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Leipziger Tageblatt und Anzeiger. 262. Dienstag dm IS. September. 1854. Stadtthcater. Richard Wagners geniales Kunstwerk „Tann Häuser" ging am 17. d. MtS. wieder in Scene, nachdem es einige Monate lang geruht hatte. Wir sahen dieser Aufführung mit um so mehr Spannung entgegen, als nicht allein die Besetzung von zwei Hauptpartien diesmal eine andere war, sondern auch die künst lerische und speciell musikalische Leitung deS Ganzen in anderen Händen als bisher war. Herr Capellmeister Witt fand an diesem Abende zum ersten Male volle Gelegenheit, seine technische und namentlich auch seine geistige Befähigung als Operndirigent zu be währen; denn alle die Opern, die er uns seit seiner hiesigen Wirk samkeit vorführen konnte, waren nicht geeignet, um bei ihrer Auf führung dm ganzen Werth eines Dirigenten kennen zu lernen. Lein Componist der Neuzeit macht aber, wie in allen Dingen, anch bezüglich des Dirigenten so große Voraussetzungen, als R. Wagner, seine Werke können also wohl für einen Probir- ßein «Wh in dieser Hinsicht gelten. Schon die Auffassung der Ouvertüre, da- durchaus richtige Treffen der Tempi, daS Leben und die Wärme, welche sich in ihrer Ausführung kund gab, lieferte den Beweis, daß Herr Capellmeister Witt nicht nur ein im Tech nischen fester und routinirter Orchesterchef, sondern auch ein sehr verständiger, höher gebildeter Künstler ist. Dasselbe innige Ver- trautseln mit dem Geiste Wagnerscher Kunst zeigte sich durch die ganze Aufführung hindurch, und namentlich in den ersten Scenen deS ersten Actes, in welchen — eben so wie in der Ouver türe — die Tempi nur allzu oft, selbst von anerkannt tüchtigen Dirigenten, vergriffen werden. Daß die Aufführung nicht ganz frei von Fehlern und Versehen auf und vor der Bühne war, findet einmal in der Schwierigkeit deS Werkes, dann auch vielleicht in der nur erst kurzen Bekanntschaft zwischen dem Capellmeister, den Sängern und dem Orchester Entschuldigung. UebrigenS waren diese Fehler nur rein technischer Natur, sind also sehr leicht zu beseitigen. Die Partie der Elisabeth sang Frau Schütz-Witt als Gast. Wir wurden durch diese Leistung auf das Angenehmste überrascht, denn wir hatten eine so entsprechende Wiedergabe der sehr schweren Partie nicht erwartet, wenn wir auch nach dem ersten Auftreten der Gastin zu einer guten Meinung über sie berechtigt waren. ES stand die diesmalige Leistung der Frau Schütz-Witt bedeutend Über der als Giulietta, im Gesang sowohl als in der Darstellung. Ein wirkliche- Verstä'ndniß, ein richtige- Erfassen deS Charakter- gab sich hier allenthalben kund. Jene- jugendliche, aber sanfte und milde Feuer, da- die Elisabeth beleben muß, jene sinnige, echte Weiblichkeit, welche der Dichter in den Worten wie in den Tönen dieser Rolle so unübertrefflich geschildert hat, kam im Spiel wie im Gesang der Gastin eben so schön zur Anschauung, wie der tödtliche Schmerz der frommen deutschen Jungfrau über di« Sünd haftigkeit de- Geliebten. Die Tonfärbung der zarten und doch jugendlich kräftigen Stimme der Frau Schütz-Witt und die Art, wie fie ihre schönen Mittel verwendete, konnte die gelungene Darstellung nur erhöhen. Hervorznheben ist besonder-, daß sie die Elisabeth nicht gleich von vom herein al- eine Heilige, sondem als da- rein menschlich fühlende Mädchen gab und erst im dritten Act wie von himmlischem Glanz umgeben erscheinen ließ. Dann aber war ihre Elisabeth wirklich eine Heilige, nicht eine prüde Büßerin ober ein in Holz geschnitzte- empfindungslose- Heiligen bild. Diese über Erwarten sehr gelungene Leistung läßt un- wlederholt den Wunsch aussprechen, die talentvolle junge Künst lerin unserer Bühne dauernd erhalten zu sehen ; solcher aufstrebender junger Talente bedarf unser Theater, um sich wieder da- bereits etwas adgekühlte Interesse de- Publicum- zuzuwenden, da die Verhältnisse eine- nicht subventionirten Stadttheaters nicht der Art sein können, daß vollständig fertige Künstler ersten Ranges für die Dauer hier erhalten werden könnten. — Herr Burger sang als neu engagirtes Mitglied die Partie des Landgrafen Hermann. Er besitzt, wie wir schon bei Gelegenheit seiner früheren Gastspiele sagten, ansprechende, wenn auch nicht große Stimmmittel, die er jedoch noch nicht allseitig zu verwerthen versteht. Vor Allem fehlt eS seiner Intonation an Reinheit, wie er auch nicht immer ganz fest und sicher in seiner Partie zu sein schien. Wir sind jedoch überzeugt, daß der strebsame junge Sänger durch steißige Studien und häufige Uebung bald ein seinem Talent und seinen Mitteln entsprechendes Ziel u» erreichen vermag. — Mit besonderem Lobe gedenken wir der Leistungen der Fräulein Buck (VenuS), de- Herrn Wide mann (Lannhäuser) und de- Herm Brassin (Wolfram von Eschenbach). Fräulein Buck- Stimme hat in neuester Zeit wesentlich an Klangfülle gewonnen, im Spiel und im Gesang hat sie, jedenfalls in Folge der häufigeren Beschäfti gung in großen Partien, unverkennbare Fortschritte gemacht. Herr Wi bemann führte die schwierige und anstrengende Partie de- Tannhäuser, die jetzt ledenfalls zu seinen besten Leistungen gehört, sehr brav durch, eben so wie Herr Brassin bei sehr günstiger Disposition die seinige. Die übrigen hervortretenderen Partien wurden von den Herren Schneider (Walther von der Vogel- weide), Behr (Biterolf) und Frau Günther-Bachmann (Hirt) eben so tüchtig wie früher wiedergegeben. Die übrigen- rößtentheilS vräciS gehenden Chöre ließen bisweilen bezüglich der Reinheit zu wünschen übrig, doch steht zu erwarten, daß bei hoffentlich baldiger Wiederholung des Meisterwerkes dieser Mangel möglichst beseitigt sein wird. Da seit Abgang der trefflichen Harfenistin, Frau Rudolph, die Harfe in unserem Orchester wieder fehlt, wurde deren in dieser Oper so wichtige Partie von Herrn Chordirector Hentschel auf dem Piano sehr tüchtig ausgeführt. Zu wünschen wäre, daß der hier gebräuchliche, wenig ent sprechende Schluß der Oper (der zweite, den der Dichter-Componist gemacht, weil der ungleich schönere erste dem großen Publicum bei der Darstellung zu wenig klar war) in Wegfall käme und statt dessen der dritte, vor Kurzem erst von Wagner verfaßte gegeben würde. E- kann diese Abänderung mit leichter Mühe bewerk stelligt werden; auch würde dieselbe so gut wie gar keine Kosten veranlassen, der Totaleindruck de- Werke- aber wesentlich erhöht werdm. * h. Mo-Kowitische Gesandtschaften in Berlin. Zur Zeit, al- man an europäischen Höfen viel auf Gesandt schaften au- dem Morgenlande gab und darin gewissermaßen eine Anerkennung de- Glanze- und Ruhme- eine« Fürsten und Helden erkannte, den er im Au-lande erworben, sind auch in den Chroniken und Relationen der brandenburgischen Geschichte Berichte über der artige Ambassaden au- dem Orient genauer al- andre verzeichnet. Wie Karl der Große und der Cid Campeador von Persern und Arabem erhielt auch der große Kurfürst mehrfach derartige Gesandt-