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und Anzeiger. M SS2 Dienstag den 28. November. 1854. . Wer Saurath. (Eingesendet.) Da- große Loch ist eine große Noth. In das große Loch ist das Frauencollegium gesunken, welches die Stadt gekauft hat, um der Noth und der Schmach ein Ende zu machen, welche die Re volution von 1880 durch Aufstellung eines Fleischmarktes auf dem Nicolaikirchhofe gebracht hat. Au der ersten Noth ist nun die zweite Noth hinzugekommen, daß da- Loch, so lange es offen steht, die Zinsen verschlingt, welche die bereits verwendeten Kauf- unb Anlagecapitalien heischen. Statt das Loch wieder zuzumachen und die Zinsen durch Aufstellung von Buden aufzubrinqen, oder sonstwie vernünftiger Weise nach dem Plane des Rathes zu utilistren, räch ein weltlicher Freund der Stadt, der Kirche eine neue Noth und Schmach zu bereiten und die Wohnungen der Geistlichen in das große Loch zu stellen, die Nicolaischule mit Lehrerwohnungen neben das Armenhaus zu bauen. Die Lehrer sucht der Baurath allerdings auf seine Seite zu bringen, und so mit die Interessen der Kirche und Schule zu trennen. Nun insofern ist der Rqth wenigsten- klug. Daß aber der Baurath nicht- von de« Letzen einer Kirche solcher Ausdehnung, wie von de« der Parochialkirche zu Sr. Nicolai weiß, und nicht beobachtet haben kann, welch ein Verkehr zwischen der Kirche und den Geist lichen außer der Zeit des Gottesdienste- ist, die- zeigt sein Rath. Warum nicht lieber die Kirche mit den geistlichen Gebäuden und der Schule vor di« Stadt setzen? Nach der Theorie des Bau- rathe- sind in einer Stadt Kirche und Schule Anstalten von ge ringem Werth und Belang! Ob die Gemeinde sie in ihrer Mitte hat, darauf kommt nicht- an. Man nehme sie der Gemeinde, damit sie vielleicht durch Entbehrung diese schätzen lerne, wenn sie dieselben nicht achten sollte. So steht es aber in der That nicht. Rath und Gemeinde haben gerade diese Institute stets hochgeachtet und haben anderen Orten auch in der neuesten Zeit ein beachtungs- werthes Beispiel gegeben. Gewiß ist dies nicht der geringste Ruhm Leipzigs. Wenn der Baurath aber den Satz aufstellt, daß auch die städtische Gemeinde Speculationsbaue unternehmen könne, wie eS die Universität gethan, so wollen wir den Satz hier weder an greifen, noch rechtfertigen. Die Universität aber hat wenigstens ihre Auditorien, Museen, Bibliothek und das anatomische Theater nicht verlegt, um an deren Stellen Speculationsgebäude aufzu- führen. Und ob die Bürger damit zufrieden sein würden, wenn der Rath ihnen durch solche großartige, über ganze Plätze weg gehende Speculationsgebäude das Brod schmälern wollte, dies dürfte der Baurath auch nicht berücksichtigt haben. Wenn aber den Lehrern der Nicolaischule, und billiger Weise auch der andern Schulen, Wohnungen gegeben werden sollten, so möchte der Bäv- rath noch die Vortheile seiner SpeculationSbauten Nachweisen. Oder sollten nur manche Lehrer Wohnungen erhalten, so möchten vor Allem die zu St. Thomä solcher bedürfen, welche abwechselnd eine Woche lang in Ermangelung solcher Amtswohnungen ihr Quartier bei dem Alumneum in der Schule nehmen müssen. Sollte dazu nicht aus dem Thomaskirchhofe Platz sein und die lehrerfreundliche Absicht de- BauratheS dort ausgeführt werden können, so würde man «eitere Vorschläge de- Baurathe-, dem wir nicht vergreifen mögen, abzuwarieu haben. Hier genüge einst weilen die Bemerkung, daß die finanzielle Seite, welche der Bau rath nicht zur Berechnung vorgelegt hat, bei seinen Vorschlägen noch manche- Bedenken übrig läßt. Einen kleinen Umstand aber hat er vergessen, daß, wenn auch die Stadt Leipzig die Verpflich tung hat, die Gebäude in baulichem Stande zu erhalten, die Ge bäude jedoch nicht Eigenthum der Stadt sind, mit denen sie schalten und walten kann, wie ihr beliebt. Die Güter sind ein bloßes Fideicommiß, über welches die Kirche, das Consistorium, der Staat zu wachen haben. Die Nicolaikirche hat bekanntlich Otto der Reiche gebaut, als die Freiberger Silberbergwerke ent deckt worden waren. Die Erhaltung der Kirchen, Schulen (zu Gt. Thomä und Nicolai) und der geistlichen Gebäude, die nie mals im Besitz der Bürgerschaft gewesen, an ihren Stellen hat der Kurfürst Moritz in seinen Verordnungen vom L. Mai und 21. August 1543 dem Rath zur Pflicht gemacht und dafür Pfaffendorf, Eleuden, Sommerfeld, die Wehrbrücher Mark. BaalSdorf, die Melscher Mark, Heydau, da- Rittergut Connewitz, da- Dorf Anger, Schkorlopp und da- Rittergut Modelwitz überlassen und bestimmt. Der Baurath wird also wohl die Kirche und die Nicolaischule, die schon vor 1392 Parochial- schule war, auf ihrem historischen Boden stehen lassen müssen. Stadtthester. Göthe's „Faust" wurde am 2st. Novbr. wieder gegeben. Die Vorstellung gewährte auch in so fern ein erhöhtes Interesse, al- die beiden männlichen Hauptrollen zum ersten Male von zwei neuengagirten Mitgliedern unserer Bühne gegeben wurden, und diesen somit einmal wieder die beste Gelegenheit wurde, sich von den vorteilhaftesten Seiten zu zeigen. Herr Leu chert gab den Faust. Wir müssen gestehen, daß dieser Darsteller unsere Erwar tungen diesmal weit übertroffen hat und daß wir ihm zu dieser Leistung in den Hauptsachen nur Glück wünschen können. Herr Leuchert traf in den letzten drei Acten eben so richtig den ent sprechenden Ton, wie in den ersten und ließ auch in jenen noch den ernsten Mann der Wissenschaft, den tiefen Denker durchblicken, während man selbst bei anerkannten Darstellern nicht selten den wirklichen Faust in dem Liebhaber Faust gar nicht oder nur mit Mühe wieder erkennen kann. Wir heben diesen gelungenen Zug in Herrn Leuchert- Spiel mit besonderem Nachdruck hervor, weil er für das richtige Erfassen des Charakters von Seiten des Darstellers und für den Ernst spricht, mit dem dieser sich seinem schönen Berufe hingiebt. Die tiefsinnigen Worte, welche der große Dichter seinem Faust in den Mund gelegt hat, sprach Herr Leu chert mit klarem Verständniß und stets richtigem Ausdruck; eS ging also für den aufmerksamen Hörer keine Stelle in dieser Partie verloren. Nicht wenige Momente in der Rede gab Herr Leuchert in einer von der gewöhnlich gesehenen abweichenden Auffassung wieder, doch ließ sich jede derselben rechtfertigen, vor Allen aber die der Beschwörungsworte: „Salamander soll glühen" rc., die in der Regel mit Pathos gesprochen werden, während sie Herr Leuchert in sichtbarer Aufregung mit Hast schnell herausstieß. Wen» wir diesmal, wie überhaupt bei den Gestaltungen des Herrn Leuchert, einen Tadel aussprechen möchten, so beträfe dieser eine dem Dar steller eigenthümliche Monotonie des Organ- und einige stereotype Manieren beim Sprechen und ln der Mimik. Wir dürfen jedoch dabei nicht unerwähnt lassen, daß der Darsteller sich diesmal sichtlich bestrebte, diese Mängel zu vermeiden; auch hat un- diese Leistung davon überzeugt, daß e- ihm bei dem Ernst seine- Streben- bald gelingen wird, sie ganz zu beseitigen. — Der Mephistopheles de-