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Leipziger Tageblatt UN- Anzeiger. ^ 323. Sonntag den 19. November. 1854. Verordnung an die Polizeiobrigkeiten des Leipziger Kreis-Directions-Bezirks. Das Gebühren mit Streichzundhölzchen betreffend. Obgleich von der Königlichen Kreis-Direction bereits in den Jahren 1847 und 1852 — Leipziger KreiSblatt Nr. II und 91 vom Jahre 1847 und Nr. 143 vom Jahre 1852 — wiederholt auf die dringende Nothwendigkeit der größten Vorsicht bei dem Gebrauche und der Aufbewahrung von Streichzündhölzchen, insbesondere damit Kinder nicht dazu gelangen können, aufmerksam gemacht worden ist, so sind doch seitdem und noch ganz neuerlich mehrere Schadenfeuer vorgekommen, welche durch unvorsichtiges Gebühren mit Streichzündhölzchen, namentlich Seiten der Kinder verursacht worden sind. Die Polizeiobrigkeiten des Leipziger Kreis-Directions-Bezirks werden daher von neuem angewiesen, den ihnen unter gebenen Gemeinden und insbesondere den Familienhäuptern die größte Vorsicht und Sorgfalt bei dem Gebrauche und insbesondere der Aufbewahrung der Streichzündhölzchen in einer Weise, wobei sie namentlich Kindern nicht zugänglich werden, nochmals nachdrücklich zur Pflicht zu machen, auch auf die Befolgung dieser Anordnung durch die ihnen unter» gebenen Polizeiorgane strenge Obsicht führen zu lassen. Leipzig, den 8. November 1854. Königliche Kreis-Direktion. Äckermann. Friedrich. . e.«., Stadttheater. Ein Stück älterer Zeit — „Die Laster sch ule", Lustspiel in fünf Acten nach dem Englischen des jüngeren Sheridan von Schröter — ging zum ersten Male auf unserer Bühne am 17. November in Scene, fand aber im Ganzen nur eine laue Ausnahme trotz der im Allgemeinen lobenswerthen Darstellung. Es konnte dies auch kaum anders sein, denn das Lustspiel gehört einer Geschmacksrichtung an, die nicht mehr die unserer Zeit; es ist mit einem Worte etwas altmodisch und veraltet — ein Schick sal, das es mit allen dramatischen Erzeugnissen der Vergangenheit theilt, die als Kundgebungen von immerhin respektablen Talenten zweiten und dritten Range- nicht über ihrer Zeit, also nicht auf der Höhe der Classicität stehen. Es soll damit durchaus nicht gesagt sein, daß dergleichen Werke einen geringeren absoluten Kunst werth haben, als die ebenfalls mehr oder weniger ephemeren Erzeug nisse der Gegenwart, welche oft noch mehr an Unwahrscheinlichkeiten, Uebertreibungen, verfehlten Charakteren rc. leiden — aber alle diese Fehler werden unserem heutigen Publicum durch den modernen Anstrich de- Ganzen erträglicher und minder auffallend. Auch die meisten Theaterstücke der jetzt lebenden und wirkenden Autoren zweiten Ranges werden einer späteren Generation altmusterig er scheinen, vielleicht kaum so viel kunsthistorisches Interesse in An spruch nehmen können, als Stücke, wie das in Rede stehende. DaS Lustspiel „die Lästerschule" laborirt, abgesehen von der nichts weniger als geschliffenen Sprache, vor Allem an Unwahr scheinlichkeiten, die an daS Possenhafte anstreisen, an dem Mangel organischer Entwickelung und erschöpfender, lebenswahrer Charak teristik. Einzelne gelungene Züge, einzelne trefflich gezeichnete Episoden können die Hauptmängel des Stückes nicht decken. Welche trostlose Figur ist z. B. der Jacob Dehnholm, eine Art von Jntriguant, der aber entweder gar nicht- thut oder, wenn er intriguirt, e- so plump und ungeschickt anfängt, daß man daS Scheitern seiner Pläne schon mit Gewißheit voraussehen kann — und dann die eigentlichen Lästerer, Frau von Werling, Frau von Remdach, Herr von Graudorf und Herr von Wiesen! Es sollen dies Figuren au- der höheren Gesellschaft sein, sind jedoch nur ganz gewöhnliche Klatschgevattern, wie man sie in den mittlere« und niederen Ständen findet und deren Geschäft es ist, ihre Mit menschen am Kaffeetisch um Ehre und guten Ruf zu bringen. Die Medisance ist zwar auch in den vornehmen. Ständen zu Hause, doch wird sie hier feiner und zum Theil in geistvollerer Weise geübt. Ueberdem ist die ganze von der Lästerschule aus gehende Klatscherei von wenig wesentlichem Einfluß auf die Hand lung und letztere könnte am Ende auch ohne jene vor sich gehen. Es ist hier nicht der Ort, näher aus Specialitäten einzuüehen und wir fügen nur noch hinzu, daß das Lustspiel von ungleich mehr Wirkung sein würde, wenn man es anstatt in modernem Costüm in Puder und Haarbeutel oder wenigstens in der Tracht, wie sie unter dem französischen Kaiserreiche üblich war, geben wollte: denn diese altmodischen Menschen paffen mit ihrer beschränkten Denk- und Handlungsweise wenig zu den Kleidern nach dem letzten Ge schmack. — Wie wir schon oben andeuteten, war die Darstellung, bis auf einige Unebenheiten und Lücken im Ensemble, eine recht gute. Frl. Berg gab die Baronin von Ostburg mit natürlicher Grazie und Feinheit; sie hatte dm Charakter richtig erfaßt und wußte namentlich das Naive des zur vornehmen Dame gewordenen Landmädchens glücklich durchblicken zu lassen. Die schwierigen Rollen der Frau v. Werling und der Frau o. Rembach führten Frau Günther-Bachmann und Frl. Huber gelungen durch; Frl. Mühlberg genügte in der unbedeutenden Partie der Amalie. Au den besten Leistungen des Abends rechnen wir die der Herren Pauli (Baron v. Ostburg), Stürmer (Oberst Dehnholm), Böckel (Carl), Gerstel (Moses) und Laddey in der kleinen Rolle des Buschmann. Daß Herr Leuchert die schwierige und undankbare Partie de- Jacob so brav wiedergab, verdient gerechte Anerkennung. * h. Städtisches. Daß vor Kurzem der AugustuSplatz durch Legung von Drairttshren auch für die Regenzeit mehr gangbar gomacht worden ist, als dies zeit- her der Fall gewesen ist, verdient die vollste Anerkennung, und muß