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Nationalliberalen waren demoralisiert und vereinigten sich mit den Antisemiten zu gemeinschaftlichem, wenig erfreulichem Thun; die Konservativen vergaßen ihre agrarischen Schmerzen unter dem Einfluß des körper lichen Unbehagens, und was kam über Polen? Das graue Elend herrschte, wohin man blickte. Viele zogen vor, die Einsamkeit ihres stillos Kämmerleins aufzusuchen und dort das Unvermeidliche über sich ergehen zu lassen, viele versuchten sich, !o gut es ging, aus Deck mit ihrem Geschick abzufinden, und als das Signal „Zur Attacke" die Stunde verkündete, wo das schöne Lloyd-Mahl aufgetragen werden sollte, da waren kaum 20 unter 300 imstande, das Mittags mahl einzunehmcn. In den Verhältnissen an Bord trat auch während der Abendstunden keine wesent liche Aenderung em; erst am Morgen b-sserte sich dis Lage, nachdem während der Nacht mancher ge quälten Brust sich «Seufzer über Seufzer entrungen hatten und mancher Volksvertreter in der Stille einen heiligen Eid gethan hatte, sich nie wieder zu einer Seereise, am wenigsten zu einer Nordfeereffs ver leiten zu lassen, und sollten auch noch so viele Kanäle eröffnet werden, der Lloyd noch so schöne Schiffe bauen und der Bremer Senat noch jo freundliche Einladungen erlassen, die flüssigen Schätze »es Rats kellers zu kosten. 8 Von den K i e l e c Feierlichkeiten werden noch immer weitere interessante Einzelheiten bekannt: So erzählen zwei russische Blätter von einer angeb lich argen Dissonanz bei der Kislfeier, die um so unbegreiflicher erscheint, als Deutschland sonst alles vermieden habe, was dis Gäste p-mlich hätte berüh ren können. Letzteres soll nun aver der in der Kaiserlichen Gruudsteinrukunde enthaltene Ausdruck gethan haben: „Die unmittelbare Verbindung der beider, deutschen Meere steht vollendet da," zumal die Urkunde in Gegenwart sämtlicher Gäste vom Reichskanzler verlesen wurde. Die Bezeichnung deut sche Meere, anstatt Nordsee und Ostsee, sei eine un begreifliche geographische Entdeckung, zugleich ein Tropfen Essig ins Honigsüß. Unseres Wissens haben bisher weder die anwesender; rusfischm, dänischen, englischen und schwedischen Gäste, deren Länder die beiden Meere bespülen, noch deren Zeitungen, mit Ausnahme der in Rede sehenden zwei russischen Mättcr, ein gleich-s herausgefundsn, ebmso wk es uns Deutsche nicht berühren kann, wenn die Rassen für die gesamte Ostsee den Ausdruck ballischss Meer gebrauchen. Z Kiel, 27. Juni. Als der deutsche Post dampfer „Prinz Waldemar" in Korsör einUuf, wurde ihm ein vom Kaiser Wilhelm abgesaudtes Telegramm zur Besorgung nach dem zwei Meilen von Korsör föstsitzenden italienischen Turmschisf „Saröegna" über geben, Der Postdampfer lief sofort nach der Siran» dungsstelle und überbrachte rin Antwortschreiben, das die näheren Umstünde, unter denen sich der Unfall ereignete, enthielt, für den Kaiser zurück. D!e„Sar- degua" sitzt 5 Fuß im Sande und wird voraussicht lich mit Hilfe von Tauchern ausgegraben und dann abgeschlcppt werden müssen. — Prinz Heinrich hat für das deutsche Seemannshaus für Unteroffiziers und Mannschaften der Kaiser!. Marine das hiesige frühere Oberlandsszerichtsgebäude gekauft. ß Hannover, 27. Juni. Einen schrecklichen Tod erlitt in der Nahe von Nörten ein 8jähriger Knabe, der für seinen Vater ein Rind hütete. Er hatte eine lange Schnur, an welcher er das Tier führte, mehrfach um seinen Leib gewickelt. Plötzlich rannte das Rind zur Tränke, die etwa ftt Stunde entfernt war; der Junge wurde über den ganzen Weg geschleift und dabei schrecklich verstümmelt, so daß er sofort starb. 8 Die beiden Touristen Thörner und Kögel, zwei Deutsch-Amerikaner aus San Franzisko, welche bekanntlich um 16,OM Dollars gewettet haben, die Reise um die Erde zu Fuß in zwei Jahren zu be enden, haben dieser Tage Berlin verlassen, wo sie zwei Tage geweilt hatten. Die vorgeschriebene Route führte die Herren von München nach Wien; da sie jedoch bereits sechs Wochen früher als vorgeschrieben in der Jsarstadt angelangt waren — sie hatten z. B. den Marsch von Schongau nach München, ca. 80 Kilometer, in einem Tage zurückgelegt — so zogen die Touristen es vor, die überflüssige Zeit zu einer ihnen gestalteten Bahnfahrt nach Kiel zu den statt- findendea Festlichkeiten unv von vorr nach Berlin zu benützen. Lw Wettenden haben hier mehrere Besuche gemacht und sich bescheinigen lassen; so sprachen sie u. a. bei Herrn Oberbürgermeister Zelle, vei dem neuen Polizeipräsidenten Herrn v. Wlndheim, Ober regierungsrat Frisdheim, Fürsten v. Hohenloye-Lan- genburg, bei Exzellenz v. Köller, Generaladjutartten v. Werder, bei oem amerikanischen Generalkonsul und anben n Persönlichkeiten vor. Die beiden Weltreisenden sind junge Leute von jchlankerÄestült, sonnenverbrann ten Gesichtern und in malerische Trachten gekleidet. S>e sind bereits seit dem 10. Juni 1894 unterwegs und gedenken über Wien nach Rußland und von da aus nach Asien zu wandern. 8 Eine Ballonfahrt des Prinzen Rupprecht von Bayern. Dieser Tage unternahm Prinz Rupprecht in Begleitung des Kommandeurs der Luftschiffer- Abtnlung, Hauptmann Brug, und Premier-Leutnant Baron Guttenberg eme Fahrt im freien Ballon. Der Aufstieg geschah vom Uebungsplatze der Luft- sch'.ffir-Abteilung auf Obsrwiefenfeld um 10 Uhr 80 Minuten vormittags. Der Ballou schlug zunächst die Richtung nach dem Englischen Garten ein und über flog dann, dem Lauf der Isar folgend, die Städte Freifing, Moosburg und Landshut. Die Landung erfolgte beim Dorfe Stallwang, etwa sechs Kilometer nordöstlich von Landshut. Es ist dies die dritte Luftbullonfahrt, welche ein Prinz des Königlichen Haases zu militärischen Zwecken mnernahm. Be kanntlich führten im Jahre 1891 Prinz Leopold und Prinz Arnulf Ballonfahrten durch. Auch General- Leutuanr Ritter v. Nylander hat vor kurzem eins Ballnnsahrt unternommen, welche in der Nähe von Molzbach endigte. 8 Breslau, 27. Jann Hier fand eine Mas- ssnvergiftuvg unter Kindern statt, welche auf dem Platze an der Salvator-Kicche gespielt hattet!. Die Untersuchung ergab als Ursache Len Genuß von Blüten vou den auf jenem Platze arMpflanztea Gotbregcnsiräuchett!. Em 6jähriges Mädchen ist bereite gestorven, mehrere andere Kinder liegen hoff nungslos darnieder. Die Verwaltung von Bosnien und der Her zegowina wirö gegenwärtig von Oesterreich Ungar» mit einem Kosteuaufwande von rund 10 Millionen Gulden vorzüglich besorgt. Bisher fiel die Verwal tung der Aufgabe Serbiens zu; wie dieses Muster- land seiner Aufgabe genügt hat, schildert Vie Nordd. Allg. Zeitung ar leitender Stelle. Ein Satz des Regierungsblattes lautet: „Serbien hat sich mit einer Summe, die sich aus jährlich 43 Millionen beläuft, biSh-r in der Thatso schlecht wie möglich verwaltet," ** Paris, 27. Juni. Seit mehr als acht Tagen hatten sich die Pariser Geschworenen mit einer anarchistischen Einbrecherbande zu beschäftigen, an deren Spitze ein noch von Ravachol her bekannter Genosfe, namens Spannagel, stand. Die Verbrecher, zumeist junge Burschen, hatten eine solche Menge von Missethaten auf dem Ksrbholze, daß die Ge schworenen sich kaum auszuerkermen vermochten. Von den 21 Angeklagten wurden 9 freigesprochen, 9 zu zweijähriger Gefängnis- bis achtjähriger Zucht haushaft, 3 Rädelsführer zu 15- bis 20jähriger und Spaunagel zu lebenslänglicher Zwangsarbeit ver urteilt. ** London, 27. Juni. In der landwirtschaft lichen Ausstellung zu Darlington wurde der Besuch des Herzogs und der Herzogin von Aoik durch einen schweren Unglücksfall gestört. Es entlud sich ein furchtbares Gewitter, der Blitz schlug in einen Baum ein, unter welchem 5 Männer Schutz gesucht hatten; 2 derselben blieben sofort tot, die andern 3 wurden schwor verletzt in das Hospital getragen. Man hofft, sie am Leben zu erhalten. ** Newyork, 27. Juni. Entsetzliche Folgen halte ein Versuch mit einem neu konstruierten Fahr stuhl, der angeblich selbst beim Herabstürzen jede Gefahr für die Insassen auSschließen sollte. Der Erfinder und der Direktor der Lift-Gesellschaft, so wie ein Journalist nahmen in dem Fahrstuhle Platz, worauf ras Seil, welches ihn in der 5 Etage fest hielt, durchschnitten wurde. Im selben Augenblick sauste der Fahrstuhl mit schwindelerregender Schnel ligkeit hinab. Ali? er u»tten angekommen war, waren der Erfinder und der Direktor buchstäblich zerschmet tert, während der Journalist lebensgefährlich ver wundet wurde. MrGen - M'KchimMtHK für LrchSsKsteiN. Am 3, Sonntag nach Trinitatts, 30. Juni, Mitfeier des Johannisfestes. Vorm. 9 Uhr Gottesdienst mit Predigt vom Diakonus (Apostelgesch. 4, 8—22). — Nachm. 6 Uhr Gottesdienst mit Predigt vom Diakonus (Luc.15, 1-10). Im Vormittagsgottssdienst Kirchenmusik: Theodor Schneider, Jesuslied „Schönster Herr Jesu" für gemischten Chor u vnpsUu. Text: Schönster Herr Jesu, o Herrscher aller Dinge, Gottes nnd Marien Sohn! Dich will ich ehren, dich will ich lieben, du meiner Seele Freud' und Kron'. Schön sind die Felder, noch schöner sind die Wälder in der schönen Frühlingszeit. Jesu ist schöner, Jesu ist reiner, der unser traurig Herz erfreut. Schön leucht' die Sonne, noch schöner leucht' der Mon den und die Sterulein allzumal. Jesu leucht' schöner, Jesu leucht' reiner als all' die Engel im Himmelssaal. Text siehe auch „Kinderharfe" Nr. 140, Str. 1—3. Die im „Kirchenbsten" für diesen Tag angekündigte Kirchenmusik ist auf das Missionsfest verlegt. MrehlLchs MKehsLGeLM Ms SaLKdeNS« Am 3. Sonntag nach Trirritatis, den 30, Juni: Mitfeier des Johonutssestes. Borm. 9 Uhr Gottes dienst mit Predigt. — Nachm. ^2 Uhr Bibelstunde (Galater 1, 1—5). Kirchenmusik am Johaunisfeste: Vor der Predigt: „Gott, deine Güte reicht so weit — für eine hohe Sopranstimme mit Orgelbegleituug v. Rich. Noatzsch (Text. Landesgesaugbuch Nr, 428). Nach der Predigt: „lieber deinem Leben sei Nutz' Geistliches Lied für gemischcn Chor a oaxsUa von Rich. Noatzsch. Schlachtviehmarkt im Schlacht- und Biehhofe zu Chemnitz, am 27. Juni 1895. Auftrieb: 19 Rinder, 403 Landschweme, 297 Kälber, 131 Hammel. Der Geschäftsgang war bei dem heu tigen Markt in allen Blehgaitungm Mittelmäßig. — Preise: Rinder: I. Qualität 60—63 M./ II. Qualität 54—58 M., für 100 Pfd. Schlachtgewicht. Landschwewe: 43—47 M. für 100 Pfd. Lebend- gewrcht bei 40 Pfd. Tara Pr. Stück. Kälber: 54 dis 58 M. für 100 Pfd. Schlachtgewicht. Hammel: 29—30 M. für 100 Pfd, Lebendgewicht. MMMaMche WMeruKg für Vers 2!»» Jun! r (Aufgestellte Prognose nach dem Lamprccht'schen Wettertelegraph.) Meist heiter und warm. Gewitterneigung nicht ausgeschlossen. K atnreLI-^»pvt«i» von 10 Pf. an, LtvSVkspvt«» „ 30 „ „ «»IS. „ 20 „ „ in den schönsten und neuesten Mustern. Musterkarten überall hin franko. Kodrüllor LloZLvr in Lüneburg. Danksagung. Ich litt ca. 4 Wochen an heftigem Nasenbluten (infolge Lungenletdens). Alle drei Aerzte, an die ich mich wandte, konnten nicht helfen. In meiner Not wandte ich mich an Herrn vr. meä. VvlbvsiiiiA, Homöopath. Vr^t in VÜElüoi-f, LönigMlIv 6, und stellte mich dieser Herr binnen 3 Wochen wie der her, so daß bis jetzt kein Rückfall eintrat und ich meinem Berufe wieder ungestört nachgehen kann, wofür ich demselben meinen Dank ausspreche. Meine Mutter litt an heftiger Augen- Entzündung (Thränen, Eitern und un. erträgliche Schmerzen). Herr vr. moä. Volbeding heilte sie davon dnrch nur einmalige Konsultation binnen 3 Wochen, was vorher kein Arzt zu Stande brachte. Auch hierfür Herrn vr. besten Dank. Neheim-Hüsten, Reg.-Bez. Arnsberg. Heinrich Voß, Klempner. es v. Bergmann Ss Co, Dresden-Radebeul, (Schutzmarke: Zwei Gergmänner) ist dis beste Seife gegen Som mersprossen, sowie für zarten, wei ße«, rosiger» Teint Vorr. a Stück 50 Pf. bei: Louis Hoyer. D 6ZI6!NNitL, Isr«MSU8trK886 I, ?. LtllKV Meine Damen machen Sie gefl. einen Versuch mit Ci« WltMsklle erhält sofort Arbeit bei E. Hippold in Gersdorf, Stollbergerstraße. 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