischadler, wurde in diesen Tagen vom dortigen Waldaufseher Lüsch erlegt, als er eben einen etwa ein Pfund schweren Fisch verzehren wollte. Das schöne Exemplar, dis Spannweite der Flügel beträgt 1,84 m, wird den Anschauungsmitteln der dortigen Volksschule eingereiht werden. — König Albert nahm am Freitag abend in Sendigs Villa in Schandau das hundertste Jagd- diner ein. Aus diesem Anlässe war die Sendig'sche Villa illuminiert. 8 Mit Gefahr für sein eigenes Leben hat in Berlin der Eiienbahnwärte» Pelz ein Eisenbahn unglück verhindert. Bei der Blockstation 1 hatten sich ein Stadtbahnzug und der Görlitzsr Fernzug zu kreuze». Da das Geleise aber noch nicht fre,ge geben war, gab P. für beide Züge das Haltesignal. Au feinem Entsetzen sah er aber bald darauf, daß der Fernzug heraogebraust kam und auf de» Stadt- bohnzug iosfuhr. Da sprang er, die ro^e Fahne schwenkend, auf das Geleise, um durch Winken und Zurufe den Lokomotivführer auf die drohende Gefahr aufmerksam zu machen, und dicht vor dem Nordring zug, etwa 8 in entfernt, gelang es, den Fernzug zum Stehen zu bringen. Zwischen beiden Zügen aber stand der brave Beamte, dem eS so gelungen, das Leben Hunderter zu reiten. § Berlin, 27. Sept. Ueber das Befinden des Fürsten Bismarck wird berichtet: Der Fürst genießt die schönen Herbsttage bei seinen täglichen Ausfahrten und Spaziergängen. Sein Befinden ist bis auf das leidige Gliederreißen und eine zeitweise auftretende Schlaflosigkeit das denkbar beste. Auch Stimmung und Humor lassen nichts zu wünschen übrig. Der Fürst harte die fest- Absicht, in diesem Jahre nach Varzin zu gehen, um das Grab seiner Gemahlin zu besuchen, deren Verlust er immer auf's „Ihr Vater ist jener Ingenieur?" fragte er, „aber so sagen Sie mir doch nur, wie Sie denn in zwischen so heruntergekommen sind! Ihr Vater soll doch ein so außerordentlicher kluger Mann gewesen sein! Es heißt ja doch, daß der Ingenieur Fürsten berg eine ganz ausgezeichnete und unersetzliche Kraft in den Döring'schen Werken gewesen sei! Hm — ja, das hatte ich soeben vergessen," fuhr Grimm nun kort, „ich habe ja davon gehört, daß damals Ihr Vater entlassen werden mußte, weil er plötzlich irrsinnig oder tiefsinnig geworden war — ich ent sinne mich ja jetzt des Geschehenen. Ja, ja, es hieß, Ihr Vater sei mit Ihnen damals nach Amerika ge reist und dort sei er verschollen —." Da erhob sich Gertrud plötzlich. Die Thränen erstarken in ihren großen, dunklen Augen. Zorn, Verachtung, Haß war von ihren Zügen abzulesen. „Wissen Sie denn auch, wer meinen Vater in den Wahnsinn getrieben hat?" fragte sie mit harter, rauher Stimme, „wissen Sie, was meinem Vater und mir geschehen ist?" „Ich habe nie nach allen diesen Dingen gefragt," erwiderte Grimm, „ich habe nur gehört, daß Ihr Vater darüber den Verstand verloren hat, daß er mit einer Erfindung zu spät gekommen ist." „Aber Sie wissen nicht, wer ihm die Erfindung geraubt, gestohlen hat?" „Gestohlen?" wiederholte Grimm. „Franz, dieser Ehrlose, war der Dieb!" „Baron Franz? Bedenken Sie, was Sie spre chen, Mädchen! Das ist eine Anklage so schwer, Neue beklagt. Auf dringendes ärztliche« Anraten ist diese Reise jedoch unterblieben. In Behinderung deS Professors Schweninger weilt augenblicklich dessen Vertreter und Assistent, vr. Eisenberg au« Berlin, in der Umgebung des Fürsten. Z Wie erzählt wird, ist Prinz Heinrich von Preußen unlängst auf einer Lokomotive gefahren, und zwar in Gesellschaft seiner Gemahlin und des großherzoglichen Paares von Hessen. Während der jüngsten Anwesenheit des Großherzogspaares in Oberhessen war dasselbe mit dem Prinzen Heinrich und dessen Gemahlin nach Wallenrod ins Manöver gegangen. Auf dieser Station stand schon der Extra zug zur Rückfahrt der Fürstlichkeiten nach Romrod bereit. Der Lokomotivführer prüfte noch einmal jedes Vmti! an seiner Maschine — da bestiegen zu seinem nicht geringen Erstaunen zwei Offiziere und zwei junge Damen das Dampfroß und erklärten, hier die Fahrt mitmachsrr zu wollen. Während der Fahrt nun eiktä le der eine der Offiziere den Mit- fahrenden das Jneinanderg-eisen des Räderwerks, und der Führer mußte auf Befragen der Damen die Richtigkeit dieser Erklärungen bis ins kleinste Detail bestätigen. Am Ziel verabschiedeten sich die Passa giere recht leutselig von dem Lokomotivführer, und nun erst erfuhr der überraschte Beamte, welche hohe Gäste er befördert hatte. Der Grotzherzog Ernst Ludwig und sein Schwager Prinz Heinrich wollten einmal erproben, wie es sich auf einer Lokomotive fahre, und ihre Damen hatten sich ihnen angeschlossen, um sich vom Prinzen Heinrich den technischen Be trieb deS Dampfrosses erklären zu lassen. 8 In die Reihe der den kriegerischen Thate« gewidmeten G-dsnktage, welche Deutschland in diesem Monate begeht, schiebt sich, wie die „Nordd. Allg. Zig." an leitender Stelle hsrvorhebt, der Erinne rungstag au eins soziale Friedensthat ein. Unter dem 25. Sept 1889 erließ Kaiser Wilhelm I. auf Grund der biZ dahin verabschiedeten Unsallversiche- rungs-Gesitze von 1884 und 1885 die Kaiserliche Verordnung, durch welche die Gesetze am 1. Oktober 1885 in Kr^ft treten. Zehn Jahre sind also an diesem 1. Okcober verflossen, seitdem im deutschen Reiche die reichSgesttzlich geregelte obligatorische Un fallversicherung in praktischer Wirkung steht. Die berufsgenossenschaftlich organisierte Versicherung des Arbeiters gegen Betriebsunfälle hat schrittweise an Boden gewonnen, hat kein Stück der in Angriff ge nau menen Fücsorgcgebiete wieder aufgegeben, und schrittweise dringen die sie tragende« Ideen auch im Auslande vorwärts. Daß das deutsche Reich diese Pflicht zuerst erkannt und nach Möglichkeit erfüllt hat, wird einer seiner unverlierbaren Ruhmestitel bleiben, und wenn gegenwärtig dis Denksteine unsrer Kriegsthaten im Lorbeerschmucke prangen, sollte der unsren FriedenSthaten in diesen Werken gesetzte »ns alle daran erinnern, daß cs die innere Arbeit ist, welche ein Volk an sich zu vollbringen vermag, die ihm Kraft und Stärke giebt, um, sei es den friedlichen, sei es den kriegerischen Weitkampf mit anderen siegreich zu bestehen. 8 Das Stöckec'sche „Volk" zitiert einen Brief des Berliner Korrespondenten des Figaro, der sich des längeren mit dem Hofpcediger Stöcker beschäftigt. Leider stammt dieser Brief aus derFeder des Herrn Bonneson, der seinem Pariser Blatts fast regelmäßig Bären aufbindet, auch jüngst erst wieder von einem Interview beim Fürsten Hohenlohe berichtet hatte, woran bekanntlich kein wahres Wort war. Daß Herr Stöcker zu seiner Glorifikation so trübe Quellen nicht verschmäht, ist zum mindesten beachtenswert. Nach dem Briese macht Herr Stöcker äußerlich einen „harmlos-gutmütigen" Eindruck, sein Kinn und seine Kinnbacken verraten jedoch einen zähen Willen, der daß Sie durch dieselbe sich noch unglücklicher machen können." „Bisher habe ich sie noch zu keinem Menschen ausgesprochen, Herr Obe.föcster, doch Sie sollen alles wissen! Was hätte es mir auch genützt, wenn ich mit meiner Beschuldigung aufgetreten wäre? Niemand hätte sie mir geglaubt!" „Auch ich kann sie nicht glauben." Gertrud drückte ihre Hände vor das Gesicht. „Mein Vater — mein arme, Vater," schluchzte Gertrud. Grimm war von dem Anblick der Weinenden gerührt. „Es ist ein schwerer Schicksalsschlag, der Sie getroffen hat, und er macht Sie ungerecht," sagte er, „eS wird sich da um einen Zufall gehandelt haben, Fräulein Fürstenberg, Baron Franz und sein Vater haben zufällig dieselbe Erfindung gemacht und sind Ihrem Vater zuvorgekommen." „Nein, das ist es ja eben, was uns za, Ver zweiflung getrieben hat! Er kam zu uns, er sprach zu mir von seiner Liebe, und ich glaubte ihm. Ich ließ mich von seinen Einflüsterungen bethören — o, er ist schlecht, so schlecht wie kein Mensch auf der Welt! Er betrog mich ja nur, um Gelegenheit zu finden, in meines Vaters Studierzimmer einzudringen! Ich ahnte ja nichts davon, ich wa, so arglos — erst als cs zu spät war, und er mich verließ, durch schaute ich alles! Und da waren wir arm, o, so arm und verlassen, denn mein Vater mußte ja seine Stellung aufgeben, weil er seinen Verstand darüber verlor, daß plötzlich Döring's mit seiner Erfindung hervortraten."