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S3«S näher einzu-chen, daß es Herr vr. Uhlfeld vor Au-sprnch seine- UrtheilS nnterließ. sich darüber z« vergewissnn, wer singen und wa- gesungen werde« sollte? Daß er hier zu rasch gehandelt habe, scheint er selbst erkannt »u haben, indem er einlenkend während der Fahrt zum Friedhofe da- zu singende Lied zu sehen verlangte und dessen Gesang, dafern er nicht- Anstößiges darin finden würde, gestatten zu wollen erklärte. Diese Absicht wurde jedoch vereitelt, weil im Wagen da- Liederbuch nicht zur Hand war und 2. Herr vr. Ahlfeld die Einsicht desselben erst an der Grabstätte ablehnte und nun den Gesang definitiv untersagen zu müssen glaubte. Vergebens fragen wir nach einem probehaltigen Grunde dieser Ablehnung, denn wir können nicht zugeben, daß der Mangel an Zeit oder da- Ungeeignete de- Orte- als solcher zu betten hätte. Da- Abbahren des Sarges vor Beginn der Begräbmßfeierlichkeit währk in der Regel so lange, daß der Geistliche, zumal derselbe mit den gangbaren Grabliedern ohnehin vertraut ist, volle Muße hat, mehr als eines dieser Lieder durchzusehen und deren Zulässig keit zu beurtheilen. Und selbst wenn durch diese Prüfung em kurzer Aufenthalt veranlaßt worden wäre, so mußte e- bei ruhiger Er wägung klar einleuchten, daß dieser Uebelstand ein bei weitem ge ringerer sein müsse, als der, welcher in Folge der geübten Zurück weisung und der damit verbundenen Aussaat de- Unfriedens auf dem Wege zum Friedhofe mindestens befürchtet werden mußte. Wir sind weit davon entfernt, dem die Beerdigung begleitenden Geistlichen da- Recht, obschon kein geschriebenes Gesetz dafür uns bekannt ist, streitig machen zu wollen, daß er die am Grabe zu singenden Lieder vorher einsehe und prüfe, wohl aber bestreiten wir auf das Entschiedenste die RechtSbeständlgkeit des Anspruchs, daß ihm schon vor dem Betreten de- Friedhof- diese Lieder vorgelegt werden müßten. Müssen wir daher auch in dieser Ablehnung eine Handlung geistlicher Unduldsamkeit erblicken, so ist dieß mit gleicher Entschieden heit der Fall 3. im Bezug auf die vom Herrn vr. Ahlfeld seinem Verbote de- Singen- beigefügte Drohung. Bei der Beurtheilung dieses PuncteS legen wir darauf nicht daS geringste Gewicht, daß dem Herrn vr. Ahlfeld weder eine Polizeigewalt auf dem Friedhofe selbst, noch insbesondere eine Amtsgewalt über den Todtengräber oder, wie er ihn bezeichnet, über den Gottesacker - Inspector Heyne zusteht. Wenn er sich da her mit Rücksicht auf dieses Resiortverhaltniß schon in der Art seiner Drohung vollständig vergriff, so bedauern wir hinzufügen zu müssen, daß nach unserem Dafürhalten der Fehlgriff, überhaupt eine Drohung ausgesprochen zu haben, ungleich erheblicher ist, denn man braucht sich nur den Fall zu vergegenwärtigen, daß Herr vr. Ahlfeld in die Verlegenheit gesetzt worden wäre, seine Drohung ausführen zu wollen, und man wird leicht begreifen, daß ein solcher Versuch die bedenklichsten Folgen für den Ernst der Handlung, für den Frieden desOrteS und für die Würde des geistlichen Amtes hätte nach sich z-bhen können. Die Gefahr, die somit in der ausgesproche nen Drohung lag, konnte und durfte bei ruhiger Erwägung dem Herrn Pastor vr. Ahlfeld nicht entgehen; daß er sie dennoch nicht zurückhielt, ist für uns hinreichender Beweis, daß die ruhige Er wägung von der geistlichen Unduldsamkeit überwogen wurde. Daß wir bei der im Vorstehenden dargelegten Beurtheilung des objectiven ThatbestandeS diese- Unheil dem Herrn vr. Ahlfeld, wenn auch in Beachtung der Gründe, welche psychologisch dessen Verhalten erklärlich machen, in der mildesten Form, zu eröffnen für angezeigt und gerechtfertigt erachteten, wird näherer Begrün dung nicht erst bedürfen. Da jedoch hierin zu emer Ueberein- stimmung mit dem Herrn EphoruS nicht zu gelangen war, so mußten wir davon absehen, glaubten aber dessen ungeachtet bei der Vorgesetzten Königlichen Consistorialbehörde beantragen zu sollen, daß von derselben dem Herrn vr. Ahlfeld zu erkennen gegeben werde: wie sein Verhalten in dem mehrberegten Falle nicht zu bil ligen, demselben vielmehr dringend an das Herz zu legen sei, sür künftig ähnliche Vorgänge zu vermeiden. Diesen Antrag erachteten wir nicht nur für sachlich begründet, sondern auch für rathsam, denn je höher wir die geistliche Stellung de- Herrn vr. Ahlfeld halten und jemebr wir davon Überzeugt W>, daß fein ganze- Streben auf die Wahrung der Interessen der evangelisch-lutherischen Kirche gerichtet ist, um so weniger vermochten wir e- im Einklänge mit unserer materiellen Auf fassung de- ganzen Vorgänge- für gerechtfertigt zu erachten, sollte derselbe auf verhangene Irrthümer Nicht aufmerksam gemacht werden. Der Irrthum ist eine Folge der menschlichen Unvollkommenheit, und war der Irrthum wirklich nur Irrthum, d. h. in gutem Glauben begangen, so liegt darin, daß der Irrende auf denselben aufmerksam gemacht wird, weder für ihn noch für sein Amt irgend .eine wirkliche Beeinträchtigung. Auf solchen Irrthum Hinzuwelsen und denselben zu berichtigen, hielten wir aber um so wehr für dringende Pflicht, als derselbe im vorliegende« Kalle naH Unserer Auffassung geeignet schien, in seinen Folge», sei e- für die Kirche, sei es für den Staat zum Nebel auSzuschla-en; denn nirgend- ist dies nach unserer Ueberzeuguug mehr der Fall als da, wo geistliche Unduldsamkeit den Frieden in der Kirche, im Staate, in der Gemeinde und in der Familie zu gefährden droht. In der Geschichte aller Zeiten und aller Völker glauven wir für diese unsere Ueberzeugung Beweise mehr als zur Genüge zu erblicken. Die Entscheidung der König!. Consistorialbehörde weist eine von der unsrigen völlig abweichende materielle Beurtheilung de- frag lichen Vorganges nach und aufGrund derselben mußten nothwendig auch die daraus gezogenen Schlußfolgerungen von den unsrigen völlig verschieden sein. Zn größter Hochachtung verharren wir. Leipzig, den 19. Mai 1865. Der Skath der Stadt Leipzig. vr. Koch. Schlerßner. Von dem Vorlesen der bereit- veröffentlichten Verordnung der Königl. KreiSdirection sah die Versammlung ab. Herr vr. Schildbach bezeichn« die unverkürzte Veröffent lichung der vielfach mit ^beifälliger Zustimmung begrüßten RathS- zuschrlst als höchst wünschenSwerth, weil durch diese Veröffent lichung das Ansehen des geistlichen Amte- nicht verletzt werde, dis Entscheidung der Königl. KreiSdirection in dieser Angelegenheit bereits zur Oeffentlichkeit gebracht sei und es vor Allem gAte, das Recht de- Raths und des Collegiums zu bewahrheiten und zur Geltung zu bringen. Der vom Herrn Vr. Schildbach diesfalls eingebrachte Antrag ward zahlreich unterstützt und gegen 1 Summe angenommen. Vorsteher vr. Joseph machte darauf folgenden Vorschlag: DaS Collegium spricht dem Rathe für dessen würdige und entschiedene Haltung in dieser Angelegenheit seine Anerken nung und volle Zustimmung aus, es ersucht den Rath, ihm über die von ihm beabsichtigten weiteren Schritte Mittheilung zu machen und beschließt, den von Herrn vr. Heyner gestellte» Antrag wegen der Competenzfrage nunmehr an de» BerfaffungS- ausschuß zu verweisen. Herr Lorenz, mit diesem Vorschlag des Vorsteher- einver standen, bemerkte, daß der frühere Antrag des Herrn vr. Heyner in Betreff der KreiSdirection-- Verordnung, welche die DiScussion der vorliegenden Angelegenheit im Stadtverordneten-Collegium verbot, nur in der Voraussetzung vorläufig zurückgezogen worden sei, daß der Rath selbst den richtigen Weg Anschlägen werde. Mau habe sich in dieser Voraussetzung nicht getäuscht. Dennoch nehme er den Heyner'schen Antrag wieder auf und zwar um so mehr, als er das erwähnte Verbot der Königlichen KreiSdirection gesetzlich nicht für begründet ansehen könne. Vergebens habe er in der Städteordnung nach einer Bestimmung gesucht, welche eine solche Beeinträchtigung der freien DiScussion rechtfertige. Selbst der §. 177 lasse sich darauf nicht anwenden. Ein gleiche- Vorgehen fei seines Wissens in Sachsen bisher nicht vorgekommen, eS sei dies der erste Schritt, der gethan worden, um, wie jetzt in Preußen geschehe, die Selbstständigkeit der Gemeindevertretungen zu unter drücken. Man möge daher Alle- daran setzen, um einen solchen Damm gegen die Freiheit der Berathungen der Stadtverordneten nicht aufbauen zu lassen. Die KreiSdirection« hätten keine Präventiv-Censur über die Gemeindevertretungen de- Lande- auS- zuüben und sei es nicht nur eine Pflicht gegen uns selbst, sonder» gegen alle übrigen sächsischen Stadtverordnetenversammlungen, im Beschwerdewege auf eine Remedur dieser Verordnung der hiesigen KreiSdirection seiten de- Ministerium- hinzuwirken, um ein so ge fährliches Präjudiz nicht aufkommen zu lassen. ES gelte, die Städteordnung, das werthvolle Geschenk au- der glücklichen Zeit Sachsens, aus der segensreichen Lmdenau'sche» Periode undurchlöchert zu erhallen und er gebe um so weniger die Hoffnung auf, jene Entscheidung der KretSdirection reformirt z« sehen, als man in den hohen Regionen unserer Staatsorgane den Ruhm einer liberalen Verwaltung vorzugsweise gern in Anspruch nehme und sich unmöglich mit Bi-marck'fchen Principien werde identificiren wollen. Herr vr. Heyner erblickte in der vorliegenden Angelegenheit den deutlichsten Beweis für die traurigen Zustände der Rechts verhältnisse unserer Klrchengemeinde. Sk erwecke in un» da beschämende Gefühl, daß solche Bevormundung und Einengung der natürlichsten und höchsten Rechte z. B. bei de« Juden nie und nimmer Vorkommen könne. Denn diese, un- voran-, erfreut« sich einer Kirchen Verfassung, welche in der Selbstständigkeit ihrer Gemeinde wurzelt. ES gereiche ihm übrigen- zur besonder« Freude, daß die beiden Vorredner seinen früheren Antrag Behuf» der Wahrung de- kleinen MaaßeS unserer Rechte, beziehentlich Behufs der vom VerfassungSau-schuß vorzunehmend« Prüfung der Frage: ob ein Stadtverordneten - Colleamm als Vertreter der Kirchengemeinde sich solche beschränkende Bevormundung gefalle» lassen müsse, wieder in Erinnerung gebracht hält«. Er hoffe um so mehr, daß das Collegium der Stadtverordnei« sein« Antrag annehmen werde, als sich heute in diesem Saale eme allgemeine