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1V26 5. 1 . *K Hä«* ' V,-MÜM.. 1ä / chen Derhälftlissen sich bei geistigen Getränken einer, noch durch da- Bewußtsein treu erfüllter Beruf-pflicht gehobenen heitern Stimmung hingibt, fo wird kein Vernünftiger etwa- Außerge wöhnliches darin finden; im Gegmtheil, solche Unterbrechungen geben dem Alltagsleben wieder neuen Reiz und Spannkraft für ernstes kräftiges Schaffen und Wirken. Die- war so, ist so und wird auch so bleiben, und wird sich weder wegphilosophiren noch wegpredigen lassen. Aber auch hier finden wir eine Grenze ge steckt, welche, wird sie überschritten, zu Störung, Abstoßung oder geringerer Achtung führt. Noch unglücklicher sind die unmäßigen Trinker da daran, wo sich der Mensch nach vollbrachtem Tagewerk am wohlsten fühlen soll, im Kreise der Seinen. Statt heiteren, frohen Mienen zu begegnen, blickt er auf den Unmuth, auf den Gram, auf die Noth; er muß, wenn er um sich blickt, und sieht, es fehlt hier, eS fehlt da, zu fich selbst sagen, die- ist dein Verschulden, e- könnte anders sein. Doch will er es nicht eingestehen und in der Aufregung sucht er durch harte Worte seiner gedrückten Stimmung Luft zu machen; Vorwürfe sind die Antwort, und mit dem Trunk ist auch der Unfrieden und der Hader eingezogen. Wie viele Fa milien, welche bei mäßigem Einkommen und dabei mäßigen An sprüchen immer noch ein zufriedene-, vor der größten Noch ge schütztes Leben hätten führen können, durch den unglücklichen Hang ihres Oberhauptes dem größten Elend, der bittersten Armuth ver fallen, darüber können Ortsvorsteher, Vorsteher von Armenan stalten, Armenhäusern, Correctionsanstalten, überhaupt Alle, welche mit der Armenverpflegung zu thun haben, schreckenerregende Be richte geben. Es kann nicht genug hervorgehoben und in seiner wahren schrecklichen Gestalt dargestellt werden, welchen verderblichen Ein fluß das Benehmen des trunkenen Familienvaters auf die Kinder ausübt; denn wo ein Säufer waltet, da ist auch fast täglich Zank und Streit im Hause, keine Ordnung und Zucht unter den Kin dern, kein gutes Beispiel für Gesellen und Gesinde, ketn Aus kommen, sondern Armuth. Man lasse ein Kind öfter Brannt wein holen, es wird hier und da naschen, und die gefährliche Angewohnheit des Naschens am Branntwein verliert sich mit dm Jahren der Verstandesreife nicht so leicht wie bei anderen Gegen ständen der Naschhaftigkeit; im Gegentheil sie wird im Jünglings alter zum Hang und im ManneSalter zur unausrottbaren Leiden schaft. Die übrigen Laster, welche dieser Hang und diese Leiden schaft im unmittelbaren Gefolge haben, die Streit- und Händel sucht, die Spielsucht, sinnliche Ausschweifungen, geben der Trunk sucht ihre große Fürchterlichkeit. Eben wegen der verderblichen Folgen und weil die Trunken heit die Quelle vieler anderen Laster ist, wird sie auch unter die Todsünden gerechnet. Schon eine alte deutsche Sage erzählt uns in tiefer Bedeutung darüber Folgendes: Ein junger Bursche war eines Tage- in Geschäften über Land gegangen; auf dem Heim wege, nicht mehr weit von seinem Wohnorte, sieht er in der Dämmerung auf einem Stein ein kleines graues Männlein sitzen; das Männlein winkt ihm, indem es zu gleicher Zeit den Stein aufhebt und auf einen großen Haufen darunter liegender Gold stücke deutet. Der Bursch, ohne Furcht, und neugierig, waS dies Gebühren zu bedeuten habe, tritt auf das Männlein zu und fragt nach seinem Begehr. Nur erst auf die Anfrage eine- Men schen durfte das Männlein sprechen und es sagte ihm nun: „Ich bin schon lange hierher verbannt und habe nicht eher Erlösung zu erwarten, als bi- ein Anderer cfiif meine Bitte eine Todsünde begeht; willst du die- thun, so nimm dir von dem Gold hier unter diesem Stein so viel du fortbringm kannst. Solltest du aber bloS da- Gold behalten wollen und die Bedingung meiner Erlösung nicht erfüllen, so wird es in deinen Taschen zu glühen den Kohlen werden." Der Bursch überlegte nicht lange und dachte bei sich: Nun, auf einen Rausch soll es dir nicht ankommen, den kannst du morgen wieder auSschlafen und so ein hübsches Sümmchen kann dich dann glücklich machen. Er raffte sich die Taschen voll Goldstücke so viel al- sie fassen konnten und ver sprach dem Männlein seine baldige Erlösung. Treulich hielt er sein gegebenes Wort und in der nächsten Schenke that er de- Guten so viel, als er glaubte, daß eS zur Genüge sei. Al- er spät nach Hause kam, traf er seine Wirthin noch allein und in seinem aufgeregten Zustande versuchte er bei ihr die zweite schwerere Todsünde; aber der von einer Geschäftsreise unverhofft zurück kehrende Ehemann überraschte ihn; e- kam zu einem erbitterten Streit, der zu einem Kampf mit den Waffen überging, in welchem der berauscht« Jüngling zum Mörder de- beleidigten Ehegatten wurde. Auch die dritte größte Todsünde war geschehen. D-r größte Unverstand, oder besser gesagt, die größte Gewissen losigkeit ist e-, wenn Väter ihre Kinder in die Branntweinschenke mitnehmen und ihnen hier sogar Branntwein reichen. An solchen Orten ist die Gesellschaft sehr gemischt und Fluchen, rohe, un züchtige Redensarten machen auf da- jugendliche Gemüth, auf den noch unentwickelten Verstand de- Kinde- einen ganz anderen Eindruck, al- bei verständigen älteren Personen, bei dmen sie nur Ekel und Abscheu erregen. Dem sichern Untergange sind solche Familien geweiht, wo auch die weibliche Hälfte Geschmack an der Branntweinflasche findet; hier verliert der mit dem Hange zum Trinken behaftete Mann vollends allen Halt. Die Bande, welche die Familie unter sich, diese mit der Gemeinde und die Gemeinde mit dem Staate ver knüpfen sollen, sind hier völlig gelöst, und wenn e- bei solchen schließlich noch beim Armenhause bleibt, so können sie von Glück sagen; Betrug, Diebstahl, Selbstmord, Gatten- und Kindermord, Wahnsinn, Zucht- und Irrenhaus sind nicht selten das Ende dieser Unglücklichen, oft auch ihrer Nachkommen*). Für Diejenigen, welche nahe an diesem Abgrunde dahinwan deln und noch einigermaßen ein offenes Auge und einen lichten Verstandesblick haben, müssen die in ihrer Umgebung so häufigen Beispiele von Elend, leidlicher und geistiger Verkommenheit und ihrem Gefolge, welche der Trunk mit sich führt, schreckende Mah ner zum Jnnehalten und zur Umkehr sein; solche Beispiele müssen zum innern stillschweigenden Geständniß zwingen, daß, wenn sie ihren verderblichen Hang auch noch bis zu einer gewissen Grenze vor ihrer Umgebung zu verdecken wissen, sie eben so bald ein un bewachter Augenblick überraschen und zum Verderben führen kann. Obgleich bis jetzt nur von den Folgen de- häufigen unmäßigen Trinkens, von der Trunksucht die Rede war, so hat doch auch das mäßige GewohnheitStrinken seine Schattenseiten, welche eben falls näher betrachtet und Hervorgehoden zu werden verdienen. Welchen nachtheiligen Einfluß das sogenannte mäßige Gewohn heitStrinken auf die Gesundheit hat, darauf ist schon in der vori gen Betrachtung hingewiesen; aber auch die ökonomische Seite giebt zu manchen Bedenken Anlaß. In der so leichten Weise, sich für die geringste Münze zu jeder Tageszeit Branntwein verschaffen zu können, liegt das da- Wein- und Biertrinken weit überragende Uebel; beide letztere Ge tränke werden in der Regel nur Abend- nach gethaner Arbeit bei geselliger Unterhaltung und zur Erholung genossen und Völlerei findet man hier viel seltener; da-Branntweintrinken dagegen fängt schon Morgens früh an. Der Unbemittelte sucht den Mangel eines nahrhaften Frühstücks durch den wohlfeilen und fast auf jedem Schritt zu habenden Branntwein zu ersetzen; ein Gleiches thut er Nachmittags, wenn seine kärgliche Mahlzeit bei vielleicht schwerer, anstrengender Arbeit nicht mehr nachhalten will. Wenn er nun Morgens und Abend- je 6 Pfennige dafür ausgiebt, so beträgt da- in einem Jahr die Summe von nahezu 15 Thalern; dies ist das Minimum, welches aber, wenn man die Mehraus gabe bei besonderen Gelegenheiten, als sehr kalte Tage, Sonn- und Festtage, unverhoffte kleine Einnahmen und manche andere Gründe hinzurechnet, durchschnittlich auf 2V Thaler anzuschlagen ist. Zwanzig Thaler ist bei einer JahreSeinnahme von 150 bis 200 Thaler ein wohl zu beachtende- Sümmchen, für welche- so man ches Nothwendige im Haushalt angeschafft, der Familie bei gewissen Anlässen so manche kleine häusliche Freude bereitet werden könnte. Was der mäßige, ganz unschuldig scheinende Genuß de- Brannt weins hinwegnimmt, dafür könnten wöchentlich einige Pfund nahrhaftes Fleisch mehr gegessen werden, und wenn der erste« nur Einem zu Gute kommt, so könnten sich an letzterem Mehrere laben. Rechnet man in einer Stadt von 70,000 Einwohnern nur 5000 mäßige Trinker, welche jährlich jeder 20 Thaler für Branntwein au-geben, so macht die- 100,000 Thaler ohne Zinsen. Aus dieser nur sehr gering angeschlagenen Summe wird Jeder leicht berechnen können, warum sich der Staat bei der Steuer, die Produzenten, sowie die Groß- und Kleinverkäufer bei dem Brannt weingeschäft so gut stehen, und welche- bei dm Verbrauchern der *). Tin« zwar nur Seiten starke, aber in ihrer Kürze um so ein dringlichere und ergreifende Schilderung solcher Verhältnisse giebt da- in der I. I. Weber'schen Buchhandlung in Leipzig in vielen Auflagen erschienene und für den billigen Preis von I'/, Ngr. schön au-gestattett Schristchen: „Die Flasche. Tine Erzählung in acht Bildern. Von Ferd. Naumann ". Mit acht sauberen Illustrationen von G. Eruik - shank.