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- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-11-16
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18951116026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895111602
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895111602
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1895
-
Monat
1895-11
- Tag 1895-11-16
-
Monat
1895-11
-
Jahr
1895
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8140 » ' Sntlchiidlgung für dl« Familie Gtoke» und schlicht in keiner 8ücise in sich, daß die englische Regierung ihre Forderung sür eine gerichtliche Untersuchung betreffs des Verhaltens Lothaire's ausgegeben hat. Auch die „Time«" protestiren dagegen, daß die StokeS- Asfaire durch die Zahlung einer Entschädigung beendet sein soll. ES handle sich nicht um eine Sühne für Nichtbeachtung von Proceßregeln, sondern für einen Mord, und die Zeit sei vorüber, wo ein Mord durch Wehrgkld gesühnt werden konnte. Die öffentliche Meinung Englands werde auf einem ordentlichen, mit allen Garantien umgebenen Verfahren gegen Lothaire bestehen. Fernerhin müssen die Ansprüche Deutschlands noch be glichen werden; Stokes war zwar nicht deutscher Reichs angehöriger, er hatte aber seit 1890 in deutschen Diensten gestanden, machte seine Züge durch das deutsch-ostafrika nische Gebiet und hatte in seiner Expedition fast lauter Letzte au« unserm Schutzgebiet. Bon diesen ist eine große Anzahl durch den Ueberfall von Seiten der Belgier umö Leben gekommen. Die Beschwerden dagegen werden noch dadurch verschärft, daß schon lange begründete Klagen anS den Grenzgebieten gegen Uebergriffe der Belgier erhoben worden sind. Der StvkeSfall wird Gelegenheit geben, alle diese Fragen gründlich zu erledigen. Wenn die Eongo regierung vielleicht die Hoffnung bat, nunmehr, nachdem die englische Negierung mit ihren Anforderungen zum Schweigen gebracht worden ist, auch mit Deutschland leichter nach ihrem eigenen Willen fertig zu werden, so dürfte sie, meint die »Voss. Ztg.", eine Täuschung erfahren. Deutsches Reich. st. Dresden, 15. November. Heute fand hier eine von etwa 1000 Personen besuchte Versammlung des Bundes der Landwirthe statt, in welcher der erste Bundesvor sitzende von Ploetz und der Abgeordnete vr. Diederich Hahn sprachen. Die Versammlung nahm einstimmig folgende Resolution an: „Die in Dresden versammelten über 1000 Landleute halten nach wie vor an allen Forderungen des Bundes der Landwirthe fest, vor Allem an der Durch führung deS Antrages Kanitz, an einer WäbrungS- und einer gründlichen Börsenrefvrm. Diese Maßnahmen allein können der deutschen Landwirtbschaft nachhaltig Helsen, deren Erhaltung eine nationale Nothwendigkeit ist." sZ. Berlin. 15. November. In Nr. 549 des ^Leipz. Tagcbl." vom 12. d. M. ist über den Proceß berichtet, der am 8. d. vor dem Schwurgerichte in Mülhausen i. E. zum Austrag kam und mit der Verurtheilnng deS Pfarrers Burtz wegen Meineids zu 15 Monaten Gefängniß endete. Die klerikale „Köln. VolkSztg." macht jetzt zu diesem Processe Be merkungen, die nicht unwidersprochen bleiben dürfen. Die Darstellung, die das Blatt von dem Processe selbst giebt, ist in einigen Puucten lückenhaft, reicht aber zur materiell straf rechtlichen und socialen Benrthcilung deS Falles hin. Danach bat der Pfarrer Burtz nach dem Tode eines hochbctagtcn Bauern, „den er in seiner Krankheit viel besucht hatte", einen von dem Verstorbenen geschriebenen Zettel zum Vor schein gebracht, welcher verschiedene Legate enthielt, darunter 4000 ^ für einen Studirenden der Theologie, ein Pathenkind des Verstorbene», und 10 000 ^ für die OrtSlirche. Ob der „Zettel" noch weitere Summen kirchlichen oder verwandten Zwecken zuwendete, wird nicht gesagt. Die Legate waren uugiltig, die Erbschaft siel den Verwandten des Erblassers zu, es fehlten in dem Nachlaß aber drei Suezcanal-Obliga tionen im Werthe von annähernd 1600 ^ Der Amtsrichter von Sierenz verhörte über den Verbleib der Wertpapiere den Pfarrer Burtz, der unter seinem Eide aussagte, „er wisse nich tS". Später wurde festgcstellt, daß die Papiere im Besitze des Pfarrers sich befunden hatten, und dieser wurde wegen Meineids und Diebstahls vor die Geschworenen gestellt. Diese sprachen ihn schuldig, bewilligten jedoch mildernde Umstände. Die Geschworenen, denen der Inhalt der beiden Schuld fragen offenbar nicht ganz verständlich gewesen war, batten zuerst diese verneint, aber — ein Beweis, daß sie ein Schuldig sprechen wollten — dem Angeklagten, wie schon erwähnt, mildernde Umstände zugebilligt. Nack nochmaliger RcchtS- belehrnng und abermaliger Beratung bejahten sie die Schuld frage. Dieser Zwischenfall ist für die Beurteilung des Instituts der Schwurgerichte nicht ganz ohne Belang und zieht vielleicht die Aufhebung des Urteils durch das Reichs gericht nach sich, aber er ist gleichgiltig für die Polemik gegen den in der Verhandlung functionirenden Staatsanwalt, zu der sich die „Köln. VolkSztg." durch den Proceß ermuntert fühlt. Sie knüpft an die Verantwortung des verurtbeiltcn Geist lichen an, die dahin ging, daß die Wertpapiere zwar in seinem Besitze gewesen, daß sie ihm aber unter dem Siegel des Beichtgeheimnisses übergeben worden seien, er also nichts über den Sachverhalt habe sagen dürfen und können, ohne das Beichtsiegel zu verletzen. Drei als Sachverständige geladene höhere Geistliche sagten aus, daß, wenn dem An geklagten das Geld unter dem Beicht- oder auch dem Amtssiegel zu einem bestimmten Zweck anvertraut worden, derselbe nichts sagen dürfe, um das Beichtgeheimniß nicht zu verletzen. Nun hatte aber, wie wir gesehen, der Pfarrer Burtz nicht „nichts" gesagt, sondern eine positive Behauptung negativen Inhalts aufgestellt, indem er eidlich versicherte, er wisse nichts. Es handelte sich demnach in der Mülhausener Verhandlung um einen wissentlichen Meineid, und cS bezog fsich deshalb nicht auf die Ver weigerung einer Zeugenaussage unter Hinweis aus die geistliche Pflicht der Wahrung des Beichtgeheimnisses, sondern auf die Verletzung des vom Meineid handelnden Straf gesetzes, wenn der Staatsanwalt bemerkte, daß „ein Geistlicher überhaupt nie zu einem Eid im GerichtSsaal herangezogcn werden könne, noch solle, wenn er sagen dürfe, er wisse nichts,und dennoch durch die Beicbtcetwas wisse". DaS ist zweifel los treffend und kann der katholisch kirchlichen Anschauung nicht widersprechen, die unmöglich eine mit Anrufung Gottes vor Gericht gemachte falsche Aussage als erlaubt, ja als geboten betrachten kann. Die „Köln. VolkSztg." aber sieht sich gerade dnrch diese Ausführung des Staatsanwalt« zum „entschieden sten Widerspruch" herausgefordert. Sic bezieht sich dabei auf den Vertheidiger des Pfarrers Burtz, der geäußert haben soll, wenn der Pfarrer gesagt habe, er wisse nichts, statt daß er hätte sagen sollen, er dürfe nichts sagen, so liege darin eine Unkenntniß (!), die von dem betreffenden Amts richter hätte aufgeklärt werben sollen (!!), aber kein Meineid. Der Vertheidiger wird sich wohl etwas anders ausgedrückt haben; denn von einer Unkenntniß kann keine Rede sein, denn jeder Geistliche, auch ohne vorher ausdrücklich belehrt zu sein, weiß einmal, daß eine thatsächlich falsche Aussage vor Ge richt verboten ist, und sodann, daß ihm das Beichtsiegel wohl die Verschweigung wahrer, nicht aber die Be hauptung falscher Thatsachen zur Pflicht machen kann. Erscheint dieser klerikale AbschwächnngSvcrsnch beachtcnöwerth, so ist eS die dem Proceß zu Grunde liegende Thatsache nicht minder. Sie erinnern an die Handlung des oberpfälzische» Pfarrers Hartman», der vor vier Jahren vom Amberger Schwur gericht verurtheitt worden ist, weil er in seinen jBemühungen, den Jesuiten eine Erbschaft zu verschaffen, so weit gegangen war, eine alte Frau zur eidlichen Verleugnung des Besitzes eines Theils der Hinterlassenschaft zu bewegen. Den klerikalen Versuchen, Alles, was von geistlichen Einflüssen auf begüterte Strenggläubige und von dunklen Manipulationen mit Erb schaften verlautet, in die Kategorie der Kinderstubengeschichtcu zu verweisen, kommen solche Processe nicht zu Statten. ff Berlin, 15. November. Unter den außeretatSmäßigen Ausgaben, welche nach der Uebersicht der Reichs-Ausgaben und -Einnahmen im Jahre 1894/95 geleistet werden mußten, befindet sich auch ein Posten, welcher aus Cholera- b e f ü r ch t u n g e n zurückzusühren ist. Nachdem im Sommer 1894 in den Stromgebieten der Elbe und des Rheins einzelne Cholerasälle unter der Schifffahrt treibenden Bevölkerung vorgekommcn waren, erschien es geboten, der Gefahr einer weiteren Verbreitung der Seuche thnnlichst rasch und wirksam entgegenzutreten und zu diesem Zwecke den Schiffsverkehr in diesem Gebiete wieder wie in den beiden vorangegangcuen Jahren einer gesundhcitspolizeilichcn Uebcrwachung zu unterwerfen. Es wurde daher für jedes der Stromgebiete ein Neichscommissar ernannt und diesen beiden obersten Leitern des Controldienstcs das erforderliche Personal an Aerztcn und Lazarethgchilfen zur Verfügung gestellt. An der Elbe fanden 11 Aerzte und 7 Lazarctbgehilfen, ani Rhein 8 Aerzte und 3 Lazarethgehilfen Verwendung. Die Kosten für die Bestellung der NcichScommissare und des zur Ausübung deS NevisionsdiensteS auf den Controlstationen und den Ucberwachungsstellen erforderlichen Personals an Acrzten und Hilfskräften haben sich einschließlich der Fuhr- kostcn auf über 20 000 ^ belaufen. * Berlin, 15. November. Bezüglich des Eintreffens der deutschen Schulfregatte „Moltke" in Smyrna mup hervor- gchvben werden, daß das Schiff bereits zu einer Zeit Scgcl- ordre bekam, über Palermo, Brindisi nach der syrischen Küste zu dampfen, als von den Wirren im Orient noch keine Rede war, so daß die Anwesenheit der Fregatte in erster Linie nicht als eine Folge der Metzeleien im türkischen Staat auf zufassen ist. Dennoch muß eö den deutschen NcichSangehörigen im Orient eine große Beruhigung sein, daß auch die deutsche F^stg.e z. Z- von einem größeren Kriegsfahrzeug in türkischen Gewässern gezeigt wird; dies um so mehr, als die anderen großen Nationen fast sämmtlich bedeutende Seestreitkräfte im östlichen Theil des Mittelineereö zusammenziehen. Die „Moltke" hat gegen 500 Mann Besatzung an Bord; unter dieser einen Theil Cadctten und Scecadetten der beiden letzten Jahrgänge und auch eine größere Anzahl Schiffsjungen zur ersten seemännisch-militairischen Ausbildung. Der Eommandant des Schiffes ist Capitain zur See Schneider. Das Schiff hat ein Deplacement von 2856 Tonnen und 14 I5-cm- und zwei 8,8 cm-Schnellfcuerkanonen an Bord. Wie die „Voss. Ztg." hört, wird die Fregatte „Moltke" in Folge der Ereignisse im Orient längere Zeit in türkischen Gewässern stationirt bleiben, als cs ursprünglich nach der ihr mitgegebenen Segelordre beabsichtigt war. — Auf der Kriegs-Akademie soll, der „Post" zufolge, zum 1. Oktober nächsten Jahres ein dritter Parallel- Coetus eingerichtet werde». Mit dem 1. October 1897 wird die volle Erhöhung der Zuhörer von 300 auf 400 zum Abschluß kommen. — Für die Neuordnung der Bek lei dun gsämter werden auch im Etat für 1896/97 weitere Forderungen gestellt werden. Es sollen danach 12 Stellen im Range der Regiments-Commandeure, 12 für sonstige StabSosficiere, 5 für Hauptleute I. Classe, 3 für Hauptlente II. Classe, endlich 15 Stellen für Assistenten neu geschaffen werden, und zwar, wie früher mitgetheilt, active Stellen, während eine entsprechende Zahl noch bestehender inactiver Stelle» in Wegfall kommt. Die Handwerker-Abtheilungen der CorpS-BekleidungSämter werden bedeutend verstärkt, wo für eine entsprechende Zahl von Oekonomie-Handwerkern der Truppen in Wegfall kommt. — Graf von Hohenau, Rittmeister vom 1. Garde- Dragoner-Regiment, wurde unter Stellung ü la «utko dieses Regiments und unter Entbindung von dem Commando als Adjutant bei der 20. Div., auf ein Jahr zur Gesandtschaft in Dresden commandirt. — Der Proceß gegen den Assessor Wehlan wegen der Vorgänge in Kamerun, der am 26. November vor der kaiserlichen DiSciplinarkammer in Potsdam stattfinden sollte, ist auf den 10. Decembcr vertagt worden. — Die Nedaction deS „Vorwärts" macht in ihrer heutigen Nummer „in eigener Sache" folgende Mittheilung: „Unseren Parteigenossen zur Nachricht, daß wir mit unserem früheren Berichterstatter Herrn Emil Rogge, Slallschreiberslraße LI, alle geschäftlichen Beziehungen abgebrochen haben, weit sich herauSgcstellt hat, daß dieser Herr Außenstehenden gegenüber nicht diejenige DiScretion zu wahren wußte, die wir von den bei u»S regelmäßig verkehrenden Berichterstattern fordern müsse»." Herr Rogge soll anderen Blättern Mittheilungen über Vorgänge innerhalb der Nedaction und über die Geschäftsführung des „Vorwärts" gemacht haben. Herrn R. wurde gleich zeitig nabcgelcgt, die Ehrenämter, die er in der social- demokratischen Partei bekleidet, niederzulegen. Gestern er klärte Herr R. in einer Versammlung deS 5. NeichStagS- wahlkreiseS sich für völlig unschuldig; die Begründung sür seine Entlassung könne er nicht als hinreichend bewiesen an erkennen und unter diesen Umständen die von ihm bekleideten Aemter auf keinen Fall niederlegen. Auf seine Anregung wurde in dieser Sache ein siebengliedriges Schiedsgericht gewählt. — Die „Kreuzzeitung" schreibt in Sachen des LehrerbesoldungSgesetzcs: „Wie wir die Sachlage überschauen, ist selbst die Bewilligung der 3'/« Millionen, die nach den bisherigen Mittheilungen für jenen Zweck bereit gestellt werden sollen, nicht über allen Zweifel erhaben. Wenn sie aber von Denen, die sich gern als die eigentlichen Anwälte der Lehrerschaft aufspielen, schon jetzt als eine „giiiriititö nS^likcabl!-" betrachtet wird, so kann es kommen, daß die maßgebenden Parteien im Landtage es sich ernstlich überlegen werden, ob sie um ihretwillen von der durch die Verhältnisse gebotenen Politik der äußersten Sparsamkeit abgehen wollen." DaS hier bedingungsweise angedrohte Verfahren ist natür lich nicht mit der pflichtgemäßen Auffassung des Gesetzgeber- bcrufS in Einklang zu bringen, aber bei den bestehenden Machtverhältnissen im Landtag kann eS beobachtet werden und zwar mit dem Schein pflichtgemäßen Verhaltens dann, wenn eine vorhergegangene Agitation die Verantwortung zuläßt, die Lehrer hätten ein Gesetz, wie das vorgelcgte, verschmäht. — Der Erbprinz von Hohenlohe-Oehringen, Oberst Kämmerer des Kaisers, hat den ihm vom Central-Vercin für Hebung der deutschen Fluß- und Canalschissjahrt an getragenen Ehrcuvorsitz angenommen. — Der sür den Gesandtschaftsposten bei den Hansestädten in Aussicht genommene Gras Nikolaus v. Malkwitz stand zuerst in königlich sächsischen Diensten. Ec trat zum Auswärtigen Amte über und ward Legaiivnssccrctair zuerst in Bukarest, dann in Madrid. Als mit der Thronbesteigung deS jetzigen Grvßhcrzogs eine besondere diplomatische Vertretung sür Luxemburg geschaffen wurde, ging Graf Wallwitz als erster Ministcr-Resident dorthin und bekleidete diese Stellung bis zum November t893, wo er als Gejaudter au den persischen Hos kam. — Wie ein parlamentarischer Berichterstatter meldet, hat dte preußische Regierung die Errichtung coinmunaler Nrbeits- nachwei feste Uen in» Auge gefaßt. ES soll hierbei erwogen werden, ob die Einführung eines gesetzlichen Zwangs der Arbeit geber zur Angabe offener Arbeitsstellen in Frage kommen könne. * Nc»l>ra»dci>b«ra, 14. November. Fürst Bismarck Kat dem I)r. weck. Brückner in Neubrandenburg auf die Mittheilung von der Errichtung eines Biömarck-Denk' malS folgendes Dankschreiben zugehen lassen: Ew. Hochwohlgeboren bitte ich. meinen Freunden in Neubranden bürg für die hohe Ehre, die sie mir durch die Errichtung eines Denkmals erwiesen, meine» verbindlichsten Dank auszusprechen. von Bismarck. Z Hake«. S, 15. November. Rector und Universitäts richter der hiesigen Universität veröffentlichen am schwarzen Brete folgende Bekanntmachung: Die Herren Studirenden werden an die Strafbarkeit der Duelle erinnert und besonders darauf ansmerksam gemacht, daß 'alle diejenigen, die sich nicht scheuen, mit ihren von Duellen herrührenden unverheilten Wunden sich auf öffentlicher Straße , in der Straßenbahn rc. zu zeigen, strengste Bestrafung zu erwarten haben. ES sind nicht bloS die Pedelle angewiesen, hierauf besonders zu achten, sondern es sind auch die Pütizeibeamten um ihr sofortiges Einschreiten bei derartigen Zuwiderhand lungen ersucht. Halle, den 11. November 1895. Der Rector der Universität. Der Universitätsrichter. Droysen. Ebbecke. * VrcSlau, 15. November. Die Entsch,jdung de« Gerichtshofes iu dem Proceß gegen Liebknecht wegen Majestät«beleidigung, ging, wie di, „Schles. Ztg." berichtet, dahin, daß in dem ersten der beiden incrimiiurten Sätze eine Majestätsbeleidigung nicht gefunden worden sei. Weil dieser erste Satz nicht besage, daß die höchste Staats macht absichtlich und wissentlich den Beleidigern der Social- deniokratie einen Schutz angedeihen lasse; daß der Partei mit Hilfe der Staatsmacht der Fehdehandschuh hingeworsen worben sei, beziehe sich sicherlich auf Seine Majestät, sei aber insofern nicht beleidigend, als hier nur da« An erbieten eines ritterlichen Kampfe- gekennzeichnet werde. Zweifellos beleidigend aber sei ein Ausdruck m dem zweiten Satze. DaS Gericht sei der Ansicht, daß — weil die ganze Kundgebung de« Angeklagten sich direct an «in Publicum wandte, taS vorher die Kundgehnng Seiner Majestät gehört hatte und diese im socialdemokratischen Sinne aus- aßte — ein Zweifel bei dem Publicum nicht darüber be stehen konnte, daß mil dem zweiten Satze nicht blo« irgend eine Partei, sondern auch eine noch höhere Stelle genieint war, und daß derselbe einen Hinweis aus die Rede Seiner Majestät vom 2. September bildete. DaS Gericht nehme an, daß der Angeklagte seine Worte gewählt habe, um einer Majestälsbeleidigung zn entgehen, aber er habe mit der Mög lichkeit rechnen müssen und gerechnet, daß seine Worte als MajestätSbeleidigiing ansgcfaßt werden könnten und würden, und das Gericht nehme ferner an, daß unter der Zuhörer schaft sich Personen genug befanden, die gerade nach dem Voraiigegangciicii keinen Zweifel hatten, daß der zweite Satz bezogen werde würde nicht blo« auf die Beleidiger, sondern auch speciell auf denjenigen, an dessen Pronunzia- meuto die ganze Sache anknüpfte. Daß er daö direct ge wollt habe, sei nicht nachgewiesen, aber eS sei nachge - gewiesen, daß er die Worte zweideutig gewählt habe und sich wohl bewußt war, daß die Zuhörerschaft den Eindruck haben konnte, diese Worte seien auf den Kaiser gemünzt. Deshalb sei der Angeklagte der Beleidigung schuldig. Bei Abwägung der Strafe sei in Betracht gezogen worden einerseits sein hohes Alter und der Umstand, daß er in gewisser Weise das Delict habe vermeiden wollen, andrerseits aber die Nolle, die er in der Partei spiele und die Wichtigkeit, die seinen Worten al« einem beabsichtigten Gegenpronunziainento der Partei beigemessen werden mußte. Das Urtheil lautete, wie mitgetheilt worden ist, aus vier Monate Gefängniß. * Frankfurt a. M., 14. November. Der Vorstand deS deutschen Verbandes kaufmännischer Vereine hat an daö NcichSamt des Innern eine Eingabe gerichtet, in der dieses darum ersucht wird, dafür einzutreten, daß ein Entwurf zn einem Reichsgesetz, betreffend die Bildung von kaufmännischen Schiedsgerichten, bald auS- gearbeitet und den kaufmännischen Vereinen und sonstigen Vertretungen des HandclSgewerbeS zur Begutachtung mit- gethcilt wird. * Karlsruhe, 15. November. Namens der national- liberalen Parteileitung erklärte Fieser die Mißbilligung der Angriffs der „Badischen LandeSzeitung" auf den social- demokratischsn Abgeordneten DreeSbach und lehnte jede Ver antwortung der Partei für dieselben ab. * München, t5. November. Der Antrag Lutz auf Ab änderung deS GcwerbesteuergesetzeS zu Unaunsten der so genannten Waarenhäuser, Versandtgeschäfte rc. fand im bayerischen Landtage eine wohlwollende Aufnahme auf allen Seiten des Hauses. In der Thal ist eS eine Frage von höchster Wichtigkeit, wie dem die gesunde Concurrenz schädigenden Treiben gewisser „Waarenhäuser", um einen Univcrsalausdruck zu gebrauchen, wirksam entgegengetreten werden soll. Der gute Ker» in dem Anträge Lutz wurde auch vom Finanzmiiii st er anerkannt. Dessen Erklärung, daß die bayerische Regierung bereitwillig die Hand dazu biete, auf dem Wege der Steuergesetzgebung so weit als möglich zum Schutze des bedrängten Mittelstandes beizulragen, fand lebhaften Beifall. * Konstanz, 15. November. In Meßkirch wurde die Stadtkirche definitiv den Katholiken überwiesen; da durch ist der langjährige Streit mit den Altkatholiken be endigt. (F. Z.) Oesterreich-Ungarn. * Wie», 15. November. Der Club der Conser- vativen verweigerte mit 24 gegen 7 Stimmen die von den Abgeordneten Dipanly und Genossen nachgesuchte Erlaubniß zur Einbringung der die rechtliche Natur der Auslösung deö GemeniderathS betreffenden Interpellationen, welche in der morgigen Sitzung des Abgeordnetenhauses eingebracht werden sollte. Die in der Minorität verbliebenen Abgeord neten Dipanly, Morsey, Ebenhoch, FnchS, Gasser, Schorn und Pcitler erklärten hierauf, sie würden sich weitere Schritte Vorbehalten. * Wien» 15- November. In der heutigen Festversainmluug deS Katholische» Schulvereins, welcher der Bischof NöSler, die Abgeordnete» Prinz Liechtenstein, Freiherr v. Morsey, Dipanly und Ebenhoch, sowie die Mitglieder der Aristokratie und der deutsche Reichstagsabgeordnete Lieber beiwohnten, kam eS bei der auf Iakoba'S Rath aber, welcher dieser Titel für das Publicum, wie es nun einmal ist, dem daran gelegen ist, daß „sie sich kriegen", nicht verlockend genug war, wurde sie dann über- schrieben: „Im Lauf der Welt". Und der gute Vater hatte sich, schien eS, anstecken lassen. Auch er hatte eine schriftliche Arbeit vor. Er schrieb seine Erinnerungen an seine Kriegsjahre nieder. Ein Thema aller dings, das schon hundert Mal behandelt und gelesen war, aber vielleicht gerade deshalb Aussicht hatte, auch zum hundert und ersten Male, auf den Markt geworfen, Abnehmer zu finden. Jakoba sah nur bedenklich auf feinen Stil. Er hatte einen Satz, in welchen so viele Sätze eingeschachtelt waren, daß er, oben auf der Seite anfangend, erst unten endigte. Helmuth bemerkte diese Bestrebungen seiner Familie nicht gerade mit Wohlwollen. Wo er in so schweren Sorgen um so Ernstes kämpfte und litt, erschienen ihm diese „Künste" — wie er sie ärgerlich nannte — als etwas kindische Spielereien, und er verdachte eS Jakoba, daß sie ernsthaft darauf cinge- gangen war. „WaS willst Du?" sagte sie achselzuckend. „Jede Arbeit ist bester als keine." „Und ist eS auch recht, Jemand in einer Arbeit helfen, die man sür eine ganz unnütze hält?" „Ganz unnütz? Wer kann das bei literarischen Arbeiten vorher sagen! äch habe schon die wunderbarsten Irrthümer darin erlebt. Sachen, die ich nur mit innerer Beschämung ob ihrer Elcndigkeit anbot, sind angenommen und bezahlt worden, und andere, von denen ich wußte, daß sie Werth hatten, daß sie mir gelungen waren, die sind Jahre lang auf dem Markt herumgeirrt." „Schön. Wenn aber hier diesmal doch die Enttäuschungen kommen — ick meine, bei meiner Schwester — rechnest Du dann auf Dank? Ich kann Dir sagen, sie würde es schwer empfinden, denn sie spricht jetzt schon immer so, als gehörte sie zu Euch." „Auf Enttäuschungen bereite ich sie nach besten Kräfte« vor. Sie kann niemals sagen, daß ich nicht gewarnt habe. Aber so viel ich helfen kann, helfe ich. Die Arbeit erfrischt und erfreut sie Wochen lang, und die mögliche Enttäuschung verwindet sie in einigen Tagen?" „Es war allerdings meiner Träume letzter", sagte er ironisch und etwas gereizt, „so eng verbunden und verwandt mit der Belletristik zu werden." Sie lachte uur. Dergleichen nahm sie ni« Übel. Sir verleugnete es nicht, aber sie war auch nicht stolz darauf, eine Schriftstellerin zu sein. So war endlich der Tag gekommen, wo Helmulh sich bei Meyer L Berger vorstellen durfte. Mit einem Seufzer erhob er sich jetzt und schritt seinem Ziele zu. Herr Meyer empfing ihn sofort in seinem Privatzimmer. Helmuth hatte sich darunter etwas bureauartig Kahles und UngemüthlichcS gedacht, wenn er überhaupt in seinen Träumen bis zu der Umgebung seines künftigen Brodherrn ge streift war. Er war überrascht und höchst angenehm berührt, als die schweren doppelten Vorhänge hinter ihm zngefallen waren, in einem hocheleganten, teppichbclegten Gemach zu stehen. In dem Kamin deö kleinen EckosenS loderte ein lustiges Feuer. Eine kunstvoll gearbeitete Bronzelampe hing über dem großen Diplomatenschreibtisch. Ein bequemer Divan mit kleinen Tischen daneben voll Broschüren, Zeitungen, Journalen iu der Nähe deö Kamins. Bequeme Sessel fehlten nicht. Nun, hier ließ eS sich schon arbeiten, dachte Helmuth gut gestimmt. Wenn seine künftige Arbeitsstätte einst ähnlich Ware, konnte er schon mit seinem Schicksal zufrieden sein. Herr Meyer war noch ein junger Mann und etwas stutzer haft gekleidet, hatte aber sehr angenehme Formen. Gar nichts von Bourgeois! dachte Helmuth erstaunt, dessen Hoffnungen zu steige» aiistngen gegenüber dem liebenswürdigen, verbindlichen Wesen seines künftigen Chefs. Er folgte der Aufforderung, gütigst Platz zu nehmen, und daS Herz schlug ihm erwartungsvoll. Jetzt also sollte sich- entscheiden! Zunächst sprach Herr Meyer, den kein Erwartungsfieber beängstigte, harmlos von dem häßlichen Umschlag deS Wetters und der Unannehmlichkeit, daß seine Privatwohnung nicht mit den Geschäftsräumen verbunden sei und er bei schlechtem Wetter genöthigt sei, täglich eine Droschke zu nehmen. Helmuth bedauerte so kurz, daß sich der Chef der Firma veranlaßt fühlte, sofort auf den Zweck von Helmuth'S Besuch zu kommen. Er setzte Helmuth in verständlicher, knapper Form aus einander, welche Art Arbeit er bei der Zeitung zu leisten habe, und Helmuth konnte, innerlich strahlend, sagen, daß er der Sache vollkommen gewachsen zu sein glaube, jedenfalls in kürzester Zeit eingearbeitet sein werde. „Freut mich außerordentlich, Herr von Andor. Ich glaube auch, daß ich eine ganz vorzügliche Wahl in Ihnen getroffen habe", sagte Herr Meyer wohlwollend. „Sie haben eia intelligente« Wesen, eia Narr«, ruhige« Auge, höchst angenehme UmgangSformen — kurz, wenn Sie mir gestatten, mich unumwunden auszndrückcn, Sie gefallen mir ganz ausgezeichnet!" Helmnth verneigte sich froh und geschmeichelt. „Ich würde glücklich sein, zu Ihrer Zufriedenheit arbeiten zu können!" sagte er bescheiden. „Mehr als daS: Sie werden der Firma von größtem Nutzen sein, denke ich." „Zu gütig, Herr Meyer." „Ihre Beziehungen und Verbindungen sind hauptsächlich in militairischen Kreisen?" „Ja", sagte Helmuth zögernd und fuhr dann muthig fort, „auch in höheren Beamteukreisen und" „Ganz vortrefflich, ganz, was ich suche für meine Zwecke. Wir verstehen uns brillant. Ich bin sehr erfreut und hoffe, die Thätigkcit soll Ihnen gefallen, wenn Sie nur einiger maßen eingeschossen sind in die Geschäfte." „WaS mir leicht werden wird. Ich bin mit Lust und Liebe bei der Arbeit und glaube eine bedeutende Leistungs fähigkeit zu haben." „Sehr gut. DaS hoffe ich auch. Sie werden sie aller dings brauchen." Es trat eine kleine Pause ein. Helmuth kämpfte mit dem Wunsche, jetzt endlich zu dem Hauptpunkt zu kommen, dem Geldpuncte, und doch war ihm das so peinlich, daß er nicht recht wußte, wie davon anfangen, da Herrn Meyer dies ganz unwesentlich zu sein schien. Der Glückliche! Ja, das half doch aber nichts. Wer A sagt, muß B sagen! Wer Arbeit anbietet, muß sich entschließen, nach dem Preise zu fragen, den man ihm dafür zahlen will. Herr Meyer ahnte vielleicht seine Befangenheit — er kam ibm jetzt zuvor. „WaS nun daS Gehalt oder Honorar betrifft —" „Ach — richtig!" sagte Helmuth «rrötbend. „So kann ich Ihnen natürlich vorläufig noch nichts Be deutende« bieten —" Helmuth wurde blaß. Da- war schlimm. Cr hatte auf hundert Mark für den Monat mindeste»- gerechnet. „Hm", fuhr Herr Meyer, wie e» schien, auch etwa« ver legen fort, „würden Ihnen zunäckst dreihundert Mark für den Monat genügen, Herr von Andor?" Helmuth siel beinah vom Stuhl vor freudiger Ueber- raschung. Er konnte seine Erregung kaum brmeisiern. Worte fand er nicht. Er konnte sich nur stumm verneigen. „Schön. Dann wären wir einig." „Und wann darf ich eintreten iu die Firma?" fragte Hclmntb strahlenden AugeS. „Zum 2. Januar, wenn eS Ihnen recht ist." „Ich stehe jeden Tag zur Verfügung", versicherte Helniuth. „Sehr angenehm. Den schriftlichen Vertrag sende ick Ihnen in den nächsten Tagen zur Unterschrift in Ihre Wohnung. Es sind noch einige kleine Formalitäten zn er ledigen, mit denen mein alter, wunderlicher Compagnon Schwierigkeiten macht. Reine Bagatelle. Nun, Sie wissen ja, wie alte Leute sind! Darf ich bitten, Ihre Adresse hier notiren? So, danke vielmals. Ich rechne also zum zweiten Januar auf Ihren Eintritt, Herr von Andor." „Mit Sicherheit." Helmnth fühlte sich entlasten, und er hatte e« auch eilig, an die frische Luft zu kouinieu. Ihm schwindelte vor jähem, überraschendem GlückSgesühl. Der Umschlag seines Schicksals war zu plötzlich, zu ungeahnt schön! Guter Gott! Nun konnten sie la beiratben! Gleich sofort wollte er Alles be stellen — Aufgebot, Trauung! Und eine Wohnung mietlien zum 1. Februar — natürlich ganz klein — höchstens vier Zimmer! Jakoba bekam ja an diesem Tage das Geld für ibre große Arbeit. Dann konnte sie die Miethe auS- lcgen und er sorgte für die laufenden Ausgaben de« täglichen Lebens. Einrichten mußten sie sich dann natürlich; denn die hundert Mark Zulage von seinem Vater — auf die wollte er dann doch gern verzichte». Jakoba würde daS auck sehr recht finden, da« wußte er. Unter seligen Träumen und herrlichen Plänen eilte er beflügelten Schrittes am Canal wieder entlang. Wie verändert war Alles um ihn her! Wie funkelte daS Wasser im hervorbrechenden Sonnenlicht! Wie froh sahen alle die geschäftigen Menschen a»S! Wir froh sah er ihnen nach! Er gehörte ja jetzt zu ihnen. Er würde auch bald so eilig sein, auch bald keine Zeit haben! Wie schnell hatte er sein Ziel erreicht! Wenn er bedachte, wie lange andere Leute warten und kämpfen mußten und bingehalten wurden, um schließlich irgend eine elende kleine Anstellung zu finden mit unsympathiscker Plackerei von Morgen« bis Abends, während er daS Glück hatte, eine ibm ganz interessante Thätigkeit gefunden zu haben und über alle seine Erwartungen bezahlt zu werden. (Fortsetzung folgt.)
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