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s Anzeiger. ^ sso. Sonnabend den 16. December. 1854. Laudtagsmittheilungkn. Dreiundzwanzigste Sitzung der ersten Kammer am 14. December. Die erste Kammer hat sich in ihrer heutigen Sitzung mit Be- rathung der »Och statt-ehabtem Vereinigung-verfahren noch stehen gebliebenen Disftrenzpuucte beider Kammern bezüglich de- Straf gesetzbuch- und der Strafproceßordnung beschäftigt. Zehntes Abonnement-Loncert im Saale des Gewandhauses. An der Spitze diese- ConcerteS — dessen ganzer erster Theil neue und hier noch nicht aufgeführte Musikstücke enthielt — stand eine Symphonie von Albert Dietrich, ein freundliche- Werk, da- für baB Latent und da- ernste Streben seine- Schöpfers sprach. Geschickte formelle Fassung und eine gewisse Frische und Lebendig keit zeichnen diese übrigen- anspruch-los auftretende Symphonie aus. «n »eisten sprach un- der zweite Satz (^väantv) an, ob wohl auch hier die eindringlichen Motive — eben so wie im ganzen MW — nicht immer original sind und der Einfluß von Vor- bWern (vorzua-rveise Gäbe und Mendelssohn) oft sehr bemerkbar horBsttri«. Der erste Satz erschien uns am wenigsten geglättet und fast jo, als wm» der Componist ursprünglich eine größere und breitere Anlage für die Symphonie im Sinne gehabt hätte. Da- Scherzo ist ein lebendige- und leicht faßliche- Musikstück, übrigen sehr elegant und nett au-gearbeitet; der vierte Satz erscheint wie ein Resumo der drei vorhergegangenen — die hauptsächlichsten Motive au- diesen rauchen hier, nicht ohne Geschick verwendet, wieder auf. Die Symphonie fand eine beifällige Aufnahme und e- spricht für sie, daß sich die Theilnahme mit jedem Satze steigerte. Jedenfalls aber hätte das Werk ohne eine gewisse Monotonie, die ihren Grund aber mehr in der übrigen- eleganten und geschickten Orchestratlon haben mag, von noch entschiedenerer Wirkung sein können. — Die zweite Nummer de- ersten TheileS war eine Eamaßi« von Meudel-sohn, die man in dessen Nachlasse als Manuskript auhefuuden und die eigentlich zu dem Oratorium „Paulus" gehörte. Der Meister, der wie alle großen Künstler eine sehr scharfe Selbstkritik übte, hatte gewiß die triftigsten Gründe, «e-halb er diese Cavative au- seinem Oratorium strich; wiralauben daher nicht, daß mau mit Vorführung derselben im Sinne Mendels sohn- gehandelt hat, am allerwenigsten hätte man aber eine junge Sängerin mit dieser Cävatkne debütiren lassen sollen. Das Musik stück steht den anderen derartigen Werken de- Meister- weit nach, ist übrigens auch ziemlich unsangbar, und wenn Frl. Auguste Koch diese schwierttze Atssgabe beftiedigend löste, so gereicht bie der jungen, tüchtig gebildeten Sängerin nur um so mehr zur Ehre. -- Di» intereffanteste Nummer des ConoerteS war eine „Phantasie in dwt Sätzen für Pianoforte pnd Orchester", deren Componist, Herr A. Rubinskein, -je Pianofortepartie selbst vortrug. Wr haben hier ein Werk von wirklicher und großer Dedeutttna kennen gelernt, ein Werk, mit dem etwa- wahrhaft Reue- gesetzt worden, da- vollständig in formeller und geistiger Beziehung von bereit- vorhandenen ähnlichen Erzeugnissen abweicht. Das große productive Talmt, das uns schon in der kürzlich ge gebenen Synwhonie „Oceatt" so übrrzeugwd und zweifellos ent- geaentrat, entfaltet sich auch in diesem Werke mit überwältigender Macht. Der Soaiponlst läßt ftiner blühende«, etwa- wilden Phantasie hier vollständig die Zügel schießen, und wenn er auch ln Folge dessen vielleicht etwa- zu viel giebt und die Wogen de- gewaltigen TonmeereS un- mit Ungestüm bestürmen, so reißt er doch unwillkürlich hin und zwingt durch die Macht seiner großen und schönen Gedanken den Hörer, ihm mit unablässiger Spannung zu folgen. ES ist unmöglich, bei einem so reichen und tiefen geistigen Inhalt nach einmaligem Hören da- ganze große Werk vollständig zu erfassen, noch weniger eine nur einigermaßen er schöpfende Analyse diese- Inhalt- zu geben — die Kritik hat in diesem Falle ihre Pflicht gethan, wenn sie das Bedeutungsvolle einer solchen Erscheinung erkannt und gewürdigt hat. Auch in formeller Beziehung erscheint diese „Phantasie" originell. Da- Orchester beschränkt sich nur auf einfachere Mittel, und doch er reicht der Componist mit diesen Große-. Durchaus neu und wunderbar schön ist die Behandlung de- Pianoforte- dem Orchester gegenüber, und in Verschmelzung mit demselben. Es tritt dieses Jastrument nicht allein coucertirend auf, e- erscheint al- wirklich integrirender Theil de- Ganze«, co- und subordinirt sich sogar öfter dem Orchester, so daß diese- nicht dienend, wie gewöhnlich in dem Clavier-Concerte, sondern als selbstständige Macht auf- tritt. Der Componist baut somit auf dem von Beethoven gelegten Grunde weiter; denn schon in den Clavier-Concerten diese- Heroen ist dem Orchester eine bedeutungsvolle Rolle zugetheilt. Al- Pianist nimmt Herr Rubin stein eine hohe Stuft ein. Abgesehen von einer höchst vollendeten Technik, ist sein Spiel von einem Schwung, von einer Begeisterung getragen, wie sie nur einem Meister möglich sind. Es zeigte sich diese wahrhafte Virtuosität im schönsten Sinne nicht allein in diesem Vortrage, sondern auch in den drei Solo stücken eigener Composition, die Herr Rubinstein im zweiten Theile gab: Notturno, kraeluäinm und Ltu6e. Besonders das Letztere riß die Versammlung zu dem ungetheiltesten Enthusiasmus hin. — Die übrigen Nummern des zweiten TheileS waren die in letzter Zeit bei feierlichen Gelegenheiten hier oft gehörte Jubel- Ouvertüre von C. M. v. Weber, Arle und Duett au- Mozarts „Entführung" — von den Herren Schneider und Behr vor trefflich gesungen — und Mendelssohns Composition eines TheileS aus Schillers Gedicht „An die Künstler", von dem Pauliner- Verein — die Soli von den Herren Schneider, Langer, Cramer und Behr — sehr brav vorgetragen. Die Aufführung diese- übrigens prachtvollen Musikstücke- mit einem der Zahl nach verhältnißmäßig schwachen Chore und mit der rauschenden Be gleitung der Messing-Instrumente scheint un- im Concertsaal nicht ganz am Platze zu sein. Da- Werk ist darauf berechnet, von einem au- einigen hundert Personen bestehenden Chor im Freien ausgeführt zu werden, und da wird es auch stet- von der gewal tigsten Wirkung sein. — Uotij. Die Franks. O.-P.-A.-Aeltung schreibt aus Frankfurt a/M. vom L. December: „Der Oberinspektor bei dem hiesigen Haupt steueramte, Herr Franz Heinrich Lamm, ist nach Leipzig be rufen und sind demselben bei Gelegenheit feiner Atzrejse vom hohen Senate und von hiesigen Handlung-Häusern, Freunden und Be kannten al- Zeichen der Achtung und Anerkennung seiner lang jährigen verdienstvollen Amtsthätigkeit in hiesiger Stadt werthvolle Andenken überreicht worden." Herr Odersteuer - Inspektor Lamm ist am 3. December hier in Leipzig eingetroffen und am S. Der. in sein neues Amt ein gewiesen worden.