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Abg. Hüpeden (kons.): Wir stehen nach wie vor auf dem Boden der BoNchaft von 1881. Wir wollen einen Fortgang der Soztalreform, aber nicht tm gegenwärtigen Augenblick, der dazu nicht geeignet ist. Herr v. Siumm hat jchon im Dez. die Herren Weber, Naumann und die evangelischen Arbetterver- einebekämpft., gestern nun hat sich daS Donnerweiter entladen (Heiterkeit) gegen die evangelischen Arbei tervereine. Aber cs waren kalteSchläze. Die evan gelischen Arbeitervereine werden niemals mit fliegen den Fahnen in das srzialdemokrattsche Lager ab schwenken, davor behüte sic ihre christliche und monar chische Gesinnung, sie sind monarchisch bis auf die Knochen. Ich muß Herrn v. Stumm zurufer: „Ber- dirb es nicht, es ist ein Segen drin!" Wenn die Sozialdemokraten einmal vom Leder ziehen wollen, dann lassen sie ihre materialistische Anschauung bei Seite, dann berufen sie sich auf das Christentum und sagen: DaS ist nicht moralisch, das ist nicht christlich. Herr Naumann ist ein Idealist, aber ihn mit den Sozialdemokraten in einen Topf zu werfen, das geht zu weit. Was den Gegenstand der Interpellation anlangt, so meine ich, man solle den Hammer nicht schmieden, um dann üen Stiel den Sozialdemokraten in die Hand zu geben. Die Sozialdemokratie hat gewerkschaftliche Bewegung und deshalb müssen wir diese unterstützen. Das Bedürfnis zu einer Organi sation ist vorhanden; wird es nicht befriedigt auf gesetzlichem Wege, dann geschieht eS durch die Sozial demokratie auf freiem Wege. Hüten wir uns, dem Glauben Vorschub zu leisten, als ob heute ein un freundlicher Wind gegen weht. Der Schein darf nicht entstehen, daß die Gerechtigkeit auf Seiten der Gegner sei. Abg. Legien (Soz.): Tin größerer Wi derspruch ist nicht denkbar als der zwischen der Einleitung der sozialpolitischen Gesetzgebung überhaupt und dec jetzigen Erklärung des Han delsministers, daß ein Weitergehen jetzt nicht richtig sei, ehe sich nicht die Arbeiter von der sozial demokratischen Bewegung freigemacht hätten. Gerade letztere hat man doch durch die sozialpolitische Gesetz gebung erreichen wollen. Herr v. Stumm erk.nnt keinen Unterschob zwischen Arbeiter und Fabrikb-sitz>r an, wir auch nicht, aber nur rein menschlich, sonst existirt ein solcher Unterschied allerdings. Herr v. Stumm läßt leine A-beiter nicht heiraten und nicht jede beliebige Zntung lewn, und dis Arbeiter körnen gegen diese Anordnung nichts mach-n. Dar ist doch ein großer Unterschied. Will etwa Herr v. Stumm dulden, daß s ine Arb-üer auch kontrolieiev, welche Zeitungen er selbst, Herr v. Stumm, liest? Die ganze sozialpolitische Gesetzgebung hat nichts geleistet. Geben Sie uns die KoaMonsfrechut, so wollen wir auf Ihre ganze Sozialreform verzichten, denn mit der Koalitionssreiheit können wir uns selbst genügend gegen Ausbeutung schützen. Die Haltung des Cm- trums, sowie die Vertreter der christlichen Kirche überhaupt, ist eine eigentümliche. Meinen Sie es mit den Arbeitern wirklich gut, wie kommen Sie dann dazu, im Gegensatz zu unserem Verein besondere christlich-evangelische Arbeitervereine zu gründen? Wenn Herr Hüpeden einen Gegensatz annimmt zwi schen den Gewerkschaften und der Sozialdemokratie, so ist er auf dem Holzwege. Einen prinzipiellen Gegensatz giebt es in unserer Partei nicht, höchstens einen Gegensatz in Bezug auf Taktik. Abg. v. Kar d o rf f (Reichsp.): Ich habe nichts gegen die evangelischen Arbeitervereine, ich schätze sie vielmehr hoch; ich wünsche nur, daß diese Vereine nicht in die Hande von Geistlichen fallen, die ehrgeizig genug find, eine politische Rolle spielen zu wollen. Die Debatte wird geschlossen, womit der Gegen stand erledigt ist. Es folgen Wahlprüfungen. Für giltig werden erklärt die Wahlen der Abgeordneten: Horn (Centr.), Harm (Soz.), v. Chlopowski(Pole), v. Benda (nat.- lib.), Göitz (freis. Ver.), Rothbarth (nat.-lib.). Lüt tich (freis. Ber.), v. Puttkamer (kons.), Planck und v. Schöning (kons.); für ungiltig werden dagegen er klärt die Wahlen der Abgeordneten: Pichler (Centr.), und Casselmann (freis. Ver.). Die Wahl des Abg. Böckel (Reformp.) wird beanstandet behufs Vornahme gewisser Erhebungen. Längere Debatten entstanden über die Wahl Meist's (Soz.), Wahlkreis Lennep, und Kreiß (Centr.), Wahlkreis Köln; in beiden Wahl kreisen hatten gesetzwidrige Abänderungen der Wahl- kreiSgreozen stattgefunden, weshalb die Kommission beantragte, die Wahlen für ungiltig zu erklären. DaS Haus beschloß demgemäß. Ebenso wurde nach längerer Debatte die Wahl deS Abg. Bantleon (nat.-lib.) für ungiltig ei klärt. Morgen: Interpellation Stumm, üetr. Schutz gegen Seegcsahr und Vorlage betr. Konsulatsgebühr. Vermischtes. ^Mißverstanden wie telephoniert. So lautet die neueste Lesart des früheren Spruches „gelogen wie telegraphiert"; daß sie nicht ganz der Berechtigung entbehrt, beweist die nachfolgende Zei- tuagsaummer, welche auf dem heute üblichen Wege der telephonischen Berichterstattung entstanden ist. Was der Ausrufeude telephoniert hat. Wien. Julius Payer, der Leiter oer ersten österreichischen Nordpol - Expedition hat sich nach Bremerhaven gewandt, wo er alsbald eine neue Ex pedition ausrüsten will. Rom. Die Papiere der Italienischen Bank haben heut an den Börsen meistens ver loren; sie notieren ungefähr 755. Wie es verstanden und gedruckt wurde. Julius Meyer, der Leiter der ersten österreichischen Nord bahn-Direktion ist in Bremen zum Grafen ernannt, weil er mit Gewalt eine neue Kon fession, die der Christen, will. Die Füsiliere der Italiener sind krank, sie haben heut ein böses Reisen in den Ohren, es desertierten aus dem Heere 755. Stuttgart. Die sozialisti sche Partei Württembergs pub- jiziert soeben ihre Kandida tenliste. Die Liste enthält 18 Personen, von denen einige in mehreren Wahlkreisen kan didieren. Bei dem sozialistischen La kai Hirtenberg explodierte so eben eine Granaten - Kiste. Die Kiste enthielt achtzehn Patronen, von denen einige mehrere Mal leise detonier ten. Budapest. Offen wird in Budapest ausgesprochen daß Weckerle noch in diesem Jahre die Geschäfte wieder in die Hand nehmen wird. In Ofen und in Budweis ist die Pest ausgebrochen, so daß der Schrecken noch in diesem Jahre heftig überhand nehmen wird. Bangkok. Der Kronprinz von Siam, der an Asthma litt, hat ausgelitten. Sein Hinscheiden hat öie Bevölke rung tief erschüttert. Man rühmt ihm nach, daß er einen vortrefflichen Charakter, wie sein Vater, besessen habe. Der Kronprinz von Siam, der auf dem Asphalt schritt, ist ausgeglitten. Sein Hin gleiten 'hat die Bevölkerung erbittert. Man rühmt ihm nach, daß er vortrefflicher nnd kompakter wie sein Vater ge sessen habe. * Von Ver „Elbe". Von Frl. Anna Böcker ist bei ihren Verwandten ein Brief cingegangen, ru dun sie ku-z ihre furchtbaren Erlebnisse schildert. Das Schreiben ist „ SaOorS Home Lowestoft" Don nerstag morgen datiert und tautet im Wesentlichen Wie folgt: „Wie soll ich Gott danken, daß ich gerettet worden bin. Denkt Euch doch nur, daß ich das ein zige 6bends weibliche Wesen bin, das dem Tode ent rissen worden ist. Ein junger Mann, Herr Emil Robe, der zu der geretteten Mannschaft gehört, hat mir angeboren, diesen Brief ar. Euch zu überbringen. Nehmt chn recht freundlich auf, denn er ist einer der Leute, die mich gerettet haben. Es kommen so viele L ute, um mich zu besuchen, eben waren wieder drei Damen hier, eine brachte mir einen Hut, Hemd und Stiümpfe und e-nen Fleischpudding, eine avd:re will wirS'üfel uud andere Garderobe schicken, von einer deuischen Dame e hatte ich Shawl und Wmderhand- schuh«. Doch will ich Euch vou dem Unglück er zählen. Um ungefähr 5^/s Uhr, als ich wachend im Beite lag, erfolgte nn hesliger Stoß an der gegen- überli genden Seite des Schiffes, doch dachte ich nicht, daß etwas Besonderes passiert sei und blieb liegen. Da ich aber bald viele Leute herumlaufen hörte, stand ich auf und guckte zur Kajütemhür hinaus, wo man mir zurief: „Alles an D.ck, das Schiff sinkt!' Ich eilte zurück, ausgezogen war ich gar nicht, zog mein Winterjackeit an, schlug Großmutters Tuch über den Kopf, band meine Reisetasche, in der ich mein Geld hatte, um, zog Stiefel an, der Mass kam auch mit, ebenso mein Handgepäck. So eilte ich auf Deck. Dort sah ich, daß d:e Rettungsboote klar gemacht wurden. Alles war in Aufregung, doch herrschte Oidnung und man hörte wenig Geschrei. Ein Mann, der den Kopf völlig verloren hatte, bat Jeden, ihm etwas zum Anziehen zu geben, er halte weder Strümpfe noch Schuhs an. Ein Dampfer hatte die „Elbe" angerannt und sie fing sofort an zu sinken. Viele versuchten, sich in die Rettungs boote zu flüchten. Ich auch. Gleich wie es im Wasser war, versank es, ich wurde in die See hinaus- geschlcudert, wo ich einen Balken erfaßte, an dem ich mich krampfhaft festhielt. Die anderen hatten sich wieder auf die „Elbe" gerettet, um dort unter zugehen. Ich war ganz sicher, daß mein letzter Augenblick gekommen sei, schrie aber verzweifelt um Hilfe, da ich das andere Boot in meiner Nähe sah. Sie bemerkten mich und hielten mir ein Ruder hin, von der Kälte aber war ich ganz steif und mein Zeug war vom Wasser so schwer, daß eS den Leuten erst nach geraumer Zeit unter den größten Anstrengungen gelang, mich in das Boot zu ziehen. Von der „Elbe" war nichts mehr zu sehen! Für uns begann nun eine schreckliche Zeit. Es war noch dunkel, die See ging hoch und fvriwährend stürzten die Wogen über unser kleines Boot; doch tüchtige Seeleute befanden sich darin, die mutig gegen die entfesselten Elemente, gegen Sturm und Wogen onkämpften. Endlich, nach fünf Stunden! Denkt Euch, nachdem wir während fünf Sttlnden in Todesgefahr schwebten und fürch terliches Wetter auegehalten hatten, bekamen wir ein Fischerboot in Sicht. Die Mannschaft schrie aus Leibeskräften, bis wir bemerkt wurden und das ziem lich große Book auf uns zukam. Nach vieler Mühe gelang es den Fischern, uns ins Boot zu ziehen; eS war aber die höchste Zfft, denn wir waren fast er froren undich war noch in meinen total uasssn Kleidern. Die guten Fischer sorgten sofort für uns und un gefähr 5 Uhr abends wurden wir in Lowestoft ge landet. Wie ich Gott für meine Rettung danken soll, weiß ich nicht, auch nicht, woher ich den Mut und die Kraft bekam, mich nach dem Untergang des ersten Bootes über Wasser zu hatten." Zum Untergang des Schnelldampfers „Elbe". Durch Nebel und Nacht fährt das Schiff dahin, Die Wogen rauschen und die Ufer flieh'n Vorbei, vorbtt! Im Bauch des Schiffes ruht die Menschenfracht, Es lauscht der Seemann, der am Steuer wacht, Der Möve Schrei. — Sie träumen unten vom verlassenen Land, Vom alten Heim nnd vom zerriss'nen Band — Vom neuen Glück. Den Schläfer führt durch Sturm und durch Gebraus Erinnerung in's alte Vaterhaus Im Traum zurück. Dort liegt ein alter Mann, das Haar gebleicht, Ihm ward der Abschied von dem Heim nicht leicht, An dem er hing. Was er ersehnt, das ist ein wenig Ruh, Und daß das Kind im drück' die Angeu zu, Das vor ihm ging. Hörst Du, v Greis, was Dir erzählt die Flut, Wie ruhig sich's im Schoß des Meeres ruht? Hörst Du es uicyt Wie's flüsternd durch des Schiffes Ranen zieht? Es singt der Wind das alte Toteniied: „Durch Nacht zum Licht!" Und Du, Verhärmter, der Du schlafend lallst, Im bösen Traum die schwiel'gcn Fäuste ballst, Dein ward die Not So lang Du lebtest in dem alten Land; Was Dir nicht ward, hoffst Du vom neuen Strand: „Freiheit und Brot!" Es stöhnt der Dampfer, hast Du es erlauscht, Was zornig Dir die Woge zugerauscht? Das harte Wort: „Die wahre Freiheit, das ersehnte Los, Das ward Dir nur ini tiefen Meeresschoß; Das ist der Ort!" Und Du, o Kind, des Mund im Traume lacht, Kurz ist der Morgen, lange währt die Nacht. Wer früh verstarb, Dem ward der Götter Gnnst: nicht dem der spät. Der Blume Heil, die Lenz im Sturm gemäht, Eh' sie verdarb! Es zieht das Schiff, matt blinkt vom Mast das Licht; Es webt der Nebel seine Schleier dicht — Ein Stoß — ein Schrei!! Die Wogen brüllen, nnd die Planke kracht; Es bricht herein des Todes ew'ge Nacht. Vorbei, vorbei! Und auf der Brücke steht mit festem Blick Des Schiffes Führer, trotzend dem Geschick; Nicht bleicht die Not Des Wackern Wange; keine Thräne rann. Es singt der Sturm das Lied vom braven Mann: „Treu bis zum Tod!" — (Leipz. N. N.) FamilieuxachrichLe«. Gestorben: Frau Clara Jaeppelt, geb. Wagner, ia Dresden. — Herr Gutsbesitzer Hermann Petzoldt in Auritz. — Frau Amynta verw. Brodmeyer, geb. Göring, in Al tenburg. — Frl. Adeline Matthia aus Altenburg in Dresden. — Frl. Johanna Sieber in Leipzig. — Frau Adelheid verw. Kirchenrätin v. Seekhorst, geb- Einert, in Dresden. Herr Ehregott Ernst Wolke in Kleinwaltersdorf. Kohlen Versand in der Zeit vom 27. Jan. bis mit 2. Febr. 1895. In Ladungen d 5000 Kilogramm Ab Oelsnitz i. E. r vis Lugau: 1679 Ladur gen, vi» St. Egidien: 1750 „ 18 „ Bahnhof Oelsnitz i. E. in Summa: 3447 Ladungen. Mutmaßliche Witterung für de« LO. Febr. Wolkig, geringe Niederschläge bei fortdauerndem Frost. Sämtliche Artikel für elektrische Klingel-, Fern- sprech- und Licht-Anlagen, sowie Jud.«App. sür Elektrothe rapie (sog. Elektrisiermaschinen) jeder Ausführung empfehlen billigst kiedter L Lstieli, «Mck- MWtaM 9 Pst. postfrei Mk. 9,50. Nach», liefert täglich Marti« Bilger, Ulm-Donau. Wumms und Mage-Orgel«, ix größter Auswahl, aus verschiedenen Fabriken empfiehlt unter langjäh riger Garantie zu billigsten Preisen Alex. Albert, Hohenstein. Ein Sohn achtbarer Eltern, welcher Lust hat zu werden, kann von Ostern ab in die Lehre treten. J«g«rt Heckel, Bäckermstr., Lichtenstein-C. Beim Maskenball in Lichtenstein ist auS der Garderobe ein großes schwär- zeS gehäkeltes Tuch abhanden gekom- men oder aus Versehen jemandem mit- gegeben worden. Der jetzige Eigentümer desselben möge so freundlich sein und selbige« bis Montag abend in der Ex pedition de« Tageblattes abgeben. ff. geör. Kaffee, ä Pfd. 140, 160, 180, 206 Pfg., empfiehlt Albert Köchermaux, Hohndorf. WMMiiMiSSSWSS« bleebsl - linle, ß per 1. März ein Dienstmädchex im Älter von 16 bis 18 Jahren Lichtenstein, Badergaffe 199.