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c 4». Jahrgang. Beilage zu Nr. i85. Sonntag, den 11. August 1895. UUKeKHsschSchLs. K Eine merkwürdige elektrische Entladung wurde in Meuselwitz beobachtet. Obgleich es in den vorhergehenden Nächten lebhaft blitzte, auch die Luft schwül und die Wolkenbildung qewitterähnlich war, so hatte man doch kein oollentwickeltes Gewitter, nur eine ausgedehnte dunkle Wolke zog unhnldrohend über die Gegend. Plötzlich schoß eine Feuergarbe hernieder, deren Mächtigkeit Augenzeugen nicht genug schildern können, urp ein furchtbarer Donner machte die Häuser erzittern. Bald wurde bekannt, daß dieser unheimliche Schlag in die zwischen den Müsen der Altenburger und der Ronneburger Buhn ver einzelt stehende Mitergutsscheur.e, und zwar m deren östlichen Giebel gefahren sei. Die Wirkung des Schlages war geradezu verheerend; auf mehrere Sparren Breite sind die Kegel herabgewoaftn, ein Giebelpfeiler der vor mehreren Jahren neu erbauten Scheune ist vollständig zerrissen, zentnerschwere Mauer stücke sind gegen 100 Meter weit fortgeschleudert morde», die Balken und Latten sind zersplittert, als hätten die Zimmerer dort Späne gehauen; der mach' tige Strahl hat sich ost geteilt, das Gestein hier und da geschwärzt, der Glitz ist dann an zwei Stillen in den Erdboden gegangen. Dos Merkwürdigste bei dem Vorgangs aber ist der Umstand, daß zu der selben Zeit auch ein Blitz in die stwa drei Kilometer Luftlinie entfernte Niesmaer Schmiede arg zerstörend Ungeschlagen hat. 8 In Brotterode sieht es noch recht traurig aus. Neuestens ist unter den Kindern des O tes eine Masernepidemie ausgebrochen, die um so schwerer ist, als die kranken Kleinen kein ordentliches Lager, keine ausreichende Verpflegung haben können; sie liegen in Ställen, Scheunen, Baracken usw., und zwar vielfach in schlechter Bedeckung. Z Gotha, 8. Aug. Das an Kleinbahnen reichste Land in Thüringen ist das Herzogtum Sach sen-Gotha; fast alle Teils des gothaischen Landes sind zum Anschluß an die thüringische Staatsbahn gelangt. Neuestens wird nun wiederum eine gothai- sche Kleinbahn von Waltershaus- n über Tabarz nach Winterstein (am Fuße des Jaselberges), eine echte Thüringerwuldbahn, in Vorbereitung genommen. Z Die Stenographie im Heere wurde auf dem soeben in Hannover stattgehabien Vsrbandstage der Stolze'schen Stenographen behandelt. Mir großer Frische sprach darüber v. Wirtken-Berlin. Er zeigte den großen Vorteil, den alle mit Schreibwerk be lasteten Militärs höherer und niederer Chargen von der Verwendung der Stenographie haben können, machte auf die Empfehlung aafmerksaw, die dem MiUtäranwürter die Kenntnis der Stenographie gebe, und ging dann zu einer lebhaften Schilderung der Umstände über, unter denen die Stenograph;-- im Felde — wenn auch nicht gerade Schlachten gewinnen, so doch den Truppenteilen viele Anstrengung, Zeit und Unruhen ersparen könne, wie bei der Uebermit- telung von Ergebnissen der Rekognoszierungen und den BssehlsMeilungen. Redner berechnet, daß der Beseh! des Grafen Molkte nach der Kapitulation von Sedan, dessen Niederschreibung 55 Minuten an jeder der 6 Nachgeordneten Stellen beanspruchte, stenographisch in 12 bis 15 Min. gut hätte ausge nommen werden können, somit im Ganzen mit Hlfe der Stenographie sich 6 mal 40 Min oder 4 Stun den hätten ersparen lassen, die den Mannschaften und Ordonanzen zu gute gekommen wären. So komme der Befehl im letzten Augenblick, und die Mannschaften hüt- ten nicht die Muße, Binfaden vom Quanierwnt zu be sorgen, um die Stiefel, wie manchmal vorgeschrieben, zusammen zu binden. (Heiterkeit.) Die Armee könne sich den Unterricht umsonst beschaffen, auch als et waige militärische Stenographie-Jnspekieure leicht die verabschiedeten Offiziere gegen mäßige Entschä digung heranziehen. Das Schreibwerk mehrten tüch tige Stenographen nicht. Generalmajor z. D. von Knobelsdorfs nahm sofort das Wort, um wie er sich ausdrückte, drei Hauptpunkte in den Ausführungen des Vorredners zu bestätigen. Auf ter Kriegsaka demie schon habe er seiner Zeit das Bedürfnis nach einer kurzen Schrift empfunden. Er und seine Freunde hätten sich durch kurrentschriftliche Abkürzungen geholfen und turnusweises Schreiben mit nachheriger Kollation der vier Nachschriften. Die Befehlserteilung führe allerdings manchmal zu furcht baren Unbequemlichkeiten für die Ordonnanzen und Tiere, ruiniere bei mangelndem Obdach Beide. Könne die Befehlserteilung unter Umständen um 4 Stunden abgekürzt werden, so sei das ein eminenter Vorteil. Die Stiefelkalamität führe zuweilen fürchterliche Situationen herbei (Heiterkeit), wenn der Mann es weit zum Schuster habe und aus dem Hausen Stie feln seine nicht herautfinde und der Marsch bevor- st-he (Heiterkeit). Redner meint, die Umerrichts und Fortbildurgsfrage sei leicht zu lösen, auch ohne Vereine, nämlich durch die Regimeatsschuün für die untere» Chargen, durch die Kadettenhäuser, die Kriegs- und ArLillerwfchule für Offiziere. 8 Ein kleines Ersignw ans den Augusttagen der Kriegszeit wird der „Köln. Kg." aus Zwei- b r ü cken in der bayrischen Pfalz mitgetsilt, welches durch seine Eigenartigkeit in den Jsbiläumstagen Interesse erregen Wird. Die biederen Pfälzer hatte» ihren 66er Groll gegen die Preußen nieder gekämpft, sahen aber einer Einquartierung der vermeintlich höchst anspruchsvollen preußischen Soldaten nicht nicht besonders freudig entgegen. Den durchmarschie- reuden preußischen Truppen wurde selbstverständlich reichlichste gastliche Erquickung zugewandr. Als Ba taillone eines posenschen Regiments bei kurzer Rast mit bayerischem Bier recht freigebig gelabt wurden, äußerte einer der Kommandeure dem liebens würdigen Spender seine Bedenken über der. Einfluß des Bieres auf die Marschfähigk-.k seiner Truppen und erbat sich statt dessen, wenn möglich, Mineralwasser. Sofort wurden dem Wunsche gemäß die Soldaten je mit einer Flasche Selterswasser ver sehen, worauf sie mit fröhlichem Mw sch ied das gast liche Zweibrücken verließen. Wer aber beschreibt das Erstaunen der Bürger, als der Kommandeur anderen Tages mit zwei Bauernwagen die leere» Flaschen zurücksandte, die im Biwak der Truppen zur Ablie ferung gekommen waren. Als Zeichen preußischer Manneszucht wurde diese Sendung mit höchster Be wunderung betrachtet und besprochen; sie Hai den Grund gelegt, daß dort an der Grenze die Mam- Knie rasch in herzlichster Brüderlichkeit überbrückt wurde. 8 Unter den Schulkindern in Rehlingen herrscht gegenwärtig eine merkwürdige Krankheit. Bei einem KMde, einem zwölfjährigen Mädchen, kam sie plötzlich zum Ausbruch. Die Veranlassung bildete ein heftiger Schreck über einen gewaltigen Donner schlag. Die Aerzte behaupten, es sei der Veitstanz. Bei völligem Bewußtsein tritt plötzlich eia heftiges Zittern der Arme und Beine ew, welches sich so steigert, daß das Kind förmlich auf den Boden tram pelt und die Arme sich bewegen, wie bei einem Trommelschläger. Der Anfall dauert ein bis zwei Stunden, öfter auch länger. Tritt bei einem Kinde diese Muskelunruh- auf, so dauert es nicht lange und sämtliche übrigen beginnen mit derselben Zuckung. Es läßt sich dies wohl nur so erklären, daß das Betrachten der .Dämpfe bei den übrigen Kindern einen solch' starken physischen Eindruck hervorruft, baß der Nachahmungstrieb die Willenskraft über windet und auf diese Weise dieselben Krämpfe ver anlaßt. In der ersten Mädchenkasse stad 29 Kinder erkrank-, davon tue Hälfte schwer. D:e zweite Mäd- chenklasss zählt 4 Erkrankte. Ja der oberen Knaben schule sind 4 und in der Mittelklasse 3 Knaben er krankt. Die erste Mädchenklasse ift bis zum 14. Äug. geschlossen worden. In Rehlingen ist der Veitstanz bei Kindern m den tttzten Jahren mehrfach vereinzelt ausgetreten. 8 Bei dem Abbruch eines Hauses in Flens burg stürzte eine Mauer ein; vier in der Näh' spielende Knaben im Alter von 10 bis 12 Jahren wurden unter den Trümmern begraben; einer wurde sofort gctö'.et; die übrigen 3 stt-d schwer verl-tzt. 8 Die gewaltige Ausdehnung des Berkehrwesens der neuen Welt gegenüber demjenigen der alten Welt, geht, wie wir durch das Intern. Patentbureau von Heimann u. Co. in Oppeln erfahren, am besten da-aus hervor, daß aus der östlichen Halbkugel etwas mehr als 1390 Millionen Menschen, das sind 92 Proz. der Gssamtbevölkerung der Erde, wohnen, während die ca. 275 000 Kilometer Eisenbahnen der alten Welt nur 46 Proz,, also nicht einmal Vie Hasste des gesamten Eiser bahmietzes der Erde, darstellsn. (Obengenanntes Patentbureau erteilt den geschätzten Abonnenten dieses Blattes Auskünfte und Rat in Patenssachen gratis.) ** Man schreibt auZ Paris: Den Fahrgästen der spanischen Bahn zwischen Moravel und Cana- Varel, unweit der portugiesischen Grenze, ist ein Abenteuer begegnet, das wohl einzig in seiner Art ist. Am Ausgang einer Kurve erblickte der Maschinen führer eine Herde von Stieren, die ohne Hirten auf dem Geleise weidete. Er zog die Dampfpfeife, die Tiere zerstreuten sich. Doch ein Stier hielt Stand und rannte mit gesenkten Hörnern auf die Lokomo ! tive ein. Im Nu war er überfahren. Aber die I Maschine entgleiste, glücklicherweise, ohne daß weiteres Unglück geschah, da der Führer scharf gebremst hatte. Die Passagiere stiegen aus. Aber die Stiere, die sich zuerst zurückgezogen hatten, kamen nun, als sie das Blut ihres Genossen witterten, heran und stürz ten sich auf die A-bertendm. Diese hatten nichts besseres zu thuv, als sich in die Wagen zu flüchten und zu verbarrikadieren. Zur Verteidigung spanischer Bahrzüge fahren immer Gendarmen mit. So war es auch hier. Die bewaffnete Macht nahm den Kampf auf, die Passagiere machten Ausfälle, nahmen -steine und warfen auf die wütenden Tiere. So säuerte die Schlacht zwei Stunden lang. Endlich beim Anbruch der Nacht zog sich die Herde zurück. Die Lokomotive wurde, so schlecht es ging, ins Ge- telse gehoben, und der Zug setzte sich langsam in Bewegung. Den Anschluß an ver Grenze hatte er freilich verpaßt, und da die Portugiesen keinen Son derzug einst-llen wollten, mußten die Passagiere im Grenzdorf dis Nacht zubringen. ** Bukarest, 8. Aug. lieber die russisch- rumänischen Beziehungen find in letzter Zeit allerlei aufregende Meldungen in Umlauf gesetzt worden, welche die augenblickliche Lage in Bulgarien ergänzt hat. Dem gegenüber teilt die rumänische Gesandt schaft in Paris der offiziösen „Agerce Havas" fol gende ihr aus Bukarest zugegangene Depesche mit: „Entgegen den in gewissen Blättern ausgestellten Be hauptungen ist es durchaus unrichtig, daß Rumänien Rußland herauszufordern suche. Es ist falsch, daß 150 russische Unterthanen aus der Dobcudscha aus gewiesen worden wären. Die rumänische Polizei mußte infolge der Vorgänge in Macedonien einige Aufwiegler auswejsen, aber keiner derselben ift russischer Unterthan. Die Nachricht von der Zusammenzühung eines Armee korps in der Dobiudscha ist absolut erfunden. Kein beurlaubter Soldat ist einberufen worden. Der Kriegsminster setzt seine Kur in einem Badeorte fort. Die Beziehungen zwischen dem Minister des Aeußern Lahovary und dem russischen Gesandten v. Fonton tragen nrcht allein das Gepräge der offiziellen Korrekt heit, welches den zwischen den beiden Ländern bestehen den ausgezeichneten Beziehungen entspricht, sondern sondern auch den Charakter dec persönlichen Freund schaft, welche sich seit dem Aufenthalte v. Fontons in Bukarest gebildet hat. ** Ungarn. In B u d a p e st wurde in einer der lebhaftesten Straßen eines vornehmen Stadtvier tels ein sensationelles Mordatteutat verübt, welchem bas Mitglied der JndustnellenfirmaHaas und Deutsch, Herr Ludwig Deutsch zum Opfer fiel. Der Atten täter ist der 50jährige Fosstdirekior der Marmaro- ser Forstindustrtegesellichaft Karl Chaszar ds Jolsz, der anderthalb Jahre im Dienste der Firma stand und am 1. Januar d. I. wegen großer Nachlässig keit und ausschweifenden Lebenswandels mit drei- monailicher Abfertigung entlassen wurde. Chaszar erhob gegen die F-rma Haas und Deutsch eine For derung von 4000 fl., welche abgewiesen wurde. Am Donnerstag erschien ec und verlangte eine Unter- ndung mit Deutsch, der ihn barsch anfuhr und ab wies. Daraufhin zog Chaszar einen Revolver und feuerte zwei Schüsse aus unmittelbarer Nähe auf Deutsch. Der zweite Schuß zertrümmerte die Schä deldecke Deui-ch's, der als Leiche zu Boden sank. Der Mörder, der die That mit schwarzen Handschuhen bekleidet verübte, wurde nach heftigem Kampfe von den der blitzartig sich abspftttndeu Szene bei- wvhürnden zwei Beamten Deutsch's überwältigt und der Polizei übergeben. Der Mörder ist ein 50jäh- nger verheirateter Mann, ist absolvierter Forstaka- demiker und war früher im Staatsdienst. Er zeigt keine Reue und bedauert nur, daß er nicht mehr Zeil gehabt habe, sich selbst zu töten. Die Ermor dung Deuttch's bedaure er nicht, denn dieser habe sein Schicksal verdient. ** New-Jork, 6. Aug. Ein an den Prä sidenten des hiesigen Polizeirates, Theodor Roosvyelt, adressiertes Paket, welches eine Höllenmaschine ent hielt, wurde im Postamte zeitig genug entdeckt, um dessen Absendung zu verhindern. Die Höllenmaschine bestand aus scharfen Patronen, die vermittelst eines Zändfadens mit einem Pakete Streichhölzern ver bunden waren, welche durch Sandpapier entzündet werden sollten. FamiliennKchrickte». Getraut: Herr Hermann Schulze in Pulsnitz i. S. mit Frl. Margarete Weiß in Dresden. — Herr Franz Beckert mit Frl. Martha Lindner in Freiberg. Gestorben Hrn. Pfarrer N. A- Tietze in Neuhausen ein K. — Frau Antonie Ritterstaedt, geb. Herrmann, aus Dresden in Kipsdorf.