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Erscheint täglich früh 6'/, Uhr. Nrbmlloo «ich LrpebMsU .. ^chLuuisgass« 33. Lp^rchßinchk» der ürdarttou: Vonutttag« w—12 Uhr. ...Nachmittags 4—« Nyr. «nnadme d« für dir nüchst- wtgnrdc Rmnm« brstlmmtcn Jnsenuc an Wochentag«, vis st lthr Rachminogs. an Sonn- and Acsttagc» früh dis '/,S Uhr. z« »k« /tltale» fiir Z,s ->a««chuu: Otto NLcmrtl. Uaivcrfitätsstr. 22. VoUiS Lüschi.Aatyanllcnstr. 18.P. nur lss§ Uhr. KiWM Tageblatt Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichte, Handels- und Geschäftsverkehr. Arrfichgr 15,LL«. -bo»»«u»l,»cti« vinlels. a^ML, m«L «riaacrloh» 5 ML, dmch di« Post bezog«, « ML Jcr« einzeln« Nmunier 25 Pf. ' Vclegepemplar 1V Pf. GeöÜbrcn stk Lftradcilagen ohne Postbeförderung 3« » L mit Postbeförderung 45 ML Zofen* darsp. Petitzeil« 2V Pf. Arötze« Lchristr» laut unsere u, Prnüverzeichniß. — Tabellarischer Say nach höherem Tarif. Ltttax« »»ter dt« SedartloniKelch di« Spaltzeile io Pf. Anserat« sind stets an d. «epebitto, zu sende«. — Rabatt wird nicht grgede«. Zablung;>r^<,'oum«r»»«1o oder durch Pvslvvrschuß. «Ho 17. Donnerstag den 17. Januar 1878. 72. Holz-Auktion. Mittwoch, de« SO. Januar ». e. sollen von Bormittaas » Uhr im Forstreviere Connewitz auf dem Holjfchlage am Rödelwehre, Abtb. 33, 35 und 36 ca. 3 Raummeter eicbene Rutzschette, 166 Raummeter eicbene vrennschette, 100 starke «braumtzausen und 38 Haufen Tchlagreitzig (Lanabaufen) unter den an Ort und Stelle öffentlich ausgehangenen Bedingungen und der üblicben Anzahlung an den Meistbietenden verkauft werden. Zusammenkunft: am Rödelwehre unweit des Schleußiger Weges. Leipzig, am 14. Januar 1878. LeS Raths Aorst-reputattou Nutzholz-Auktion. Freitag, den 1. Februar ». c. sollen von Vormittags S Uhr an im Forstreviere Lannewttz auf bem Holzschlage am Rödel wehre, Abth. 33, 95 und 36 ca. 112 eicbene, 23 buchene, 96 rüsterne, IL eschene und 14 ellern« Rutzkl-tze, sawie BO eschene und rüsterne und 12 ellerne Schirrhölzer unter den an Ort und Stelle öffentlich ausgehangenen Bedingungen und der üblichen Anzahlung an den Meistbietenden verkauft werden. Zusammenkunft: am Rüdelwehre unweit des Schlmßiger WegeS. Leipzig, am 14. Januar 1878. Des Rath» Farft-Dehntatta». Gebäudeversteigcrung auf Abbruch. Die Lehr- und Wohngedäude des alten botanischen GartenSder hiesigen Universität und die an stoßenden Nebengebäude mit allem Zubehör, wie Alles liegt und stellt, sollen unter den im Universitäts- Rentamte zur Einsicht ausliegenden Bedingungen auf den Abbruch meistbietend versteigert werben. Reflectanten werden hiermit eingeladen, in dem hierzu auf Sonnabeub den 19. Januar h. I. vormittags 19 Uhr angesctzten Termine im UntocrsitätS-Rentamte (Paulinum) zu erscheinen und ihre Gebote abzugeben. Dte Auswahl unter den Licüanten und die Entschließung in der Sache überhauvt bleibt Vorbehalten. Die Gebäude können vor dem Tennine auf Anmeldcn beim Hausmann in Augenschein genommen werden. Leipzig, am 11. Januar 1878. Untderstthts-Reutsmt. Graf. Die Inhaber der als verloren, vernichtet oder sonst als abhanden gekommen angezeigten Pfandscheine Lit. Z. Nr. S33, 2200«, 23389, 45001, 45093, 46105, 49868, 49870, 49871, 56628, 57581, 62384, 62385, 62770, 64678, 65699, 69558, 69930, 75976, 77492, 80990, 83108. 83109, 83112, 84055, 84056, 84062, 84351, 85551, 98988, 89015, 89266, 89510, 89950, 95362, 97073, Lit. K. Nr. 266, 2534, 4088, 4301, 4309, 4652, 4968, 7257, 731«, 10209, 11357, 1I5I1, 12757, 13751, 23321, 23435 26447, 30157, 30831 werden hierdurch aufgesordert, sich damit unverzüglich^ und längstens bis zum Ablauf von 30 Tagen nach der auf jedem der Scheine be merkten Verfallzeit der Unterzeichneter Anstalt zu melden, um ihr Recht daran zu beweisen oder dieselben qeaen Belohnung zurückzugeben, widrigenfalls der Leihhaus-Ordnung gemäß den Anzeigern die Pfänder aus- qeiiesert und die Inhaber d« Scheine ihrer etwaigen Ansprüche darauf »«lustig gehen werden. Leipzig, 15. Januar 1878. Die verwalt«»« der LettzhanseS und der Spareasse. Logis-Vermiethuna. Im „Rathen Tallest»«", Ritterstraße Nr. 10. drei Treppen doch, ist ein LagtS, aus drei Stuben und drei Kammern sammt Zubehör bestehend, vom 1. April dieses Jahres an auf drei Jahre im Wege der Licitation anderweit zu vermiethcn. Dtiethliebhab« werden ersucht, in dem hierzu auf Mantag. de« 21. Januar dieses Jahres, varmtttass 11 Uhr angesctzten Termine im llnversitäts-Rentamte (Paulinum) zu erscheinen und ihre Gebote abzugeben. Die Auswahl unter den Licitanlen und die Entschließung in der Sache bleibt Vorbehalten. Leipzig, am 14. Januar 1878. UniaersitätS.Rentamt. Graf. Auction. Bon dem Unterzeichneten Rentamte sollen Montag be« S1. Januar 1878, vormittags 11 Uhr. 6 Stück alte Federdeckbetten, 3 Kopfkissen, 2 leinene Strohsäcke, 8 dergl. zu Keilkissen, I Commob« mit 3 Kasten, 2 cinthüriqe Kleiderscbränke, 2 Tische und 1 Waschtisch im Bordergcbäude bes alten botanischen Gartens (Halkonstraße 5) gegen sofortige Bezahlung öffontlich an den Meistbietenden versteigert werden. Leipzig, am 15. Januar 1876. Unidersttäts-Reutamt. Graf. Leipzig, 16. Januar. Großes Aufsehen erregt ein Artikel der „Kieler Ltg.", der allgemein—auch von fortschrittlicher Seite — -ent Abg. Hänel, einem der hervorragendsten Wortführer der Fortschritt-Partei, gutgeschrieben wird. Dieser Artikel, der die Varziner Verhaud« ln«gen «Ld -ns stNfffWndigie Hmansstoigen -er nntronEberalen Partei in die Regierung freund lich und aufmuntcrnd begrüßt, sticht ebensosehr durch diesen seinen Inhalt wie durch seinen ge- messenen, fast staatsmännischen Ton vortheilhaft »b gegen die demaaogenhafte Stoßtaktik, in der "ch ein anderer fortschrittlicher Hauptsprecher, der AHz Eugen Richter, gefällt und gegen die bramar- pasircnden Gebässis^citen, mit denen dieser Wortheld naßh wie vor die Reichsregierung und die National- liberalen überschüttet. Der Hänel'sche Artikel, dessen Inhalt wir bereits gestern Wiedergaben, setzt den Beweis fort, den kurz vorher das Auftreten eines Ge sinnung-verwandten, des alten Fortschrittsmanncs Or. Stein in Breslau, zu liefern begonnen, den Beweis für die Thatsache. daß die Fortschrittsleute in der Provinz nicht gesonnen sind, der Führung Richter'- und seiner Berliner College« durch Dia und Dünn zu folaen. Die Berliner Fortschritts partei und ihre Presse, die doch wahrlich nach den letzten socialistischen Wahlerfolgen Bescheidenheit gelernt haben sollten, nehmen die Backen noch immer voll und geberden sich — vielleicht weil sie von dem Gefühl ihrer eigenen Nichtigkeit durch drungen sind — als Lollmachtträaer der gesammten Kortschmttspartei im Lande. Wie schmerzlich für sie. wenigste sich nun sagen lassen müssen, daß sie hierzu dmtchavS kein Recht haben, daß sie ohne Mandat find? Der Gegensatz zwischen Berliner und provinzialer Fortschritt-Partei, der in der Thal besteht und soeben wieder hervorbricht, wird und muß immer schärfer herau-treten, je mehr die Richter und Genossen in ihrer terroristischen Agi tation fortschreiten. Ein«, Hauptzielpunct dieser Agitation bildet die Person de- Reichskanzler-, deyen Bekämpfung eben so sehr ein Dogma im Richter'schen Katechismus, wie in dem der Social demokraten ist. Tchr treffend hebt diesen Unterschei- dungwnnct zwischen den streitsüchtigen Berliner Wortfithrern und dem bedächtigen Fortschritts««»» in der Provinz die „Weser-Htg." hervor. „Um es kurz zu sagen: das Fortschrittlerthu« in den Provinzen ist zwar in wesentlichen politischen Fra gen kaum besonder» weniger oppositionslustig und -vielköpfig, als die Wortführer in Berlin, aber die Elemente, au- denen es sich zusammensetzt, sind durchgehend- patriotischer, wärmer empfindend als dre «^vjg nörgelnden, von ihrer eigenen Ge dankenblässe angekränkelten politischen Incroyable- der Reich-Hauptstadt. Der Fortschrittsmann in der Provinz räsmmlrt zwar unter Umständen nicht weniger als der mißvergnügte Berliner Parteigenosse über die Regierung, die scMeppenträgerifchen Na- nonalliberalen. er reitet nicht minder pasfionirt auf den bekannten Steckenpferden der fortschritt liche» Kritik der Staatskunst herum, es gtebt aber einen Punct, wo der Provinziale anfängt uuar- »üthlich zu werden, wenn sein Berliner Meister ihn allzuweit vortreiben will. Dieser Punct liegt da, «o hämische Angriffe auf den Fürsten BiSmarck eintreten. Die Person des Kanzlers ist durch schnittlich auch für den stürmischsten Steuer- oder Lonstwasreformer beinahe ebenso unverletzlich, wie die Person des Landesherrn selbst. Der Reichs kanzler schwebt den Leuten als Hort der neuen Größe des deutschen Reiches in imposanter Höhe über dem inneren Parteigetriebe vor, der Schöpfer der neuen Machtstellung Deutschland- ist ihnen unzertrennlich von seinem Werke, und weil sie aus dieses stolz sind, deshalb sind sie auch stolz auf ihn, der aller Welt imponirt, der dem deutschen Namen im Auslande Respect verschafft hat."—Dieser Unterschied tritt denn auch jetzt wieder hervor. Während Herr Richter bei seö,e« ffftGsten GcMpiel i» vreßlgn nicht Übel Lust hatte, de» große« Ban« über! die liberalen au-zusprechen für den Fall, daß sie wirk lich ein Pacr mit BiSmarck eingehen sollten, be grüßt sein Parteigenosse Hänel die Annäherung Beider, den Entschluß Bismarck'-, die Regierung aus dem Parlament herau-zu erneuern, die Emporhebung der bisher nur unterstützenden nationalliberaleu Parte, zur tatsächlich leitenden und herrschenden als einen Fortschritt auf der Bahn constitutione!!« Ent- wicke ung; er wünscht dem Versuche, der jetzt in dieser Richtung gemacht wird, Glück und läßt durch- blicken, daß dre Fortschrittspartei, ohne ihre prin- cipielle Stellung aufzugcben, gern in Kühlung zu dieser neuen parlamentarischen Regierung treten würde. Damit ist das Eis gebrochen; denn eS ist wohl anzunehmen, daß ein Mann wie Hänel es bei dieser anonymen Anregung nicht bewenden lassen, sondern seinen Standpunct offen in der Fraktion vertreten und später im Reichstage be- thätigen wird. Im fortschrittlichen Laaer mag der bedeutsame Artikel zunächst ganz verblüffend, wie eine plötzlich hereinschlagende Bombe, gewirkt haben. Die Blätter der Partei zögern meist noch mit seiner Besprechung. Die Berliner „Bolksztg." ist so ehrlich, den Artikel ausführlich abzudrucken, thut dies aber ohne weitere Bemerkung: die „Bürgerztg." aiebt einige Stücke auS dem Artikel, indem sie auf die anschemende Autorschaft de- Prof. Hänel hinweist. Die „Boss. Ztg." begleitet den Abdruck de- Artikels mit fol genden Worten: Ueder die Stellung der deutschen Fortschrittspartei zu den Varziner Verhandlungen äußert sich die „Kieler Heilung" oder vielmehr, wie leicht ersichtlich, durch dieselbe einer der hervorragendsten Abgeordneten der Partei, in einen» Artikel, dem auch Gegner die Anerkennung nicht versagen werde«, daß er in der maßvollsten Form bestrebt ist, Mißverständnisse und Mißhellykeiten »wischen den beiden liberalen Frac- tionen auszugleichen und doch den eigenen Standpunkt der Fortschrittspartei klar erkennbar zu bezeichnen. In der nationalliberalen Presse findet der Artikel volle- Verständniß und dankbare Anerkennung; so in dem Herrn v. Bennigsen nahestehenden .Haunov. Courier", welcher schreibt: Dieser Artikel bekräftigt ebenso, wie vorher schon daS Auftreten de- vr. Stein in Breslau, unsere wiederholt geäußerte Ansicht: auS der Fortschritts partei selbst werde Widerspruch erhoben werden gegen die Art, wie Herr Richter die derzeitig« Lage unserer inneren Politik zu verwerthen unternahm, indem er sich lediglich, verr ittelft einer leicht zu durchschauenden Finte, Vorwände für neu« Angriff« aus die national- liberale Partei »urecht machte. Der Standpunct. welchen die ,Mel. Htg." bqeichnet, ist der natürliche für jede „äußerste Linke" in einem Augenblicke, in welchem es scheint, alS würden di« Führer der ge- mäßiaten Linken zur Teilnahme an der Regierung berufen werden: nämlich, durch Unterstützung und durch Opposition, je nachdem, darauf hinzuwirken, daß die Ansichten, in denen beide Parteien überein stimmen, zur möglichsten Durchführung in der Gesetz gebung gelangen. Die „Nat.-Zta." endlich bemerkt: Wie weit die Unterstellung berechtigt ist, daß der Aba. Hänel Verfass« Kn«» Artikel- ist, vermögen wir nicht zu beurtheile«. Daß Herr Hänel nach sein« ganzen Vorgeschichte und der positiven Ra'ur sein« Richtung mit dem radikal-agitatorischen Charakter innerlich nicht shmpathifiren kann, den daS Auf treten der Fortschrittspartei immer mehr gewonnen hat, ist klar. Weniger sicher sind wir darin, ob es Herrn Hänel gelingen wird, diese- Zuges Meister zu werden, der bereit- allzu mächtig gewor den ist, als daß ein vereinzelt« Widerstand viel Aussicht hätte, ihn zurückzudämmen. Dies« Wider- »»spricht und aus w^che der Schlußsatz Artikels der „Kieler Zeitung" von der „Einigkeit der Fortschrittspartei" keineswegs vorbereiten kann. Wir warten eben daS^Weitere ab. Herr Liebknecht darf mit Stolz auf seine neue sten agitatorischen Streiche bkicken. Er hat in seiner Bekämpfung der deutschen Orientpo litik einen ihm selbst gewiß sehr unerwarteten Bundesgenossen gefunden in einem der größten deutschen Blätter, der Augsburger „Allgemeinen Zeitung". Wir lesen Üb« dieses Thema in der „Nationall. Corresp.": Die Aussichten mehren sich, daß der Krieg auf der Balkanhalbinsel in nicht mehr fern« Zeit zu einem befriedigenden Abschlüsse ge langen werde. Sind die von Rußland ausgestellten Friedensbedingungen, wie sie von einem Wiener officiösen Blatte angegeben werden, authentisch, so wird jcher unbefangene Beurtheiler annkcnnen, daß der Sieg« nicht daran denkt, mit seinen Er folgen Mißbrauch zu treiben. Inmitten dieser augenblicklichen Lage muß es auf- Höchste be fremden, wenn ein großes und geachtete» Organ der deutschest Presse, die Augsburg« „Allgemeine Zeitung", sich m einem Rückblicke auf die Stellung Deutschlands zur orientalischen Krage im ver gangenen Jahre u. A. zu folgender Anklage »er ste,gt : „Deutschland hat doch einen Reichstag, ein parlamentarisches Organ der Ration. Dies« Reichstag brauchte nicht besonders berufen zu werden, als die orientalische Krisis ihren Höhepunkt auf diplomatischem Gebiet erreichte. Er war seit dem Februar und noch am Tage der russischen Kriegserklärung und der Eröffnung d« Feindselig keiten versammelt. Erst am 3. Mai wurde die Session geschlossen. Keine- Abgeordneten Stimme ist laut geworden, sich in dem entscheidenden Moment nach Deutschlands Recht und Pflicht zu erkundigen; keine Stii» w e wagte es, den Ausspruch der Thron rede: die Händel im Orient berührten Deutschland nicht, ein« Prüfung zu unterziehen. Wahrend Lord Derby, Herr Northcote, Herr Bourke im englischen Ober- und Unterhause alle Hände voll zu thu« hatten, täglich, oft wehr als einmal, int«, pellirt wurden, befliß sich der deutsche Reichstag, das Ideal ganz« Generationen, ein« Abstinenz, die ebensosehr vom unbedingten Vertrauen wie von politischer Indolenz und Unkünde zeugte. Die „anar chischen Bestrebungen" im Innern des deutschen Reichs körpers erschienen dem deutschen Parlament jedenfalls ungleich wichtig«, als die „anarchischen Bestrebungen" in der Gesammtwelt Europas." Diese Haltung des Reichstags, wird noch als Trumpf hinzugefügt, sei in Wabrbeit ein« „Abdankung" gleichgekommen. — Würde eine derartige Anklage «hoben von einem notorisch reich-feindlichen Blatte, so möchte sie keiner weiteren Beachtung Werth sein; allein, die Augs burg« „Allg. Ztg." trägt seit dem Jahre 1870, obwohl sie vorsichtigerweise ihre Spalten auch ehe maligen ausgesprochen ultramontanen Mitarbeitern noch offen hält, ein reichsfreundliches Gesicht, und sie ist we,tbin im Ausland« noch heute das vorzugsweise gelesene deutsche Blatt. Darum sollte das obige UrtheU üb« die Vertretung des deutschen Volkes in der wahrhaft patriotischen Presse nicht ohne entschiedenen Widerspruch bleiben. Weiß der Verfasser de- Artikels der „Alla. Ztg." denn gar Nichts von der Rede, in welch« Fürst Bismarck in der Reichs tagssitzuna vom 5. December 1876 Deutschlands Orientpoutik mit dem ihm eigenen Freimuth ge zeichnet hat? In dies« Rede waren die voraus sichtlichen Möglichkeiten dermaßen «schöpfend de- handelt - worden, daß der Kanzler, wenn « nicht die Einzelheiten der diplomatische» Berhanvlmmen ans Licht ziehen wollt« — und das würde smbst die ,,Allg. Ztg." doch kaum „«langen —. «och heutigen Tages im Grunde kaum mehr sagen könnte. Nun wohl, der Reichstag hatte die Dar legungen vom 5. December mit Hrifall entgegen- genommen, und in der alsbald darauf folgerten Wahlbewegung war auch nicht eine Spnrhervor- getreten, daß die Nation in ihr« großen Mehrheit mit dieser Haltung in der orientalischen Krage un zufrieden wäre. Was hätte also eine abermalige Besprechung der Angelegenheit in den ersten Monaten des Jahre- 1877 nützen können? Selbst nachdem die russische Kriegserklärung bereits erfolgt war, hätte Fürst Bismarck doch nur den letzten Theil sein« Rede vom 5. De cember 1876 wiederholen können. Nicht einmal die Ultramontanen hielten es für ersprießlich, in solch« Weise leeres Stroh zu dreschen. Mit welchem Rechte erkühnt sich da der Chronist der „Allq. Ztg ", den deutschen Reichstag der Indolen», der Ilrckennt- niß, ja der Pflichtverletzung anzuNaacn? Man mag e» seiner Verblendung zu Gute halten, wenn « meint, „daß die Mehrheit de- deutschen Volkes heute positiv nickt ans russischer Seite steht, viel mehr mit dem tiefste» Mtßtraneu dem Abschluß de- Krieges entgeaenblickt." Man würde es chm auch nicht wehren könne», wenn « Arm in Arm mit Herrn Jörg und den Socialdemokraten den dem nächst zusammentretende» Reichstag «ufforderte, nun mehr eine gründsätzlich veränderte Politik gegenüb« Rußland zu »«langen. Ab« demselben aus seinem bisherigen Vertrauen zu d« Politik des Reichskanz ler« ein Verbrechen zu machen, ist angesichts all« irgendwie maßgebenden Kundgebungen der öffent lichen Meinung, welche seinerzeit der Programm- artigen Red« de- Fürsten Bismarck gefolgt find, einfach eine Lächerlichteit. Die große Mehrheit des Reichstags hat die« Vertrauen gehest, weil sie von der Ueberzeugung ausgmg. daß die Reichsregiernng Rußlands Vorgehen nur insoweit billigen «erde, als cs sich in den Grenzen des ursprünglichen Planes halte: wirksame Garantien für eine bessere Lage der christlichen Völkerschaften der valkanhalbinsel zu «lange». Und für diesen Plan einzutreten, hat das deutsche Volk als eine Ehrenpflicht des Reiches betrachtet und wird es als solche betrachte», wie laut auch blind- wüthcnde Türkenfreunde dagegen eifern mögen. — Wir begreifen, »venn die Socialdemokratr« das Ansehen des Reichstags auf jede mögliche Weise zu untergraben beflissen ,st. ES scheint, d»e „Allg. Ztg." besitzt mit diesen Tendenzen eine gewisse Wahlver wandtschaft; der Hohn üb« die Aufmerksamkeit, welche der Reichstag de» anarchischen Bestrebungen im Innern des deutschen Rcichskörpers znweabet, kann diese Ansicht nur bestätigen. Möge sie dann wenigstens den Muth Hab«, mit der soeben von der Socialvemokratie unternommenen Agitation gegen die Orientpolitik des Reichs offen gemeinsame Sache zu machen; man wird alsdann endlich doll und ganz wissen, woran man mit ihr ist.