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- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1895-07-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18950713026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1895071302
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1895071302
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1895
-
Monat
1895-07
- Tag 1895-07-13
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Monat
1895-07
-
Jahr
1895
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4S78 Errichtung der BiSthümrr die Bulgaren beruhigt uad nicht vielmehr begehrlicher gemacht werden sollten, so würde ohne eine gleichzeitig« Befriedigung der andere« Nationalitäten sofort eine nicht minder bedenkliche Bewegung seiten« der Serben und Griechen in Macedonien entstehen, und e« könnt« leicht daselbst zu einem förmlichen Bürgerkriege kommen, der unter den obwaltenden Verhältnissen vielleicht noch bedenk licher wäre, al« ein offener türkisch-bulgarischer Conflict. Deutsches Reich. v. 0. Berlin, 12. Juli. Von den für die einzelnen Pro vinzen angeordneten Verhandlungen zur Verbesserung de« bäuerlichen Realcredites hat die erste am 10. d. M. für dir Provinz Posen stattgefunden und zwar mit durchaus befriedigendem Erfolge. Der Verhandlung, welche der Ober präsident leitete, wohnten der Referent de« LandwirthschaftS- ministerium«, Vertreter der Landschaft und der Provinzial- Hilfscasse, der Provinzialregierungen, sowie auch ein Mitglied de« Ober-LandeSgerichtS bei. Die Versammlung einigte sich zu folgenden Vorschlägen, welche durchweg auch von den Vertretern der Landschaft angenommen wurden und daher voraussichtlich auch bei den beschlußfassenden Organen der Landschaft keinerlei Schwierigkeiten finden werden. Der Kreis der beleihungSsähigen Besitzungen soll auf alle selbst ständigen Aclernahruugen, d. h. mindestens alle Besitzungen bis 3000 Taxwerth ausgedehnt werden. Dir Tax. und BeleihungS- kosten sollen für kleine Objecte wesentlich ermäßigt, auch die am einfachsten durchführbare Beleihung nach der Grundsteuer für bäuer- liche Besitzungen erheblich erweitert werden. Sobald ferner die Landschaft die Genehmigung zur Ausgabe Zproceutiger Pfandbriefe nachgesucht und erhalten hat und so in der Lage ist, den Credit jo billig wie möglich zu gewähren, soll die Umwandlung der bäuerlichen Privat- und Sparcassenhypotheken in Landschaftshypotheken in vollem Umsange in Angriff genommen werden. Bei der zentralisirten Verfassung der Posen» Landschaft und den allgemeinen Verhältnissen der Provinz wurde einmüthig die Mit wirkung der ordentlichen Verwaltungsbehörden bei dieser Maßnahme für unerläßlich erachtet. Die Landräthe sollen für die einzelnen Districte Vertrauensmänner ernennen, welche dorfschaftSweise vorgehru und nach Einsicht des Grundbuchs uud unter Benutzung der von der Landschaft zu liefernden Formulare die erforderlichen Anträge von de» Besitzern aufnehmrn. Die Unterstützung durch die Gruudbuchämtcr ist bei der wohlwollenden Stellung der Justizverwaltung um so mehr zu erwarten, al« die Durchführung der beabsichtigten Hypo- thekenbewilligung auch zur Säuberung des Grundbuchs und zur Löschung mancher noch eingetragener, aber bereits getilgter Posten führen wird. Die Ansicht der Versammlung ging einstimmig dahin, daß ein Vorgehen auf diesem Wege die ersprießlichsten Erfolge erwarten lasse. Gegenwärtig sind in der Provinz Posen rund 29 000 beleihungsfähige Besitzungen vorhanden (mit 30 Thaler Reinertrag und darüber); die Zahl wird sich durch die oben erwähnte Erweiterung noch vergrößern. Wirklich beliehen bei der Landschaft sind aber nur 6375 Besitzungen, darunter 3362 bäuerliche. * Berlin, 12. Juli. In nationalgesinnten Blättern Süd deutschlands wird die unglaubliche Meldung scharf kritisirt, daß der Name Bismarck bei der 25. Wiederkehr der großen Zeit von 1870/71 nicht genannt werden soll. Die „Augsburger Abend-Zeitung" schreibt darüber Folgendes: „Als vor fünfundzwanzig Jahren die Kunde von den Ereignissen in der französischen Deputirtenkammer ganz Deutschland durchslog und sich die bange Gewißheit eines bevorstehenden Krieges aus alle Gemüther legte, da lenkten sich die Blicke aller Deutschen von Nord und Süd neben dem greisen Monarchen in Ems auf jenen Staats- mann, welchen erfolgreiche Thatkraft, eiserne Energie und die beharrliche Verfolgung eines hehren Zieles: die Einheit der deutschen Stämme aus dem bestgehaßten Minister zum populärsten Mann gemacht hatten: auf den Grasen Bismarck. Und in dem Jubel der Siege auf den blutgetränkten Schlachtfeldern Frankreichs, in der Begeisterung üb» die Wiederausrichtung des Deutschen Reiches ging der Name Bismarck nicht unter; er war der Leitstern, der das iunge Deutschland auS blutigen Gefilden zu eincin ruhmreichen Frieden führte. Alle Welt wieS auf ihn als Begründer, als den Baumeister des Deutschen Reiches; auch sein greiser, hoch- herziger Monarch erkannte seine unauslöschlichen Verdienste um das „Reich" und daS Haus Hohenzollern au. Und jetzt bei der Wieder- kehr der 25jährigen Erinnerung an jene hehre Zeit, jetzt soll auf einmal der Name Bismarck, zu dessen Träger, dem ehr- surchtgebietendea achtzigjährigen Greise, noch jüngst in diesen Tagen alle deutschen Stämme wallfahrteten, wie ausgelöscht erscheinen, er dürste in den Kundgebungen an unsere junge, heran, wachsende Generation, die das Jahr 1870/71 noch nicht miterlrbt hat, sondern nur durch Vermittelung eines dankbaren Volkes Kunde von jenen Männern erhält, welche das Deutsche Reich erbauten, nicht mit Namen genannt werdrn? Das scheint in der That un- faßlich l Mag nun aber wirklich da» Jubiläum der Schlachttage vorübergehen, ohne daß man des Fürsten BiSmarck erwähnt am 18. August jedoch, an dem Tage der Erinnerung der Schlacht von Gravelottr, wo hier in Berlin der Grundstein zum National denkmal für Kaiser Wilhelm I. gelegt wird, kann eine Nicht- beachtuna der Person oder de» Namen» deS Fürsten BiSmarck un- möglich stattfindenl" Die „Hambg. Nachr." bemerken hierzu: „Nach den Vor gängen bei Eröffnung deS Nordostsee-CanalS erscheint diese Annahme doch etwa« gewagt. Im Uebrigen sind wir der Ansicht, daß an den historischen Thatsachen nichts rändert wird, wenn die Nennung deS Fürsten BiSmarck ei officiellen Feiern unterbleibt. WaS die persön lichen Empfindungen deS Fürsten betrifft, so glauben wir, daß er Lohn für seine Thaten vor Allem ,m eigenen Bewußtsein, sowie in den Kundgebungen der Dankbarkeit, Treue und Verehrung findet, die ihm vom deutschen Volke dargebracht werden, und daß ihm die« genügt. Die amtliche Jgnorirung wird ihn, wie wir ih» kennen, schwerlich mit Wehmuth erfüllen, sondern höchsten- Gefühle in ihm wachrufen, die denen nicht unähnlich sind, welche die Verweigerung der Gratulation zum 80. Geburtstag durch die Mehrheit des Reichstage« bei ihm erregte." — Wie der „Hambg. Corr." hört, sind die von bimetal- listischer Seite vor einiger Zeit auSgestreuten Andeutungen, daß der Kaiser in der WahrungSsrage in seiner bis herigen Ansicht schwankend geworden sei, unrichtig. Der Kaiser sei nach wie vor Anhänger der Goldwährung, und die vielbemerkte Rede deS Reichsbankpräsidenten vr. Kock, im preußischen Herrenhause gegen den Antrag Mirbach babe in der Sache seinen Anschauungen entsprochen. Freilich fehle eS nicht an Bemühungen, den Kaiser in bimetallistischem Sinne zu bekehren. — Der Kronprinz soll, dem „Ev. kirchl. Anz." zufolge, vom Hofprediger v. Fromme! confirmirt werden. — Wie daö „B. T." erfährt, soll demnächst eine Armee verordnung erscheinen, welche die Frage deS UebertritteS activer deutscher Officiere in den chinesischen Dienst behandelt. — Zur Reichstagswahl in OelS-Groß-Warlenberg, bei der der bisherige Vertreter Abg. v. Kardorff wieder aufgestellt ist, sucht die „Freisinnige Ztg." für ihren volks parteilichen Candidaten vr. Doormann dadurch die katho lischen Stimmen einzufangen, daß sie diesen Herrn als einen Mann hinstellt, der für die Wiederzulassung der Jesuiten stimmen würde, während v. Kardorff am 16. April 1804 bei der dritten Berathung gegen die Aufhebung deS Jesuitengesetzes gestimmt habe. Ganz recht! Nur hätte sich die „Freis. Ztg." bei ihrem „Begründer Eugen Richter" er kundigen sollen, wie sich denn dieser Führer des zur Wahl empfohlenen vr. Doormann an jenem Tage verhalten hat; sie würde dann erfahren haben, daß er gleich dem Abg. v. Kardorff mit „Nein" gestimmt hat. — Im Abgeordnetenhause war bei der Berathung deS Etats des Ministeriums deS Innern von dem Abgeordneten Grafen Douglas in Anregung gebracht worden, die polizei liche Controle. welche bezüglich der noch nicht 4 Jahre alten, bei fremden Frauen in Kost und Pflege befindlichen Kinder — der sogenannten Ziehkinder — in Berlin stattsindet, in der Weise auszudehnen, daß sie auf alle Kinder der in Be tracht kommenden Art, ohne Altersgrenze, Anwendung findet. In Folge dessen sind das Polizeipräsidium in Berlin sowie die Provinzialbehörden veranlaßt worden, die An gelegenheit einer Prüfung zu unterziehen und sich demnächst zur Sache zu äußern. — Auf eine Eingabe, in welcher die Betheiligung von Arbeitgebern mit geringem Einkommen an der Jn- validitätS- und Altersversicherung gewünscht wurde, hat das NeichS-VersicherungSamt geantwortet, daß nach tz. 2 deS JnvaliditätS- und Altersversicherungsgesetzes dem BundeS- rath die Befugniß gegeben sei, die Versicherungspflicht für bestimmte Berufszweige auf VetriebSunteruehmer. welche nicht regelmäßig wenigstens einen Lohnarbeiter beschäftigen, auSzudchnen. An dieser oder einer ähnlichen objektiven Grenze des Kreises der versicherten Unternehmer müßte auch in Zukunft festgehalten werden. Es dürfte sich nicht empfehlen, daS seiner Natur nach schwankende Einkommen eines Unter nehmers zum Merkmal der Versicherungspflicht auf dem Gebiete der JnvaliditätS- und Altersversicherung zu machen. — Wie nach den „B. P. N." verlautet, hat der Plan der Errichtung einer eigenen Bcrufsgcnossenschaft für die Fleischer und Trennung dieser von derNahrungS- mittel-BerufSgenossenschaft jetzt mehr Aussicht auf Verwirk lichung als früher. — Am heutigen Tage begeht der älteste regierende Fürst Europas, der fast 78jährtge Großherzog Adolf von Luxem burg, sein 40jährtgeS Jubiläum als preußischer General der Cavallerit. — Prinz Ludwig von Bayern hat nach den Festlichkeiten in Kiel an Bord des „Kaiseradlers" und der „Hohenzollern", sowie wiederholt auch auf dem kaiserlichen Segelboote „Meteor" größere Fahrten gemacht und an einer Segel-Regatta theilgenommen. Am 2. Juli hat er, wie die „Allg. Ztg." erfährt, aus dem Schulschiffe „Stein" sich eingeschifft, um in der Ostsee zu kreuzen und alsdann eine Reise noch Skandinavien anzutreten, auf welcher verschiedene Häfen, wie Helsingfors, Stockholm rc. angelausen werden sollen. In Stockholm wird der Prinz der Gast des dortigen deutschen Ge- sandten, Grafen v. Bray-Steinburg, sein. Die Rückkehr des Prinzen nach Kiel wird gegen den 20. Juli erwartet. — Cultusminist» vr. Bosse feiert heute seinen 63. Geburtstag. * Kiel, 12. Juli. Die Stadt collegien bewilligten einstimmig 10 000 -E zur Errichtung deS unter dem Schutz de« Prinzen Heinrich gestellten Seemannshauses für die kaiserliche Marine. * Altona, 12. Juli. DaS Schöffengericht verurtheilte 101 Frauen und Mädchen, welche dem Centralvereine der Frauen und Mädchen Deutschlands angehören, wegen Vergehens gegen das Vereinsgesetz zu je 15 Geldstrafe und ordnete die Auflösung deS Vereins an. * Bremen, 11. Juki. Au« der Sitzung der Bremischen Bürgerschaft vom 10. d. MtS. berichtet d,e „Weser-Ztg.": Der Senat ersucht um Nachbewilliguug der Kosten für die Bewirthung deS Reichstage« im Betrage von 7978,88 Mark und um Bewilligung eine« Zuschusses von 12 000 ^ für den Juristentag. Herr vr. Adami empfiehlt die Be willigung der 12 000 -E Herr Kupsch: Gegen die Be willigung der 12 000 -E habe ich nicht« zu erinnern. Ich möchte aber bitten, die 7000 ^ für die Bewirthuna de- Reichstags nicht zu genehmigen. Ich bedauere sehr, daß Bremen diesen Reichstag eingeladen hat. (Oho! Große Unruhe.) Dieser Reichstag hat sich nicht gescheut, dem besten und größten deutschen Mann, dem Gründer des deutschen Reiche-, dem Fürsten BiS marck einen Geburtstagsgruß zu verweigern. Ich glaube, daß dadurch ein Schimpf und eine Schande dem deutschen Namen zugefüat worden ist. Ich bitte Sie, zur Ehre Bremen« den Antrag abzulehnen. Bremen hat bisher das nationale Panier noch immer über alle Zänkereien der Par teien hochgehalten; folgen wir diesem Beispiele auch jetzt! Herr GarveS spricht sein Bedauern darüber au«, daß es der Bürgerschaft nicht vergönnt gewesen ist, bei dem Be such deS Reichstage« diesen begrüßen zu können. Herr vr. Buff: Ich bedauere lebhaft, daß m der Mitte der Bürgerschaft ein derartiger Antrag gestellt worden ist. ES ist eine Ehrensache Bremens gewesen, den Reichs tag einzuladen. Die Zusammensetzung deS Reichstags kümmert uns dabei nicht. Wir haben den Reichstag als solchen eingeladen, und e« freut uns, daß sich der Reichstag in unseren Mauern wohl gefühlt hat. Herr Heinken ist für die Bewilligung der ersten, aber gegen die Bewilligung der zweiten Summe. Es entspinnt sich eine außerordentlich lebhafte Debatte, in deren Verlauf da« Mit glied Bödecker zur Ordnung gerufen wird. Die Bewilligung der 7978,88 wird mit allen gegen eine Stimme aus gesprochen, die Bewilligung der 12 000 mit großer Majorität angenommen. — Bon Interesse ist noch, daß, als der Abg. vr. Alexander Meyer im Rathskeller seine Rede auf Herrn H. H. Meyer mit den Worten begann: „Wenn er einem Manne von achtzig Jahren gegenübertrete, so ge schehe dies stets mit Ehrfurcht, denn von einer solchen Persönlichkeit ströme Segen auS, und er fühle immer daS Bedürfnis, einem solchen Manne die Hand zu drücken . . ." ein „Hört! Hört!" in seiner Nähe laut wurde, daS wohl einem andern „Achtzigjährigen" galt. * Trffan, 11. Juli. Durch die MandatSniederlegung un seres Reichstagsabgeordneten Rvsicke ist der erste anbaltische Wahlkreis unerwartet vor den Wahlkampf gestellt. Wie nach der „Magdeburg. Zeitung" verlautet, wird ein Zusammen gehen der Nationalliberalen und des Freisinns an gestrebt. Ueber die Candidatenfrage sucht man sich zu ver ständigen. Ein Aneinanderschließen beider Parteien gegen über der Socialdemokratie erscheint als ein Gebot der Nothwendigkeit. * Meiningen, 12. Juli. Der Landtag wurde heute vertagt. * Karlsruhe, 12. Juli. Der Grobherzog verlieh dem commandirenden Admiral Knorr das Großkreuz des Ordens vom Zähringer Löwen, ferner dem Chef des Marinecabinets Contre« Admiral Freiherrn v. Senden-Bibran und dem Direktor im Reichsamt des JnnernRotde das Commandeur-Äreuz »st» Classe, den Capitainen zur See v. Arnim, v. Schuckmann, v. Nhlefeld das Commandeur-Kreuz zweiter Classe, dem Corvettencapitain Coerper und dem Wirklichen Legationsrathe im Auswärtigen Amte Vr. Hammaun das Ritterkreuz erster Classe mit Eichenlaub desselben Ordens. * München, 12. Juli. Entgegen einer früheren Mit theilung über die Differenz zwischen dem LandeSauSschuß der „Bayerischen Volkspartei" und dem Landtaasabgeordneten Wießner (Schwabach) wird den „M. N. 9?." mitgethcilt, daß der Landesausschuß der bewußten Angelegenheit halber von Wießner nicht die Maudatsuiederlegung verlangte, son dern nur forderte, er solle sich Hierwegen mit seinen Wählern auseinandersetzen und diesen die Entscheidung überlassen. Oesterreich-Ungar«. * Wien, 13. Juli. Abgeordnetenhaus. In der Debatte über das Finanzbudaet erklärte Finanzminister v. Boehm: Da er blos einem geschäftssührenden Ministerium angehöre, beab sichtige er nicht, mit einem großen Reform-Programm hervor- zutreten; seine Haltung werde deshalb aber nicht vollständig passiv sein, die Regierung strebe vielmehr zum Mindesten die Vorbereitung der unbedingt nothwendigen Maßnahmen an, um im gegebenen Momente zu Reformen schreiten zu können. Des Weiteren erklärt der Minister, die Frage der Herabsetzung des Zinsfußes der Versatzämter werde er prüfen und sich eventuell mit seinen Amts- collegen behufs Revision des Zinsfußes ins Einvernehmen setzen. — ein der Abendsitzung legte Justizminister Ritter von Krall Inen Gesetzentwurf über die Bestrafung fahrlässigen Verhaltens im Bergbaubetriebe vor. * Przcmyöl, 10. Juli. Gestern und heute wurde vor dem hiesigen Strafgerichte vor einem Erkenntnißsenate die Verhandlung gegen den im März verhafteten Civtlwachmann Adolph Bodek, welcher des Verbrechens der Spionage angeklagt war, durch, geführt. Die hiesige Staatsanwaltschaft klagte den Adolph Bodek, geboren in Lemberg, 29 Jahre alt, ledig, k. k. Civil-Polizeiwachmanu, an, daß derselbe im Herbste 1893 dem russischen Obersten Alexander Nourikow zwei Gewehre System Mannlicher, mit wcchem die österreichisch-ungarische Armee bewaffnet ist, verschafft habe, daß derselbe im August 1893 sich eine Kiste mit Pa- auch noch! Haben die schlechten Menschen nicht genug Unheil angerichtet, jetzt soll auch noch die unschuldige junge Frau darunter leiden — und für nicht- Andere-, als weil sie mir hat einen Dienst erweisen uud einen gut zahlenden MiethS- mann hat verschaffen wollen. Jetzt haben diese Nattern dem Herrn Hardenberg so lange ins Ohr gezischelt, bis er zuletzt glaubt, daß seine Frau dem Lieutenant die Schmucknadel ge schenkt hat — nun, wenn eS einen gerechten Gott giebt, dann wird er Jene strafen, die Unschuldige in Leid bringen und verfolgen." Renate schwiea, sie war förmlich niedergeschmettert durch die Worte der schlichten Frau, al« sei der Fluch auf ihr Haupt gefallen, den Martha auf Jene heraufbeschworen, „die Unschuldige in Unglück bringen" — womit Frau Winterfeld Tante Rosamunde und ihre Schwägerin Aurelie gemeint. Endlich fand sie die Worte wieder: „Die Schmucknadel — was ist eS damit? Sagen Sie mir Alles, dann kann vielleicht noch geholfen werden." Und Martha sträubte sich auch nicht länger. Haarklein erzählte sie, waS sich an jenem Morgen nach dem Einbruch in ihrem Hause zugetragen, wo sie leider abwesend gewesen, um am Sterbebette ihrer Freundin ihre Christenpflicht zu erfüllen. Sie verschwieg auch die Mitschuld des eigenen Sohne- an dem Einbrüche nicht und war der Ansicht, daß der Lieutenant Karl die Nadel abgekauft habe. „Wenn ich daheim gewesen wäre", schloß sie seufzend, „wäre zum Mindesten daS kostbare Schmuckstück gerettet worden, denn ich hätte die Nadel ja gleich als zum Hardenberg'schen Familienschmuck gehörig erkannt." Renate wußte genug, eS drängte sie, allein zu sein, sie mußte mit sich und ihrem Gewissen zu Ratbe gehen. „Ich habe mir doch wohl zu viel zugetraut, liebe Frau Martha", sagte sie schwer athmend, „denn ich fühle mich sehr matt und möchte ein wenig ruhen. Haben Sie Dank für Ihr Vertrauen, ich werde e« nicht täuschen, darauf verlassen sie sich. Wie geholfen werden kann, daS will ich bedenken. Gehen Sie jetzt, damit man Sie hier nicht sieht." Martha verlanate gar nicht« Bessere«, sie saß ohnehin wie auf Kohlen. Nach einem herzlichen Lebewohl schlüpfte sie hinaus. Al« BaleSka von ihren Abschiedsbesuchen heimkehrte, war ihr erster Gang zu Renate. Sie fand ihre Stieftochter in einem fieberbaften Zustande, mit heißer Stirn uad geröthrten Augen. Beherzt beugte sie sich über sie: „Fühlst Du Dick unwohl, Renate? Du hast wohl zu viel gelesen in meiner Abwesenheit?" „Jetzt ist mir schon besser, Mama, ich bin nur sehr müde, ich habe wirklich zu viel gelesen, aber eS hat meine Seele gestärkt, und Stärkung that mir notb." ValeSka'S Blicke streiften daS aufgeschlagene ErbauungS- buch. DaS herrliche Gleichniß vom verlorenen Sohne war zum Mittelpunkte frommer Betrachtungen genommen, denn da stand der schöne Spruch: „Vater, ich habe gesündigt im Himmel und vor Dir und bin nicht Werth, daß ich Dein Sohn heiße!" Und Renate'S Hand hatte ein „Amen" dazu geschrieben. Kopfschüttelnd verließ Valeska daS Gemach, um sich um zukleiden und noch einige letzte Anordnungen zu treffen, sandte aber Friederike. Als sie dann nach einer Stunde selbst wiederkehrte, wie sie versprochen, fand sie Renate bereits in tiefem Schlafe und neigte sich über sie, um ihr znm letzten Male den Gute-Nacht- Kuß zu geben. Dann verließ sie leise das Zimmer, ohne zu ahnen, daß die Blicke der scheinbar Schlafenden ihr folgten und ein seltsames Leuchten dabei über daS Antlitz de« jungen Mädchens ging. Hardenberg hätte an dem fatalen Ersten deS Februar, wo die lange beschlossene Trennung zwischen ihm und seiner Gattin sich vollziehen sollte, am liebsten eine Reise nach Tiefensee angetreten, um nicht Zeuge des Abschied« sein zu müssen. Aber daS würde zu noch mehr Gerede Anlaß geben können, und der Kaufherr war e« gewöhnt, den äußeren Rücksichten seine persönlichen Neigungen zum Opfer zu bringen. Jetzt, da der anfangs herbeigesehnte Termin dieser gänz lichen Scheidung gekommen, hätte auch er ihn noch hinauS- zuschieben gewünscht, aber Hauptmann Dietrich Erbach traf pünktlich mit dem Berliner Schnellzuge in aller Frühe ein und hatte, wie Friedrich dem Herrn beim Frühstück meldete, sein Zimmer eben verlassen, um der gnädigen Frau einen Besuch zu machen. Jedenfalls kam nun die ganze mißliche Angelegenheit zur Sprache, denn aus dem Umstande, daß der Hauptmann, ganz wie früher, in seinem Hause abgestieaen war, schloß Harden berg, daß er noch nicht- von dem Bruche wisse, der sich in dessen hier vorbereitet. Er beschloß deshalb, in seinem Zimmer den Besuch de« Hauptmann« zu erwarten und ging, in düstere Gedanken versenkt und in begreiflicher Erregung, großen Schrittes darin auf und nieder. Da ward leise, zaghaft an die Thür gepocht. „Herein", rief Hardenberg'« tönende Stimme, und dabei dachte er: sollte daS ValeSka sein, sollte deS Onkels Einfluß sie zum Bleiben bestimmt haben, kommt sie zu mir, eine Versöhnung zu suchen" —, sein Athen: stockte, als die Thür nun leise geöffnet ward, aber auf der Schwelle erschien — nicht ValeSka — wie hatte er daS auch nur denken können — sondern seine Tochter Renate, blaß wie eine Leiche, die Augen in Thränen schwimmend, das Haar halb geordnet, über den weißen Schlafrock sich ringelnd. DaS war rin Anblick, der ihn mit jähem Schreck erfüllte. Er sprang herzu und sing die Wankende in seinen Armen auf, die so heftig zu zittern begann, daß sie kein Wort hervor zubringen vermochte. „Renate, geliebtes Kind, WaS ist Dir, was willst Du bei mir? Wie konntest Du so unvorsichtig sein, den langen Weg über den kalten Corridor zu machen? Wenn Du mir etwas zu sagen hattest, wäre ich ja zu Dir gekommen." Sanft geleitete er die schmächtige Gestalt zu einer Ottomane. „Willst Du eine Erquickung — soll ich Friederike herbei rufen?" DaS junge Mädchen schüttelte verneinend da- Haupt, um dann, nach einem tiefen Athemzuge, mit kaum vernehmlicher Stimme zu fragen: „Vater, glaubst Du auch daran, daß mehr Freude ist im Himmel über einen Sünder, der Buße thut, als über neun- undnennzig Gerechte?" „So steht es geschrieben — gewiß glaube ich daran, aber warum beschäftigst Du Dich mit derlei ernsten Dingen, die Deiner frohen Jugend fern liegen?" „Wollte Gott, dem wäre so!" „Kind, ich verstehe Dich nicht", erwiderte Hardenberg ernstlich besorgt, weil er einen Rückfall fürchtete. „Vater, ich bin eine große Sünderin — und ich komme zu Dir', um meine Schuld zu beichten!" Hauptmann Dietrich Erbach hatte noch nie eine unan genehmere Ucberraschung gehabt, als die war, welche ihm soeben geworden. Er saß ganz verdutzt da und DaleSka hatte ihm nun schon zum dritten Male diese „verzwickte" und „verwickelte" Geschichte von dem Einbruch und der Schmucknadel und troneu für da« MMalrgrwehr System Mannlicher verschafft uad btö- felbe de» rassischen Zollamte in Podmajdaa übergeben habe; daß derselbe im März 1895 im Aufträge de» rassischen Ritt meister« Seraia» Katolej üb« di« Organisation. Bestimmung, Verwendung und Mobiltsirung de» österreichtschea LaudsturmeS, um in der Folge dem »wähnten russischen Ofsicier oder überhaupt einem fremden Staate diese Nachrichten mstzuthelle», aaSgekuad- schäftet habe; daß derselbe im Jahre 1895 die Festungswerke der Festung PrzrmySl betreffende Detail» ausgekundschaftet habe, um einem russische» technischen Ofsicier von diesen Festungswerken Rach- richt zu geben. Die Verhandlung wurde zum größten Lheile ge- heim durchgesührt. Bodek wurde de» verbrechen» der Ausspähung schuldig erkannt, wie gemeldet, «ad za vier Jahrea schweren Kerker» verurtheilt. Framkreich. * Pari», 12. Juli. Deputirtenkammer. (Fortsetzung.) Der CultuSminister Poincar« führte weiter aus, die Re gierung werde dem Concordate Achtung verschaffen und die wachsame Hüterin der öffentlichen Gewalt sein. (Beifall.) Hierauf wurde eine von Goblet beantragte Tagesordnung zu Gunsten der Trennung von Kirche und Staat mit 310 gegen 191 Stimmen abgelehnt und die von dem Minister PoincarS gebilligte Tagesordnung, welche da» Vertrauen in die Festigkeit der Regierung, den bestehenden Gesetzen Achtung zu verschaffen, ausdrückt, mit 294 gegen 193 Stimmen an genommen. * Paris, 12. Juli. Die Deputirtenkammer genehmigte einstimmig den Gesetzentwurf, betreffend die Errichtung eines Denkmals rur Erinnerung an die im Jahre 1870 gefallenen Soldaten. * Parts, 12. Juli. Auf Antrag Clemenceau'S wird der Pariser Preßve re in zu einer außerordentlichen Haupt versammlung einberufen, um zum neuen Spionagegesetz Stellung zu nehmen, da« nunmehr von der ganzen Presse als ein schwerer Angriff auf die Preßfreiheit erkannt wird. Italic». * Nom, 12. Juli. Der Herzog und die Herzogin von Aosta sind heute Abend nach Turin abgereist. Der König und die Königin hatten ihnen daS Geleit zum Bahn hofe gegeben. In den festlich beleuchteten Straßen und am Bahnhöfe empfing da« HerzogSpaar begeisterte Huldigungen der Bevölkerung. * Rom, 12. Juli. Deputirtenkammer. In der heutigen Sitzung richtete Cirmeni an den Minister de-Arußeren Baron Blancdie Anfrage, ob Rußland denBertragvonUccialli zwischen Italien undAethiopien anerkannt habe und wenn ja, ob der officielle Empfang der äthiopischen Abordnung in Rußland mit dem Geiste und dem Wortlaut des Vertrages im Einklang steh«. Jmbriani schloß sich mit der Anfrage an, welche Beachtung der erwähnte Vertrag bei den europäischen Regierungen finde, vierauf setzte daS Haus die Berathung der finanziellen Maßnahmen fort. Am Schluß der Sitzung »klärte der Ministerpräsident CriSpi auf eine Anfrage Jmbriani'S betreffs einer Amnestie, in d» Thronrede sei nicht von einer Amnestie, sondern von Gnadenbeweisen die Rede, welche erfolgen sollten, wenn der Zustand der öffentlichen Sicherheit es erlauben werde. Gnadenerzeigungen würden nicht aufgedrungen. Er bitte jedoch Jmbriani, diesen Gegenstand fallen zu lassen, wenn er seinen Freunden nützlich sein wolle. * Mailaul», 12. Juli. Der hiesige Gemeinderath stimmte heute nach lebhafter Debatte gegen eine ziemlich be deutende klerikale Minderheit dem Vorschläge des SindacoS zu, daß dieser sich am 20. September e. nach Rom begebe, um dort die Stadt Mailand anläßlich der 25jährigen Jubel feier der Erhebung Roms zur Hauptstadt Italien- amtlich zu vertreten. Norwegen. * Ehristiania, 12. Juli. Dem „Morgenbladet" zufolge habe der König in dem heute abgehaltenen StaatSrathe beschlossen, daß im St orthing eine Vorlage eingebracht werden solle, betreffend die Aufnahme einer inländischen Anleihe im Betrage von angeblich 10000000 Kronen, welche zur Deckung der Kosten für außerordentliche Verthei- digungsvorkehrungen dienen solle. Rußland. * Petersburg, 12. Juli. Der Kaiser und die Kaiserin empfingen heute im Schlosse Peterhof den außerordentlichen Gesandten des Negus von Abessynien und die Mit glieder der abessynischen Gesandtschaft. Die Gesandtschaft überbrachte dem Kaiser Briefe des NeguS Menelik und deS abessynischen Metropoliten, ferner die Insignien des Salomon- Ordens erster Classe und als Geschenke ein alterthümliches Evangelienbuch und ein goldenes Kreuz. Der Kaiserin-Wittwe wurden Briefe deS Königs Menelik und der Königin Taiku, ein goldenes Kreuz und ein von abessynischen Hofdamen ge arbeiteter Korb überbracht, der Kaiserin Alexandra wurden ebenfalls ein Brief der Königin Taiku und eine Anzahl werth voller Geschenke überreicht. Nach dem Empfange wurde für die Gesandtschaft im großen Peterhofer Palais rin Früh stück servirt. * Petersburg, 12. Juli. Der Minister des Auswärtigen, Fürst Lobanoff, empfing gestern den Metropoliten Clement. Die Zusammenkunft dauerte etwa 2/4 Stunden. — Die bulgarische Deputation war gestern beim Finanzminister Witte und erbat vou demselben die Er- Viktor Saalfeldt erzählen müssen — ohne daß er daraus klug wurde, wie er selbst zugestand. Daß eS aber mit dem Bruche zwischen den Eheleuten bitterer Ernst sei und jede Vermittelung nutzlos sein werde, darüber war er klar geworden. Endlich brach er in die Worte auS: „Diese Saalfeldt'S sind Dir Wie Siegfried verhängnißvoll geworden. Denn schließlich war eS doch die Entdeckung der Liebelei mit Clotilde, welche Wilhelmine zum Bruch mit Deinem Bruder bestimmte. Und der Viktor hatte auch nichts Besseres zu thun, als Dich hier aufzusuchen und sich wie eine Klette au Dich zu hängen. Der Teufel hat ihn wirklich hergeführt, aber Dich, liebe Valeska, kann ich auch nicht völlig freisprechen, denn eine junge Frau, besonders in so exponirter Stellung, zwischen böswilligen Verwandten lebend, kann gar nicht vorsichtig genug sein. Du hättest Dir den Herrn Lieutenant nicht zum Hausfreund wählen dürfen." „Würde ich eS gethan haben, wenn ich mich nicht so völlig sicher gefühlt?" „Solche „Jugendsreunde" sind mindesten- eine bedenkliche Zugabe für einen Zungen Ehestand. Aber lassen wir das. Vorwürfe und gute Rathschläge kommen leider zetzt zu spät. Ich bin nur froh, daß ich so vernünftig war, bei Deiner Verbindung mit Hardenberg allen möglichen Eventualitäten Rechnung ru traaen und Deine Zukunft zu sichern. Erbach — daS heißt die Meierei, welche ja Dein Elgenthum ist — wirft schon jetzt eine nette Revenue ab, und mit den Jahren wird sich der Ertrag steigern." „Mein Eigenthum?" fragte die junge Frau erstaunt. „Nun ja, jetzt muß diese Geheimnißkrämerei und die zarten Rücksichten aushören. Als nämlich Hardenberg um Deine Hand bei mir warb und seine Familienverhältnisse klar darlegte, kamen wir überein, Deine Zukunft für alle Fälle zu sichern. Zu diesem Zwecke händigte er mir die Summe von 20 000Thalern ein, und ich erwarb dafür mit seiner Zustimmung die Meierei, traf die nöthigen Einrich tungen daselbst, so daß Du zum Mindesten eiuen ansehnlicheu Besitz Dein eigen nennst. Da« Gut ist auf Deinen Nameu geschrieben, und Du wirst dort einziehen als die Herrin." (Schluß folgt.)
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