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- Erscheinungsdatum
- 1890-10-10
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-189010100
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18901010
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18901010
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1890
-
Monat
1890-10
- Tag 1890-10-10
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Monat
1890-10
-
Jahr
1890
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Erfch Ml eint täglich rüh 6'/, Uhr. Hrdartion »»d Lrvrüition Iohanne-gasse 8. Sprrchllundrn örr Urdnctiou: Vormittags 10—12 Uhr. Nachmittag- 5—6 Uhr. FLr dt« kIUS,ade «m,ikiaatl«r M^nutcridte »i«chi sich dir dtedacno» nxdt vcrd«dtlch. «nnahme drr für dir nächstsolgende Nlimnirr brstinimtr» Inserate an Wochentage» bis 3 Nb» Nachmittag», a»Loun- »»V Festtage» irül»bi»' ,1) Uhr. In drn Iilialr» siir Iiis.-I»iial,mr-. Otto klcmm'S Tortii». (Alsrcv Hahn). UniversitätSskrahe 1, Louis Lösche, Aatharinenstr. 14 pari, und Äönigsplatz 7, nur bis ' ,!t Uhr. LWiM TagMatt Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- nnd Geschäftsverkehr. SlbonnementSprei- vierteljährlick 4>/, Mk. incl. Bringerlohn 5 Mk., durch die Post bezogen 6 Mk. Jede einzelne Nummer 80 PH Belegerenrpiar 10 Pf. Gebühren für E;trabeil agea (in Tageblatt-Format gefalzt! obuc Postbeförderung 60 Mt. mit Postbesörderung 70 Mk. Inserate 6 gespaltene Petitzeile SO Ps. Gröbere Schriften laut uns. PreiSverzeichniß. Tabellarischer u. Zissernsatz nach höhermTarff tieclame» unter dem RedactionSstrich dir Sgesvalt. Zeile SO Pf., vor dengamiliennachrtchtea die Ogespaltene Zeile 40 Pf. Inserate sind stets an die Fppedttion zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung praeuumerainlo oder durch Post nachnahme. 283. Freitag den 10. Octobcr 1890. 84. Jahrgang. Amtliche Bekanntmachungen. Leklilliitllllichillig. Das 10. Stück dcS diesjährige» Gesetz- und Verord nungsblattes für daö Kv»i<zrei« Taehsen ist bei unS eingegangen und wird bis zuin 23 dsS. MtS. auf dem NathhauSsaalc zur Einsichtnahme öffentlich auShängcn. Dasselbe enthält: Nr. 56. Verordnung, die polizeiliche Beaufsichtigung der Dampfkessel betreffend; vom 5. September 1890. Nr. 57. Verordnung, den Verkehr von Straßcnlocomotivcn auf öffentlichen Wegen betreffend; vom 5. Sep tember 1890. Nr. 58. Verordnung, die Aufhebung der Verordnung vom 3. Mai 185,0 über das Verfahren bei der polizei lichen Beaufsichtigung der zu militairischen Zwecken bestimmten Dampfkessel betreffend; vom 5. Sep tember 1890. Nr. 59. Verordnung, die Enteignung von Grundcigcnthum für Erweiterung der Eiscnbabnstrecke zwischen den Haltestellen Böbla und Frauenkain der Bahn linie Drcsten-Elslerwcrda betreffend; vom 6. Sep tember 1890. Nr. 60. Bekanntmachung, die Eröffnung deS Betriebes auf der normalspnrigen Secnndäreiscnbabn Großpost- witz-Eunewalde betreffend; vom 11. September 1890. Leipzig, den 7. Octobcr 1890. Der Statb der Gtadt Leipzig. vr. Tröndlin. Wagner. Ltkallilllliachung. Die Gntschadtgung für die am 17. und 18. Sep tember d. I. in der Moritz- und Mcststraße und vom 2tt. biS mit 28. vor. Monats in der Kleinen Burggaffe, Harkortstraffe, am KönigSplatz, in der Mühlgaffe, am Obstniarft, PetcrSsteinwcg, in der Tchlvffgaffe und LLaebtcrftraffe einquartiert gewesenen Truppen vom Konigl. 8. Infanterie-Regiment Nr. IU7 kann in den nächsten Tagen bei unserem Quartier- Amte, Stadthaus, 3. Etage, Zimmer 143/145, erhoben werden. Der den Quartierzettel Vorweiscndc gilt als zur Empfang nahme berechtigt. Leipzig, am 6. Oktober 1890. Der Rath der Stadt Leipzig nck XM. 11612. vr. Tröndlin. Lamprecht. Offene provisorische Lehrerstellen. An unseren Bürger- und Bezirksschulen ist zu Ostern nächsten JahreS eine größere Anzahl provisorischer und mit 1350 ^ einschließlich WohnungSgeld dotirter Lehrcrstellcn zu besetzen. Bewerber, welche die Wahlfähigkeitsprüfung be standen haben oder im Laufe dieses JahreS noch zu bestehen gedenken, wollen ihre Gesuche unter abschriftlicher Beifügung ihrer Zeugnisse bis Ende dieses MonatS bei unS einrcichcn. Leipzig, am 8. October 1890. Der SchulauSschust der Stadt Leipzig. Walter. Lehnert. Lekalllltmachilng. Die Geschäftsstelle deS AichamteS bleibt wegen vor- zunehmcnder Reinigung Montag, den 13. October 18SV, geschloffen. Leipzig, am 2. Octobcr 1890. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Georgi. Freyberg. Ivohnttugg-Oermittlinng. Von jetzt oder vom l. Januar 189l an ist eine in der Etage dcS früheren RathhauseS in Leipzig-VolkmarSdorf, Kircbstraßc Nr. 2, gelegene kleine Wohnung gegen viertel jährliche Kündigung anderweit zu vcrmicthen. Bezügliche Miethgesuchc werden auf dem hiesigen Rath hause, 1. Elage, Zimmer Nr. 8, cntgegcngenommen. Leipzig, den 4. October 1890. Drr Rath drr Stadt Lriprig. I». 6983. vr. Tröndlin. Pücker. Grundstückslisten betr. Für die Zwecke der bevorstehenden Volkszählung, sowie der in jedem Jahre stattfindcnden Zählung der leerstehenden Wohnungen und Gcwcrbüräumc werden von unserem statistischen Amte Grundslückslisten auSgegcbcn und wieder cingesammelt. Wir fordern die Grundstücksbesitzer nnd deren Stell vertreter auf, diese Listen sorgfältig nach dem Stande vom 13. October d. I. gemäß der auf den Listen befindlichen Anleitung auSzufüllen und vom 16. October an zur Wieder abholung bereit zu halten. Leipzig, den 5. October 1890. Der Rath der Stadt Leipzig. 8t. 1415/90.Ilr. Georgi. Vr. Hasse. Die und die Lekannlmlichung. Herstellung einer provisorischen Höhcn-AuSgleichung Pflasterung eines VerbreitcrungSstreifenS des östlichen TheilS drr Fahrstraße der Koblgarten- und Chaussecstraße in Leipzig-Reudnitz, und zwar von der Reudnitzcr Kirche blS zu der südlichen Fluchtlinie der Lilienstraße sollen an einen Unter nehmer in Accord verdungen werden. Die Bedingungen nnd Zeichnungen für diese Arbeiten liegen in unserer Tiefbau-Verwaltung, RathhauS, 2. Stock 10-U-Bricfmarken einzusenden sind, entnommen werden. Bezügliche Angebote sind versiegelt und mit der Aufschrift: „Provisorische Herstellung der Koblgarten- und Ehauffeestraffe in Leipzig-Reudnitz" versehen ebendaselbst und zwar bis zum 18. October 1890, Nachmittags 5 Uhr einzureichcn. Der Rath behält sich das Recht vor, sämmtliche Angebote abzulehnen. Leipzig, den 3. October 1890. DeS Raths der Stadt Leipzig Ib- 6527. Straßenbau-Deputation. vermiethung. Die zeither an den Königs StaatSfiScuS zu Zwecken der Steuerregie und als Wohnung vermiethcten Räumlich leiten ,m ehemal. Frankfurter ThorhauS, Frank furter Straße Nr. 26, bestehend aus 1 zweifenstrigen Stube, Küche und Speisekammer im Erdgeschoß, sowie 2 zwei fenstrigen Stuben, 1 einfenstrigen Stube und 2 dergleichen Kammern im oberen Stockwerk nebst Boden, Keller und Holz- und Kohlenschuppen, mit einem zugehörigen kleinen Garten sind vom I. Januar k. I ab anderweit zu vcrmicthen. Miethgesuchc werden RathhauS, I. Stockwerk, im Zimmer Nr. 8, entgegengenommen, wo auch über die VcrmicthungS bcdingungen das Nähere zu erfahren ist. Leipzig, den 4. Octobcr 1890. Der Rath der Stadt Leipzig. Ia. 6819. Vr. Tröndlin. Pücker. Gewölbe-Otriilittliuiig. Das im Erdgeschosse deS StockhauseS am Nasch- markte links neben der HanSslur nach dem Salz- gätzchen zu gelegene, mit <YaSbrlrnchtungSeinrichtung versehene DerkaufSzzewölbe ist vom I. April 181)1 an gegen einhalbjährliche Kündigung anderweit zu vermiethen. Miethgesuchc werden auf dem Rathhause, 1. Etage Zimmer Nr. 8, entgegengenommcn, auch sind daselbst die VcrmicthlingSbedingungen zu erfahren. Leipzig, den 3. October 1890. I» 6987. Der Rath der Stadt Leipzig vr. Tröndlin. Pücker. Gewölbe-Vermiethuilg. DaS z. Z. an die Herren Wölker <L Girbardt vermiethete Gewölbe im alten Börsengebände an der Ecke deS SalzgäßchcnS und NaschmarkteS (StockhauSseite) nebst zu gehörigem Nirdcrlagöraum ist vom 1. April 18tt1 an gegen einhalbjäyrliche Kündigung anderweit zu vermiethen. Miethgesuchc werden auf dem Rathhause, I. Etage, Zimmer Nr. 8, entgegcngenomiiicn, woselbst über die WohnungS- bediugungeu und auch sonst Auskunft ertheilt wird. Leipzig, den 6. October 1890. Der Rath der Stadt Leipzig. Pücker. In. 7012. vr. Georgi. Pu Die bevorstehenden Stadtverordnetenwahlen. * Früher als sonst werfen in diesem Jahre in Leipzig die Stadtverordnetenwahlen ihren Schatten voraus. Von mehreren Seiten sind schon die Fühlhörner auSgestreckt worden und haben die Agitationen begonnen, um bei der nächstmaligen tbcilwcisc» Erneuerung des Stadtverordneten-Eollegiums Ein fluß auf dasselbe zu gewinnen. Bereits in diesen Tagen finden zwei vorbereitende Versammlungen statt, welche sich mit der Bcrathung und Beschlußfassung darüber, waö auS Anlaß der Stadtverordnetenwahlen geschehen soll, befassen wollen. ES erscheint unter solchen Umständen angczeigt, daß auch die Presse damit beginnt, Stellung zu dieser Frage zu nehme». Wenn wir a»f die beiden letzten Jahrzehnte zurückblicken, so bietet sich in Bezug auf die Bewegungen, welche die Stadt- vcrordnetcn-Wahlen in Leipzig hcrvorricsen, ein ganz ver schiedenartiges Bild dar. ES gab Zeiten mit einem sehr leb haften und stürmischen Wahlkampf, eS gab aber auch Zeiten, in denen die Wogen sich glätteten und die Wahlen in fried 'ertigcrem Gleise sich vollzogen, so daß von einem eigent ichen Kampfe der Parteien nicht die Rede war. Ans eine "eit verbältnißmäßiger Ruhe scheint nun wieder einmal die eriode deS Kampfes und deS Sturmes kommen zu wollen. Es ist kein Gehcimniß mehr, daß die zahlreiche Partei, welche bei den Reichstags- und LandtagSwahlen schon so viel Staub aufgewirbelt und ihre zersetzenden Theorien dabei zur Geltung zu bringen versucht hat, daß die socialdemokratische Um- sturzpartei mit ihren buntscheckigen Anhängseln von aller- lei Unzufriedenen, denen irgend Jemand bei irgend welcher Angelegenheit auf die Beine getreten hat, bei den Stadtverordnetenwahlen im Dccember mit einer selbst ständigen Eandidatenliste auf dem Kampfplatz erscheinen wird. Bei der rücksichtslosen Art, wie von dieser Seite der politische Parteikamps geführt wird, ist daher ein heftiger Ansturm der Socialdemokraten und ihrer Freunde auf die dermaligc Zu sammensehung dcS Stadtverordneten Collegiums zu erwarten, und wir sind gar nicht im Zweifel, daß man dabei versuchen wirH in ganzem Umfange tabula r»»rr zu machen und gleich mit einem Male ein volles Drittel Socialistcn in daS Collegium zu bringen. Dieser Partei ist durch ihre Erfolge bei den letzten ReichstagSwahlcn, durch den Rücktritt deS Fürsten BiSmarck und durch daS Aufhören deS Socialistcn gesctzc« dermalen der Kamm so geschwollen, daß sie vor nichts zurückscheut und sich auch schon als Siegerin bei den Gemeinde Wahlen ini Voraus betrachtet. ES treten verschiedene äußere Umstände hinzu, welche der Umsturzpartei bei den nächsten Stadtverordnetenwahlen den Kampf erleichtern. Daza gehört in erster Reihe der Zuzug von neuen Bürgern, den diese Partei aus den zahlreichen neu cinverleibtcn Vororten erhalten hat. In VolkmarSdorf Neuschönefeld, Neustadt, Sellerhausen, Thonberg insbesondere wird die Zahl der Socialdemokraten, welche das Leipziger Bürgerrecht erlangt haben und somit wahlberechtigt geworden sind, keine geringe sein. Nun haben wir glücklicherweise keine BezirkSwablen, worauf die Socialisten loSstcuern, indessen auch bei der Einrichtung der Listenwahlen wird man gut thun, den numerischen Zuwachs der socialdemokratischen Partei auS jenen Orten nicht zu unterschätzen. Und daß die Angehörigen dieser Partei alle auf dem Posten sein werden wenn die Stunde der Wahl gekommen ist, daran wird auch Niemand zweifeln. Stadtverordneten-Wahle» sollen im eigentlichen Grunde keine politischen Wahlen sein, und man kann auch sagen daß an diesem Grundsatz die ganzen Jahre daher in Leipzig festgehalten worden ist. In Folge dessen ist die Zusammen setzung deS Collegiums heute eine solche, daß alle politischen Parteien, mit Ausnahme der Socialdemokraten, darin in gleichartigem Verhältniß vertreten sind. Es reichen sich in >km Conservative, Nationallibcrale und Fortschrittler die Hand zum einträchtiaen Zusammenwirken für daS Wohl der Stadt. Wir sind fest davon überzeugt, di« große Mehr beit der Stadt wünscht, daß an diesem Verhältniß, welches auf der Gleichberechtigung aller positiven Parteien be- chtigung scstgebaltcn werde, denn dadurch ist auf ruht, unentwegt . .... . eine ruhige, leidenschaftslose und gedeihliche Behandlung aller an daS Collegium hcranlretcnden Fragen verbürgt. Wir sind aber auch ebenso entschieden der Meinung, daß die socialdemokratischc Partei, welche die Grundlagen deS heutigen Staats und der jetzigen Gesellschaft völlig negirt, welche die Monarchie stürze», die Religion zerstören und den Bc>itz, auch wenn er noch so redlich erworben ilt, aufheben will, daß eine olche Partei keinen berechtigten Anspruch darauf erheben darf, im Gemeindecollcgium vertreten zu sein, sondern daß Alles zeschehen muß, um diese Partei auch in Zukunft von ihm ern zu halten. Die Ordnungöpartcicn haben »ach nnsercm Dafürhalten eS in der Hand, auch bei den nächsten Stadtverordnelen- Wahlcn einen solchen schönen Erfolg herbeizusührcn, wenn sie auS der Erfahrung gelernt haben und gegenüber der großen geeinten Masse der rotben Umstürzler und deren bewußte» und unbewußten Helfershelfer — einig sind. Gegen die geeinten OrkiinngSparteien in Leipzig haben die Socialdemo- raten bei Wahlen noch niemals einen Erfolg erringen können und eS wird ihnen daS auch ferner sobald noch nicht gelinge». Jeder patriotisch und einsichtig denkende Bürger bat also nach unserer Auffassung die unbedingte Verpflichtung, die Einigkeit der Ortnungsparteien auch in dem vorliegenden Falle erzielen zu helfen, und Alles zu vermeiden, was von vornherein etwa geeignet ist, diesem Hand inbandgehen Schwierigkeiten zu bereiten. Weil wir wissen, daß in dem Verbältniß der beiden hauptsächlichen Parteien in unserer Stadt, der nationallibrralen und der conservativen Partei, zu einander mit gewissen Stimmungen und Empfindlichkeiten sorgfältig zu rechnen ist, so sind wir auch der Meinung, daß die berufenen Vertreter dieser beiden Parteien die größte Ursache haben, um deS gemeinsamen Gegners willen gegen einander volle Billigkeit nnd Loyalität im Hervorlreten an die Oeffcntlichkeit zu wabren. Wir hätten uns kein besseres und schöneres Verhältniß denken können, als wenn zum Zweck der Einleitung der Agitation zu den Stadtverordnetenwahlen die Vorstände deS Conser vativen Vereins und des Nationalliberalcn Vereins, beziehent lich der Gemeinnützigen Gesellschaft sich dahin verständigt hätten, gemeinsam die Einladung an die verschiedenen Vereine nnd Korporationen behufs Einsetzung eines All gemeinen WahlcomitöS ergeben zu lassen. Wir müssen zu unserem lebhaften Bedauern mittheile», daß das nicht gescheben ist, daß vielmehr der Vorstand deS Conservativen Vereins einseitig und als solcher die Einladung an eine größere Anzahl von Vereinen und Gesellschaften zum Zwecke der Be sprechung über die Stadtverordnctenwablen erlassen bat. Wir kennen die eigentlichen Gründe nicht, welche den Conservativen Verein zu seinem Vergeben veranlaßt haben, erklären aber entschieden, daß wir bei drr notorischen Ehrenhaftigkeit der in Betracht kommenden Männer nicht daran glauben, daß beabsichtigt gewesen sei, da« Prävenirc zu spiele» und eine Art Ucbcrrumpclung in Scene zu setzen. Die Tbatsacbe können wir freilich auch nickt leugne», daß durch daS Vor gehen deS Vorstandes des Conservativen Vereins in manchen gut bürgerlichen Kreisen eine Verstimmung hervorgerufcn worden ist. Wir halten aber trotzdem an der Hoffnung unverbrüchlich fest, daß der alte gute Geist der Einigkeit in unseren Ordnung« Parteien sich aufs Neue Bahn drecken und bei den bevor Gehenden Stadtverordnetenwahlen lebendig erweisen wird. Wenn hüben und drüben der gute, ernste Wille vorhanden ist, gemeinsam dem Gegner die Stirn zu bieten, dann wird man sich auch über die Form, in welcher daS gemeinschaftliche Vorgehen zu handhaben ist, leicht verständige» könne». Wir für unseren Theil haben eS stets als unsere Ausgabe betrachtet, in diesem Sinne zu wirken, und werden eS auch in Zukunft niemals daran fehlen lassen. Rußlands Politik. Rußlands politisches ErkcnnungSwort lautete seit der Beendigung dcS Krimkrieges: „Rußland sammelt sich". Nach dem eS sich im Jahre 1870 den Zugang zum Schwarzen Meere wieder eröffnet »nd sieben Jahre spater eine bedeu tende Anstrengung zur Eroberung Konstantinopels gemacht batte, ist Rußland zu seiner alten Devise zurückgckehrl und es heißt heute wieder von seiner Politik: „Rußland sammelt sich". Diese Sammlung beruht aber nicht sowohl auf Festigung der inneren Zustände als auf der Ansammlung großer Truppenmasscn an der Westgrenzc, auf dem Bai, einer Reihe von Grenzfestungen und von wichtigen strategischen Bahnen. Diese Thatsachen sind allgemein bekannt, es ist aber nöthia, sich diesen Sachverhalt stets gegenwärtig zu kalten, weil man dadurch vor Ueberrasckungen bewahrt wird, die sonst unausbleiblich sein würden. Rußland ist mit seine» Rüstungen noch nicht fertig — so wird von Zeit zu Zeit gemeldet, wenn man sich darüber wundert, daß Rußland in der bulgarischen Frage so zurückhaltend ist, oder wenn die Franzosen nach einem einleuchtenden Grunde dafür suchen, daß der so eifrig gewünschte Bund mit Rußland immer noch nicht zu Stande gekommen ist. geraoezu criiauniiGc Lyangreik, wetwe nie zuvor klarer und eindringlicher hcrvoraetrcten ist als bei den letzten Manövern. ES lag in den Verhältnissen, daß die Frage nach der Ver anlassung der ganz außerordentlichen Regsamkeit, welche Ruß land aus militainschem Gebiet entfaltet, in neuester Zeit nicht aufgeworfen worden ist, eS wirkten darauf die freund schaftlichen Beziehungen, welche das deutsche Kaiserhaus z» Rußland unterhält, und daS allgemeine FriedenSbctürfniß gleicherweise ein. Es kommt dazu, daß alle Militairmächie im größten Umfange rüsten, Rußland braucht also einfach aui diese Thatsache hinzuweisen, um jede Frage nach der Ursache seiner Rüstungen sofort abznschneikc» Und dock ist diese Frage sehr berechtigt, weil cs in Europa keine Macht aiebt, die gegen jeden Angriff so sicher wäre wie Rußland. Die beiden Nachbarn Deutschland nnd Oesterreich-Ungarn haben niemals daran gedacht, die Rübe Rußlands zu stören sie haben im Gegentbeil mit wachsender Besorgniß die An stallen beobachtet, welche Rußland trifft, um beim Ausbruch eines Krieges an seiner Südweslarenzc mit voller Wucht zum Angriff übergehen zu können. In dieser Beziehung hat sich im letzten Jahre nicht« geändert, wir müssen uns deshalb be ügen, die nöthigcn Vorkehrungen für alle Fälle zu treffen, an Uebrigen aber jede Gelegenheit ergreifen, um den Frieden zu erhalten und ihn zu befestigen. Ein solcher Zustand ist höchst unerquicklich und er wird es je länger desto mehr, weil wir unter einem unablässigen Drucke leben, der auf uns lastet, trotz der friedlichen Ver- ichcrungen, welche Rußland nicht müde wird, zu erneuern. Tie „Preußischen Jahrbücher" nannten den Besuch deS Kaiser« Wilhelm in Narwa zwecklos, wir sind entgegengesetzter Meinung, wir halten eS für wichtig, daß die bestehenden guten Beziehungen zwischen den beiden Dynastien gepflegt werden, nnd c« scheint unS auch keineswegs überflüssig, daß ein so ausgezeichneter militairischer Sachverständiger wie Kaiser Wilhelm sich über den Stand der militairischen Aus bildung nnd Leistungsfähigkeit der russischen Armee persönlich unterrichtet. Der Unterschied zwischen Parademanövern und ernsten Manövern, welchen die „Preußischen Jahrbücher" machen, kommt dabei wenig oder gar nicht in Betracht. Was unS zu wissen Roth thut, war auch bei den Manövern von Narwa und Peterhof zu sehen. DaS Schlimmste au der russischen Politik ist, daß sie der Klarheit und Offenheit entbehrt, die russischen Diplomaten nehmen stets die Miene der gekränkten Unschuld an, sie be- indcn sich niemals in der Lage deS Angriffs, sondern stets in der deS VertheidigerS bestrittener Rechte. Dieses Verfahren wird besonders der Türkei gegenüber angewcndet, mit welcher trotzdem äußerlich ein scheinbar gutes Verhältniß unterhalten wird. Tie letzte Selbstständigkeitöregung der Türkei, welche ick in der Ernennung bulgarischer Bischöfe in Makedonien kundgegeben hat, ist von Rußland noch immer nicht verwunden, und da außerdem noch eine andere kirchliche Frage, die deS griechischen Patriarchen der Lösung karrt, so hat die stets vorhandene Spannung zwischen Rußland und der Türkei wiederum zugenommen, so daß man eS jetzt in Konstan tinopel bezweifelt, daß der für den 18. October angcsagte Besuch deö russischen Thronfolgers beim Sultan wirk lich erfolgen wird, obgleich auch andere ZeitungSmeldungen daS Gegentbeil besagen. Angeblich soll der kürzlich zum Besuch in Konstantinopcl anwesende Herzog von Leuchten berg dort nicht mit der Zuvorkommenheit empfangen worden ein, welche man in St. Petersburg erwartete. DaS sind Winkelzüge und Unzukömmlichkeiten, welche von russischer Seite leicht verhindert werden könnten, wenn der erste Wille dazu vorhanden wäre. Aber die Sache soll immer so aus- chen, daß der Sultan eS sich zur höchsten Ehre schätzen muß, venu man ihm von russischer Seite irgendwelche Beachtung chenkt, obwohl er doch ganz genau weiß, daß alle Höflich keiten, die ihm von dieser Seite kommen, nicht als baare Münze angesehen werden dürfen, sondern als Vorbereitung auf spätere Auseinandersetzungen ernstester Art. Glücklicherweise findet Rußland an Asien einen Ableiter seiner allzu stark übersckäumenden Lebenskraft. Seiner Thätig- keit ist dort ein so reiches Feld eröffnet, daß eS für Jahr zehnte Arbeit genug giebt, welche Rußlands ganze Leistungs fähigkeit ausschließlich in Anspruch nehmen würde, wenn daS in der Absicht der Negierung läge. Es ist sogar nach Lage der Verhältnisse zu verwundern, daß Rnßjand mit England nun schon seit Jahren in Asien gute Nachbarschaft hält und daß in Afghanistan noch keine neue Umwälzung eingctrctcn ist. Es scheint danach, daß der europäische Theil Rußlands neuerdings als HauptopcrationSbasiS für spätere Actione» gewählt worden ist. Der Kräftcverbrauch ist in Europa so groß, daß in Asien kein hinreichender Ucbcrschuß für besondere Actionen zu Gebote steht. Die Rätselhaftigkeit der russischen Politik findet ibr natürliches Gegengewicht in den inneren Schwierigkeiten, welche in der neuesten Zeit wieder bedeutend zugenommen haben. DaS Streben, alle politischen »nd religliffen Unter schiede, welche in Rußland seit langer Zeit bestehen, zu be seitigen, bat Zustände sehr bedenklicher Art geschaffen. Die Unterdrückung des DeutschthumS und des Protestantismus in den Ostseeprovinzcn bat große Erbitterung erregt, ohne doch sein Ziel zu erreichen, die beiden Kräfte, deren Ausrottung in Angriff genvmnicn ist, erweisen sich weit lebensfähiger, als die Regierung wohl erwartet hatte, der Kampf droht zugleich den Quellen Gefahr, auS welchen Rußland bisher einen Theil seiner besten Lebenskraft geschöpft batte. Man vergißt in Rußland, was man den Teutschcn schuldet, daß sie stet« die besten Beamten und Officiere geliefert haben. DaS deutsche Wesen, wie eS sich in den Ostseeprovinzen erhalten hat, ist nicht so leicht anSzutilgen, wie man sich das Wohl an maß gebender Stelle gedacht hat. Jetzt ist auch Finnland der Russificirung anbeimgefallcn, und eS zeigt sich dort derselbe zähe Widerstand, welcher den gleichartigen Bestrebungen in Liv-, Esth- und Kurland ent gegengesetzt wird. Die Reckte, um deren Ausrechthaltung eS fick in Finnland handelt, lassen sich an Wichtigkeit nicht cut fernt mit denen vergleichen, welche in den Ostseeprovinzen unterdrückt werden sollen, denn in den baltische» Gebieten sind es lediglich ständische Verhältnisse, besondere Gerechtsame und historische Ueberlicferungcn, welche gegen daS einheitliche russische System vcrtbeidigt werden, und doch, mit welcher Kraft seht der Widerstand dagegen ein! Rußland bat im Innern so ungeheuer viel zu tbun, wenn cs der Schwierigkeiten Herr werden will, daß man kaum begreift, wie die auswärtige Politik eine so hervorragende Bedeutung bat gewinnen können. WaS hilft die fortwährende räumliche Ausbreitung des Reiches, wenn eines Tages der ganze Riesenbau in sich zusammcnfällt? * Leipzig, 10. October. * Der BundcSrath ist gestern wieder zu einer Plenar sitzung zusammengctreten. Die Tagesordnung war klein und die einzelnen Gegenstände von untergeordneter Bedeutung, so z. B. standen auf derselben die Biidung der Ausschüsse siir Zoll- und Steuerwcscn, Handel und Verkehr und die Besetzung einer MitglicdSstelle beim Reichsbank-Directorium. * Im Re ich Sa mt des Innern wird am 17. d. MtS. eine Conimission zur Beratbung der Vorschläge über daS Abkomme» wegen gegenseitigen Schutzes deS gewerblichen EigenthumS zusammentreten. * In dem von unS aus der „Nationalliberalcn Correspon- denz" mitgclkcilten Artikel über daS Jesuiten ge setz war nur der 1 desselben wicdcrgcgcben. Wir drucken eS des halb vollständig ab: 8- 1- Der Lrde» der Gesellschaft Jesu und die ihm verwandten Lrden und ordenSahnlichrn Congrcgalionen sind vom Gebiete des Deutschen Reiches ausgeschlossen. Die Errichtung von Niederlassungen
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