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- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1893-06-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-18930620022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-1893062002
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-1893062002
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1893
-
Monat
1893-06
- Tag 1893-06-20
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Monat
1893-06
-
Jahr
1893
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4424 »erkaufen, d. h. au solch» Völkerschaften, welch» sich ihrer voransfichtlich gegen dir in Frankreich bestgehaßten Deutschen, brzw. gegen Engländer oder Italiener bedienen dürsten. So raisoooirt dieselbe Gesellschaft, welche über di« deutschen Firmen in Weibah, obwobl riesen nicht dir geringste illoyale Geschäst-gebabrung nachgewiesen werden konnte, am liebsten Standgericht gehalten hätte Bon Herrn de B razza, der bekanntlich in> oiutrrlandr von Kamerun, also in der deutschen Interessensphäre, wo er gar nicht« zu suchen bat, umherabentruert, erfahren wir bei dieser Gelegen heit, daß er für seine Person allein schon über lOU OW französische Hinterlader älterer Modelle in den von ihm „erforschten" Ländern an dir Einge borenen „vrrthrilt oder verkauft" hat. Aeknliche« wird von anderen französischen „Forschungsreisenden", den Obersten Gallieni, Arckinard, Humberl, bericht«. Der Grund de* jetzigen Entrüstung-sturme- ist in der beim Brrkaus de« vorerwayntrn Posten» alter Waffen vom Pariser Krieg«- rninisterium gestellten Bedingung zu suchen, daß der Käufer die Maare innerhalb 48 Stunden über die Grenze geschafft haben muß. Wie kann man, so wird gesagt, französischen Fabrikanten zumutben, innerhalb diese- Zeit raum« die in Sieb, stehsudeo Waffen zweckdienlich abzuändern und au-zuführen? E« komme diese Bedingung thatsächlich aus eine Bevorzugung der au«ländischcn Waffenindustrie von Birmingham, Lüttich, Solingen und Stehr hrrau« Wenn sich französischer Eoncurrenzneid wieder einmal in Verdäch tigung deutscher Firmen in überseeischen Gebieten belbäligen sollte, so wird man im Borau» wissen, wa« von seinem Treiben zu halten ist, und demgemäß verfahren. Der Vatikan pflegt bekanntlich seinen Anhängern in Italien bei politischen Wahlen eine starre Enthaltung-Politik zum Gesetz zu machen, weil er den durch die Beseitigung der päpstlichen Herrschaft geschaffenen Stand der Dinge nicht anerkennen will. Hierdurch ist in dem italienischen Partei- lebrn eine gewisse Versumpfung eingetreten. Würde die päpst liche Partei »n den Wahlkampf eintreten, wie die- einige ihrer her vorragendsten Persönlichkeiten schon öjter- befürwortet baben, dann würde nicht allein die Gewinnung leitender Gesichtspunkte für dir nationalen Parteien erleichtert, sondern auch da« Interesse der Bevölkerung an der Wahlhandlung selbst mächtig gesteigert werben. Vielleicht ist diese Ansicht nicht ganz unbegründet, aber e- scheint doch, al- ob sie den Einfluß der klerikalen Wahlpolitik auf den Gang der Dinge überhaupt zu hock anschlüge. Für die Grmeindewablen gilt die vatikanische EnthaltungSregel nicht; an ihnen betheiligcn sich die Päpstlichen ziemlich lebhaft, ohne daß die liberalen Wähler sich dadurch au« ihrer Lässigkeit ciufrüttcln ließen. Diese Beobachtung ist nicht neu, sie mußte auch in diesen Tagen wieder bei den römischen Gemeinde- und Pro- vinzialrath-wahlen gemacht werden. An Liesen Wahlen nahm kaum rin Dritttbeil aller Wahlberechtigten Thril. Unter den gewählten achtzehn Stadtverordneten sind elf, unter den gewählten drei Provinzialräthen zwei Klerikale. Der verratb eine- einzelnen Mandarinen hat dem fran zösischen Ministerratb einen erwünschten Anlaß ge geben. der Lösung der sehr verworrenen Verhältnisse in Sta« ernstlich näher zu treten Französische Blätter berichten, daß der betreffende chinesische Mandarin in dein Posten Eammon aus dem linken Mekongufer sich festgesetzt hatte, von dem sranzösischrn Residenten Lu er aber gezwungen ward, diese» Posten zu räumen, seine Gewehre abzuliesern und sich auf da« rechte Flußufer zu flüchten. Er wurde auf seinen eigenen Wunsch, da er die Rache der von ihm bedrückten Bevölkerung fürchtete, von dem Inspector Gro«aurin und vierzehn Miliz soldaten an den Fluß e-cortirt. Unglücklicherwelle erkrankte Grv-gurin in Krug-Kien und der Mandarin benutzte diesen Umstand, um von Hüten«, einer Ortschaft am rechten Mrkongufcr, eine Bande bewaffneter Siamesen herbe,zurusrn und Gro«gurin mit seiner Begleitung nieder- zumachen. Der französische Ministrrrath, dessen Pflicht eS ist, dafür Sorge zu tragen, daß sür diese völkerrechts widrige Unthat von der siamesischen Regierung vollste Genug- tbuung gegeben werde, bat beschlossen, daß der Admiral Humann sich unverzüglich von Saigon vor Bangkok begebe, um die Forderung de« sranzösifchen GeneralconiulS Pavir um Gewährung einer Audienz durch sein Er scheinen zu unterstützen. Dir dem Admiral zur Verfügung stehenden Kräjtr, der gepanzerte Kreuzer „Trioniphante", der Aviso erster Elaste „Inconstant" und da- Kanonenboot „Eom-te", mit 3V Geschützen, 35 Ossicieren und 552 Mann, würden voraussichtlich genügen, uni mit der siamesischen Flotte fertig zu werben. Dieser Einsicht verschließt sich auch die englische Presse nicht. Die „Time-" betonen zwar, England habe keinen Wunsch, sich in die sranzösisch-siamesischen Grenzstreitigkeiten einzumischen, deuten aber zugleich an, daß England die Besitznahme de« rechten Mrkongnfer» durch die Franzosen alt «n« vereinbar mit seiaru eigenen Interessen betrachten würde, und die „Morning Post" erwartet von Lord Rosebrry, daß er von Frankreich Ausschlüsse über seine Absichten ver lange. Au« diesen und anderen Aeußrrungen der englischen ^ageSblätter spricht die versteckte Drohung, dir französische Regierung möge ihre Absichten aus da» rechte Flußuser fallen lasten, wenn ste nicht England zu Gegrnmaßuabmen veran lassen wolle. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, verdient die sich vorbereitende Entscheidung in Indo-Ehina nach den neueren Vorgängen ernste Beachtung. Der seit mehreren Wochen zu Augara in Kleioasiru verhandelte Proceß der Armenier hat endlich seinen Ab- chluß gesunden. Von den 5V Angeklagten wurden, wie schon kurz gemeldet, l7 zum Tode verurtheilt, darunter Tboumaian Kayayao, Lehrer am amerikanisch-armenischen Seminar zu Marsivan, sechs zu fünfzehnjähriger Einsperrung, darunter eia protestantischer Pastor, achtzehn zu sieben- und zehnjähriger Kerkerstrafe, fünfzehn wurden freigesprochen. Die Ver- urtheilung Tboumaian« erfolgte aus Grund neuer Beweise, daß er al« ein in einer armenischen Kirche predigender protestantischen Pastor beide Eonfessionen ermahnte, sich in religiöser Mildtbätigkeit zu vereinigen. E« wurde be tritten, daß diese Predigt eine politische Bedeutung gehabt babe. Der Proeeß ist zurückzusübren aus Vorgänge, dir bi« in den Februar d. I. zurückreichen. Damal« brannte da amerikanische Eollegium in Marsivan im Vilajet Scha meder und e» hieß, daß die Brandlegung von den muhaine- dänischen Armeniern auSgegangen sei, weil sie mit ibren zum Protestanti«mu- llbergetrelenen Brüdern unznsricden eien. Dazu kam, daß damals Placate aufrührerischen In halt/ an öffentlichen Gebäuden io verschiedenen Städten angeschlagen wurden, wodurch die Aufmerksamkeit der poli tischen Welt von Neuem aus die Zustände in Arinenirn geienkt worden war. Die türkischen Behörden neigten begreiflicher Weise eher der entgegengengesetzten Anschauung zu und glaubten die Schuldige» nicht unter dem muselmanischen Thcile der armenischen Bevölkerung suchen zu sollen, sondern in den Reiben der Ebristen, die zu so gewallamen Mitteln gegriffen batten, um ihrer Unzufriedenheit mit den berrschen- de» Zuständen Ausdruck zu geben. In der Tbat richtete sich auch die Anklage gegen dir hervorragendsten christlichen Armenier, und unter diesen war eS insbesondere Tboumaian, Lehrer an dem amerikanischen Eollegium in Marsivan, der vom Haß der Behörden verfolgt wurde Ihm wurde der schwere Vorwurf gemacht, in seinen Lebren und Predigten zum Widerstand gegen die türkische Regierung gehetzt zu haben, und ein Beweis sür diese Anklage wurde in der Tbat- sacke erblickt, daß er zu einer „Vereinigung" beider Bekennt nisse zu gemeinsamer religiöser Mildtbätigkeit aufgcsordert bade. Tboumaian wurde zum Tode veruribeilt, doch wäre die Annahme irrig, daß mit dem in Angora gefällten UrtheilS- spruche die Angelegenheit ihre Erledigung gesunden habe. Deutsche» Reich. tzH. Berlin, lS. Juni. Die parlamentarischen Arbeiten sind heute wieder ausgenommen worden» indem die vom Plenum de- Herrenhauses gewählte Eommission in die Berathung de« EommunalsteuergesetzcS eintrat. Vorsitzender dieser Eommission ist der frühere Minister de« Innern und jetzige Oberpräsident der Provinz Pommern, Herr v. Putt kam er, ei» >» den Formen ebenso liebens würdiger, wie in der Sache eifriger und gewissenbaster Staatsmann, welcher besooder« die hier in Betracht kommen den Fragen gründlich kennt. Er war früher ein scharfer politischer Gegner de« gegenwärtigen Finanzminister- l)r. Miguel, dem er im Parlament wiederholt gegenüber- trat. Inzwischen hat sich Herr v. Puttkamer mit den ver änderten Verhältnissen auSgesvbnt und ist objektiv genug, uni die großen Verdienste anzuerkenneu, die Herr Miquel um die preußische Steuerreform sich erworben hat. Herr v. Putt- kainer ist also nicht nur ein Gegner der vorgelegte» Entwürfe, sondern er ist auch eifrig bestrebt, den Fortgang der Be ratbnngen zu fördern. Von den fünfzehn Mitgliedern der Eommission fehlten heute nur die Herren v. Levetzow, der Präsident de- vorigen Reichstags, und Gras v. d. Schulen burg Beetzcndors. Die Commission arbeitete heute sün Stunden, und allseitig wurde der Meinung Au-druck gegeben, daß alle Kräfte anszubieten seien, um da« Reformwerk noch in dieser Session zu Stande zu bringen. In der Com mission sitzen die Oberbürgermeister von Magdeburg. Esten, Hilde-Heim und Altona, die Herren Bötticher, Zweigen, Struckmann und AtickeS, die sämmtlich der nationalliberalen Partei angehören. ES wurden die ersten beiden Titel der Vorlage, welche die .allgemeinen Be stimmungen", sowie die „Gebühren und Beiträge" behandeln, erledigt. Die 12 Paragraphen Llieiea «ach de» Beschlüssen de« Abgeordnetenhause« unverändert, nur io tz. S wnrde «es Antrag Struckmann'« der zweite Absatz gestrichen, der besagt, daß Beiträgt zur Unterhaltung von öffentlichen Beraustaltungen in der Regel von den interrssirten Grundeigenthümern und Gewerbetreibenden zu erheben sind, wenn andernfalls die Kosten durch Steuer» aufzubriogen sein würde». Die Be- rathungen solle» so beschleunigt werde», daß jedenfalls in der nächsten Woche der Bericht an da« Pleiuzpi erstattet werden kann. Morgen tritt die andere Eommission zusammen, welche die Entwürfe de«Ergänzuog»ftruergesetze« und der Gesetze wegen Aufhebung direkter StaatSfteurrn und betr. dir Verbesserung de« Bolk«schulwespi« und de- Diensteinkommen« der Volk«- chullehrer vorzuberathen bat. Den Vorsitz in dieser Commission ührt Herr v Wedel-P irsd orf, vor einem Jahrzehnt Präsident de« Reichstags und gegenwärtig Minister de« Königlichen Hause«. Sicherlich wird in nächster Woche be reit« so viel Material vorhanden sein, daß da- Hcrrenhau« eine Plenarsitzungen wieder ausnebmen kann. Da nun am 27. Juni auch da« Abgeordnetenhaus wieder zusammentritt und wenige Tage daraus vrr neue Reichstag eröffnet werden soll, so werden wir nach längerer Panse wieder unter deni parlamentarischen Ueberfluß zu leiden baben Bei all- eitigem besten Willen und bei Anspannung aller Kräfte dürste e- aber doch nicht möglich sein, den Landtag vor Ende Juli zu schließen; ob da« Ende der Reichstagssession sich srüber zerbeifübrrn läßt, hängt vor Allem davon ab, ob die Militairvorlage abermal« commistarischer Prüfung unterworsen wird. Wenn man daraus verzichtet — unv in der Tbat dürfte da- nach der übermäßig „gründlichen" Prüfung durch den aufgelösten Reichstag durchaus angängig erscheinen — kann die erste Tagung de- neuen Reich« tage« sehr wohl in 14 Tagen die ihr gestellte Ausgabe gelöst haben. — Die „N. Pr. Ztg." schreibt: „In maßgebenden Neich-regierungSkreisen wird die Ansicht ver treten, daß di« Einberufung de« Reichstag«« zwischen dem 4. und II. Juli erfolgen wird Man will den Zusammentritt de« neuen Reichstage« nicht zu sehr binouS'chieben. schon mit Rück sicht aas die anderweitig getroffenen Dispositionen, aber andererseit» auch dem Reichstage Zeit lasten, die Hauptgeschäfte mit Muße zu erledigen." — Die vereinigten Ausschüsse des BundrSraths für Handel und Vcrkebr, sür Justiz- und Rechnungswesen, sowie die vereinigten Ausschüsse sür Seewesen, Handel und Verkehr hielten heute Sitzungen ab. — Da der deutsche Minister-Resident am großherzoglichen Hofe in Luxemburg. Gras v. Wallwitz, zum Geiandten in Teheran ernannt ist, hat der LegationSralh l)r. A v Bülow diese» Posten erdmte». Herr v. Bütow war zuletzt erster BotschaftS-Secreiair in Petersburg, nachdem er vorher, wir die« üblich ist, bei verschiedenen Missionen al« Secrelair bejchäsligt war. — Ter frühere deutsche Gesandte in China v. Brandt ist au« Wiesbaden hier eingetroffen. — Ueber die Ankunft des englischen EonsulS Smith zu weiteren Verhandlungen über die Kilimandscharo-Grenze ist noch keine bestimmte Meldung eingetroffen. Von Loudon au« bat man, der „N. Pr. Ztg." zufolge, wissen lassen, daß die Verbaudlungen wohl im Juli eröffnet werden könnten, vorausgesetzt, daß der Zustand de« EonsulS Smith »n fort schreitender Besserung verbleibe. — Die Ernennung eine« serbischen Gesandten am hiesigen Hose ist vor dem nächsten Jahre nicht zu erwarten, da da« Budget des ablausenden serbischen FinanzjadreS bi« Ende 18S3 verlängert werde» soll und diese» die für die Errichtung eine« GesondlschaslS- Posten« in Berlin erforderlichen Lreditbewilligungea noch nicht enthält. — Dem „B. T." zufolge bat Ahlwardt im WahlkrciS Friedrberg-Arnswaldr seine Wabl ab gelehnt, da er im Kreise Neu-Ttrttin in der Stichwahl steht und hier aui den Sieg rechnet. An seiner Stelle wird sür Friedeberg- ArnSwalte RcchiSanwalt Herlwig als Eandidat aufgesteÜt werden. (?) — In der Anklagesachc gegen Ahlwardt wegen Be leidigung de« BeamlenstandeS unv speciell der Beamten der Justizverwaltung durck eine in Essen gedaltene Rede ist ein neuer Termin zur Hauptverhandlung aus den 27. d. M. angesetzt worden. In vem letzten Termine batte der Gerichtshof beschlossen, die bisher nur commissarisch ver nommenen Essener Zeugen persönlich zu laben. — Die feierliche Enthüllung de« dem Großherzog Friedrich Franz ll. von Mecklenburg in Schwerin errichteten Denkmal« wird Mitte August staitfinden; über Tag und Stunde sind noch keine bindeudcn Entschlüsse gefaßt. Der Kaiser wird der Ent hüllung beiwohnt». — Verschiedene preußische Eisenbahndirectionen fordern ihre Beamte», namentlich die Eivilsupernumcrar«, von Zeit zu Zeit auf, sich im eigenen Interesse der Erlernung brr Stenographie zu befleißigen. Da durch die Kenutniz der Kurzschrift und die Fädigkeit, sie praktisch zu bandhaben, die Erlevigunz der schnftlichen Arbeiten wesentlich verein facht Wird, so erfahrt der grsammte Dienst der Beamte» dadurch eine Erleichterung. Zn wünschen wäre nur, daß man möglichst auf die Erlernung eines und desselben System« dielte. Auch damit sind nicht un wesentliche Bortheile verbunden. Verschiedene Erscubabn directiooe» rmpsehlrn in erster Linie die Erlernung res Gabrlsberger'schen Systems, weil diese« nicht nur das verbreitetste in Deutschland überhaupt ist, sonderu auch, weil r« in einigen Bundesstaaten bereit» an den höheren Lehr anstalten gelehrt werde. * Hase a. L., lS. Juni. Die Vorstände der vereinigten konservativen Partei, der OrdaungSpartei und der deutsch-socialen Partei haben sich mit Herrn l)r. Alexander Meyer über verschiedene Puncte ver- »Lndiat. Vr. Meyer bat folgende Erklärung abgegeben: 1) Ich werde sür die Militairvorlage im Uinsauge des Anträge» von Hnene auch ohne gesetzliche Festlegung der zweijährigen Dienstzeit stimmen. 2) Ich werde sür eiuea dom Ceutrum ausgehenden Antrag aus Aushebung des Jesuiten-GesetzeS nicht stimmen. i» Ich jede dos Heil des Handwerk- tn weiterer Entwicklung bei Fach- und Fortbildungs-Schulwesens und werde an geeigneter Stelle dafür eintreten. 4l Ich werdr sür eine sachgemäße Regelung der Zuchthaus- und Grsängniß-Arbeit eintreten 5) Ich werde mich gegen eine stärkere Heraaziehuug der Börse zur Steuer aicht ablehnend verhallen. 6) Ich bin der Ansicht, daß im Verkehr mit Rußland die bestehenden Maßregeln zur Abwehr von Viehseuchen in vollem Umfange ausrecht zu erhalte» sind. 7) Ich habe kein Bedenken dagegen, daß durch Einführung einer zweckmäßigen Versicherung die Landwirthe gegen die Verluste »eschützt werden, welche sie durch di» von ihnen nicht verschuldeten Verheerungen der Maul- und Klauenseuche erleiden. 8> Ich werde sür den von der Regierung bereits vorgelrgtcn Gesetzentwurf aus Abänderung de- Gesetze« über den Unter- tützung-wohnsitz stimmen. ist Ich halte eine Vereinfachung der Unfallversicherung »wie des Invalidität«, und AlterSversichernngsgesetzeS in Bezirhmlg auf Verbilligung der Verwaltung und den Marte», zwang sür dringend erforderlich. Nach Liesen Erklärungen de- Herrn Meyer erklären die oben genannten Vorstände ihrerseits Folgendes: „Nach dieser Erklärung ist »< allen unsrrn Gesinnnngsgenosien möglich gemacht, für Herrn vr. Alexander Meyer in der Stichwahl zu stimmen. Damit ist e« zugleich «ine dringende patriotische Pflicht sür «nS geworden, mit allen Mitteln zu verhüten, daß der socialdemokrotische Landidat, der Feind untere» Vaterlandes, der Gegner unserer bestehenden Sesellichasts- ordnung, der gegen die Militairvorlage stimme» will, in den Reichstag gewählt wird. Stimmenthaltung bedeutet Unter- stütz nng de- Socialdemokraten. Rach dem bisherigen Verlaut der Wahl im ganzen deutschen Reich« kommt et aber ausjede Stimme im Reichstage für die Militairvorlage entschieden an. Herr vr. Alexander Meyer wird nach seiner obigen Erklärung sür die neue Miliiair- vorlag» voll und ganz ohne jeden Vorbehalt eintreten. Im Intecesse de» Vaterlande«, zur Sicherung des Friedens bitten wir deshalb jetzt alle unsere Parteigenossen, bei der Stichwahl nicht sich der Stimme zu enthalten, sondern ihre Stimme abzugeben für Herrn vr. Alexander Meyer." Holle a. S., 18. Juni I8S3 Die Delegirten der vereinigten Deotschconservativen, Dentichsocialeu und Ordaongspartei. * Gotha, IS. Juni. Der gothaische Landtag genehmigte einen Steucrlaß, der drei Termine der Elassen- und Ein- kominensteuer umiaßt, und di« Uebernahme der Lehreralterszulage» aus die StaatScasse. r. Aotznrs. t 9. Juni. In einer gestern hier abgehaltenen socialdemokratischen Wählerversammluug wurde folgende Resolution angenommen: „Die Versammlung beschließt, ofsiciell an der Stichwahl zwischen den Gegen kandidaten sich nickt zu betheitigen und eS jedem Wähler sreizustellen, nach Gutdünken zu bandeln. Da« Arbeiter- wadlcomit« hält sich von jeder Agitation fern." Die Tele- girleu au« Neustadt und Umgebung eiferten bcstig gegen die Freisinnigen, obwobl letztere den Socialdemokraten politisch am nächsten ständen; sie verlangten gänzliche Stimmenenthaltung, blieben aber mit ihrem Anträge in der Minderheit * Au» ser Stsel, 18. Juni. Sehr bezeichnend für die Dahlmache im Kreise Sckleiden war e«. daß viele Pfarrer die Stimmzettel sür ihren Eandidaten v. Eynatten ent weder selbst herumtrugen oder durch ibreo Küster bcrum tragen ließen. Aus dcr Hand der Küster und Pfarrer empfangen, ist der Wahlzettel sür die meisten Landbewohner hiesiger Gegend ein Heilizthum. Noch mebr Erfolg wurde dadurch erzielt, daß Telegirte der Eynatteu'scken Partei den Leuten gegenüber ihre Ansicht dahin auSsprachen, „daß diejenigen, die dcn Prinzen von Arenberg wählten, nickt in den Himmel kommen würden". Da« stimmt mit den Nachrichten aus der Pfalz, wo die Gegner der vorschriftsmäßigen, d. i. Lieber'schen Centruin-richkuog, nicht negativ, sondern gleich positiv den Händen de« Teufel« übergeben werden. So viel bekannt, ist diesen Ansichten von den Hetzgeistlicken nicht ent gegen getreten worden. Man hat vielmehr diejenigen allen an mich selbst und mein Leiden dächte, würde ich mich sehr unzufrieden fühlen", äußerte Dietz nachdenklich. „Dergleichen kann freilich mir nicht passiren, Dietz", sagte Graf Hugo bitter, aber dann faßte er Bernhard « Hand und flüsterte bittend: „Haben Sir Geduld mit mir und verordnen Sie, vr. Bernhard Dietz — wir wollen sehen, wa« sich thun läßt!" „Sie sollten sick einen großen Hund ansckafsen, Herr Graf", meinte Dietz ruhig, „ein solcher ist nicht die schlechteste Gesell schaft, und wenn er hier neben Ihnen läge, ab und zu nach einer Fliege schnappte, Ibre Hand leckte und Sie mit seine» treuen Augen andlickte, wäre er Iknrn gewiß ein Trost." „Ja, wenn Mäuschen nickt wäre. Dietz! Da« Vieh bat unerträgliche Eifersucht und dulde» keinen Stamme-genossen im Hause. Vor zwe» Jahren wurden mir zwei derrliche Hühnerhunde geschenkt — au» Rücksicht für Mäuschen icbmuggeltr ich dieselben über die Veranda beimlich in meiu Zimmer, während der kleine gelbe Satan MittagSrubc hielt. Wa« geschieht? Kaum eine Minute später heult und winselt Mäulchen an meiner Thür, kratzt ganz verzweifelt und bell' so lange, di« da« ganze Hau« zusammenläust. Am nächsten Morgen schasste ich me,ne beide» Prachtexemplare wieder fort, und wenn S>e an meiner Stall« gewesen wären, hätten Sir r« gerade so gemach«, Dietz." „Warum lassen Sie Ihre alten Freunde nicht manchmal kommen, Herr Graf?" „O Dietz — ist da, Ihr Ernst?" „Gewiß — Sir könnten sich auch mit der hübschen jungen Dame unterbalten — sie ibäte e« gewiß auch ganz gern " „Immer besser — ist Ihr Repertoire noch nicht erschöpft?" fragte Hnao spottend „Ein Hund — hier und da «in Paar Kinder, dir Sie amüsier» — einige alte Freunde — «in« Frau mit sanfter Stimme und srodem Lächeln — etwa« Musik, da» Ware so uugrfäbr, wa« ich mir sür S,e »»«gedacht habe, Gras Kronfel«" „Und all da« hasse ich", murmelte Hugo ^.O, wenn man kraul und schwach ist, sind« ich da« ganz erklärlich", sagte D«rtz sanft „Ihr Fall ist gewiß Kart, Herr Graf, aber ich kenn« noch Schlimmere«!" „Schlimmere«?" wirderboltr Gras Hugo ungläubig „Ich kenne «,oe Frau in LrSlach. die seit fünfzehn Jahren gelähmt zu Bette liegt, — e« ist eine lange Zeit. Herr Graf." „Sir muß eine Ibörin sein, daß sie »ich nicht längst von der Bürde eine« solchen Leben« befreit hat", ries Hugo hes«,g. „Sir ist keine Thörio", sagte Dietz ernst; „sie hat viel Besuch von Freunden und Bekannten; Jeder klagt ihr sei» Leid und sie hat sür alle Trost Von ihrem eigenen Leiven spricht sie uiemal«, Ihr einziger Kummer ist, daß sie ihren Kindern zue Last fällt, kenn >„ ist arm, sie 'st »ft Stunden lang allein und sie hat keine Pfeife, aus deren Ton ihr Wein, Speisen, Decken und neue Bücher gebracht werten" „Dietz". ries Hugo deftig. „Ihre tugendbaste, geduldige Kranke ist mir ein Greuel! ^ie sollte schimpfen, zetern, keife», aber freilich, sie bat gewiß ein besseres Temperament al- ,ch", schloß er beschämt. „Herr Graf, wa« meinen Sie zu meinem Vorschlag, sehen Sie ad und zu Bekannte!" „Filnszebn Iabre", flüsterte Hugo nachdenklich» wie sie'« nur auSgebalten bat?!" „Wie bättr sie « ändern sollen?" „Ei nun — da« ist dock einfach genug." „Hm — ibre» Körper« könnte sie sich vielleicht entledigen, aber ob auck ihrer Seele?" „Wie meinen Sie da«, Dietz?" „Nun, da» ist doch ganz einfach; der Mensch girbt sich da« Leben nickt selbst, und meiner Ansicht nach kann er sich « eben sowenig nehmen." Hugo blickte verwundert aus den Mann „Dietz", begann er endlich zögernd, „wie kamen just Sie dazu, über solche Dinge nachzubenken? E« sieht Ihnen gar nicht gleich " „Sie baben Recht, Herr Gras", nickte Dietz, „diese Sachen liegen mir fern genug, aber ick mußte mich damit beschäftige», al« einer meiner Bekannten, eia frischer, junger Bursche, sich au« Geldnoth, die ihn zur Verzweiflung gebracht batte, erschoß Jeder von un« hätte ihm gern geholfen, wenn wir « nur ge wußt bälten — und al« ich ibn dann starr und tobt daliegen sah. da dachte ich über derartige Dinge nach und gelangte zu der Ueberzeugung, welche ick vorhin au-spracd. Wir können den Körper tobten, aber da« Leben ist de«halb nicht vernichtet — nur die Art, wie r« in un« zum Ausdruck kommt, ist eine andere geworden" „Die^", murmelte Hugo aus« Höchste überrascht, „eS giebt weise Männer, Gelehrte, welche da« Grgeutheil behaupten." .Da» glaube ich gern — Jeder hat da» Recht, seine eigne Meinung zu haben Ich bade sonst wenig Zeit zum Grübet», aber al« ich an der Leiche jene« armen Burschen stand, südlte ich « ganz deutlich, daß seine Seele irgendwo ander« sein müsse — sie konnte doch nicht >m Nickt« verschwinden." „Und wenn nun Ihr Muster von einer Verkrüppelten, Geläbmtkn, sich« dennoch in den Kopf setze» sollte, ihrem Leiden eia Ende zu machen, Dirh?" In Graf Hugo « Blick lag e,nr weit beredtere Frage al» in feinen Worten, und Dietz hatte dieselbe verstanden. .Ich würde dir Arme aus» Tirsstr beklage»", sagte er daun mit unendlichem Mitgefühl, „denn sie müßte entsetzlich leiden, um soweit zu kommen, aber lrotz alledem würde ick bei meiner Ansicht beharren, daß sie da« Schwer« lieber hätte tragen sollen. Und sie wird'« tragen — sie hat Muth", schloß er sanft. „Ah - sie hat Muth?" .Da« will ick meinen — mehr Muth al« mancher Maua an ihrer Stelle hätte." Hugo lächelte und meinte: „Nun, Dietz — mit Hand schuhen fassen Sie mich nicht an." „Und ick bleibe dabei, Sie müßten Leute sehen, Graf." „Ihre Beharrlichkeit ist wahrhaftig großartig", lachte Hugo. „Da- kommt daher, weil ich Sie lieb habe, Graf Kron- sel« — ich batte noch nie einen Mann so lieb", sagte Dietz schüchtern. Hugo schaute ihn dankbar an und rief dann lebhaft: „Diey — Ihre Kranke ist mir zuwider — ich kann sie ab solut nicht leiden; aber — erkundigen Sir sich, wa« sie gebrauchen könnte, wollen Sie?" „Ob ich will!" „Schön, und wenn Sie wissen, wa« angebracht wäre, besorgen Sie « sür sie und geben - ihr, aber nicht in meinem Namen, da» bitte ich mir au«! Hat sie einen Fahrstuhl wie diesen dirr? Nein — dann kaufen S:e einen solchen, aber — reine» Mund halten! Sorgen Sie dem Scheusal auch für Wein und Obst und Bücher, wenn sie lese» mag — sie »oll sich beschäftigen, sich unterhalten, nur nickt ewig gleich einem Engel daliegen — da« kann ich nicht au«balten." „Ich will für Alle« Sorge tragen, wenn sie mitunter Menschen seben wollen, Herr Gras." „Wenn ich'« thue, so geschieht « nur, um Sir lo« zu werden, Sir Ouälgeist." Dietz kedrte froh gestimmt auf sein Gerüst zurück und Gras Hugo murmelte vor sich bin: „Wohlan denn, ich will « ver suchen — an der Sacke selbst ändert « ja nickt«, ob ick etwa« mehr oder weniger Mumie bin, aber vielleicht vertreibt mir'« dock die Zeit und bringt mich aus andere Gedanken. Schaden wirb « ja Niemand, da ich so durchaus ungefährlich bin." Und so gebot er denn Lip«, seinen Fabestuhl an d,e Vorder seite der Villa zu schiebe», und der Getreue gehorchte mit tausend Freuden Al« später di« Gräfin und Gabriele im offenen Wagen an ,bm vorbei zum Parktbor hinao« rollten, schwenkte Hugo seinen Hut und wünschte ibnrn viel Vergnügen, er hörte der Gräfin halb ungläubige« .mein Gott — Hugo" und sah den Freudrnstrabl, der ,n Gabrielen« braunen Augen ausdlitztr. .Wa« soll da» nun wieder bedeuten?" fragte di« Gräfin ganz boffaungSlo«. „Aus jeden Fall ist« «in bedeutender Fortschritt", nickte Gabriele mit glücklichem Lächeln; .da« Herz »hat Einem so web, wenn man daran dachte, daß Gras Hugo gerade wie «in Gefangener lebte." „Aber er wird doch um Gotte» Wille« nicht daran denken, wieder mit der Welt zu verkehren. Und wenn jener Mensch in der Blouse ihm nun auch hier Gesellschaft leistete, wäre Einem Hau« und Garten verleidet. Dieser Mictz —" .Dietz, Tante Adelheid." .Dietz oder Mietz, e» ist ganz gleichmütig, wie der Kerl beißt — die Hauptsache ist und bleibt, dag er mir unauSsteb- lich ist. Wa« Hugo nur an ihm findet? Wenn Raven und Haller kommen, weist er sie ab und mit diesem „vuvrjer - fraternisirt er!" ^Er hat ihn gern, Tante." „Da« thut er nur. um mich zu ärger», heute Vormittag hatte er sogar die Unverfrorenheit, mir ,hn vorznstellen — ick machte, daß ich sortkam und nahm sofort ein Ehininpulver, um einer etwaigen Ansteckung vorzubeugen — solche Prole tarier sind gefädrlich." Gabriele lachte hell aus. Diese „Gefühl«rohheit" brachte die Gräfin außer sich und schon wollte sie ib cea letzte» Trumps auSspirlen uod Gabriele mittheilrn, daß sie unter solchen Umständen ihr Testament noch beute zu ihren Ungunsten ändern werde, al- ihr zu ihrem Aerger einflel, daß die« hier keinen Eindruck machen werke. Wie hatte doch der bochmüthige Grünschnabel gesagt: „Ich weiß schon beute, daß Du Dem Testament, fall« e« meiner wirklich rrwähut, binnen Kurzem wieder Ludern wirst!" Nein — diesen Triumph durfte sie ihr nicht gönnen, unk so schluckte die Gräfin ihren Aerger hinunter und saß steif wie eine Statue im Wagru, während Gabriele? nicht ahnend, welche« Gewitter sich über ihrem Haupte zusammeuzog, hei teren Blick- dir herrliche Landschaft betrachtete. Achtzehntes Capitrl. Graf Hugo hielt sein versprechen — er näherte sich der Welt, welche er so lange gemieden, allmälig wieder und ent deckte von seinem Krankeofahrstubl au« gar Mancherlei, was ibm früher entgangen war. Di« Sorge der Gräfin, dai; Dietz sich aus dem Rasenplatz an der Front der Billa bäuSliL einrichten werdr, batte sich nicht bewahrheitet, freilich nick» durch Hugo'« Schuld, sondern weil Dietz selbst sich entschicken weigerte, den diesbezüglichen Bitten de« Grafen zu willfahren In Hugo « Zimmer otzer in dem verborgenen Winkel de« Park« war er ei» Anderer al« vor dem Hause, unter dem Kreuzfeuer der Blicke aller Borüorrgebeudrn und der Haus bewohner, da« empfand er selbst am besten, uod danach bcintelle er. Auch ließ er sich niemal« bewegen, Hugo « Mahlzeiten zu tbeilrn — nur einmal batte er auf inständige Bitten Hugo« rin mit schwerem Wein gefüllte« Glas aus die Ge sundheit seine« Pflegling« geleert. (Foeffetz»», solgt.)
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