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zähnefletschend entgegen. Man mußte nun mittelst Schlingen die wütenden Tiere einfangen, ehe man Hertzog Beistand leisten konnte. Er wurde nach seiner Wohnung gebracht, starb aber bereits auf dem Wege dorthin. Z Auch ein Verbrechen hat durch den Unter gang der „Elbe" seine Sühne gefunden. Ein ge wisser Henne, in einer Malzfabrik an der Höchster- straße zu Frankfurt a. M. beschäftigt, der vor 14 Tagen einen Bankbeamten Hahn durch einen Messerstich in den Unterleib bedenklich verletzt hatte, wollte nach Amerika entfliehen, bevor seine Verhaf tung bewerkstelligt werden konnte. Er ging an Bord der „Elbe" und fand bei der Katastrophe den Tod. § Vom Untergang der „Elbe". Ein Privat- Telegramm meldet: Den aufgefundenen Postsack der „Elbe" wird die „Lahn" nach Bremen bringen. Der Norddeutsche Lloyd gewährteder Besatzung des „Wild- flower" 100 Pfund Belohnung. Z Ein SchWarzt, der längere Zeit unter dem Kapiiän von Gössel, dem Kommandanten des unter- gegangcnen Dampfers „Elbe", gedient hat, veröffent licht in der Frkft. Ztg. folgende hochinteressante Er innerungen: „ ... In einer dunklen Winternacht des Jahres 1891 dampfte unser Schiff „General Werder" längs der chinesischen Küste. Plötzlich drang ein gebender Schrei durch die Nach!; ein kurzes, gurgelndes Geräusch am Kiel und Stille, bis auf das Brausen des hochgehenden Meeres; wir hatten einen chinesischen Fischerkahn überfahren. Was war Schuld? Der Chinese wollte die Ausgabe des Lich tes sparen und hatte dunkel, unsichtbar auf dem Meere gelegen. Obgleich sich nun in einem solchen Bote in der Regel nur ein Mann befindet, ein bit terarmer chinesische-Fischer, wie sie bei jedem Teifun zu Tausenden ums Leben kommen, ließ der Kapitän, Bernhard Blanke, sofort ein Boot klar machen. Der mächtige Dawpfw hielt an, und unter beständiger, schwerer Lebensgefahr mußte der 2, Offizier, Mal- chone, mit 2 Matrosen das Meer abjuchen. Eine volle halbe Stunde wohl kreuzte das kleine Boot bei dem hohen Seegang durch die dunkle Nacht — ver gebens. Niemand war Zeuge des Vorfalls gewesen, als der Mann auf dem Ausguck, der Kapitän und der Offizier auf der Brücke. Wäre der Dampfer weiter gefahren, wer hätte der Führung einen Vor wurf gemacht? Man könnte vielleicht fragen, ob es nicht zu gewissenhaft gewesen war, nm eines Chine sen willen 3 Deutsche aufs Spiel zu setzen, aber tue Pflicht gebot es! So mochte auch der 2. Offizier gedacht haben, als er von mir Abschied nahm, um sich tn den Kahn zu begeben. Ich stand auf Deck, um sofort Wiederbelebungsversuche anzustellen. Keine Klage kam über sein: Lippen; aber als er an mir vorüberschritt, und nur die Hand drückte, sagte er: Doktor leben Sie wohl! Genau so, wie der Kapitän des „General Werder" hätte der unglückliche v. Gössel gehandelt! Es war am 12. Oktober 1887, wo er einst m Sydney, wegen einiger betrunkener Kohlen- zieher, die ins Wasser gefallen waren, den ganzen Hafen absuchen ließ. Einen, der nach ca. 20 Min. aus dem Wasser aufgefischt wurde, gelang es mir, ins Leben zurückzurufen; aber noch stundenlang mußten unsere Leute vergebens nach den anderen suchen. „Nun, Doktor", sagte v. Gössel endlich, als der Morgen bereits dämmerte (seit 12 Uhr suchten unsere Schifft), „haben wir nicht gethan, was wir konnten? Könnten Sie als Arzt versichern, daß ein späteres Auffinden zwecklos sein wird? Aber wer weiß, ob man nicht später einmal bei uns ebenso gewissenhaft sein wird!" Man war es nicht, soviel man jetzt glauben muß. Er ruht auf dem Meeres gründe. Als ehemaliger Beamter seines Schiffes kann ich wohl sagen, mit ihm ist ein Mann dahin gegangen, der mehr verdient, als einige Zeilen war men Nachrufs. Vo r denen, die ihn kannten, wird er nie vergessen werden. Noch immer tönt mir das Lied in den Ohren, das er morgens beim Ankleiden zu singen Pflegte (seine Kabine war nur durch eine dünne Wand von der meinen getrennt), es war die Melodie des alten bekannten Seemannsliedes, dessen letzte Strophe lautet: „Kracht der Kiel auch dann zusammen, — Ich halt' aus in letzter Stund' — Unter Trümmern, unter Flammen — Bet' ich still zum Himmel „Amen", — Blick hinunter in den Schlund — Und fahr mit dem Schiff zu Grund!" * * Bittere Klagen über grimmige Kälte kommen aus Südösterreich, Italien und Frankreich, wo es im Verhältnis erheblich schlimmer steht, als in Deutschland. Auch Schneestürme machen sich wieder geltend, der Verkehr hat mehrfach eingestellt werden müssen. * * Aus Perpignan in Frankreich wird ge meldet, daß infolge der großen Kälte ein Rudel Wölfe die Berge verlassen hat und die Dörfer be droht. Die Einwohner veranstalten Treibjagden. * * Der Pariser „Matin" läßt sich über eine Unterredung berichten, die der deutsche Kaiser an geblich mit einer Persönlichkeit seiner Umgebung ge habt haben soll und die von der französischen Prä sidentenkrisis ausgeht. Der Kaiser habe zunächst die Ruhe konstatiert, in der die Ereignisse sich vollzogen hätten, und das als Fortschritt bei einer Nation be zeichnet, die unlängst noch für politisch unreif ge golten. Er (der Kaiser) empfinde eine gewisse Ge- nugthuung über die Wahl FaureS, der in den Augen des Kaiser- eine Garantie für Ordnung und Frieden bedeute. Die beiden benachbarten Nationen hätten unter einander zahllose materielle und intellektuelle Beziehungen, darum wäre ein Krieg, abgesehen von den militärischen Resultaten, ein sehr großes Unglück. Deutsche und Franzosen würden unter diesem Un glück nicht allein zu leiden haben. Die Zeit sei vor bei, wo ein Land vor den blutigen Kämpfen seiner Nachbarn sich egoistisch absperren konnte. Mehr und mehr würden die zivilisierten Nationen solidarisch, das Werk, das die Völker heute zu vollbringen hätten, sei die Eroberung des Glückszustandes durch Arbeit. Arbeiten, schaffen sei das unwiderstehliche Bedürfnis von heute und werde das Gesetz von morgen sein. Aber dieses Werk könne nur vollbracht werden bei absoluter Ordnung innerhalb der Grenzen jedes Landes und bei allgemeinem Frieden auf dem Kon tinent. Die Aufrechterhaltung dieses Friedens sei die vornehmste Pflicht der Regierenden. Was ihn (den Kaiser) betreffe, so werde er, so lange es in seiner Macht siehe, die Gefahr beschwören, und es sei ihm dabei ein äußerst angenehmer Gedanke, daß Frank reich zu gleicher Zeit einen gemäßigten und euer- gischen Staatschef habe, welcher ferne friedlichen Neigungen teile und gewillt wäre, für das große Nachbarland in weisem, konservasivem Geiste zu regieren, ohne den es für die Völker nur Ver wirrung und Ruin gebe. * * In der Umgebung Roms sind mehrere Bergdörfer total eingeschneit. Die Bewohner leiden große Not. * * Italien. Auf Sizilien wütet ein heftiger Sturm. Mehrers Flüsse sind aus ihren Ufern ge treten. Infolge der großen Schneemassen stürzten mehrere Dächer in Syracus ein, wobei einige Per sonen verletzt wurden. Viele Schiffe flüchteten vor dem Sturm in die Häfen, ein mit Holz beladenes Boot erlitt schwere Havarien. — In Genua herrschte ein außerordentlich h-ftiger Sturm. Im Hafen schei terte eine Schaluppe des englischen Dampfers „Cyre- nian", während sie den „Cyrenian" vertäuen wollte. Die Schaluppe hatte fünf Personen an Bord, von denen zwei ertranken. Zwanzig mit Kohlen beladene Boots gingen unter. Zahlreiche Schornsteine wur den umgestürzt, wodurch mehrere Personen Ver- l-tzung erlitten. Mehrfacher Schaden wurde auch in den umliegenden Landorten angelichtet. * * Triest, 8. Febr. Von allen Seiten laufen Hiobspssten ein über zahllose UnglückSfälle, welche das Unwetter verursacht hat. Viele Personen er litten schwere Verletzungen, mehrere Postwagen und Lvhnfuhrwerke wurden vom Orkan Strecken weit forlgeführt und zertrümmert. Vom Karst fehlt jede Nachricht. Die Bora wütet noch ungeschwächt fort; der Schiffsverkehr ist eingestellt worden. * * Lowestoft, 7. Febr. Heute wurden zwei Weiler« Leichen von dem Dampfer „Elbe" gefunden. Die ein- ist noch nicht identifiziert, in der andere» wurde Eduard Muskovitz aus Pest erkannt. Bei Letzterer wurde eine große Summe Geldes gefunden. * * Lowestoft, 8. Febr. An der Küste ist noch eine Lüche von den mit der „Elbe" Umgckom- menen aufgefunden worden. Dieselbe ist vermutlich die Wieses aus New-Jork. * * Lowestoft, 8. Febr. Heute früh wurden zwei weitere Leichen von der „Elbe" gelandet. Aus den bei den Leichen vorgefundenen Visitenkarten nimmt man an, daß dieselben mit vr. Julius Dietrich.New- Jork und Louis Kurt Kleinschmidt-Helena (Montana) identisch sind. Auch das Rettungsboot Nr. 5 wurde eingebracht; dasselbe war leer und die Luflkammer gplatzt. * * Sieben Mann von der Mannschaft des Dampfers „Crathie" sind gestern abend in Aberdeen eingetroffen. Der Kapitän Gordon ist mit dem ersten Offizier und drei Mann von der Besatzung tn London zurückgeblieben. Es sind dies diejenigen, die tm Augenblicke des Zusammenstoßes die Wache hatten. Die übrigen sind wenig in der Lage, sich über die Katastrophe zu äußern, doch sind sie nicht darüber im Zweifel, daß das Schiff, mit dem die „Crathie" kollidierte, die „Elbe" war. Es wurde kein Schrei und kein Notschuß gehört. Die Frage, ob die Unter suchung tn Berlin oder in London stattfindet, ist noch nicht entschieden. Dte Besatzung der „Crathie" wußte nicht, daß die „Elbe" gesunken sei. * * Aberdeen, 8. Febr. Die Mannschaft der „Crathie" begab sich heute nach dem Handels amte, wohin ein besonderer Kommissar zur Unter suchung gesandt worden ist. Ein Mitglied der Mann schaft sagte aus, nach der Kollision wurden dte Lichter der „Elbe" nahezu Meilen entfernt ge sehen. Man glaubte deshalb, daß die Maschinell noch arbeiteten; Notraketen seien gesehen worden, je doch habe niemand etwas von einer Explosion gehört. Von bis 7 Uhr seien die Mannschaften mit der Entfernung zahlreicher Wrackstücke von ihrem Schiffe beschäftigt gewesen; um 7 Uhr wurde auf Rotterdam zugesteuert. * * Ein schreckliches Unglück ereignete sich an der Küste bei Portreath, CornwalliS. Der Glas gower Dampfer „Escurial", von Cardiff nach Fiume mit einer Ladung Kohlen unterwegs, war auf Felsen geraten und leckle stark. NachlS um 2 Uhr bemerkte man seine Notsignale. Das Rettungsboot von Hay les wurde über Land mit vieler Mühe herbeigeschafft, konnte aber bei dem herrschenden Sturme nicht auS- fahren. Ein Versuch wurde gemacht, das Boot ward aber sofort wie ein leichter Kork mit der Bruftseite hoch auf daS Land Hinaufgetrieben. Bis zur Brust im Wasser stehend, arbeiteten die Rettungsmannschaften* um die über Bord gesprungenen Seeleute deS „ES- curial" zu retten. Acht Mann wurden auf diese Weise in äußerst erschöpftem Zustande geborgen. Di« übrigen zwölf Mann der Besatzung, die nicht über Bord springen wollten, sah man bei Tagesanbruch im Takelwerke des bereits ganz unter Wasser befind lichen Schiffes hängen, bis einer nach dem anderen, von der Kälte, dem Winde und den Wellen erschöpft, in die Flut hinabstürzte und vor den Augen der ohnmächtig am Strande zuschallenden Menge ertrank. Zuletzt brach der Mast zusammen und riß die fünf letzten mit sich ins Meer hinab. * * Ueber Emin Paschas Ermordung, oder richtiger Hinschlachiung, erzählt jetzt ein Augen zeuge, ein Araber Jsmailia, der mit seinen Genossen zu Emin kam: „Ich (Jsmailia) und Mamba standen unmittelbar neben dem Pascha, und auf ein Zeichen vom Häuptling ergriffen wir seine Arme, da er in einem Stuhle saß. Er drehte sich um, und fragte, was wir wollen. Kinena sah ihn an und sagte: Pascha, Ihr müßt sterben! Emin drehte sich um und rief sichtlich zornig aus: Was wollt Ihr? Was soll das heißen, meine Arme ftstzuhalten? Was habt Ihr für eine Absicht mit meiner Tötung? Wer seid Ihr, daß Ihr den Befehl zum Töten eines Mannes geben könnt? Kinena antwortete: Ich habe den Be fehl nicht gegeben, ich empfing ihn von Kibongs, der ist mein H-rr, und ihm muß ich gehorchen. Drei Leute von Kinenas Mannschaft kamen dazu und standen uns bei, Emin zu halten, welcher sich heftig anstrengte, sich frei zu machen und seinen auf dem Tische liegenden Revolver zu ergreifen; seine Be mühungen waren vergebiich und wir drückten ihn in den Stuhl zurück. Dann rief Emin den Kinena zu, das Garze wäre ein Mißverständnis, Kibonge habe ihm Geleitfchaft bis zu dessen Ortschaft zugefagt. Darauf erwiderte Kinena: Pascha, könnt Ihr Ara bisch iescn? Ja! Dann leset dies, — und er hielt ihm der, anderen Brief unter die Augen, denn Emin war saßt blind. Emin las ihn und sah, die Sache war richtig. Nachdem er einen langen Atemzug ge- than, wendete er sich und sagte: Wohl! Ihr könnt mich töten, da ich der einzige weiße Mann in der ganzen Gegend bin. Dort sind roch viele andere, welche münen Tod zu rächen bereit sind, und ich will Euch ankündigen, daß in weniger als 2 Jahren kein Arader mehr in jenen Gebieten verbanden ist, wo sich Euer Volk befindet. Emin gab kein Zeichen von Furcht, nur als er daran erinnerte, daß er vor zwei Jahren Fürsorge für feine Tochter getroffen habe, zitterte er leicht. Auf ein Zeichen von Kinena wurde Emin aus feinem Stuhle herausgehoben, und flach auf den Ruckm gelegt; ftdes Bein und jeder Arm wm de von einem Manne gehalten, ich hielt den Kopf, während Mamba ihm die Kehle durchschnitt. Emin leistete keinen Widerstand, der Kopf wurde hinten über gezogen und Mamba schnitt den Kopf halb ab. Das Blut spritzte über uns weg, und Emin Pascha mar tot. Wir hielten ihn noch einen Augenblick, dann brachen wir auf und ließen den Körper dort li-gen. Nachher trennte Mamba sein Haupt ganz vom Rumpfe, Kinena legte es in eine kleine Kiste und schickte cs an Kibonge, damit er sähe, daß seine Befehle erfüllt seien. — Eta dritter Mörder außer Ken beiden Jsmailia und Mamba befand sich an den Fiußschnellen unterhalb Nyangwe, er hatte einen Posten beim Kongostaat inne. Dieser Monn be kannte, nachdem er den beiden anderen gegenüber gestellt worden war, seine Beteiligung auch. Alle drei wurden zu Kibonge von einer Truppsnabteilung unter Leutnant Leiner y nach einer Gerichtssitzung zu sammen mit den Araberhäuptlingen gehängt, welche die Hodtster'sche Expedition umgebracht hatten. Das geschah Ende Mai 1894. anderthalb Jahre nach Emins Tod. Kinena und Kibonge konnten noch nicht gefangen werden, aber es ist bekannt, wo sie sind, und sie werden so leicht nicht entwischen. Deutscher Reichstag. Sitzung vom 8. Februar. Das Haus setzt die Besprechung der Interpel lation Hitze fort. Abg. Heyl zu Herrnsheim (nat.-lib.): Meins Freunde wolle» gemeinsame Organisation von Ar beitgebern und Arbeitern. Ein großer Teil meiner Freunde steht im Widerspruch zu der gestrigen pro grammatischen Erklärung des HaudelLministerS. Wir wollen keinen Stillstand der sozialpolitischen Gesetz gebung, aber wir sind überzeugt, daß die Berufsge nossenschaften, wie wir sie wollen, einer weiteren Ausbildung zu Kassen gegen Arbeitslosigkeit fähig find. Auch ist das Versicherungswesen noch nicht abgeschloffen, es kann ausgedehnt werden auf Witwen und Waisen, wie dies schon bei den KoappschaftS- kassen der Fall ist. Mit den Arbeiterkammern würde man nicht nur eine moralische, sondern auch eine finanzielle Stärkung der Sozialdemokratie erzielen. Auch die Arbeiterausschüsse haben den Arbeitern üichtS genützt. Dte Arbeiter sind übrigens auf dem besten Wege, in den Mittelstand einzurücken. ES giebt Arbeiter mit 4000 Mk. Einkommen und diese begrüße» durchaus die Umsturzvorlage, indem sie hoffen, die selbe werde verhüten, daß das sozialdemokratische Gist ihreü Kindern beigebracht werde. Pflicht der Regierung ist es aber auch, mit einer echt Nationalen Sozialpolitik eine echt nationale Handelspolitik zu verbinden. (Lebhafter Beifall rechts.)