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Erscheint täglich früh 6'/, Uhr. krdattiaa und Lrprdltlim JvhanniSgasse 33. ppr«hß»-r» irr Ürdarcko«: DormNtogs 10—12 Uhr. Nachmittags 4—8 Uhr. Annahme der für die näclfft- loloende Nummer besttmmica )>ocrate an Wochentagen Via 3 Uhr Nachmittags, an Lonn- »nd Festtagen früh vis '/«'<> Uhr. Z» sei/lliatrn fiir Zas. Xanahmr: t Ott« Klemm. Uuwersitätsftr. 22. Lauts Lösche, Aathannenftr. 18, p. nur bis '/«3 Uhr. UchMr „Tageblatt Anzeiger. LMN für Politik, Localzcschichtc, Handels- und Geschäftsverkehr. 15.SL«. Ll>ou»rmknl»»ktl» vitttelj.4^/,M^ incl. Bnngerlohn 5 Mt.» durch die Post bezogen 8 Mt. . Jede einzelne Nummer 25 Pf. Belegexemplar 10 Pf. (Gebühren für Extrabeilagen ohne Postbefördcrung 36 Mt. mit Postdesörderung 45 Mk. Zuleralc 5qesp. Prtitzeile 20 Pf. Ärbtzerr Lchnffen laut unserem PreiSverzeichniß. — Tabellarischer Latz nach höherem Tarif. Ueclameu mrler dem llrdactt«o»jlrtch die Spaltzrile 40 Pf. Inserat« find stets an d. Srpcdttlo, zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung pr-ce-nimei-Luclo oder durch Postvorschuß. i 3. Mittwoch den 9. Januar 1878. 72. Hergang. Plenarsitzung der Handelskammer Sonnabend den 12. Januar d. I. Abends « Uhr in deren TttzungSsaale. Reumartl 19, I. Tagesordnung: 1) Registrande. . . L) Bericht des Ausschusses für Zoll- und Steuerfragen über die Vorlage des königl. Hauptzollamtcs, den Antrag von Lübeck auf Herabsetzung der An- und Abschreibungs-Kriterien im Voltten- Verkehr betreffend. 3) Bericht des Ausschusses kür Bank-, Münz- und Börsenwesen über die Aeußerung des Börsen- Vorstandcs, die Berechnung der Maklergebühr betreffend. -» 4) Bericht des Perkchrsausscbussc-s über den Antrag des Herrn Grüner, die verzögerte Zoll abfertigung der mit der Magdeburg-Halberftädtcr Bahn eingehenden Güter betreffend. 5) Bericht des Finanzausschusses über .i Verwaltung des Bccker'schcn Bermächtniffes; l». Pos. 10 des Haushaltplanes für 1877/78 (Mitgliedschaft bei dem Volkswitthschaftlichen Congresse und dem Vereine für Socialpolitik). Bekanntmachung. Zum Löschen des Staubes auf öffentlichen Straßen und Plätzen sollen 6 Stück einspännig zu fahrende vierräderige Wafferwagen mit eisernen Cylindern und Sprengvorricbtung angcschafft und die Anlieferung derselben im Wege der Submission an den Mindefffordcrnden vergeben werden. Hieraus Reslectirende wollen ihre Offerten bis zuin 30. d. M. Abends 6 Uhr versiegelt auf der Expe dition der städtischen Oekonomie-Jnspection niederlegen, wo auch die weiteren Bestimmungen eingeschen werden können. Leipzig, den 8. Januar 1878. Die Straßenbau-Deputation. Bekanntmachung. Nach den Messungen des Herrn Geh. Natl, Prof. vr. Kolbe schwankte die Leuchtkraft des städtisn-en Leuchtgases im Monat December v. I. vom 13'/^- bis zum Ikfachen von der Leuchtkraft der Normalwachskerze. Leipzig, den 8. Januar 1878. DeS NathS Deputation zur Gasanstalt. Leipzig, 8. Januar. Heute, Dienstag, tritt in Berlin das Abgeord netenhaus wieder zusammen, und dadurch ist auch die Rückkehr des Herrn v. Bennigsen und der übrigen national-liberalen Parteiführer nach Berlin geboten. Mit natürlicher Spannung sieht man den nun bevorstehenden Besprechungen entgegen, von denen wir eine weitere Klärung der Kanzlerkrisis erwarten dürfen. Dem flüchtigen und vertraulichen Berichte, welchen Herr von Bennigsen bei seiner neulichen Durchreise über seinen Besuch in Varzin erstattete, sollen nur die Herren Laskcr, von Forckenbeck und von Stausfenberg angewohnt haben, die trotz ihrer hervorragenden Stellung in der Partei doch im Namen derselben keine bindenden Zusicherungen über die in Rede stehenden politi schen Fragen abgcben konnten. Man glaubt jetzt einer ausgedehnteren Parteibesprechung national liberaler Vertrauensmänner entgegensehen zu dür fen. — Daß die Behandlungen, die in Varzin angesponnen worden, ihren Fortgang nehmen, bestätigt jetzt auch die sonst in diesem Puncte sehr verschlossene „Nat.-Ztg.", indem sie erklärt: „Es würde eine absolute Täuschung sein, aus dem Mangel an glaubwürdigen Nachrichten über den Fortgang der zU Varzin angekuüpften Verhand lungen auf deren Stockung oder gar deren Scheitern zu schließen. Da es sich aber um Angelegenheiter bandelt, die schwerer gu erledigen sind als d Anfertigung einer Ministerliste, so ist dabei nur ein schrittweises Fortrücken zu denken." — slrck Leser wissen aus früheren Erörterungen daß die Kanzlerkrisis nicht nur wichtig-' ^ und Personensragen v ^ Lösung es sich Verbindung zwischen .. gicrung, zwischen Regierung und sondern daß dabei auch die schwierige und heikle Frage der Steuerreform eine wesentliche Rolle spiell. Es ist sehr sonderbar, aber dennoch wahr, saß das deutsche Reich trotz aller seiner Größe und Herrlichkeit finanziell nicht auf eigenen Füßen steht; es bestreitet seinen Bedarf großentheils aus Beiträgen -sogenannten Matricularbeiträgen), die ihm auf dein Umwege durch die Finanzcassen der Einzel- , staaten zuflwßen. Ist aber schon die Zukunft des einzelnen Mannes unsicher, wenn er der finanziellen Selbstständigkeit entbehrt, — um wie viel mehr ist das bei einem großen Staate der Fall? Diesem Uebelstande soll abgeholfen werden. Der „Hannover sche Courier" (der bekanntlich Herrn v. Bennigsen nahe steht) sagt darüber: „Wie der Kanzler überhaupt die Befestigung des Reiches, das er gegründet, als seine Lebensaufgabe betrachtet, so auch in Bezug aus die Finanzen desselben; er will dem Zustande ein Ende machen, daß das Reich iür die Deckung seiner Ausgaben nur rum Theil eigene Einnahmen besitzt, zum anderen Theil dafür auf Bei trüge der Einzelstaaten angewiesen ist' als einem Staatsmanns, der nicht blos den Augenblick, sondern die Zukunft bedenkt, wird ihm die Möglichkeit vor- schweben, daß Zeiten des Krieges oder anderer Gefahr eintreten können, in denen die Matricularbeiträge so sehr in die Höhe geschraubt werden müßten, daß sie ein schneidiges Agttationsmittel aller particulariftischen Parteien abgeben könnten; und er wird andererseits erwägen, daß das Reich, wäre es durch ergiebige eigene Einnahmen finanziell selbstständig, durch nütz liche, den Volksbaushalt fördernde Verwendungen die Anhänglichkeit aller Elasten an den jungen nationalen Staat stärken und verliefen könnte." Wo sind nun die Einnahmequellen für das Reich zu suchen? An die Einführung dirccter Reichs steuern ist jetzt nicht zu denken, da die direkten Ab- > gaben ohnehin fast in allen deutschen Staaten eine schwer erträgliche Höhe erreicht haben. So kommt man denn von selbst auf den Ausweg der indirekten Steuer, der Verbrauchssteuer, die nur Denjenigen trifft, der von dem zu besteuernden Gegenstände Gebrauch macht, Denjenigen aber, der Das nicht lhut. freiläßt, während sie Anderen wieder die Füglichkeit einer größeren oder geringeren Steuer erleichterung giebt je nach dem Grade deS Ge brauchs, den er von dem betreffenden Gegenstände macht. Von diesem Gesichtspunkte ausgehend, bat man als ein ergiebiges Steucrobjcct den Tabak in Aussicht genommen. Auch der „Hanno versche Courier" bezeichnet alß diejenige Steuer, an welche nach den vielen biSker gemachten, liberallhi^ tastenden fruchtlosen Versuchen in erster Reihe zu denken sei, wenn cs sich um eine durchgreifende Steuerreform handelt, die Tabaks- stcuer (wohlgemerkt die Tabaks st euer, nicht das Tabaks mono pol, dessen Zweischneidigkcit und Un popularität wir erst neulich besprachen). Daß indirekte Steuern, die der Regierung zufließen, ohne daß es der Bewilligung durch das Parlament be darf, vom konstitutionellen Standpunkte aus nicht unbedenklich sind, unterliegt keinem Zweifel. Eine Regierung, die sich in Betreff der Einnahmen unabhängig von dem Votum des Parlaments weiß, wird in Bezug auf die Verwendung derselben, wie in ihrer Verwaltung überhaupt leichter zu Will- kürlichkeitcn geneigt sein, als eine solche, die ihre Gelder aus den Händen des Parlaments empfängt. Es ist klar, daß dies einer der Puncte ist, in welchem die Liberalen nur schwer eine Einigung mit dem Reichskanzler finden, daß sie dem Projekte nur dann rustimmen können, wenn ihre konstitu tionellen Bedenken durch hinlängliche Bürgschaften gegen den Mißbrauch der der Regierung einzu räumenden Befugnisse beseitigt werden. Auch in Varzin ist man diesem Puncte näher getreten, und der „Hann. Cw-r." deutet neben den Schwierig keiten, auf d ,an gestoßen, auch den Weg an, auf dem "" n beizukomwen sucht: ^ zu er' nenbea Geld- Nlcbt vernutzen, sondern über das momentane -geben, auch über das Preußen im Gefolge des der Höbe eintreten muß; daß in Preußen und an- . gesetzlichen Einnahmen ung erhoben werden, in Matricularbeiträgen dem wurden abverlangt werden, als c Ausgaben -erforderlich sind. Hier- ...gitutionelle Gewähr zu schaffen, darauf u >1 es an; der Zusammenhang zwischen der Re gierungs; resp. Kanzlerkr "s und der Fmanzfrage ist dieser: die parlamentarische Mehrheit muß in die Lage gebracht werden, ohne konstitutionelle Bedenken an der Vollendung eines ausreichenden Reichssinanzspstems Mitwirken zu können; für das Ergreifen der Maß regeln, welche dazu im Einzelstaat nothwendig sein werden, muß sie eine Gewähr in den Personen er halten. Gegen die konstitutionellen Bedenken würde das vermuthete Regierungsprogramm Folgendes als Gegen gewicht bieten können: Zunächst den nationalen Gewinn^ das Reich finan ziell zu befestigen; ferner den politischen, constitutio nellen Fortschritt, daß das preußische Abgeordneten Haus zur Beseitigung der oben berührten konstitutionellen Schwierigkeit das Recht erhielte, künftig die — jetzt feststehende — Elasten- und Einkommensteuer alljähr lich nur in dem nothwendigen Betrage zu bewilligen, so daß in besseren Zeiten, wenn die Einnahmen im Allgemeinen wieder steigen, vielleicht so viel an direkten Steuern erlassen werden kann, wie jetzt an indirekten mehr erhoben würde; endlich den materiellen Pottheil, daß, wenn eine auSgiebige Tabaksbesteuerung alsbald Ueberschüsse erzielt — was kehr Wohl möglich ist — die untersten Stufen der Claffenfteuer wegfallen und ein Theil der Grund- und Gebäudesteuer den Ge meinden übertragen, die Communalsteuern also herab gesetzt werden können; und zu alledem die Befriedi gung für den Culturfottschritt der Nation so wichtiger Gcldbedürfnisse, wie die, welche in Preußen durch das neue Unterrichtsgesetz, durch die beabsichtigte Hebung der Schule, andererseits durch die vielfach verlangte Verbesserung der Verkehrsmittel entstehen müssen. Der beachtenswertbe Artikel schließt mit der Be merkung: „Wir denken, daS wäre ein Finanzpro- aramm, mit welchem Fürst Bismarck und die Liberalen wohl in einiger Zuversicht vor das Land treten könnten." Tagesgeschichtliche llebersicht. Lech,iS. 8. Januar. Fürst Bismarck hat in Folge seiner Erkältung mehrere Tage das Bett hüten müssen und ist aucl augenblicklich noch nicht völlig wieder hcrgestellt. vr. Struck, der sich in Varzin aufgehaltcn hat wird jetzt in Berlin zurückerwartct. In der letzten Plenarsitzung des Bundcs- ratheS brachte der Vorsitzende die Gesetz-Entwürfe wegen Abänderung der Gewerbe-Ordnung und wegen der Geiverbegerichte, sowie Vorlagen, be treffend die Evidenthaltung der Personenstands- Register ein. Auch wurde der Geschäftsbericht deS Bundesamts für das Heimathwesen für das Jahr vom 1. December 1876 bis dahin >877 mitgetheilt. Ein Antrag Württembergs, betreffend die Zulassung von Abweichungen von den Bestimmungen des Eisenbahnpolizei-Reglements, ein Antrag Badens, xstreffeud den Gesetzentwurf über den Spiel- ärtenstempel, sowie ein Antrag, betreffend den Abschluß eines, Uebereinkvmmens mit der Schweiz wegen Gestattung des unmittelbaren Geschäftsver kehrs zwischen den beiderseitigen Gerichtsbehörden wurde den betreffenden Ausschüssen überwiesen. Hierauf erfolgte Abstimmung über den Entwurf einer Rechtsanwalts-Ordnung. Derselbe wurde angenommen. Sodann wurde über die Sicherung der Zollgrenze gegen die ausgeschlossenen Bremischen Gebietstheile und einige andere Zollverwaltungs- Angelegenheiten Beschluß gefaßt. Wie anS Breslau gemeldet wird, ist Graf August v. Maltzan, Ober - Erbkämmerer in Schlesien, freier Standesherr auf Militsch, erbliches Mitglied des Herrenhauses, am 7. Januar plötzlich gestorben. Die Herren Eugen Richter. Parisi us und Genossen pflegen sich zu gcberden, als ob sie das alleinseligmachende Dogma der Fortschrittspartei gepachtet hätten. Und doch giebt es noch zahlreiche fortschrittliche Elemente, die mit der nörgelnden und verbissenen Opposition jener Herren Nichts zu schaffen haben wollen. So sagt eines der hervor ragendsten fortschrittlichen Preßorgane, die „Bres lauer Zeitung", mit Bezug auf eine Schrift des Abg. ParisiuS über die Kanzlerkrisis, „Fast kommt es uns so vor, als erachte es der Verfasser als eine Aufgabe der Fortschrittspartei, die Stellung des Reichskanzlers zu erschüttern oder ihn wohl gar auS derselben zü verdrängen. Gewiß hat der Ver fasser mit seiner Behauptung Recht, daß auch Fürst Bismarck nicht unersetzlich ist, aber abgesehen davon, was dieser Staatsmann gewirkt und geschaffen hat, braucht man nur einen oberflächlichen Blick auf die europäische Conftellation zu werfen, um niit uns zu der Ueberzcugung zu gelangen, daß in diesem Augenblick der Rücktritt Bismarck's geradezu ein nationales Unglück wäre, gleichviel ob dieses Ercigniß einträte inFolgedersogenannten „Friktionen" bei Hofe oder, was wir allerdings für das Unwahrscheinlichste halten, in Folge politischer Nörgeleien und Mäkeleien aus der Mitte des Parlaments. Wir halten diese letzteren besonders für einen politischen Fehler, den wir am liebsten den Ultramontanen überlassen, die ja das Geschäft auch recht gut besorgen. Hierin, scheint uns, liegt die Hauptdifferenz zwischen der — nun sagen wir — schlesischen oder Breslauer Fortschrittspartei und der Berliner." Und weiterhin heißt es: „Also fort niit diesen Plänkeleien gegen den Reichskanzler; sie haben der Fortschrittspartei mehr als alle- Andere geschadet und tragen vorzugsweise die Schuld, daß die Partei die Fühlung mit dem Volke znm Theil verloren hat." Selbst verständlich verlangt die „Bresl. Ztg." nicht, daß die Fortschrittspartei einen „Bismarck mit reactionairen Plänen" unterstützen solle. „Jedoch", fährt sie fort, „direkte oder indirekte Steuern, natürlich diese und jene niit Auswahl, Reichs- und StaatSeisenbahnen oder Privateisenbahnen u. s. w., das sind nach unserer Ansicht doch nicht die politischen Partei-Gegensätze, um welche ein Mann wie Bismarck gestürzt werden müßte. Wir kennen sehr rcactionaire Männer, die für die direkten Steuern schwärmen, und wir kennen umgekehrt entschiedene Demokraten, welche indirekte Steuern für besser halten; ja wir haben es in der Breslauer Stadtverordneten-Versamm lung erlebt, daß. als es sich um die Beibehaltung der Schlachtstener handelte, so ziemlich die ganze Fortschrittspartei dafür stimmte. Es yat mit der Mahl- und Schlachtsteuer überhaupt seine eigen- thllmliche Bewandtniß. Ganz so verhält es sich mit den Reichseisenbahnen; sie haben innerhalb der Fortschrittspartei ihre Gegner und Verthcidiger ganz sowie die Privateisenbahnen. Wir haben aus BiS- mark's eigenem Mundeii» Reichstag gehört, daß er ge lernt habe und noch zu lernen bereit sei; gut, man be lehre ihn, wenn er wirklich mit verderblichen Plänen umgebt. Aber zum Partei-Schiboleth sind diese Fragen nicht zu machen." — Eine gründlichere Verurtbeilung des Parisius'schcn Programms ist kaum denkbar. Herr Eugen Richter hat soeben die Provinz Schlesien bereist. Seine dortigen Freunde werden ihm keinen Zweifel dc»"über gelassen haben, daß für eine leichtfertige Oppositionspolitik im Volke kein Boden ist. Wir sind gespannt daraus, welche Wirkung diese Erfahrungen auf die dem- nächstigc Haltung der parlamentarischen Fraktion der Fortschrittspartei haben werde. Wie aus dem „Vorwärts" zu ersehen, beabsich tigen die Socialdemokraten das durch den Tod des Abg. Hauömann erledigte Reichstaas- mandat des Wahlkreises Lippe-Detmold für sich zu erobern. Die Lippe'schc Bevölkerung ist be kanntlich durch ein langjähriges verfassungswidriges Regiment in eine oppositionelle Stimmung hinein- aetrieben worden. Schwerlich ist eS aber dieser ^instand, auf welchen die Socialdemokraten ihre Hoffnungen bauen; denn auch dem radikalsten lippe- schen Bürger wird es nicht einsallen, die parla mentarische Gefolgschaft der Herren Bebel und Liebknecht vermehren zu wollen. Der Plan ist viel mehr auf eine sociale Eiaenthümlichkeit Lippe'S be rechnet. DaS fast ausschließlich Ackerbau treibende Ländchen besitzt nämlich ein zahlreiches Proletariat, welches weithin in Nordwest-Deutschland als Ziegel-' brenncr Arbeit sucht, dabei jedoch in der allen Heimath stets seinen Wohnsitz behält. Es scheint, daß diese Elemente auf ihren Wanderungen von den socialiftischen Agitatoren eifrig bearbeitet wer den. Die Gefahr eines socialdemokratischen Wahl es dürfte jedoch kaum ernsthaft zu nehmen fern, die Zersetzung innerhalb der bayerischen Patrioten Partei schreitet rasch vorwärts. Der Hader, welcher in Betreff deS Gesetzentwurfs zur Errichtung eines Verwaltungsgerichtshofes zwischen Denjenigen, die denselben zu Stande kommen lassen und Denjenigen, die ihn verwerfen wollten, ent brannt war, wurde von den Bethciligten selbst so lange nur irgend möglich vertuscht; jetzt ist er aber, nachdem unmittelbar vor der Weihnachtsvertagnng der Abgeordnetenkammer noch einnial die extreme Strömung die Oberhand erhalten hatte, vor allein Volk in Hellen Flammen auSgebrochen. Der Aus- schußreferent über den Gesetzentwurf. Abg. Hauck, der bekanntlich aufs Eifrigste auf ein Compromiß hingewirkt hat, erklärt in einer Zuschrift an seine Wähler gradezu die Spaltung der patriotischen Partei für unvermeidlich. Andererseits ist der Führer der „Extremen", vr. Rittler, aus dem „patriotischen" Fractionsvorstandc zurückgetreten und verkündigt auch seinerseits unumwunden den vollendeten Schisfbruch der Partei. Herr Cigl aber, das von den „Gemäßigten" so grimmig be fehdete vakant terridls des ^bayerischen KlerikaliS- niuS, lacht sich ins Fäustchen. Man begreift den Schmerz, mit welchem die Organe der preußischen Ultramontanen dies Bild der Verwüstung be trachten. In Frankreich haben die Kammern ihre Arbeiten mit dem 8. Januar wieder begonnen. Es hat ein Ministerrath stattgefunden, in welchem Beschlüsse über die Haltung der Regierung bei Eröffnung der Session gefaßt wurden.' Die Re gierung denkt daran, sofort die Bewilligung deS ganzen Budgets als eine Art Vertrauensvotum zu verlangen. Die darüber auSgestreutcn Gerüchte sind nicht so grundlos wie die, daß die Regierung die Auflösung des Achtzchner-AussLuffeS verlangen werde. Diese Gerüchte gehen von den Feinden der Regierung aus; Dufaure würde es zwar gern sebcn, wenn der Ausschuß sich auflöste, aber das Cabinct steht in so gutem Einvernehmen mit den Führern der Linken, daß für dieses daraus keine Unbequemlichkeiten entstehen können, wenn es seinem Programm treu bleibt, während im Elysse allerdings ein wohl begründeter Groll gegen diesen Ausschuß herrscht. Im Senat wird trotz des Zornes der Rechten über Audiffrct-Pasquicr's liberale Mitwirkung während der letzten Krisis die Wahl des Vorstandes dieselbe bleiben. Es steht für Frankreich zu hoffen, daß die so nöthigen Arbeiten der nächsten Session nicht wieder durch theoretische Kämpfe gelähmt werden; die „Asfaire von Limoges" ist für die Kammer allerdings nicht niehr zu umgehen, sie wird jedoch weniger Staub auswirbcln, wenn die Regierung vorher die Meinung der Commandos von compromittirten oder mit besonderm Miß trauen behafteten Bonapartisten vernimmt. Lad mirault, Dncrot, Rochrbuet, Bourbaki und Can- robert sind das Mindeste, was die aufgeregte öffentliche Meinung an Opfern verlangt. ' Auch für die Mannszucht der Armee wäre eine baldio-'