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3588 ' « . Dle Masse de- Volke- ckar und ist loyal, sagten däruM ble Demagogen doch auch in keinem einzigen der ausgeschiedenen Staaten, Texas auSgenommm, die Secession-, und SonderbundS- ordonanz dem Volke zur Ratification vorzuleaen — und in Texas wurde für den Sonderbund eine schwache Majorität auch nur durch bewaffnete Banden, welche jeden UnionSmann zu erschießen drohten, zusammengebracht. Auch war die Sonderbundsacte selbst in den einzelnen StaatS- conventionen (bis auf die von Süd-Carolina) mit einer äußerst geringen Majorität pasfirt, ja in Virginien, Tennessee und Nord-Carolina sogar verworfen worden. Letztere Staaten find freilich durch die ManeuvreS der Dema gogen hinterher überrumpelt und jetzt mit in den Aufstand hinein gezogen worden, indessen unterliegt es keinem Zweifel, daß die größte Anzahl ihrer Bewohner keine Lostrennung von dem UnionS- verbande wünscht. In den Staaten Kentucky und Missouri endlich ist die loyale Partei so stark, daß sie die sonderbündlerisch gesinnten Elemente Niederhalten und beide Staaten für die Union hat retten können. Au erwähnen ist hierbei, daß die loyale Partei in Missouri iden tisch mit den zahlreich dort angesiedelten Deutschen ist, und daß die Regierung zu Washington eS nur dem energischen Einschreiten dreier deutscher Regimenter verdankt, daß der Aufruhr im Keime erstickt und Missouri dem Vereinigten Staatenbunde erhalten worden ist. Wie sich nach Lösung der jetzigen Wirren die Frage der Neger- sclaverei entscheiden wird, ist jetzt noch nicht abzusehen; dem Welthandel dagegen werden ohne Zweifel durch die traurigen Vor gänge in der Union die tiefsten Wunden geschlagen werden, denn Baumwolle, diese- Bodenerzeugniß der Sonderbundsstaaten, so wichtig für die Menschheit als Weizen und Korn, wird nicht allein in diesem, sondern auch in den nächsten Jahren der Un ruhen halber in bedeutend geringeren Beträgen zu Markte kommen, ein Ereigniß, da- für die Industrie und den Handel der gesamm- ten civilisirten Nationen von der größten Wichtigkeit sein muß. Gin Leipziger Ltrchenräuber. kulturgeschichtliche Skizze von Otto Msr. Am äußeren Chore der Nicolaikirche befinden sich einige ver witterte steinerne Grotesken, männliche Oberkörper mit schmerz verzerrten Gesichtern darstellend, von welchen wenigsten- in früherer Zeit die Tradition gar wunderliche Dinge zu erzählen wußte. Die auf der südlichen Seite angebrachte, am besten erhaltene Figur wurde sogar noch vor etwa dreißig Jahren von alten Leuten mit dem Namen Mause-David bezeichnet und dabei bemerkt, dieser berüchtigte Dieb habe vor länger als Menschengedenken eine Be raubung der Nicolaikirche versucht, sei aber dabei gestört und in dem Augenblick ertappt worden, als er eben durch da- Dach schlüpfen und an einem, vorher zu diesem Zwecke befestigten Seile entrinnen wollte. Daß an Sagen und Traditionen inSgemein etwa- Wahre- haftet, beweist auch diese mündliche Ueberlieferung eine- versuchten KirchendiebstahlS durch Mause-David. Die Sache ist wahr und der Räuber wurde am 21. November 1721 unter merkwürdigen Umständen hingerichtet. Daß übrigen- die Figuren am Chor, deren eine ihn bedeuten soll, viel älter sind, bedarf wohl kaum der Erwähnung. Zu einer Zeit, wo da- alte Leipzig ebenfalls bald nur noch eine Tradition und seiner vormaligen Einrichtungen, Umgebungen, Bauwerke und Jahrhunderte hindurch genannten Familiennamen fast gänzlich ledig sein wird, dürste eS nicht uninteressant erscheinen, bisweilen einen Blick auf jene Vergangenheit zu werfen, in wel cher der Keim de- Fortschritt-, nur langsamer Entwicklung fähig, unter genauer Controls historischer Gewalten stand. Damals umschlossen die Mauern jeder Stadt eine Republik, der Bürger zahlte brav Steuern und Abgaben, besuchte fleißig die Kirche, trug seinen Sonntagsrock mindesten- fünfzehn Jahre und wenn ihm Etwa- in Staat oder Stadt nickt gefiel, so raisonnirte er in wendig, aber — die Leute befanden sich dabei doch wohl! Der Sohn erbte de- Vater- Werkstätte und Kundschaft, die Tochter ging der Mutter in Waschhaus und Küche zur Hand, bis ein ehrsamer Junggesell um sie freite, die Kmder wurden durch Bei spiel, Stock und Gebet erzogen und so lebte man schlicht und recht, nach religiösem und weltlichem Gesetz, bi- da- letzte Stündlein schlug. Ueber seine Sphäre hinauszutreten, den Kaufmann oder Gelehrten zu spielen, da- fiel dem im Aunftzopf verbissenen Bür ger damals nicht ein. Sein Stolz war der Meistertitel. Zu jener Zeit also, wo Foltern, Radebrechen, Säcken, Köpfen und Kirchenbuße noch in voller Blüthe standen, jede anständige Gemeinde nicht ohne einen Galgen für sich und ihre Nachkommen existiren konnte, aber auch der geistreiche ThomasiuS eben gewagt hatte mit allen Waffen de- Verstände- gegen geistliche und welt liche Verdummung, gegen Hexenprocesse, Scheiterhaufen und Marter kammern zu Felde zu ziehen — damal- war e-, wo Johann David Wagner, Mause-David gmannt, auf dem Boden der Nicolaikirche erwischt wurde. Zweijährige schwere Kerkerhaft und die Quake« der Folter, welche damals tn der jetzigen -eichenfchrei. berei angewendet wurde, entrissen dem Räuber nach langem Läug- nen ein Geständniß seine- spitzbübischen Vorhaben-, wobei auch noch zwei Spießgesellen al- Zeugen früherer Beraubung der Thecla- kirche und der Kirche zu Schönau durch Mause-David auftraten. Trotzdem daß dieser später sein Geständniß widerrief und überhaupt jede Beschuldigung abläugnete, wurde er doch am 18. November 1721 eonviotu», non oonksnus, zum Tode verurtheilt. Schon bei Verkündigung de- UrtheilS hatte Wagner eifrig gegen die ihm anqethane Gewalt protestirt und wie- ebenso auch dm angebotenen Trost der Geistlichen zurück. Er erklärte, man könne ihn höchstens zu Gefänqniß oder Landesverweisung verur- theilen, nicht aber zum Tode, denn er sei kein Mörder. ÄlS aber das Gericht auf diese Ansicht nicht einging, wurde Mause-David wüthend, belegte die Gericht-Personen mit höchst zweideutigen Be nennungen und erklärte, daß die Richtersprüche sehr häufig mit dem gesunden Menschenverstände in direktem Widerspruch ständen und da die- auch hier geschehen, er feierlichst appellire. Umsonst bemühten sich die beiden Geistlichen, welche endlich unaufgefordert zu ihm kamen, da- Herz de- verstockten Sünders zu erweichen, Mause-David schenkte ihnen kein Gehör, sondern schimpfte und tobte fort. In dieser Verfassung war der Delinquent auch noch al- der Tag de- hochnothpeinlichen HalSgerichtS und der Execution an- brach. Man mußte ihn mit Gewalt aus der Armesünder stube — im letzten Dacherker de- Rathhause-, nach dem Salzgäßchen hin — auf den großen Saal herabschleppen, wobei er jedoch un aufhörlich über widerrechtliche Gewaltsamkeit schrie. AlS er er schien und der Blutschreier — ein Perrückenmacher Spieß, der dafür drei Thaler bekam — dm furchtbaren dreimaligen Zeter- ruf ertönen ließ, und der GerichtSfrohn, Elia- Gebler, den Ver urtheilten feierlich vor da- versammelte hochnothpeinliche HalS- gericht citirte, blieb Wagner stehen und erklärte: „er sei nicht gesonnen zu erscheinen!" Man riß ihn jetzt mit Gewalt vor die Schranken. Die ganze pedantische Procedur, mit all dem empörenden Firlefanz, sah und hörte der Unglückliche todtenbleich und zitternd mit an; al- aber der Stadtrichter Falkner au- dem Griffe de- vor ihm liegenden „Schwertes der Justiz" da- verhänqnißvolle Stäbchen zog, um e- über de- Verurtheilten Haupt zu brechen, suchte Wagner die- zu verhindern und es entstand ein Tumult, bei welchem fast die Tafel umgestürzt worden wäre. Trotz de- Delinquenten mit angst- bebender Stimme ausgestoßener UnschuldSbetheuerungen wurde der sammt seinen Knechten an der kleinen Treppe harrende Scharf richter Hübner herbeigerufen, welcher ungeachtet aller Gegenwehr sein Opfer erfaßte und ihm die Hände auf den Rücken band. Jetzt wurde jener abscheuliche Zug gebildet, welcher damals dem Verurtheilten da- Geleit gab, und dessen vornehmste Teil nehmer nach der Hinrichtung sich von der gehabten Anstrengung durch eine solenne MittagSmahlzeit und ein nicht weniger splendi de-Abendessen, da- auS zehn Gerichten bestand, zu erholen pflegten. E- dürfte den meisten unserer jüngeren Leser vielleicht nicht unlieb sein, wenn wir eine Reihenfolge diese- vormaligen ExecutionSzugs mittheilen. Aeltere Leute werden sich noch der letzten hochnoth peinlichen Verurtheilung im Jahre 1824 erinnern. AlS Wagner zum Tode geführt wurde, war der Zug folgender maßen geordnet: 1) Voran gingen zwei Glieder Stadtsoldaten, jedes vier Mann hoch, von einem Corpora! geführt, - 2) hierauf ritt der Obervoigt (jetzt Inspektor genannt) Michael Senkeisen, einen Stab in der Hand haltend, 3) die AuSreiter Löschke, WachSmuth und Stöhr, im Küraß mit Sturmhauben, ebenfalls zu Pferde, 4) fünfzig Mann in Rathspflicht stehende niedere Diener, als sogenannte Weißkittel, Bierzieher, Getreide- und Kohlenmesser, Kohlenträger und Lampenwärter, alle mit Seitengewehren und Piken versehen, jede- Mal vier in einem Gliede, 5) zwanzig Thomasschüler paarweise, zur Seite acht bewaffnete RathSknechte, 6) der erste Stockmeister und sechs Knechte in zwei Gliedern, in Kürassen und Sturmhauben, mit Sperren auf der Achsel, 7) der arme Sünder, von dem ArchidiaconuS der ThomaS- kirche Licentiat Carprow und seinem College« an der Nicolaikirche Licentiat RomanuS Teller begleitet, hinter ihnen die Küster Rost und ManitiuS, 8) der Stockmeister mit einem Kännchen Wein und der Scharfrichter mit seinm Leuten, die den armen Sünder gebunden führten, S) sechs geharnischte Rathsdiener in zwei Gliedern und sechs andere zu beiden Seiten de- Verurtheilten, 10) der Odermarktvoigt Karl Fichtner, 11) der VicegerichtSfrohn Nietschmann zu Pferde, 12) eine Kutsche mit dem regierenden Stadtrichter vr. Falkner, dem Stadtrichtrr vr. Birnbaum, dem Oberschöppenschreiber Bit torf und dem Gericht-schreiber Reißig, IS) der GerichtSfrohn Braun mit dem Richterschwerle um gürtet, zu Pferde,