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Anzeiger. Amtsblatt des Mngl. Bezirksgerichts und des Raths der Stadt Leipzig. W 253. Dienstag den 10. September. 1861. Bekanntmachung. Die Anlieferung der GaSkohlen für die hiesige Gasanstalt an LV,5VV Centner für Oktober bi- December 1881 und 13L5V0 Centner für daS Jahr 1882 soll im Wege der Submission vergeben werden. Die Bedingungen sind im Locale der Gasanstalt einzusehen; die Preis forderungen find an Herrn Direktor Westerholz versiegelt zu übersenden. Leipzig, den 9. September >861. DeS RathS der Stadt Leipzig Deputation zur Gasanstalt. Das Große im Meinen*). Erregt der mächtige Betrieb aller jener Gewerbe, aus denen die bedeutendsten und schönsten Gegenstände de- Bedürfnisses wie de- Luxus hervorgehen, gerechtfertigtes Staunen, so kann man andererseits nicht umhin, der großartigen Production d«S an sich Geringfügigen, de- relativ Kleinen, hohe Achtung zu zollen, jener anscheinend ganz unbedeutenden Dinge nämlich, welche in der Riesenmaschine der Gesellschaft kaum zu bemerken und dennoch, nach der nun einmal bestehenden Einrichtung dieser ungeheueren Maschine, zum Gange derselben durchaus nothwendlg sind. Wir wollen, mm Belege de- Gesagten, hier eine Reihe solcher Gegenstände zur Anschauung bringe«, gleich wie man auf einer Wanderung durch Hochgebirge zeitweise anhält, um von den über wältigenden Eindrücken erhabener Naturscenm auszuruhen, Geist und Gemüth durch Aufnahme des Einfachen, menschlich Nahen beim Anblicke einer Baude und de- stillen Familienleben- in ihr zu erquicken und zu kräftigen. Paganini, befragt um sein Urtheil über den seiner Zeit gleichfall- berühmten Wiener Violinisten Mayseder, sagte: »Da-, «aS er spielt, kann man nicht besser spielen"; und die gefeierte Sängerin Catalani sagte von der Sontag: »Ihr Genre ist nicht groß, aber sie ist groß in ihrem Genre". Nun, eine Näh- oder Stecknadel z. B. ist — wie schon Shakespeare den über »Sein oder Nichtsein" raisonnirenden Prin zen Hamlet sagen ließ — gewiß nichts Großes; allein sehen w.r ein Wenig nach, was auS so «inzlaem Dinge werden kann. Zn einer einzigen Fabrik in Oesterreich unter der Ems, näm lich in der Messing - StecknadeUabrik von Kramer und Scheler zu Fischamend, beträgt die jährliche Erzeugung durchschnittlich bei 800 Centner Steck- und an 600 Centner Haarnadeln, deren Ab, sah nach dem Oriente in bedeutender Zunahme ist. Die Nadelfabrication von Karlsbad in Böhmen, deren Er zeuger jene des Kronlandes weit übersteigen, produclrt eine unge heure Masse, welche übrigens, obgleich als inländisches Produtt allgemein gekannt und geschäht, grsßtentheils nur mit englischer Vignette omf dem Markte gen ren, da man eben nur zu würdi- i pflegt, was weit her Es hat sich bereits als wßhl begründete Ueber^eugung heraus. Unter den von Zndustrirfreunden wpnig beachteten Hausindu- striezwkiae« nimmt die Gpielwaaren-Manufaktur de-nörd lichen Böhmens einen bedeutenden Rang ein, und sie beschickt mit ihren Artikeln bereits den Weltmarke. Der Hauptsitz dieses Ge- werbszweiges ist Oberleiten-dorf mit den in einem Umkreise von etwa zwei Meilen befindlichen Ortschaften, wo mehr als tausend Familien darin weit lohnendere Beschäftigung finde» als mit Spitzenklöppeln und Handspinnerei. Es ist diese Gplelwaaren- Manufaktur so recht eigentlich Hausarbeit. Ihre Manntch- faltigkeit ist staunenerregeub; es werde« in dem anscheinend kleinen Bereiche dieser Fabrikation nicht weniger als vierzehn tau send verschiedene Gattungen Gegenstände fabricirt.... *) Kolatschek, Stimmen der Zeit vk 32 Im blühendsten Zustande befindet sich die österreichische Spiel karten - Erzeugung, welche in Wien allein durch zwölf Eta blissements vertreten und deren Export nach der Tüikei, den Donau- fürstenthümern und nach Griechenland noch immer im Steigen begriffen ist; die jährliche Production derselben beträgt circa 50,000 Dutzend Spiele Karten.... Die Aüudwaaren-Jnduftrie ist in Wien entstanden und bis zur gegenwärtigen Vollkommenheit gebracht worden; hier allein sind in acht größeren Etablissements an zweitausend Personen da mit beschäftigt. Die Fürth'sche Fabrik in Schüttenhofen (Böhmen) erzeugt jährlich 1,100,000 Klstchen und 1,200,000 Büchsen und beschäftigt in und außer der Fabrik 1800 Menschen. Die in Chodeuschloß bei Taus befindliche gräflich Stadion'sche Holzdraht- Fabrik, welche Zündhölzchenstäbe erzeugt, liefert im Jahre 40 000 Zcheiben zu 100 Zoll, auS Fichten- und Tannenholz, im Wrtthe von 8000 Gulden. Ueberraschend ist der Betrieb von Meerschaum- und Bern steinarbeiten, welche unter den Wiener Drechslerwaaren den ersten Rang etnnehmen, wovon einen Begriff die Thatfache liefern mag, daß in Einem Fabriketablissement jährlich bei 13,000 Meer- schaumpfeifen, an 16,000 Massapfeifen und gegen 50,000 Cigarren spitzen erzeugt werden, nötigenfalls aber sogar da- doppelte Quan tum geliefert werden kann. Nicht minder lebhaft ist die Fabrikation von Packfong. und Plattirwaaren. Das Packfong wurde in Oesterreich durch Herrn von Gersdorff ins Leben gerufen. Die Erzeugung von Packfonglöffeln allein dürfte gegenwärtig an 200,000 Dutzend im Jahre betragen. Ein eigenthümlicher Industriezweig de- Erzgebirges ist die Blechlöffel- und Gpiegelfabrication. Ihr Hauptsitz ist in Platten, nächst Gottesgab, der höchst gelegenen Stadt des Erz gebirge-. Die Menge der von 120 Meistern aus verzinntem Eisenblech verfertigten Löffel beläuft sich jährlich auf eine halbe Million, diejenige der Blechspieqel auf circa 300,000 Stück, wozu 4000 Centner Eisen und 300 Centner Zinn verwendet werden. Bleistifte liefert dl« europäisch berühmte Fabrik »sn Hardt- muth (dis -um Jahre 1847 ln Wim, seitdem in Budpeis) mit- telst hundert Arbeitern jährlich an 500,000 Dutzend vo« der tziltttz- sten Sötte — das Gras 27 Lr. Conveution-müw» — dis zur feinsten Qualität pr. 10 GuldM. Vom deutschen Markte durch die Nürnberger Production, besonder- von Fader, verdrängt, hat die Hardtmuth'sche Fabrik noch immer sehr ausgedehnte Handels- Verbindungen, »eiche bis nach Amerika sich erstrecken. Sie errang Preismedalllen in Berlin, Wien, Leipzig und selbst im Jahre 1850 ln London. Die Schrauben-, Stiften- und Nietenfabrication erfreut sich i» Nlederösterreich, besonders durch Brevillier u. Co. in Neuktrchen, außerordentlichen Schwunges. In diesem Eta- blissement und in den übrigen acht Fabriken wurden im Jahre 1856 erzeugt: Schrauben 29,300,000 Stück, Stifte 152,400,000 Stück, Nieten 32,425,000 Stück, Schrauben und Nietm (nicht getrennt) 3.000,000 Stück und nicht getrennt anzugebend« Stifte und Nieten 81,000,000 Stück. Schuh-Ahle» wurden in Oberösterretch, wo allein dieser Industriezweig vo» Belang, im Jahre 1855 in 45 Gewerken aus 1160 Centner Stahl 17,400,000 Stück i« Werthe von 83,520 Fl. erzeugt durch 210 Arbeiter, deren Jayreslotz» 16,800 Gulden betrag.